Kapitalmarktrecht

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Teil I Einführung › § 2 Der Kapitalmarkt

§ 2 Der Kapitalmarkt

Inhaltsverzeichnis

I. Begriff des Kapitalmarkts

II. Abgrenzung zu anderen Teilen des Finanzmarkts

III. Kapitalmarktteilnehmer

IV. Finanzinstrumente/Wertpapiere als Kapitalmarktprodukte

Ausgewählte Literatur:

Kümpel, Kapitalmarktrecht, Eine Einführung, 3. Aufl., 2004; Merkt/Rossbach, Zur Einführung: Kapitalmarktrecht, JuS 2003, 217.

I. Begriff des Kapitalmarkts

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Eine Definition des Begriffs „Kapitalmarkt“ ist entweder produktbezogen oder handelsbezogen möglich. Eine produktbezogene Abgrenzung unterscheidet danach, welche Produkte gehandelt werden. Handelsbezogen kann differenziert werden zwischen organisierten Märkten und dem grauen Kapitalmarkt. Dabei geht es um die Frage, wie und wo gehandelt wird.

1. Kapitalmarkt

a) Begriff

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Der Begriff „Kapitalmarkt“ umfasst sowohl den regulierten als auch den nicht regulierten Kapitalmarkt. Daher kann er einerseits in den nicht organisierten Kapitalmarkt, der außerhalb von Banken und Börsen abgewickelt wird, und andererseits den organisierten Markt unterteilt werden[1]. Der Kapitalmarkt ist zwar auch ein Wertpapiermarkt und erstreckt sich damit auf den Handel mit den in § 2 Abs. 1 WpHG (Kapitalmarkt ieS)[2] aufgeführten Wertpapieren, bezieht sich aber darüber hinaus auch auf den Markt für Finanzinstrumente[3] (§ 2 Abs. 4 WpHG; Kapitalmarkt iwS).

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Unter „Kapitalmarkt im weiteren Sinne“ war lange Zeit der sog. Graue Kapitalmarkt zu verstehen, ein Markt für Kredit- und Beteiligungsfinanzierungen, der keiner speziellen gesetzlichen Regelung unterlag.

→ Definition:

Grauer Kapitalmarkt ist der Markt, auf dem Anbieter für ihre Aktivitäten keine Erlaubnis der BaFin benötigen und nur wenige gesetzliche Vorgaben erfüllen müssen. Insofern existiert keine (bzw nur eine geringe) staatliche Regulierung.

Dort wurden ursprünglich v.a. Anteile an Publikumspersonengesellschaften, geschlossenen Immobilienfonds bzw die Beteiligung an Bauherrenmodellen gehandelt, wobei die Abschreibungsgesellschaften als KG, GmbH & Co. KG, BGB-Gesellschaft oder stille Gesellschaft gestaltet waren. Die Anteile konnten daher nicht, wie zB Aktien, nach den §§ 929 ff BGB übertragen werden, sondern nur durch Abtretung vom Alt- auf den Neugesellschafter (§§ 398, 413 BGB). Inzwischen sind viele Teile des ehemals „Grauen“ Kapitalmarkts nicht mehr „grau“, da er weitgehend im VermAnlG und im KAGB geregelt ist.

Beispiel:

Zahlreiche Crowdfunding-Plattformen sind so ausgestaltet, dass eine Erlaubnis der BaFin nicht erforderlich ist und damit auch keine Aufsicht durch diese besteht. Insofern zählen diese nun zum Grauen Kapitalmarkt.

b) Primär- und Sekundärmarkt

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In Bezug auf den Kapitalmarkt ieS kann zwischen dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt unterschieden werden.

→ Definition:

Primärmarkt ist der Markt, auf dem Kapitalmarktpapiere (wie etwa Aktien) zum ersten Mal angeboten werden.

Die Platzierung geschieht durch Begebung (Emission) der Wertpapiere. Die Erstplatzierung vollzieht sich ohne den Handel an der Börse, sie ist ein außerbörslicher Markt.

