Kapitalmarktrecht

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2. Prospektpflicht und Ausnahmen

a) Pflicht zur Erstellung eines Prospekts

201

Die Pflicht zur Erstellung eines Prospekts ist in Art. 3 Abs. 1 ProspektVO geregelt. Danach ist ein öffentliches Angebot von Wertpapieren nur nach vorheriger Prospektveröffentlichung gestattet.

→ Definition:

„Öffentliches Angebot“ von Wertpapieren meint eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden (Art. 2 lit. d ProspektVO).

„Angebot“ meint das Vorliegen eines Verkaufs- oder Tauschangebots. Ein Kaufangebot ist nicht von der ProspektVO erfasst, da es nicht auf den (nationalen) Begriff des Angebots iS des § 145 BGB ankommt[15]. Art. 2 lit. d ProspektVO erwähnt nur die Möglichkeit des Anlegers, sich aufgrund der gegebenen Informationen zum Kauf zu entscheiden, nicht, dass es möglich sein muss, diese Entscheidung unmittelbar durch einen Kauf umzusetzen[16]. Daher reicht es, wenn das Publikum zur Angebotsabgabe aufgefordert wird (invitatio ad offerendum)[17].

202

Das Angebot muss öffentlich sein, dh sich an einen unbestimmten Personenkreis richten (Angebot im Internet, in der Zeitung, allgemeines Rundschreiben). Der Gegensatz zum öffentlichen Angebot ist die Privatplatzierung (private placement). Dort besteht zwischen Anbieter und Anleger bereits vor Abgabe des Angebots eine persönliche Verbindung[18]. Die Abgrenzung zwischen einem „öffentlichen Angebot“ und einer Privatplatzierung kann schwierig sein[19].

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Eine Prospektpflicht besteht nicht nur bei einem öffentlichen Angebot, sondern auch dann, wenn ein Handel an einem geregelten Markt (Art. 2 lit. j ProspektVO; Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II) erfolgen soll (Art. 3 Abs. 3 ProspektVO). Dem entspricht in Deutschland der regulierte Markt[20].

204

Ein Verstoß gegen die Prospektveröffentlichungspflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 WpPG dar und führt zu einer Untersagung des Angebots (Verwaltungsakt) durch die BaFin (§ 18 Abs. 4 WpPG). Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (§ 20 Nr. 1 WpPG). Zudem droht eine Prospekthaftung[21].

205

Für bestimmte Fälle ist die freiwillige Erstellung eines Prospekts möglich (Art. 4 Abs. 1 ProspektVO). Davon wird v.a. Gebrauch gemacht, wenn grenzüberschreitende Emissionen geplant sind. Dann sind sämtliche Bestimmungen der ProspektVO und des WpPG zu beachten (Art. 4 Abs. 2 ProspektVO). Der Prospekt wird wie ein solcher nach Art. 3 Abs. 1 ProspektVO angesehen und unterliegt allen Anforderungen der ProspektVO. Er ist also von der BaFin zu billigen und zu veröffentlichen. Für diesen Prospekt wird wie für einen Pflichtprospekt gehaftet (Art. 4 Abs. 2 ProspektVO)[22].

b) Ausnahmen von der Prospektpflicht

206

Da eine Prospekterstellung für den Emittenten regelmäßig mit hohen Kosten verbunden ist, kommt den Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts große praktische Bedeutung zu. Dabei gibt es drei verschiedene Ausnahmekategorien. Hinzu kommen für bestimmte Fälle Schwellenwerte, ab derer die ProspektVO anzuwenden ist und damit eine Prospektpflicht besteht.

aa) Ausnahmekategorien

207

Art. 1 Abs. 2 ProspektVO enthält eine Ausnahme für bestimmte Arten von Wertpapieren. So findet die Verordnung etwa keine Anwendung auf bestimmte OGAW-Anteilsscheine (Art. 1 Abs. 2 lit. a ProspektVO).

208

Bei bestimmten Arten öffentlicher Wertpapierangebote besteht keine Prospektpflicht (Art. 1 Abs. 4 ProspektVO). Das gilt zB bei allein an qualifizierte Anleger gerichtete Wertpapierangebote (lit. a), oder solche, die sich an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger pro Mitgliedstaat richten (lit. b).

