Theaterstücke für einen bis vier Darsteller

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Theaterstücke für einen bis vier Darsteller
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PETER WIMMER

Theaterstücke für einen bis vier Darsteller

Schreckliches und Amüsantes.

Abendfüllendes und Kurzweiliges.

Aufführungsrechte bitte mit mir absprechen

Die Rechte liegen beim Autor und Verlag

Wimmer Visuelle Kommunikation

Am Lichterkopf 25

D-56112 Lahnstein

Telefon 02621/62625

info@wimmer-kommunikation.de

www.wimmer-kommunikation.de

Ich schreibe Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen, Theaterstücke und Besonderheiten die sich nur schwer zuordnen lassen. Eine Zusammenfassung bieten die E-Books „Peter Wimmer, Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen“ und „Peter Wimmer, Theaterstücke für einen bis vier Darsteller.“

Unter dem Reihentitel “Kulturreisen individuell” erstelle ich filmische Reisedokumentationen. Dabei folge ich mit meiner Kamera den Spuren der Menschheitsgeschichte, so wie ich sie in den besuchten Reiseländern antreffe. Ich dokumentiere herausragende Kulturstätten und Landschaften, einfühlsam, sachlich, informativ.

“Schönheit, Anmut und große Architektur im alten Ägypten” das ist der Reihentitel einer 14-teiligen filmischen Dokumentation über das reiche Erbe der pharaonischen Kultur am Nil. Schauplätze sind die großen Pyramiden, Göttertempel, Totentempel, Museen und prächtig ausgestatteten Gräber in Kairo, Giseh, Sakkara, Medum, Tel el Amarna, Abydos, Dendera, Luxor, Edfu, Kom Ombo, Assuan, Philae und Abu Simbel. Die DVD „ÄGYPTEN – Highlights der pharaonischen Kultur“ vermittelt einen Eindruck dessen was die großen Schauplätze und Museen entlang des blauen Nils dem kulturinteressierten Reisenden bieten.

Die DVD „Highlights der Megalithkultur in Westeuropa“ zeigt kulturhistorisch bedeutende Monumente unserer Vorfahren, Kultstätten und Museen in der Bretagne, auf Malta, Gozo und Korsika, in England, Irland, Schottland, auf den Hebriden und auf den Orkneyinseln.

INHALT:

Austern in der Bretagne oder Kommunikation, ein Maskenspiel. Ein sehr lebhaftes abendfüllendes Theaterstück für vier Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.

The Kings oder Könige. Ein amüsantes abendfüllendes Theaterstück für drei Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.

VIOLA + BO, Lovestory im Orchestergraben. Ein liebenswertes Theaterstück für zwei Darsteller. Spielzeit ca. 45 Minuten.

BENNI oder Aber morgen mache ich alles anders, ganz anders. Eine schauspielerische Herausforderung für einen Darsteller. Spielzeit ca. 60 Minuten.

Ich möchte etwas sagen. Ein nicht ganz einfaches Theaterstück zur Einstimmung, für einen Darsteller. Der Aperitif. Die Sensibilisierung des Publikums, auf das, was folgt. Spielzeit ca. 10 Minuten.

Es gibt sie noch. Ein nicht ganz einfaches Theaterstück zum Ausklang, für einen Darsteller. Das Dessert. Die Hommage an das Publikum. Spielzeit ca. 20 Minuten.

DRAUSSEN. Ein kurzes aber eindrucksvolles Theaterstück für zwei Darsteller. Spielzeit ca. 8 Minuten.

BIRDS oder Die Sache mit der Brille. Eine bunte Beziehungskiste für zwei Darsteller und zwei Brillen. Spielzeit ca. 30 Minuten.

Nichts für alle. Ein immer aktuelles Theaterstück für einen Darsteller und einige Mitwirkende aus dem Publikum. Es geht um Nichts. Spielzeit ca. 20 Minuten.

Der Souffleur. Ein Theaterstück für einen der es satt hat. Spielzeit ca. 20 Minuten.

Jeden Morgen. Eine unheimliche Begegnung der dritten Art, am Fahrstuhl. Ein Psychotrip für einen mutigen Darsteller. Spielzeit ca. 10 Minuten.

Der Mann, der seinen Kopf zu Besuch erwartete. Ein grässliches Theaterstück für zwei Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.

Man nehme. Ein feines Regenwaldgericht mit erlesenen Zutaten. Zum Mitschreiben und Nachkochen. Ein Theaterstück für einen Vampir. Spielzeit ca. 8 Minuten.