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An den Sekundärmärkten findet der Handel mit Kapitalmarkttiteln nach der Platzierung bei den Ersterwerbern statt.

→ Definition:

Sekundärmarkt ist jeder börsliche und außerbörsliche Markt, der der Zirkulation von bereits emittierten Wertpapieren durch wiederholte Kauf- und Verkaufsvorgänge dient.

Der wichtigste Platz für die Sekundärmärkte ist nach wie vor die Börse. Auch am grauen Kapitalmarkt konnte zwischen Primär- und Sekundärmarkt unterschieden werden. Für die Anteile gibt es nur einen kleinen Sekundärmarkt[4].

2. Organisierte und nicht organisierte Märkte

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Der deutsche Kapitalmarkt ist im Wesentlichen ein organisierter Kapitalmarkt. Nicht organisierte Märkte können etwa bestehende Kreditbeziehungen (Darlehen, Beteiligungen, Hypotheken) sein.

→ Definition:

Organisierter Markt iS des § 2 Abs. 11 WpHG ist ein multilaterales System, das erstens im Inland oder in einem EU- oder EWR-Staat betrieben oder verwaltet wird, das zweitens durch staatliche Stellen genehmigt, geregelt und überwacht wird und das drittens die Interessen einer Vielzahl von Personen an Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten, nicht abdingbaren Regeln in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.

Damit ist u.a. der börsliche, dh der regulierte Markt gemeint[5]. Nicht erfasst ist der Freiverkehr/Open Market, da dieser nicht von staatlich anerkannten Stellen geregelt ist, sondern durch privatrechtliche Freiverkehrsrichtlinien[6].

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Der Begriff „organisierter Markt“ wird dagegen im KAGB etwas anders umschrieben, da dieses Gesetz auf andere EU-Richtlinien zurückzuführen ist als das WpHG[7]. In § 1 Abs. 19 Nr. 29 KAGB wird unter einem organisierten Markt ein Markt verstanden, der anerkannt, für das Publikum offen und dessen Funktionsweise ordnungsgemäß ist, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Als Merkmal eines organisierten Markts gilt die Reglementierung durch eine staatlich anerkannte Stelle, eine zeitliche und örtliche Konzentration des Handels, standardisierte Handelsobjekte, vereinfachte Rechtsübertragungsformen, strenge Preisermittlungsmethode, Sicherung der Vertragserfüllung, Haftungsbeschränkung des Titelinhabers sowie Publizität.

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Fand der Börsenhandel ursprünglich ausschließlich als Parkett- oder Präsenzhandel statt, änderte sich dies mit der 1991 erfolgten Einführung des elektronischen Handels im IBIS-System an der Frankfurter Börse, das inzwischen durch das Computerhandelssystem Xetra (Exchange Electronic Trading) ersetzt wurde[8]. Der Handel findet hier an einem Zentralcomputer durch automatische Geschäftsabschlüsse statt. Ein Börsengeschäft kommt zustande, wenn nach Abschluss der Systemprüfung übereinstimmende Willenserklärungen zusammengeführt wurden, dh es werden verbindliche Angebote eingegeben, und der Computer führt deckungsgleiche Angebote zum Vertragsschluss zusammen (Matching). Der Börsenhandel geschieht über sog. Skontroführer, seit Mai 2011 an der Börse in Frankfurt über sog. Designated Sponsors, welche die Rolle der Skontroführer übernehmen[9].

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Zwischen den Marktsegmenten regulierter Markt und Freiverkehr bzw Open Market besteht keine räumliche Abgrenzung. Der Handel erfolgt häufig in demselben Börsensaal oder elektronischen Handelssystem. Organisationsrechtlich lassen sie sich durch die Zulassung bzw Einbeziehung in das jeweilige Marktsegment abgrenzen[10]. Im Interesse einer marktgerechten Preisfeststellung besteht ein Verbot der Doppelnotierung[11].