→ Definition:

Qualifizierte Anleger sind v.a. Personen oder Einrichtungen, die in Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 – 4 MiFID II aufgeführt sind und damit als sog. professionelle Kunden iS der MiFID II bzw des WpHG gelten (Art. 2 lit. 3 ProspektVO).

Beispiele:

Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsgesellschaften, Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften sowie große Unternehmen, die zwei der nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen erfüllen: 20 000 000 EUR Bilanzsumme, 40 000 000 EUR Nettoumsatz, 2 000 000 EUR Eigenmittel.

Auch wenn etwa ein Wertpapierangebot mit einer Mindeststückelung von 100 000 Euro vorliegt, besteht keine Prospektpflicht (lit. c). Art. 1 Abs. 5 ProspektVO schließt im Anschluss an Art. 1 Abs. 4 ProspektVO, der für Angebotsprospekte gilt, auch Zulassungsprospekte für bestimmte Instrumente aus.

bb) Prospektpflicht erst ab Erreichen eines Schwellenwerts

209

Die ProspektVO gilt nicht bei öffentlichen Angeboten, die weniger als 1 000 000 Euro betragen (Art. 1 Abs. 3 ProspektVO). Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Kosten für die Prospekterstellung in keinem Verhältnis zum gewollten Emissionserlös stehen[23].

210

Art. 3 Abs. 2 ProspektVO enthält sodann eine Ausnahme, welche die Mitgliedstaaten für Wertpapiere vorsehen können, die u.a. den Wert von 8 000 000 Euro, berechnet über einen Zeitraum von zwölf Monaten, nicht überschreiten. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber schon mit dem Optionsgesetz von 2018 und nunmehr in § 3 Nr. 2 WpPG für solche sog. Kleinemissionen Gebrauch gemacht[24]. Voraussetzung hierfür ist aber nach deutschem Recht die Erstellung, Hinterlegung und Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblatts (§ 4 Abs. 1 WpPG)[25]. Zudem ist eine solche Befreiung von der Pflicht zur Prospektveröffentlichung nur dann möglich, wenn ein Vertrieb ausschließlich über die Anlageberatung oder Anlagevermittlung erfolgt (§ 6 WpPG)[26].

211

Das beratende oder vermittelnde Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist rechtlich verpflichtet, bestimmte Einzelanlageschwellen für die nicht qualifizierten Anleger zu prüfen. Der Höchstbetrag liegt nach § 6 Nr. 1 WpPG bei 1000 Euro. Ausnahmsweise ist eine Anlage in Höhe von 10 000 Euro möglich, sofern der Anleger nach Selbstauskunft mindestens frei verfügbares Vermögen in Höhe von 100 000 Euro hat. Alternativ kann der zweifache Betrag des durchschnittlichen Monatseinkommens nach Selbstauskunft, höchstens aber 10 000 Euro, angelegt werden (§ 6 Nr. 2 und 3 WpPG).

3. Anforderungen an den Prospekt

a) Prospektformen

212

Die ProspektVO orientiert sich an den schon bislang möglichen Prospektformen, dh der Emittent kann den Prospekt als ein Dokument oder als sog. dreiteiligen Prospekt erstellen (Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1 ProspektVO). Ein dreiteiliger Prospekt umfasst als Einzeldokumente die Prospektzusammenfassung, die Beschreibung des Emittenten (iR des Registrierungsformulars) und die Beschreibung der Wertpapiere (Art. 10 Abs. 1 ProspektVO). Der Prospekt kann ein- oder mehrgliedrig erstellt werden. Der mehrgliedrige Prospekt hat den Vorteil, dass dessen (gebilligtes) Registrierungsformular im Rahmen seiner Gültigkeitsdauer auch für weitere Wertpapieremissionen verwendet werden kann, sodass lediglich die Zusammenfassung sowie die Wertpapierbeschreibung erstellt werden müssen[27].