Gute Nacht Lisa oder Die Sache mit dem Teddy. Eine nette Geschichte, nicht nur für Kinder. Ein Theaterstück für zwei jung gebliebene Darsteller. Spielzeit ca. 25 Minuten.

Ich lebe. Ein langweiliges Theaterstück für zwei Darsteller. Es geht um das, was das Leben lebenswert macht. Spielzeit ca. 10 Minuten.

Ich liebe. Ein ätzendes Theaterstück für zwei Darsteller. Es geht um das, was man Liebe nennt. Spielzeit ca. 30 Minuten.

Ich denke. Ein schlimmes Theaterstück für zwei Darsteller. Es geht um das, was vielleicht kommt. Spielzeit ca. 35 Minuten.

Puppenmacher. Ein Theaterstück für eine Puppe und für einen Macher. Spielzeit ca. 60 Minuten.

Hurra, heute mauern wir uns ein. Ein Theaterstück für einen Aussteiger. Spielzeit ca. 90 Minuten.

– – –

Austern in der Bretagne oder Kommunikation, ein Maskenspiel

Ein sehr lebhaftes abendfüllendes Theaterstück für vier Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.

Die Handlung spielt in einem Künstlerlokal mit besonderem Ambiente. Es gibt keine Tische, keine Stühle. Die Hauptakteure, drei Künstler, sitzen auf Leitern, wie auf Hühnerleitern und kommunizieren nach Künstlerart. Sie tragen Hahnenmasken. Wie beim Mensch-ärgere-dich-nicht kämpft jeder gegen jeden. Die Hähne rücken auf ihren Leitern, je nach Gemütszustand, hinauf und hinab. Die Sitzhöhe veranschaulicht die jeweilige Verlierer- oder Gewinnersituation.

Begleitet und dekoriert wird der Hahnenkampf von einer hübschen Dame. Sie bedient in diesem Lokal. Auch um sie ranken sich die Aktionen der kommunizierenden Herren. Das Spiel endet in einem Inferno.

Es geht in diesem Stück um das Gegenteil von Kommunikation. Es geht um dominantes Verhalten, um Unterwürfigkeit, um Anpassung und Taktieren. Es ist der Hahnenkampf unter Männern, der sich überall abspielt wo Männer einander begegnen.

Nichts ist wirklich in diesem Stück. Alles ist Fassade, Schminke, Einbildung, Show. Vieles ist durchsichtig, nur imaginär vorhanden. Es gibt keine Gewinner und keine Verlierer. Es ist wie im wirklichen Leben. Mal ist der eine oben, mal der andere. Die dargestellten Personen in diesem Stück sind wie du und ich. Oder nicht?

Vorschlag für den Bühnenaufbau:

Gedachte Glas-Eingangstür mit gedachtem Sicherungsrollo

Gedachte Fenster mit gedachter Markise

Bar mit Flaschen, Gläsern und Telefon

bunte Würfel, Kantenlänge ca. 50 cm

Garderobenständer

Spiegel, ca. 2,50 Meter hoch (Alufolie)

Rückwand, grau, ca. 2,50 Meter hoch

Schwarze Leitern mit je 8 breiten Stufen, schräg an der Rückwand befestigt.

Über gedachter Eingangstür und gedachten Fenstern ein Transparent: KÜNSTLERTREFF

Personen:

SYLVIA

MIKE

FRIEDER

GUIDO

Vorschlag Musik: Zu Beginn, in der Pause und gegen Ende französische Musik als Persiflage, z.B. ”Frankreich, Frankreich... olala, olala...”

Mit den Theaterbesuchern tritt eine hübsche Dame in den Zuschauerraum. Saloppe Frisur, ein modischer, die gute Figur betonender Mantel, Handtasche über der Schulter, Zeitschrift in der Hand. Sie stand mit den Theatergästen draußen und wartete auf Einlass. Sie geht auf die Bühne. Sie tritt, während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen, vor die gedachte Eingangstür, sucht nach dem Schlüsselbund in der Tasche, findet ihn, geht in die Hocke, versucht das Schloss des gedachten Sicherungsrollos aufzuschließen. Sie wechselt mehrmals den Schlüssel, murmelt, schimpft.

SYLVIA: Blödes Schloss. Gestern hat’s doch noch funktioniert. So etwas Dummes. Woran liegt das nur?

Schließlich funktioniert es. Sie bewegt den gedachten Rollo ein Stück nach oben, hat aber dann Probleme. Sie zieht, stemmt, stöhnt, bekommt ihn nicht weiter hoch. Sie schaut sich hilfesuchend im Zuschauerraum um, versucht es noch einmal, ohne Erfolg. Sie wendet sich an die Zuschauer.