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Von den hoch organisierten börslichen Märkten bis hin zum grauen Kapitalmarkt fand sich lange eine Abstufung hinsichtlich des Organisationsgrads. Diese wurde insbesondere durch das Vermögensanlagengesetz von 2012 und das Kapitalanlagegesetzbuch von 2013 extrem verringert. Den höchsten Organisationsgrad weisen nach wie vor die Wertpapierbörsen als staatlich genehmigte Handelsplätze für den Handel in Wertpapieren auf. Ein Börsenhandel von Wertpapieren kann nur erfolgen, wenn sie zum Börsenhandel zugelassen sind. Für die Zulassung zum regulierten Markt bestehen strenge Anforderungen (§§ 32 ff BörsG). Nach § 42 BörsG kann die jeweilige Börsenordnung ergänzende Voraussetzungen vorsehen. Die Einbeziehung eines Wertpapiers in den Freiverkehr erfordert dagegen die Erfüllung geringerer Vorgaben (§ 48 BörsG).

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Der regulierte Markt ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Die Voraussetzungen für die Zulassung sowie die Zulassungsfolgepflichten ergeben sich aus den öffentlich-rechtlichen Regelungen (BörsG, BörsZulV, Börsenordnungen der Börsen, WpHG). Die Zulassung erfolgt im Wege eines Verwaltungsakts. Für den Freiverkehr sind dagegen privatrechtliche Freiverkehrsrichtlinien maßgeblich. Eine Einbeziehung der Wertpapiere in den Freiverkehr erfolgt auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags.

 

II. Abgrenzung zu anderen Teilen des Finanzmarkts

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Der Kapitalmarkt stellt neben den Geld-, Devisen- und Derivatemärkten einen wichtigen Teil des Finanzmarkts dar. Unter dem Begriff „Finanzmarkt“ versteht man allgemein jeden Markt, an dem Angebot und Nachfrage nach Geld oder geldwerten Titeln zusammenkommen. Eine Abgrenzung des Kapitalmarkts von diesen anderen Märkten ist insofern schwierig, als sich die Märkte teilweise überlappen.

1. Geldmarkt

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Der Geldmarkt ist auf wenige finanzstarke Teilnehmer und solche mit sehr guter Bonität, dh im Wesentlichen auf Kreditinstitute und die Bundesbank, begrenzt. Teilweise erstreckt er sich auch auf große Wirtschaftsunternehmen. Er dient dem Liquiditätsausgleich zwischen den Marktteilnehmern. Die genannten Marktteilnehmer handeln untereinander in Euro-Guthaben, die sie auf ihren Girokonten bei der Bundesbank haben (§ 19 Nr. 2 BBankG). Nicht nur der Handel in Zentralbank-Guthaben, sondern auch der Handel mit Geldmarkttiteln gehört zum Geldmarkt. Diese sind aufgrund ihrer kurzen Laufzeit für den Kapitalmarkt ungeeignet[12].

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Häufig wird der Kapitalmarkt vom Geldmarkt dadurch abgegrenzt, dass er als der Markt für mittel- und langfristige Kredite und für die Beteiligung an Gesellschaften verstanden wird, der Geldmarkt dagegen als Markt für kurzfristige Kredite[13]. Allerdings ist diese Abgrenzung insofern nicht hilfreich, als auch langfristige Anlagen mit kurzfristigen Zinsanpassungen zum Geldmarkt gerechnet werden (Floating Rate Notes[14]).

2. Devisenmarkt

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Devisenmärkte sind eine Vielzahl meist telefonischer und fernschriftlicher Kontakte zwischen Devisendisponenten bei Nichtbanken und Devisenhändlern bei Kreditinstituten sowie zwischen den Devisenhändlern der Kreditinstitute untereinander. Der Devisenmarkt ist damit grds ein Interbankenmarkt. Mit einem Tagesumsatz von mehr als 5 Billionen Dollar ist der Devisenhandel das größte Segment des internationalen Finanzmarkts[15]. In manchen Ländern existieren Devisenbörsen als institutioneller Rahmen für diese Geschäfte.

Beispiel:

Deutschland hat insgesamt fünf Devisenbörsen (Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Berlin und München).

