Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk und TV etc., vorbehalten.
Dieses Manuskript darf nur nach Erwerb der Aufführungsrechte und des dazugehörigen Materials beim Verlag verwertet oder weitergegeben werden. Nichtbeachtung dieser Verpflichtung ist ein Verstoß gegen das Urheberrecht und hat zivil- und strafrechtliche Folgen. Der Verlag behält sich vor, gegen ungenehmigte Veröffentlichungen und Aufführungen gerichtliche Maßnahmen zu initiieren.
_______________________________________
LITAG THEATERVERLAG MÜNCHEN
Maximilianstr. 21
80539 München
Tel. 089 2880 3440
Fax. 089 2880 3445
email: litag@litagverlag.de
Personal:
Minimal-Besetzung: 5 D + 5 H
1. D: Lysistrata
2. D: Kalonike – altes Weib – Kalonike
3. D: Myrrhine – altes Weib – Myrrhine
4. D: Rhodippe – altes Weib – Rhodippe
5. D: Lampito (Spartanerin) – altes Weib – Kind des Kinesias – Lampito
1. H: Ratsherr
2. H: Greis – Kinesias
3. H: Greis – Athener
4. H: Greis – Gesandter aus Sparta
5. H: Greis – Manes – Feldherr aus Sparta
Von einer kleineren Besetzung wird abgeraten. Größer kann gerne besetzt werden.
Die Zuteilung der Texte der Greise und der alten Weiber sowie die Kombination mit anderen Rollen sind beliebig und können verändert werden.
Die Greise könnten von Frauen und die alten Weiber von Männern gespielt werden.
Lampito und die anderen Spartaner könnten (kunst-)bayrisch oder einen anderen für den Aufführungsort relevanten Dialekt sprechen.
Manes könnte gestrichen werden.
Ort: Athen
Einheitsdekoration
I / 1
(Auf dem Platz vor der Burg)
LYSISTRATA
Hallo? Hallo?! Niemand da!? – Hätte ich die Frauen zu einer Modenschau hierher bestellt oder zu einem Fest oder zu einer Orgie, wären sie schon längst alle da und es gäbe kein Durchkommen. Wenn es aber einmal um etwas wirklich Wichtiges geht, lässt sich kein Aas blicken. – Ah, da kommt zumindest meine Nachbarin! Guten Morgen, Kalonike! Schon auf?
KALONIKE
(tritt auf)
Guten Morgen, Lysistrata! Wie geht es dir? He, was ist los? Warum runzelst du die Stirn?
LYSISTRATA
Ach, Kalonike, ich koche vor Wut!
KALONIKE
Du weißt, das macht hässlich.
LYSISTRATA
Ich weiß, aber ich rege mich gerade furchtbar über uns Frauen auf. Die Männer behaupten immer, wir sind nichtsnutzige unzuverlässige Schlampen –
KALONIKE
Und sind wir das nicht?
LYSISTRATA
Hatten wir nicht abgemacht, dass wir Frauen uns alle heute Morgen hier vor der Burg treffen, um eine große Sache zu besprechen? Und, schau dich um: Nicht eine einzige ist da! Wahrscheinlich schlafen sie alle noch.
KALONIKE
Jetzt reg dich ab, die kommen schon. Wir Frauen haben morgens auch noch anderes zu tun. Die eine muss es ihrem Mann besorgen, die andere sich herrichten oder die faulen Hausangestellten aus den Betten werfen, die nächste muss ihr Kind trocken legen, wickeln und füttern oder vielleicht nur etwas einkaufen gehen –
LYSISTRATA
Gibt es nichts anderes als Kinder, Küche und Kopulieren? Mir liegt ein viel größeres Ding am Herzen.
KALONIKE
Ein größeres Ding?! Wie groß ist es denn?
LYSISTRATA
Sehr groß.
KALONIKE
Und ist es auch stark und kräftig?
LYSISTRATA
Ja.
KALONIKE
Oh, du Glückliche!
LYSISTRATA
Viele Nächte habe ich mich deswegen schlaflos im Bett gewälzt.
KALONIKE
Und so etwas verschlafen die anderen Frauen?
LYSISTRATA
Kalonike, es ist nicht das, woran du denkst!
KALONIKE
Dann ist es inzwischen sicher dünn und schwach geworden bei all dem Wälzen…
LYSISTRATA
Kalonike! Es ist die Hoffnung, die dünn und schwach geworden ist, sodass die Rettung unseres Landes nun allein von uns Frauen abhängt! Das Wohl unseres Landes liegt allein in unserer Hand!
KALONIKE
In unserer Hand?! – Dann ist das Land verloren.
LYSISTRATA
In unserer Hand liegt der Friede zwischen Griechenland und Sparta.
KALONIKE
Sparta? Seit Jahren führen die Krieg gegen uns. Pest und Untergang wünsche ich denen an den Hals.
LYSISTRATA
Meinst du das ernst?
KALONIKE
Es sind unsere Feinde!