SYLVIA: Kann mir mal jemand helfen? Ich bekomme das blöde Ding nicht hoch.

Wenn niemand reagiert, spricht sie einen Herrn an, der in der ersten Reihe sitzt

SYLVIA: Bitte, würden Sie vielleicht so lieb sein. Ich bekomme das blöde Ding nicht hoch. Bitte!

Sie macht das sehr lieb, aber eindringlich. Der Herr kommt auf die Bühne.

SYLVIA: Ein blöder Rollo ist das. Ich glaube, er klemmt.

Sie versucht es noch mehrmals ohne Erfolg, lässt dann den Herrn ran. Wenn er es schafft, ok. Wenn nicht, hilft sie mit. Es gelingt. Der gedachte Rollo wird hochgeschoben. Ein ganz dickes, liebevolles:

SYLVIA: Danke.

Ein flüchtiges Küsschen auf die den Zuschauern zugewendete Wange des Herrn. Der Lippenstift hinterlässt Spuren. Der Herr geht zu seinem Platz zurück. Sie sucht den passenden Schlüssel für das gedachte Türschloss, versucht es mit mehreren. Wieder hilfesuchender Blick ins Publikum.

 

SYLVIA: Ich bekomme das Schloss nicht auf. So etwas Dummes. Mein Gott, ist mir das peinlich.

Sie versucht es noch einige Male mit mehreren Schlüsseln, ohne Erfolg. Sie wendet sich wieder an den Herrn im Publikum.

SYLVIA: Würden Sie vielleicht noch einmal so lieb sein? Bitte. Das ist mir sehr unangenehm. Wirklich.

Der Herr kommt, erhält den Schlüsselbund.

SYLVIA: Einer passt. Ich bin ganz sicher. Das ging gestern noch ganz leicht.

Der Herr hat keine Probleme. Die Tür ist offen.

SYLVIA: Sie sind ein Schatz.

Sie umarmt ihn. Nimmt seine Hände, betrachtet sie bewundernd, liebkost sie mit ihrer Wange, betrachtet sie wieder.

SYLVIA: Sie haben goldene Hände. Wissen Sie das? Was die alles können.

Küsschen. Ein tiefer Seufzer.

SYLVIA: Vielleicht sehen wir uns nachher noch. Haben Sie Zeit? Ja? Schön. Tschüss. Bis dann.

Sie trippelt hinein, wirft Tasche und Zeitung auf die Theke der Bar, trippelt zum Spiegel an der Rückwand, schaut flüchtig hinein, korrigiert etwas an den Augenlidern, zieht den Mantel aus, hängt ihn an den Kleiderständer. Sie trägt einen Mini und ein luftiges Oberteil.

Sie schaut nochmals kurz in den Spiegel, zupft am Mini, trippelt zur Bar, nimmt den Lippenstift aus der Tasche, trippelt zurück, zieht die Lippen nach, trippelt zur gedachten Eingangstür, wirft dabei den Lippenstift auf die Bar. Draußen vor dem ersten gedachten Fenster greift sie zur gedachten Kurbel der gedachten Markise. Sie kurbelt die gedachte Markise heraus. Dann die vor dem zweiten gedachten Fenster. Jedoch - die klemmt. Sie versucht es mehrmals. Zwischendurch einige hilfesuchende Blicke zu dem Herrn im Publikum. Bevor der jedoch heraufgekommen ist - ein Ruck und sie hat es geschafft.

Sie schaut nach oben, so als wäre da etwas nicht in Ordnung, an der gedachten Markise. Sie reckt sich, kommt nicht dran, springt mehrmals. Wieder scheuer Blick ins Publikum zu dem hilfsbereiten Herrn.

SYLVIA: Oh bitte, wären sie vielleicht noch einmal so lieb? Bitte.

Der Herr kommt. Sie strahlt, trippelt ihm entgegen. Küsschen. Sie nimmt seine Hände bewundernd.

SYLVIA: Sind das Hände. Würden Sie mal?

Sie zeigt ihm, wie er die Hände verschränken soll, damit sie ihr als Leiter dienen. Dann zieht sie die Schuhe aus, versucht mit dem rechten Fuß hineinzusteigen. Kommt nicht hoch, dreht und zieht am Mini, versucht es mehrmals, bis sie es schafft. Sie hält sich sehr linkisch am Kopf des Herrn fest, bringt ihm dabei die Haare durcheinander. Sie werkelt an der gedachten Markise, bis sie zufrieden ist, steigt ab, umarmt den Herrn stürmisch. Mehrere Küsschen. Sie ordnet seine Haare, haucht ein:

SYLVIA: Bis nachher.