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Auf dem Devisenmarkt werden Schecks und Wechsel, die auf fremde Währungen lauten, bzw Fremdwährungsguthaben bei einer ausländischen Bank gehandelt[16]. Erforderlich sind Devisen stets dann, wenn grenzüberschreitender Handel getrieben wird, dh Rechnungen in ausländischer Währung bezahlt werden müssen. Der Wechsel der Währung erfolgt über Kreditinstitute, die sich die benötigten Devisen am Devisenmarkt beschaffen.

3. Termin- und Derivatemärkte

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Der Terminmarkt ist ein Bestandteil des Kapitalmarkts. Der Terminhandel ist vom börsenmäßig organisierten Kassahandel (Anschaffung und Veräußerung von Aktien und Schuldverschreibungen) zu unterscheiden. In der Praxis besteht aber eine enge Wechselbeziehung[17]. Am Terminmarkt geht es um Geschäfte, deren Erfüllung erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt erfolgt[18]. Dagegen müssen die Kassageschäfte des Kapitalmarkts nach den vereinheitlichten Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen (Börsenusancen) innerhalb von zwei Börsenarbeitstagen erfüllt werden. Zweck der Termingeschäfte kann entweder sein, Kursgewinne zu erzielen (Terminspekulation) oder sich gegen unerwünschte Kursentwicklungen bzw Kursrisiken am Kassamarkt abzusichern (Hedging).

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Termingeschäfte lassen sich in sog. Futures und sog. Optionen unterteilen. Gemeinsam ist beiden Produkten, dass deren Preis oder Kurs von einem anderen Finanzprodukt, dem sog. Basiswert (underlying), abgeleitet wird. Aufgrund dieser Ableitung werden die Termingeschäfte auch Derivate genannt[19].

→ Definition:

Derivative Geschäfte iS des WpHG sind daher der Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Fest- oder Optionsgeschäfte, die mit zeitlicher Verzögerung zu erfüllen sind und deren Wert unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts abgeleitet wird (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG).

Bei dem Basisprodukt kann es sich um Kapitalmarktprodukte (Aktien, Anleihen), Geldmarktprodukte oder Devisen (Devisentermingeschäft) handeln.

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Futures (Festpreisgeschäfte) zeichnen sich dadurch aus, dass beide Vertragsteile eine Verpflichtung (Kaufvertrag) eingehen, wobei lediglich der Erfüllungszeitpunkt in die Zukunft verschoben wird. Dagegen ist bei Optionen lediglich ein Vertragsteil gebunden (sog. Stillhalter), während der andere Vertragsteil zu einem späteren Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein Finanzprodukt zu einem verabredeten Preis erwerben[20] oder veräußern[21] kann.

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Der Handel in Termingeschäften geschieht an börsenmäßig organisierten Terminmärkten.

Beispiel:

In Deutschland gibt es neben der deutsch-schweizerischen EUREX noch die EEX (European Energy Exchange) in Leipzig.

In der Praxis werden Termingeschäfte jedoch weitgehend außerhalb eines geregelten/regulierten Markts direkt zwischen den Marktteilnehmern, dh Over The Counter (OTC), abgeschlossen[22]. Während an den Terminbörsen gehandelte Terminkontrakte im Hinblick auf Basiswert, Kontraktgröße, Laufzeit, Basispreis, Ort des Abschlusses und der Geschäftsabwicklung standardisiert sind, können bei den OTC-Derivaten mangels Standardisierung die individuellen Bedürfnisse der Vertragspartner berücksichtigt werden.

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Mit dem Ziel, den außerbörslichen (Over The Counter) Derivatehandel transparenter und sicherer zu machen, ist 2012 die sog. EMIR als unmittelbar anwendbare EU-Verordnung in Kraft getreten[23]. Diese enthält bestimmte Anforderungen an die Parteien von Derivatetransaktionen.