LYSISTRATA
Es sind auch unsere Nachbarn. Und nicht alles, was aus Sparta kommt, ist schlecht.
KALONIKE
Naja, ihre Aale und andere Leckereien können sie uns ruhig weiter liefern…
LYSISTRATA
Dem Krieg fallen seit Jahren nicht nur Spartaner, sondern auch unsere Griechen, unsere Männer zum Opfer. Auch griechische Aale kehren nicht mehr heim.
KALONIKE
Du meinst doch nicht –
LYSISTRATA
Ja. Ich will es nicht verschreien, aber auch dein Bett bleibt vielleicht eines Tags leer.
KALONIKE
Nein!
LYSISTRATA
Denk nur: Eine ganze Stadt, ein Staat ohne Männer.
KALONIKE
Entsetzlich!
LYSISTRATA
Und deshalb müssen wir etwas tun, damit es Frieden gibt zwischen Sparta und Griechenland. Wenn es die Männer schon nicht schaffen, müssen wir Frauen diesem Wahnsinn ein Ende bereiten. Deshalb habe ich euch alle hierher bestellt. Auch Sparta habe ich eingeladen.
KALONIKE
Und Sparta kommt?
LYSISTRATA
Ich hoffe ja, denn nur so können wir Griechenland retten. Wir Frauen müssen zusammenhalten und gemeinsam vernünftig sein.
KALONIKE
Aber wie können wir so etwas Großes und Kluges vollbringen?
LYSISTRATA
Ganz einfach: Mit den Waffen einer Frau!
KALONIKE
Sitzen wir nicht den ganzen Tag nur da, geschminkt, mit Blumen und bunten Gewändern geschmückt, blond gefärbt und warten auf unsere Männer? Wie wollen wir, wie soll ein gelber Schal oder ein raffiniertes Kleid oder aufreizende Schuhe den Krieg beenden?
LYSISTRATA
Genau das sollen unsere Waffen sein! Damit werden wir den Krieg besiegen!
KALONIKE
Wie das?
LYSISTRATA
Glaub mir, kein Mann wird mehr seine Hand oder seine Waffe gegen einen andern erheben. Mit unseren Waffen werden wir die Männer zum Frieden zwingen.
KALONIKE
Irgendwie ist mir das zu hoch, aber wenn dem so ist, dann trage ich gerne einen gelben Schal, ein weit ausgeschnittenes Kleid und hochhackige Schuh´.
LYSISTRATA
Da musst du dich ja nicht besonders anstrengen. – Sollten die anderen Frauen nicht schon längst hier sein?
KALONIKE
He, Frauen von Athen, wo bleibt ihr? Wir haben Großes hier zu tun!
LYSISTRATA
Sie hätten doch alle herfliegen müssen.
KALONIKE
Kommt alle her! –
(sieht MYRRHINE und RHODIPPE)
Ah, da strömen schon zwei!
LYSISTRATA
Sieh da, Myrrhine. Die hatte es nicht weit.
KALONIKE
Und wer ist die andere?
LYSISTRATA
Rhodippe, ein treues ehrliches Weibchen, das selten ihren heimischen Herd verlässt.
KALONIKE
Die brave Provinzlerin sieht man ihr von weitem an.
LYSISTRATA
Sie kommt eben aus dem Hinterland.
KALONIKE
Solange ihr Unterland gut durchackert und gepflegt ist wie ein seidiger Rasen –
LYSISTRATA
Dafür ist die andere – nun ja, sagen wir: offenherziger!
I / 2
(MYRRHINE und RHODIPPE treten auf)
MYRRHINE
Wie? Bin ich zu spät?
LYSISTRATA
Ihr hättet wirklich früher hier sein können, bei so einem wichtigen Anlass.
MYRRHINE
Entschuldige, aber ich habe meinen linken Schuh nicht gleich gefunden. Bist du mir jetzt böse?
RHODIPPE
Und ich musste meinen Kindern erst mal das Frühstück richten.
MYRRHINE
Und was soll so wichtig sein? Schieß los!
LYSISTRATA
Etwas, das wichtiger ist als ein voller Magen oder ein linker Schuh. – Aber wir wollen noch auf Lampito aus Sparta warten.
MYRRHINE
Was? Die kommt auch?!
RHODIPPE
Dass die sich hierher getraut!
LYSISTRATA
Warum nicht? In dieser Sache müssen wir länder- und ständeüber-greifend alle zusammenhalten.
I / 3
(LAMPITO tritt auf)
KALONIKE
Da schau! Wenn man vom Teufel spricht! Da kommt die Frau aus dem fernen fremden Sparta schon!
LYSISTRATA
Lampito! Wie freue ich mich, dass du gekommen bist. Ich weiß, das ist nicht selbstverständlich, da sich unsere Männer auf dem Kriegsfeld feindlich gegenüber stehen. Du siehst ja blendend aus!
MYRRHINE
(zu KALONIKE und RHODIPPE)
Wie macht die das?