Sie schaut ihn verliebt an, wirft ihm Kusshände zu, zieht die Schuhe an, trippelt nach drinnen, nimmt einen Lappen, wischt, sich tief nach vorn beugend, an den Würfeln. Sie putzt den Spiegel, haucht dabei mehrmals auf die Spiegelfläche, reckt und streckt sich

Derweil kommt ein verspäteter Besucher in den Zuschauerraum, ein eleganter Herr. Er hat den offenen grauen Mantel lose über den Schultern hängen, den Kragen hochgeschlagen. Er trägt eine helle Cordhose, ein grün kariertes Sakko, ein hellblaues Hemd und eine grün karierte Fliege. Auf den Haaren sitzt eine große Sonnenbrille, von den Bügeln seitlich am Kopf gehalten.

Während die junge Dame eifrig wischt schlendert der Herr, die Hände in den Hosentaschen, provozierend langsam im Zuschauerraum vor der ersten Reihe entlang. In der Mitte stehend ruft er sehr selbstbewusst in das Publikum hinein.

MIKE: Ist der Platz da noch frei? Diesen meine ich.

Er zeigt auf einen freien Stuhl in der Mitte der dritten Reihe, der vorher mit „Reserviert“ freigehalten wurde.

MIKE: Ist der noch frei? Ja? Schön. Würden Sie dann bitte eins rüberrücken? Sie meine ich. Bitte eins rüber. Nun rücken Sie doch schon. Wenn die ganze Reihe aufrückt, brauche ich mich nicht durchzwängen. - Danke.

Er geht zur Seite, schaut dabei zur Bühne. In der Höhe der gedachten Eingangstür reckt er sich. Die junge Dame beugt sich gerade sehr tief beim Staubwischen. Der Herr schmunzelt, wechselt mehrmals die Position um besser sehen zu können, steigt langsam hinauf auf die Bühne.

Er steht vor den gedachten Fenstern und schaut nach oben zum Transparent, während die junge Dame eine der gedachten Fensterscheiben säubert. Sie haucht, wischt kreisförmig. Der Herr streckt den Kopf nach vorn und winkt. Sie nimmt ihn jetzt erst wahr, lächelt keck. Der Herr winkt mehrmals, geht dann zur gedachten Eingangstür. Sie steht offen.

MIKE: Darf ich eintreten schönes Kind? Ist das ein Lokal? Künstlertreff, hmm, sieht interessant aus, wirklich, interessant.

SYLVIA: Klar ist das ein Lokal. Aber ein besonderes, mein Herr. Eins für Künstler.

MIKE: Hmm, interessant. Ein Lokal für Künstler. Interessant. Was machen die denn hier. Vielleicht... Ist das ein Nachtlokal?

SYLVIA: Nein, mein Herr, wenn es auch manchmal... Die Künstler betreiben Kommunikation bei uns. Gedankenaustausch, verstehen Sie? Happenings, Meetings, verstehen Sie?

MIKE: Soso, Kommunikation, Happenings, Meetings. Soso. Austausch. Dann ist das ja auch etwas für mich. Ich liebe ... die Kommunikation. Besonders, wenn sie so hübsch ist. Sehr interessant. Sie sind eine außergewöhnlich interessante junge Frau. Wissen Sie das?

Sie ist verlegen, zupft am Mini und am Oberteil.

SYLVIA: Bei uns verkehren nur interessante Leute. Künstler halt. Sind Sie auch Künstler, mein Herr?

MIKE: Das sehen Sie doch wohl, schöne Frau. Oder sieht man das nicht?

SYLVIA: Doch, natürlich. Wenn Sie Platz nehmen möchten. (sie weist zu den Würfeln, wischt noch einmal über einen) Bitte sehr. Sie sind der erste Gast heute. Aber in ein paar Minuten werden Sie in bester Gesellschaft sein. (sie nimmt ihm den Mantel ab, hängt ihn an den Kleiderständer) Möchten Sie etwas trinken?

MIKE: Ja gerne. Was haben Sie denn für Biersorten?

SYLVIA: Eine Menge, mein Herr. Hunninger, Bitbacher, Klosterbrannt, Amstel-Neu, Bucks, Gimmes, Heinriken ...

MIKE: Ich nehme ein Gimmes.

SYLVIA: Oh, einen Moment noch. Das habe ich vergessen zu sagen.

Sie reckt sich über die Theke, greift nach einer bunten Hahnenmaske und reicht sie Mike.