213

Bei einem eingliedrigen Prospekt erfolgt in der Regel eine Erstellung als Vollprospekt. In Bezug auf Wertpapiere, die keine Dividendenwerte (wie z.B. Aktien und vergleichbare Papiere) sind, ist die Erstellung als Basisprospekt möglich[28].

→ Definition:

Basisprospekt ist ein Prospekt, der je nach Wahl zwar die erforderlichen Angaben zum Emittenten und den öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem geregelten Markt zuzulassenden Wertpapieren, aber noch keine Angaben über die endgültigen Bedingungen des Angebots enthält (Art. 2 lit. s, Art. 8 Abs. 1, Abs. 4 UAbs. 1 ProspektVO).

Die endgültigen Bedingungen werden sodann entweder in einem gesonderten Dokument aufgeführt, oder sie werden in den Basisprospekt bzw in einem Nachtrag aufgenommen (Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 ProspektVO). Die Bedingungen müssen jedoch grds nicht mehr gebilligt werden, sondern sind lediglich zu veröffentlichen (Art. 8 Abs. 5 ProspektVO) und der zuständigen Behörde (hier: BaFin) zu hinterlegen. Werden sie jedoch in einen Nachtrag zum Basisprospekt aufgenommen, bedürfen sie einer Billigung durch die zuständige Behörde (Art. 8 Abs. 10 iVm Art. 23 ProspektVO)[29] und es besteht ein Widerrufsrecht des Anlegers[30].

 

214

Art. 9 ProspektVO enthält die Möglichkeit eines Einheitlichen Registrierungsformulars (Universal Registration Document – URD). Es soll eine Erleichterung für solche Unternehmen darstellen, die häufig Wertpapiere begeben (sog. Daueremittenten). Ein jährlich erstelltes Registrierungsformular führt zu einer beschleunigten Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (Art. 9 Abs. 11 iVm Art. 20 Abs. 6 ProspektVO)[31]. In diesem Formular sind Angaben zu Organisation, Geschäftstätigkeit, Finanzlage, Ertrag, Zukunftsaussichten, Führung und Beteiligungsstruktur des Unternehmens aufzunehmen. Auch hier besteht ggf. eine Nachtragspflicht (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 ProspektVO) sowie eine Aktualisierungspflicht (Art. 9 Abs. 7 ProspektVO). Das Registrierungsformular wird von der BaFin auf Vollständigkeit, Verständlichkeit und Kohärenz überprüft (Art. 9 Abs. 8 UAbs. 2, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 1 ProspektVO). Bei Verwendung eines gebilligten Registrierungsformulars müssen die Wertpapierbeschreibung und die Zusammenfassung als weitere Elemente gesondert gebilligt werden (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 ProspektVO).

215

Für kleinere und mittlere Unternehmen (sog. KMU) sehen Art. 14 und 15 ProspektVO vereinfachte Regelungen vor, um diesen den Zugang zu den europäischen Kapitalmärkten zu erleichtern.

→ Definition:

KMU (kleinere und mittlere Unternehmen) iS der ProspektVO sind „Gesellschaften, die laut ihrem letzten Jahresabschluss bzw. konsolidierten Abschluss zumindest zwei der nachfolgenden Kriterien erfüllen: eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr von weniger als 250, eine Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 000 000 EUR und ein Jahresnettoumsatz von höchstens 50 000 000 EUR“. KMU iS des Art. 4 Abs. 1 Nr. 13 MiFID II sind Unternehmen, deren durchschnittliche Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren weniger als 200 000 000 EUR betrug[32] (Art. 2 lit. f ProspektVO).

Art. 14 ProspektVO enthält vereinfachte Offenlegungsregelungen für sog. Sekundäremissionen. Das sind solche, die sich v.a. auf Wertpapiere oder Dividendenwerte beziehen, die mindestens während der letzten 18 Monate ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen waren. Hintergrund ist, dass diese Unternehmen bereits anderen Offenlegungspflichten unterliegen[33].