LAMPITO
Seid´s olle herzigfach gegrüßt!
(zu LYSISTRATA)
Host du mi eing´lad´n?
LYSISTRATA
Ja, ich.
LAMPITO
Und warum?
KALONIKE
Wow! Schaut sie euch an! Diese Muskeln! Diese Arme! Diese Brust!
MYRRHINE
Als würde sie täglich ins Fitness-Studio gehen!
RHODIPPE
Trainierst du für Olympia?
KALONIKE
Oder willst du nur einen Stier auf die Matte zwingen?
LAMPITO
No jo, i trainier´ halt in unserm Sportverein für´s Mittelschwergewicht.
LYSISTRATA
Jetzt hört endlich auf, sie zu betatschen! Sie ist doch keine Kuh, die auf dem Viehmarkt steht.
LAMPITO
Jo genau! Loßt´s mi, i bin doch ka Rindvieh nit! Jetz mog i oba wissen, warum´s mi herbestellt hast.
KALONIKE / MYRRHINE / RHODIPPE / LAMPITO
(zu LYSISTRATA)
Genau! Wir auch! Was ist denn los! Was ist so dringend? Ich platze vor Neugier. Es muss ja was arg wichtiges sein. Ich hab mir auch schon den Kopf zerbrochen. Gibt es ein Fest? Ein Fest? Wie? Was? Wann? Wo? – Wos is´n? Wos wüllst denn von uns?
LYSISTRATA
Ruhe! Also! Hört mir zu! Ich habe euch eingeladen, weil ich euch etwas fragen muss. Seit Jahren leben wir im Krieg und unsere Männer sind im Feld. Antwortet mir ehrlich: Vermisst ihr nicht manchmal die Nähe eurer Männer? Hat keine von euch Sehnsucht nach einem Mann, einem Liebhaber, einem Hausfreund im Bett?
KALONIKE
Mein Mann ist schon seit fünf Monaten an der Front.
MYRRHINE
Ich heule mir jede Nacht nach meinem Mann die Augen aus.
RHODIPPE
Ich auch.
LAMPITO
Und i erst!
LYSISTRATA
Keine von euch hat derzeit noch einen Mann im Haus, alle sind doch seit Jahren im Krieg. Und wenn sie heimkommen, sind sie faul, müde und erschöpft und ziehen meist am nächsten Morgen schon wieder ins Feld.
LAMPITO
Nojo, drum mach i halt a wengerl Sport. Des lenkt mi ab.
KALONIKE
Wenn mein Mann alle Jubeljahre einmal kommt, packt er am nächsten Morgen gleich wieder seinen Sack und ist erneut für die nächsten Monate fort.
RHODIPPE
Ich kenne das auch nicht anders. Eine Nacht nur wird der Garten bestellt und dann liegt er wieder monatelang brach.
MYRRHINE
So ist das auch bei mir. Auch mein Kind vermisst aufs Schmerzlichste seinen Vater.
LAMPITO
Jojo, mir Weiberleut´ ham´s schon schwer.
LYSISTRATA
Ja, auch die Hausfreunde und Liebhaber sind rar geworden.
KALONIKE
Wie weggeblasen!
ALLE ANDEREN
(bejahend)
Hmm.
LYSISTRATA
Die hätten uns sicher nur zu gerne getröstet.
ALLE ANDEREN
Hmm.
LYSISTRATA
Ich frage euch: Wie sollen wir uns trösten? Die echten Männer stehen alle nur noch stramm für´s Vaterland. Geblieben sind uns nur die Greise. Und nicht einmal diese Lederdinger haben wir als Ersatz, weil wegen dem Handelsboykott nur noch Sparta beliefert wird.
LAMPITO
Stimmt.
ALLE ANDEREN
Hmm.
RHODIPPE
Es ist ein Jammer. Dieser verwünschte Krieg.
MYRRHINE
Und wir welken dahin…
KALONIKE
So kann das nicht weitergehen...
LAMPITO
Des kann noch a paar Joahr so geh´n…
LYSISTRATA
Wenn ich wüsste, wie dieser Krieg zu beenden wäre: Würdet ihr mir dabei helfen? Steht ihr mir dann bei?
KALONIKE
Auf jeden Fall! Ich ließe mich dafür spalten wie eine Flunder und gäbe eine Hälfte her.
MYRRHINE
Ich gäb mein schönstes Gewand, und vielleicht auch mein Unterkleid.
RHODIPPE
Ich wäre einfach nur glücklich –
LAMPITO
Und i steig auf die Zugspitz und schrei „Frieden is!“ über´s ganze Land! Holleredioh!
LYSISTRATA
Gut, Frauen, dann hört meinen Plan: Wenn wir die Männer wirklich zwingen wollen, Frieden zu schließen, dann müssen wir uns zuerst selbst üben in Verzicht. Übt euch in –
KALONIKE
Moment! Verzichten auf was?
MYRRHINE
Wenn es dem Frieden dient, auf alles!
LAMPITO