MIKE: Was ist das?

SYLVIA: Das müssen Sie anziehen. Es ist bei uns so üblich. Herren tragen das. Es ist die besondere Note unseres Hauses. Es fördert die Kommunikation. Versuchen Sie es.

Mike steht auf, geht mit der Maske zum Spiegel.

MIKE: Wirklich ein besonderes Lokal. Ein besonderes Ambiente. Interessante Atmosphäre. Wenn die Gäste auch so sind.

Er probiert die Maske. Sie umschließt den Kopf, reicht bis auf die Schultern, lässt das Gesicht frei, wird unter dem Kinn zugeknöpft. Sie ist mit echten Hahnenfedern bestückt. Oben wackelt ein roter Hahnenkamm. Über den Augen des Akteurs schwebt ein großer gelber Schnabel. Mike dreht und wendet sich, zupft an sich herum, schneidet Grimassen im Spiegel, stolziert hin und her, betrachtet sich von allen Seiten.

Ein Mann in schwarzem Mantel, mit schwarzem Künstlerhut, im Nacken ein Haarzopf, kommt gelassen vom Eingang her durch den Zuschauerraum. Er steuert direkt auf die Bühne zu.

SYLVIA: Oh, sehen Sie, der nächste Gast kommt. Das ist Frieder.

FRIEDER: Hallo, Sylvia. Wie geht‘s? (Küsschen links, Küsschen rechts) Du siehst gut aus mein Schatz. Wie immer. Oh, heute bin ich nicht der erste wie ich sehe.

Er geht sehr selbstbewusst auf Mike zu, streckt ihm die Hand entgegen. Der steht etwas verlegen da mit seiner Hahnenmaske.

FRIEDER: Ich heiße Frieder.

MIKE: Hallo, guten Abend, ich heiße Mike, eigentlich Michael. Aber Freunde nennen mich Mike. (die beiden schütteln sich die Hände. Mike zeigt auf die Maske) Muss ich das anbehalten?

FRIEDER: Natürlich. Wir Männer tragen diese Dinger. Das macht Laune. Sie werden sehen. Das ist ein besonderes Lokal.

Er zieht den Mantel aus, trägt darunter schwarze Hose, schwarzen Pulli, bunten Seidenschal, locker gewunden, keine Strümpfe, schwarze Slipper.

FRIEDER: Sie sind wohl das erste Mal hier?

SYLVIA: Ihr Gimmes, Herr Mike. (sie stellt es auf einen Würfel, wendet sich an Frieder) Für dich einen Cailluc, gut gekühlt, wie immer?

FRIEDER: Wie immer.

Er greift sich selbst eine Hahnenmaske, zieht sie an.

FRIEDER: Wollen wir es uns gemütlich machen Mike? Kommen Sie.

Er setzt sich auf einen Würfel. Mike nimmt sein Bier, setzt sich auf einen Würfel daneben.

MIKE: Wirklich interessantes Lokal, interessantes Ambiente. Das muss ich sagen. Ich bin froh, dass es so etwas jetzt für Künstler gibt. Wovon leben Künstler, wenn nicht von der Kommunikation. Kommuni...

FRIEDER: Apropos Künstler. Welche Art Künstler sind Sie, wenn ich fragen darf?

SYLVIA: Dein Cailluc, Frieder. Zum Wohl die Herren.

FRIEDER: Ich bin Designer, Grafiker, Videograph. Ich nehme an, das sagt Ihnen was. Ich arbeite für eine auserlesene Klientel. Corporate identity, Imagine design. Ich nehme an, das sagt Ihnen was. (er setzt einen zweiten Würfel auf, sitzt nun wesentlich höher als Mike) Was sagten Sie? Welche Art Künstler...? Übrigens, vielleicht kann ich einmal etwas für Sie tun. Hier meine Karte.

Er reicht seine Visitenkarte. Mike rückt verlegen auf seinem Würfel hin und her, betrachtet die Karte, dann reckt er den Oberkörper auf.

MIKE: Ja... Ja... Ja... Fotograf bin ich. Fotograf. Livestile, Natural art. Ich nehme an, das sagt Ihnen was.

Sylvia sitzt auf zwei aufeinander gestapelten Würfeln an der Bar. Sie blättert in ihrer Zeitschrift, hat zum Lesen eine lustige farbige Brille angezogen, die Sie immer absetzt wenn Sie agiert. Sie hat ihr Handy und Kopfhörer aus der Tasche geholt. Sie hört Musik und feilt an den Fingernägeln. So beschäftigt sie sich während des gesamten Stücks.