216

Die Anforderungen für sog. KMU werden durch einen sog. EU-Wachstumsprospekt, einer neuen Prospektart[34], erleichtert (Art. 15 ProspektVO). Abgesehen von KMU erfasst der EU-Wachstumsprospekt auch bestimmte Emissionen von solchen Unternehmen, deren Wertpapiere an einem KMU-Wachstumsmarkt, wie etwa „Scale“ an der Frankfurter Börse[35], gehandelt werden[36]. Die EU-Wachstumsprospekte enthalten eine standardisierte Aufmachung, die für die Emittenten leicht auszufüllen sein soll (Art. 15 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 ProspektVO).

b) Inhalt und Format des Prospekts

217

Der Prospekt muss die erforderlichen Informationen enthalten, die für den Anleger wesentlich sind, um sich über bestimmte Punkte ein fundiertes Urteil bilden zu können (Art. 6 Abs. 1 ProspektVO). Dabei sind die genannten unbestimmten Rechtsbegriffe unionsweit einheitlich auszulegen. Vor allem bei zukunftsgerichteten Aussagen des Emittenten (Prognosen über Geschäftsentwicklung, Planzahlen) ist im Einzelfall zu entscheiden, ob es sich um wesentliche Angaben handelt, die zwingend in den Prospekt aufzunehmen sind, oder lediglich um ergänzende Erläuterungen.

218

Die Informationen müssen in leicht zu analysierender, knapper und verständlicher Form geschrieben und präsentiert werden (Art. 6 Abs. 2 ProspektVO; sog. Prospektklarheit). Zudem wird zwar nicht ausdrücklich in Art. 6 ProspektVO, aber immerhin gemäß Erwägungsgrund Nr. 27 ProspektVO verlangt, dass die Prospektangaben ausreichend und objektiv, d.h. wahr sind (sog. Prospektwahrheit)[37].

219

In Art. 13 ProspektVO sind bestimmte Mindestangaben enthalten und gleichzeitig die konkrete Aufmachung des Prospekts geregelt. Die vorgegebene Reihenfolge der Darstellung im Prospekt soll dem Anlegerschutz dienen, indem insbesondere nicht mehr übermäßig viele Risikofaktoren aufgeführt werden dürfen, durch welche die für die Anleger relevanten Risikofaktoren verdeckt werden (vgl Art. 16 ProspektVO). Hierzu wurden von der Kommission die DelVO 2019/979 und 2019/980 als konkretisierende delegierte Rechtsakte ausgearbeitet (Art. 13 Abs. 2 ProspektVO).

220

Die Prospektzusammenfassung hat nach Art. 7 ProspektVO[38] alle anlegerrelevanten Basisinformationen auf höchstens sieben DIN A4-Seiten in leserlicher Schriftgröße zu enthalten. Damit orientiert sich diese an den Vorgaben der PRIIP-VO für das Basisinformationsblatt bei sog. verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger sowie Versicherungsanlageprodukte. Die Angaben in der Prospektzusammenfassung müssen zudem präzise, redlich und klar sowie nicht irreführend sein (Art. 7 Abs. 2 ProspektVO). Dabei haben die Informationen kurz und klar zu erfolgen (Art. 7 Abs. 3 ProspektVO). Sie haben mit dem Prospekt übereinzustimmen und sind als Einleitung zum Prospekt zu positionieren. Art. 7 Abs. 4 ProspektVO schreibt die Gliederung in vier Abschnitte vor.

221

Bestimmte Informationen können auch durch Verweis auf andere veröffentlichte Dokumente zum Bestandteil des Prospekts gemacht werden (Art. 19 ProspektVO)[39]. Das können etwa der Jahresfinanzbericht nach § 114 WpHG und der Halbjahresfinanzbericht nach § 115 WpHG sein[40]. Die Dokumente müssen jedoch zuvor oder gleichzeitig auf elektronischem Wege veröffentlicht werden (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 ProspektVO).