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Für den börsenmäßigen Terminhandel ist zu Beginn der 1990er-Jahre die Deutsche Terminbörse mit Sitz in Frankfurt a.M. errichtet worden. 1998 wurde diese mit der Swiss Option and Futures Exchange AG (Soffex) zur Eurex als europäischer Terminbörse für Finanzderivate zusammengeführt.

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Der Terminhandel war ursprünglich im BörsG geregelt und sodann in das WpHG integriert worden (§§ 99 f WpHG)[24]. Rechtssystematisch ist das konsequent, da er sich sowohl auf den börslichen als auch den außerbörslichen Handel bezieht. Die Zulassung zum börsenmäßigen Terminhandel erfolgt nach § 23 BörsG.

III. Kapitalmarktteilnehmer

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Kapitalmarktteilnehmer sind zunächst die Emittenten. Sie geben ihre Wertpapiere aus (Börsengang) und bringen diese in Umlauf (Primärmarkt).

→ Definition:

Emittenten sind Rechtspersönlichkeiten, die Wertpapiere begeben oder zu begeben beabsichtigen (§ 2 Nr. 5 WpPG, Art. 2 lit. h ProspektVO).

Auf dem Sekundärmarkt sind sie sodann grds nicht (mehr) unmittelbar beteiligt. Emittent iS des Vermögensanlagengesetzes ist die Person oder Gesellschaft, deren Vermögensanlagen aufgrund eines öffentlichen Angebots im Inland ausgegeben sind (§ 1 Abs. 3 VermAnlG). Außerdem gibt es sog. Anbieter, dh diejenigen, die Wertpapiere öffentlich anbieten (vgl § 2 Nr. 6 WpPG).

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Kapitalmarktteilnehmer sind auch die Anleger, die in die verschiedenen Finanzinstrumente bzw Anlagemöglichkeiten investieren, wobei einzelne Gesetze zwischen verschiedenen Kategorien von Anlegern, v.a. zwischen professionellen und Privatanlegern, unterscheiden[25]. Die Privatanleger haben grds keinen unmittelbaren Marktzugang, sondern bedürfen der sog. Finanzintermediäre.

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Außerdem gehören die sog. Finanzintermediäre dazu, die die Geschäftsabschlüsse zwischen den Emittenten und den Anlegern bzw den Anlegern untereinander vermitteln[26]. Zu unterscheiden ist, ob sie als Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDU) oder als Investmentfonds agieren.

Beispiele:

Finanzintermediäre sind v.a. Banken und Versicherungsgesellschaften.

Hinzu kommen sog. Informationsintermediäre (auch „gatekeeper“ genannt). Diese bieten als unabhängige Marktakteure Verifizierungs- oder Zertifizierungsdienste an[27].

Beispiele:

Informationsintermediäre sind insbesondere Ratingagenturen[28], die die Bonität von Emittenten beurteilen. Dazu zählen aber auch Finanzanalysten[29] sowie Datenbereitstellungsdienste (§§ 58 ff WpHG).

IV. Finanzinstrumente/Wertpapiere als Kapitalmarktprodukte

1. Finanzinstrumente

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Der Begriff der Finanzinstrumente findet sich nicht nur im WpHG oder in der MAR, sondern in insgesamt 47 Kapitalmarktgesetzen[30]. Dort wird zumeist auf die entsprechende Festlegung in der MiFID II (Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 iVm Anh. I Abschn. C RiL 2014/65/EU) verwiesen. Dort findet sich keine Legaldefinition, vielmehr wird typologisch aufgezählt, was als Finanzinstrument gelten soll[31]. Finanzinstrumente sind danach v.a. übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen, Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte usw, derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken sowie finanzielle Differenzgeschäfte.

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Die MAR enthält etwa bzgl der Begriffsbestimmung der Finanzinstrumente iS der MAR einen Verweis auf die MiFID II (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MAR). In anderen Gesetzen findet sich eine der MiFID II-Vorgabe entsprechende Aufzählung von Finanzinstrumenten.