FRIEDER: Soso, Fotograf sind Sie. Ja, Fotografen gibt's viele.

MIKE: Aber nicht viele die das machen was ich mache. Ich weiß keinen. Es ist... Es ist... Es ist eine Sache des Stils und der Intention. Nicht die Kamera macht Bilder. Es ist das Herz, das Engagement des Künstlers. Und es sind auch keine Bilder, meine Bilder... Es ist... Es ist...

Er baut sich auch einen zweiten Würfel auf den ersten.

MIKE: Es ist... Seele. Jawohl, ich fotografiere Seele. Daraus entstehen Bildbände, keine Bilderbücher. Das sind Wertobjekte. Ich stelle mir selbst sehr hohe Anforderungen, das können Sie mir glauben. Zur Zeit ist mein Thema Auf den Spuren vergangener Kulturen. Ich arbeite gerade...

FRIEDER: Seele, interessant, sehr interessant. Oh, da kommt Guido.

Er springt auf, eilt zur Tür. Dort steht ein Mann in einer Weste aus Schafspelz, die Hände in den Hosentaschen. Locker und lässig steht er da. Auf dem Kopf hat er ein rundes, buntes gehäkeltes Käppchen mit Bommeln. Er trägt eine ockerfarbene Tuchhose mit Beintaschen und hohe weiche hellbraune Lederschuhe. Die beiden begrüßen sich überschwänglich, umarmen sich.

FRIEDER: Tritt ein, mein Freund. Schön dich zu sehen. Du siehst gut aus. Wie geht es dir? Sylvia, einen Drink für meinen Freund Guido.

SYLVIA: Tomatensaft Guido, wie immer?

GUIDO: Wie immer.

FRIEDER: Wie geht es der lieben Nicole? Dumme Frage. Wie soll es ihr gehen, bei deinen Qualitäten? Was machen die lieben Kinder? Sie sind doch so begabt. Üben Sie noch fleißig ...? Ach, übrigens das ist Mike. Er ist heute zum ersten Mal hier. Ein sehr interessanter Gast. Fotograf. Livestile, du weißt schon. Seele fotografiert er, wirklich sehr ...

MIKE: Gestatten, Mike, eigentlich Michael, Freunde nennen mich Mike. Fotograf, Livestile, Natural art, Bildbände, vergang...

 

GUIDO: Tag Mike. Ich heiße Guido. Ich bin Stammgast in diesem Etablissement. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl in unserem Kreis.

Er hängt sein Käppchen an den Kleiderständer, betrachtet sich im Spiegel, ordnet die Haare, zupft an der Weste. Sylvia bringt ihm seine Maske, stellt den Saft auf einem Würfel ab. Guido steht breitbeinig vor dem Spiegel, zieht die Maske an, korrigiert den Sitz, betrachtet sich selbstgefällig.

GUIDO: Was wären wir Künstler ohne Kommunikation, sage ich immer. Von der Kommunikation lebt die Kunst, sage ich immer. Das brauchen wir wie die Luft zum Atmen, sage ich auch immer. Ist das nicht so? (er schlägt Mike kräftig auf den Rücken. Der fällt fast von seinem Würfelturm)

GUIDO: Was ist ein Fotograf ohne Kommunikation mit anderen Künstlern? Was? Ich sage es Ihnen. Nichts. Ein Möchtegernfotograf. Ein Möchtegernkünstler. Und davon gibt es viele. Hab’ ich Recht, Frieder?

Guido baut zwei Würfel übereinander, neben die linke Leiter, stellt sein Glas auf den obersten Würfel, nimmt auf Stufe 4 der Leiter Platz. Er sitzt etwas höher als die beiden auf ihren Würfeln.

FRIEDER: Guido ist Dichter und Schriftsteller. Einer von den ganz großen. Wissen Sie? Er sieht das aber nicht so. Er ist halt bescheiden.

GUIDO: Hören Sie nicht auf ihn, er übertreibt. Was macht deine Kunst, Frieder? Hast du gut zu tun? Natürlich hast du gut zu tun, bei deiner Qualifikation. (an Mike gewendet) Frieder ist ein großer Künstler. Ein... Ein Kommunikationskünstler. Nicht war, Frieder? Was der macht, das macht der tausendprozentig. Das ist mehr als Begabung. Das ist ... Berufung. Nicht wahr, Frieder? Übrigens, der Professor ist nicht davon abzubringen eine Rezension für mein neues Buch zu schreiben. Schatten in den Wäldern. Du weißt schon. Ich hatte ihm das Manuskript gegeben. Er sagt, es wird mein bestes. Du bekommst das erste Buch. Wie immer. Frisch aus der Druckerpresse. Mit Widmung natürlich. Und für deine liebe Frau auch eins. Ich weiß wie ihr beiden euch freut.