222

Werbung muss als solche deutlich gekennzeichnet sein und auf den Prospekt hinweisen (Art. 22 Abs. 1 ProspektVO). Als Werbung wird dabei eine Mitteilung angesehen, die sich auf ein spezifisches öffentliches Wertpapierangebot oder die Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt bezieht und darauf abstellt, die potenzielle Zeichnung bzw. den potenziellen Erwerb der Wertpapiere gezielt zu fördern (Art. 2 lit. k ProspektVO). Umfasst sind davon etwa Zeitungsanzeigen, Radio- oder Fernsehspots, sog. Road-Shows (Marketingveranstaltung für institutionelle Investoren) oder Analystenpräsentationen[41]. Die Werbung muss klar erkennbar und darf nicht unrichtig oder irreführend sein (Art. 22 Abs. 3 ProspektVO). Letzteres sind Aussagen v.a. dann, wenn sie beim Anleger Fehlvorstellungen über den Prüfungsumfang durch die BaFin hervorrufen können[42].

223

Durch ein einheitliches Prospektformat sowie vorgegebene Informationsbestandteile soll eine Vergleichbarkeit der Prospekte erleichtert werden. Der Prospekt ist grds in deutscher Sprache zu erstellen (Art. 27 ProspektVO iVm § 21 Abs. 1 WpPG), jedoch kann die BaFin die Erstellung in englischer Sprache anerkennen (§ 21 Abs. 2 WpPG)[43].

c) Billigung des Prospekts (Art. 20 ProspektVO)

224

Eine Veröffentlichung des Prospekts ist erst dann gestattet, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde (gem. § 17 WpPG die BaFin) den Prospekt gebilligt hat (Art. 20 Abs. 1 ProspektVO).

→ Definition:

Billigung ist die positive Handlung der BaFin als Abschluss der Prospektprüfung auf Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit der Prospektinformationen (vgl Art. 2 lit. r ProspektVO).

Die Billigung hat grds innerhalb von zehn (Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 ProspektVO) bzw für neue Emittenten 20 Arbeitstagen (Art. 20 Abs. 3 ProspektVO) zu erfolgen. Eine Ausnahme (Verkürzung) ergibt sich bei sog. Daueremittenten (Art. 9 Abs. 11 ProspektVO)[44]. Der Prospekt ist nach seiner Billigung 12 Monate lang gültig (Art. 12 Abs. 1 ProspektVO). Er ist nach der Billigung zu veröffentlichen (Art. 21 Abs. 1 ProspektVO).

225

Die Zuständigkeit für die Prospektbilligung liegt damit bei der BaFin[45] (Verwaltungsakt[46]), während die Entscheidung über eine Börsenzulassung von der Börsengeschäftsführung getroffen wird[47]. Der Prospekt ist der BaFin nunmehr ausschließlich elektronisch über deren Melde- und Veröffentlichungssystem (sog. MVP Portal[48]) zu übermitteln (§ 22 WpPG), sodass sie die Billigungsbescheinigung und den Prospekt kurzfristig auch der ESMA zuleiten kann[49]. Nach § 20 Abs. 4 ProspektVO prüft die BaFin den Prospekt auf Vollständigkeit, Kohärenz (mangelnde innere Widersprüchlichkeit)[50] und Verständlichkeit[51]. Eine Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit erfolgt dabei ebenso wenig[52] wie eine solche der Bonität des Emittenten. Die BaFin übernimmt keine Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit des Prospekts. Eine erfolgte Prospektbilligung führt daher nicht zu einem Wegfall von Prospekthaftungsansprüchen bei Fehlerhaftigkeit des Prospekts[53].

226

Ein Anspruch auf Prospektbilligung bei Vorliegen der Voraussetzungen lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen[54]. Der Emittent, Anbieter und/oder die Zulassungsantragsteller können danach Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erheben. Wird die Billigung abgelehnt (Verwaltungsakt), kann nach einem Widerspruchsverfahren der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden.