Beispiel:

In Umsetzung der MiFID II umfasst die Definition in § 2 Abs. 4 WpHG insbesondere Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, derivative Geschäfte, Emissionszertifikate, Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren und die meisten Vermögensanlagen iS des VermAnlG.

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Geldmarktinstrumente iS der MiFID II sind dabei die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelten Gattungen von Instrumenten. Dazu zählen etwa Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten (Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 RiL 2014/65/EU, § 2 Abs. 2 WpHG; siehe die Konkretisierung in Art. 11 DelVO 2017/565).

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Derivative Geschäfte sind insbesondere als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Fest- oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich mittelbar oder unmittelbar von einem Basiswert ableitet (Termingeschäft, § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG, siehe die Konkretisierung v.a. in Art. 7 DelVO 2017/565)[32], aber auch etwa finanzielle Differenzgeschäfte (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 WpHG).

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Ob virtuelle Währungen bzw Token als Finanzinstrumente zu sehen sind, prüft die BaFin im Einzelfall. Jedenfalls sollen sog. Currency Token (zB Bitcoins) nicht unter den Wertpapierbegriff fallen, da sie Rechnungseinheiten darstellen[33].

 

2. Wertpapiere

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Wertpapiere sind ein Unterfall der Finanzinstrumente[34]. In § 2 Abs. 1 WpHG werden die Wertpapiere in vier Gruppen unterteilt[35]: Erstens Aktien, zweitens alle damit vergleichbaren Wertpapiere (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 WpHG)[36], sofern sie andere Anteile an in- und ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen sind, drittens Schuldtitel[37] (v.a. Genussscheine, Inhaber-, Orderschuldverschreibungen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG) sowie viertens sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung der o.g. Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen[38].

88

Diese Papiere fallen nur dann in den Anwendungsbereich des WpHG, wenn sie „auf den Finanzmärkten handelbar“ sind (§ 2 Abs. 1 WpHG)[39]. Ein tatsächlicher Handel am Markt ist nicht erforderlich, die Wertpapiere müssen lediglich dazu geeignet sein. Sie müssen fungibel, dh umlauffähig und austauschbar sein (vertretbare Sachen iS des § 91 BGB). Mangels Umlauffähigkeit sind damit Namenspapiere (Rektapapiere[40]) keine Wertpapiere iS des WpHG; eine Übertragung der in ihnen verbrieften Rechte erfolgt nach Zessionsrecht (§§ 398 ff BGB).

89

Der in § 2 Abs. 1 WpHG verwendete Wertpapierbegriff[41] bezieht sich auf die speziellen Ziele des WpHG und deckt sich nicht mit dem allgemeinen Wertpapierbegriff[42]. Nach diesem ist ein Wertpapier eine Urkunde, die ein subjektives Recht derart verbrieft, dass es nur vom Inhaber der Urkunde ausgeübt werden kann[43]. Der Wertpapierbegriff des WpHG ist insoweit enger gefasst und beinhaltet lediglich Order- und Inhaberpapiere und damit solche Wertpapiere, die nach den §§ 929 ff BGB übertragen und gutgläubig erworben werden können.

90

Eine Urkunde muss gemäß § 2 Abs. 1 WpHG nicht ausgestellt sein („Entmaterialisierung des Wertpapierbegriffs“)[44]. Es genügt die Verbriefung in Sammelurkunden iS des § 9a DepotG. Bei Anleihen der öffentlichen Hand (zB Bundesschatzbriefen) werden keine Urkunden ausgestellt, sondern es wird eine Eintragung in ein Schuldbuch vorgenommen. Die dadurch entstehenden Schuldrechte sind den verbrieften Wertpapieren rechtlich gleichgestellt und damit Wertpapiere iS des § 2 Abs. 1 WpHG.

91

Der Wertpapierbegriff der ProspektVO (VO (EU) 2017/1129)[45] verweist auf denjenigen der MiFID II, sodass diesbezüglich ein einheitlicher Wertpapierbegriff vorherrscht. § 2 Nr. 1 WpPG wiederum verweist bzgl der Definition des Wertpapierbegriffs auf diejenige in der ProspektVO.