FRIEDER: Danke Guido. Wir wissen das zu schätzen. Nicole schwärmt sehr für deine Bücher. Das weißt du ja. (an Mike gewendet) Guido hat schon fünf Bücher veröffentlicht. Keine Romane, keine Schmöker - Literatur! Nicht wahr, Guido? Im Eigenverlag! Lyrik und Prosa! Nicht wahr Guido? Das sind Bücher! So was finden Sie in keiner Buchhandlung. (an Guido gewendet) Ich denke immer noch, dein erstes ist dein bestes. Werte im Fluss, nein, Verflossene Werte, nein ...

Er schaut hilfesuchend zu Guido.

GUIDO: Werte im Wandel. Es ist das erfolgreichste. Ob es deshalb auch das beste ist? Ich weiß nicht. Der Professor sagt, das neue, Schatten in den Wäldern, sei voller Tiefe und er glaubt, dass es ein Bestseller wird. Er sagt ...

MIKE: (springt auf) Entschuldigen Sie bitte, dass ich unterbreche. Ich sehe, ich bin wirklich in allerbester Gesellschaft. Erlauben Sie meine Herren, dass ich mich etwas näher vorstelle. (er räuspert sich) Bitte, schöne Frau, noch ein köstliches Gimmes. Gimmes ist kein Bier, Gimmes ist Nektar, Gimmes ist Geistesnahrung. Gimmes ist ... Aber wem sage ich das. Entschuldigen Sie meine Herren.

Er geht auf und ab vor dem Spiegel, zupft an der Maske, am Jackett, an der Fliege.

MIKE: Gimmes ... Ich meine ... Ja, Fotograf bin ich in Sachen Kultur, Spezialist für Bildbände. Das sagte ich ja schon. Vergangene Kulturen. Das sagte ich auch schon. Aber, ich bin noch mehr.

Er strahlt sich an im Spiegel, zupft mit beiden Händen an der Fliege, schwingt sich herum.

MIKE: Ich bin Weltreisender, meine Herren.

Er stolziert zur mittleren Leiter, baut dort einen Turm für sein Glas, ersteigt die Leiter, setzt sich auf Stufe 5, eine Stufe höher als Guido. Der schaut überrascht.

MIKE: Weltreisender. Das müssen Sie wörtlich nehmen. Ich bin Botschafter. Botschafter in Sachen Kultur, meine Herren. Sie verstehen das. Bedrohte Kulturen ist mein Thema. Ich schaffe Werke die wachrütteln. Werke die an das Gewissen appellieren. Da gibt es viel zu tun, meine Herren.

GUIDO: Da stimme ich Ihnen zu. Das deckt sich mit dem was ich denke. Das finden Sie auch in meinen Büchern. Gerade wir Deutschen müssen in der Welt Verantwortung übernehmen. Wir sind die Elite. Wir sind doch prädestiniert Werte wieder ins richtige Licht zu rücken. Wenn wir es nicht machen meine Herren, wer macht es dann? Übrigens Herr Mike, nicht dass Sie glauben, ich würde nur Gedichte schreiben. Nein, in erster Linie schreibe ich anspruchsvolle Prosa. Oh, ich habe zufällig ein Buch von mir dabei. Rein zufällig. Wenn Sie mal reinschauen wollen?

Er holt ein Taschenbuch aus der linken Beintasche, reicht es rüber. Mike blättert darin herum.

GUIDO: Da steht das drin, was Sie vorhin gesagt haben, mit den Werten und so. Das ist Literatur, die bewegt, die wachrüttelt. Das ist anspruchsvoll. Das ist ... Das finden Sie in keinem Buchladen. Ich verkauf's Ihnen. Nein? Da sind keine Bilder drin, was? Das ist kein Bilderbuch Herr... (leiser) Mickymaus. Das ist Literatur, Herr Mike!!

Er steckt das Buch wieder ein und steigt auf Stufe 6.

FRIEDER: (springt auf) Übrigens, Mike, wenn Sie Weltreisender sind... Ich meine ... dann kennen Sie sich bestimmt auch in Frankreich gut aus, nicht wahr? Dann sind Sie doch bestimmt mit mir der Meinung ...