227

Der Prospekt ist, abgesehen von eventuellen Nachträgen, nach seiner Billigung zwölf Monate gültig (Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 ProspektVO). Nach Ablauf eines Jahres ist grds ein neuer Prospekt zu erstellen. Das gilt auch für das Registrierungsformular (Art. 12 Abs. 2 und 3 ProspektVO).

d) Nachtrag und Widerruf

228

Ein Prospekt muss der Aktualität genügen. Insofern spielt der Aspekt eines möglichen Nachtrags bei Veränderungen in der Praxis eine große Rolle. Wichtige Umstände, wesentliche Unrichtigkeiten oder wesentliche Ungenauigkeiten bzgl der Angaben[55], die zwischen der Billigung des Prospekts und dem Auslaufen der Angebotsfrist auftreten, sind in einem Nachtrag zum Prospekt zu nennen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie die Bewertung der Wertpapiere beeinflussen können (Art. 23 Abs. 1 UAbs. 1 ProspektVO). Der Nachtrag bedarf in gleicher Weise wie der Prospekt vor einer Veröffentlichung der Billigung durch die nationale Aufsichtsbehörde (Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 ProspektVO)[56].

229

Grds kann der Emittent auch eine informelle Berichtigung des Prospekts, die nicht der behördlichen Billigung bedarf, vornehmen (§ 12 Abs. 2 Nr. 4 WpPG). Zwar kann durch eine solche „Korrektur“ des Prospekts eine Prospekthaftung vermieden werden, allerdings bleibt die Pflicht bzgl. eines förmlichen Nachtragsverfahrens[57].

230

Emittenten von Wertpapieren haben damit grds nicht nur eine Ad-hoc-Mitteilungspflicht gemäß Art. 17 MAR, sondern unterliegen auch der Nachtragspflicht des Art. 23 ProspektVO[58]. Regelmäßig geht bei einem „Zusammentreffen“ der beiden Pflichten Art. 17 MAR vor[59]. Sofern die Ad-hoc-Mitteilung nach Art. 17 Abs. 4 MAR aufgeschoben werden kann, braucht der Nachtrag nicht vor der Mitteilung zu erfolgen[60].

231

Anlegern, die vor Veröffentlichung des Nachtrags eine Willenserklärung auf Zeichnung oder Erwerb des Wertpapiers abgegeben haben, steht ein Widerrufsrecht zu (Art. 23 Abs. 2 ProspektVO). Davon sind jedoch nur solche Wertpapiere erfasst, die der Anleger über ein öffentliches Angebot erwirbt. Für sog. Zulassungsprospekte gilt das Widerrufsrecht damit nicht[61]. Das gilt selbst dann, wenn die Wertpapiere zeitgleich öffentlich und über den organisierten Markt angeboten werden[62]. Die Widerrufsfrist beträgt zwei Werktage ab Veröffentlichung des Nachtrags (Art. 23 Abs. 2 UAbs. 1 ProspektVO). Über das Widerrufsrecht muss der Anleger informiert werden (Art. 23 Abs. 2 UAbs. 2 ProspektVO).

 

232

Der neue Umstand oder die Unrichtigkeit, die eine Nachtragspflicht auslöst, muss vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots und vor der Lieferung der Wertpapiere eingetreten sein. Ein Widerruf muss daher selbst dann noch möglich sein, wenn die Wertpapiere schon vor Veröffentlichung des Nachtrags in das Depot des Anlegers eingebucht worden sind, solange der nachtragspflichtige Umstand oder die Unrichtigkeit vor der Erfüllung des Wertpapiergeschäfts eingetreten ist[63]. Da der Anleger den Zeitpunkt, zu dem der neue Umstand oder die Unrichtigkeit eingetreten ist, nicht selbst feststellen und daher auch nicht beurteilen kann, ob ihm ein Widerrufsrecht zusteht, hat nach Ansicht der BaFin der Emittent, Anbieter oder Zulassungsantragsteller den Zeitpunkt im Nachtrag möglichst genau anzugeben[64]. Auf das Widerrufsrecht finden die Regelungen über den Rücktritt nach § 357a BGB analog Anwendung.

233

Der Nachtrag beseitigt nicht den Prospekthaftungsanspruch von Anlegern, die Wertpapiere schon vor der Publizierung des Nachtrags im Vertrauen auf den unrichtigen oder unrichtig gewordenen Prospekt erworben haben. Eine andere Frage ist, ob die Anleger einen Schadensersatzanspruch gegen den Nachtragenden haben, wenn sie vom Widerspruchsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Vertreten wird, dass dann ein Prospekthaftungsanspruch aus den im Nachtrag berichtigten Umständen ausscheiden muss[65].