GUIDO: (abgewendet) Ach du meine Güte. Jetzt geht das los. Natürlich kennt sich der Herr in Frankreich aus. Der Mann hat Lebensart, das siehst du doch. Wenn er wahrscheinlich auch nicht lesen kann.

FRIEDER: (steht neben der Leiter von Mike) Ich habe ein Haus in Frankreich, in der Bretagne. Kennen Sie die Bretagne? Da kann man leben, nicht wahr? Das ist Lebensart, nicht wahr? Übrigens ... ich bin Franzose.

Guido wendet sich angewidert ab, hat die Beine übereinander geschlagen, stöhnt.

GUIDO: Oje, Sylvia bitte noch einen Saft.

FRIEDER: Natürlich nicht wirklich Franzose. Ich meine ... Natürlich bin ich Deutscher wie sie. Aber im Herzen - da bin ich Franzose. Und in meinem vorigen Leben ...

GUIDO: Oje.

Er schlägt die Beine andersherum übereinander, schaut in die Luft.

FRIEDER: In meinem vorigen Leben, ja, da war ich Franzose. Ich bin sogar auf dem Meer geboren, auf einem Schiff. Das weiß ich.

Er rückt seine Würfel neben die dritte Leiter und nimmt auf Stufe 5, in Höhe von Mike, Platz.

GUIDO: Oje. Oje.

Er schlägt die Beine wieder andersherum übereinander, fährt mit dem Finger kreisend über den Rand seines Glases, versucht einen Ton zu erzeugen.

FRIEDER: Ich war Fischer. Glauben Sie es mir. Mein Vater war Kapitän. Das habe ich im Blut. Meine Mutter ...

GUIDO: Du warst Fischer, dein Vater Kapitän? Das sagt alles. Deshalb nimmst du immer dein Paddelboot mit nach Frankreich und faselst mir hernach die Ohren voll von riesigen Austern und Schalentieren, von .... Ich halte das nicht mehr aus. Frankreich. Frankreich. Nur Franzosen hier, was? Ich bin Deutscher! Und ich bleibe Deutscher!

Er rückt hoch auf Stufe 7.

GUIDO: Ich bin stolz auf mein Land. Ich brauche keine Weltreisen und kein Paddelboot. Das einzige was ich brauche ist Papier und einen Bleistift. Hier Papier, mein Notizbuch. Hier der Bleistift. (er hat beides aus der rechten Beintasche gezogen, hält es hoch) Ohne das bin ich nackt. Was macht der deutsche Mann wenn ihn die Gehirnstürme durchbrausen? Was? Natürlich, er schreibt, hält Werte fest, die ansonsten für immer verloren gingen. Wir machen Urlaub auf einem richtigen deutschen Bauerhof. Das ist kein Luftschloss in Frankreich, das ist eine landwirtschaftliche Einrichtung, die dazu dient, dass zu erzeugen, was deutsche Menschen brauchen. Gesunde Nahrung. Nicht irgendwelche Spitzfindigkeiten für Spinner. Alle die auf diesem Bauernhof leben sind Deutsche. Sie sind stolz darauf. Und wir haben immer unser Zelt dabei, weil wir auf guter deutscher Erde schlafen wollen. Im Bayerischen Wald zum Beispiel, da kenne ich einen ...

MIKE: (ist aufgesprungen, steigt von der Leiter) Entschuldigen Sie dass ich unterbreche. Aber ich glaube, ich muss einmal etwas klarstellen. (er tritt vor den Spiegel, zupft an der Maske, an Jackett und Fliege.) Ich bin nicht nur Fotograf und Weltreisender, meine Herren. Das mache ich nebenher.

Er wendet sich mit einem Ruck zu den beiden.

MIKE: Ich bin Verkaufsleiter. Nobelhaus, kennen Sie sicher. 32 % Marktanteil. Wir sind das erfolgreichste Unternehmen der Branche, meine Herren. Und unser Erfolg hat sehr viel mit dem zu tun, was Sie Herr Guido Gehirnstürme nennen. Jawohl. Der Erfolg von Nobelhaus ist im wesentlichen mein Verdienst. Es ist das Ergebnis meiner Gehirnstürme. Aber es genügt nicht, dass ich die auf ein Stück Papier kritzele. Um geistig hochwertige Potenz erfolgreich umzusetzen benötigt man mehr als Papier und einen Bleistift. Dazu gehört Weitsicht, unternehmerischer Mut, Einfühlungsvermögen, eine hochqualifizierte, hochmotivierte Mannschaft, Marktbeobachtung, Logistik, eine bis ins kleinste Detail durchorganisierte Fertigungstechnik und viel viel Engagement, meine Herren.