Free

Geschlecht und Charakter

Text
iOSAndroidWindows Phone
Where should the link to the app be sent?
Do not close this window until you have entered the code on your mobile device
RetryLink sent

At the request of the copyright holder, this book is not available to be downloaded as a file.

However, you can read it in our mobile apps (even offline) and online on the LitRes website

Mark as finished
Font:Smaller АаLarger Aa

Mit diesem völlig verschmolzenen Leben des Weibes hängt es zusammen, daß die Frauen nie wirklich Eifersucht fühlen. So gemein Eifersucht und Rachedurst sind, es steckt in beiden ein Großes, dessen die Frauen, wie aller Größe, im Guten oder im Bösen, unfähig sind. In der Eifersucht, liegt ein verzweifelter Anspruch auf ein vorgebliches Recht, und der Rechtsbegriff ist den Frauen transcendent. Aber der hauptsächlichste Grund, daß die Frau auf einen einzelnen Mann nie ganz eifersüchtig sein kann, ist ein anderer. Wenn der Mann, auch einer, in den sie rasend verliebt wäre, im Zimmer neben dem ihren eine andere Frau umarmte und besäße, so würde sie der Gedanke hieran sexuell selbst so erregen, daß für die Eifersucht kein Platz bliebe. Dem Manne würde eine solche Scene, wenn er um sie wüßte, höchst widerlich und abstoßend sein, und ihm den Aufenthalt in der Nähe verekeln; das Weib bejaht innerlich beinahe fieberhaft den ganzen Hergang; oder es wird hysterisch, wenn es sich nicht eingestehen will, daß es zu tiefst auch diese Vereinigung nur gewünscht hat.

Ferner gewinnt über den Mann der Gedanke an den fremden Koitus nie völlig Gewalt, er steht außer und über einem solchen Erlebnis, das für ihn eigentlich gar keines ist; die Frau aber verfolgt den Prozeß kaum selbsttätig, sie ist in fieberhafter Erregung und wie festgebannt durch den Gedanken, was hart neben ihr sich vollzieht.

Oft mag auch das Interesse des Mannes an seinem Mitmenschen, der ihm ein Rätsel ist, bis auf dessen sexuelles Leben sich erstrecken; aber jene Neugier, welche den Nebenmenschen gewissermaßen zur Sexualität zwingt, ist nur den Weibern eigentümlich, von ihnen jedoch ganz allgemein betätigt, in gleicher Weise Frauen wie Männern gegenüber. Eine Frau interessieren an jedem Menschen zunächst und vor allem seine Liebschaften, und er ist ihr intellektuell nur so lange dunkel und reizvoll, als sie über diesen Punkt nicht im Klaren ist.

Aus alledem geht nochmals klar hervor, daß Weiblichkeit und Kuppelei identisch sind: eine rein immanente Betrachtung des Gegenstandes würde denn auch mit dieser Feststellung ihr Ende erreicht haben müssen. Meine Absicht ging aber weiter; und ich glaube nun bereits angedeutet zu haben, wie das Weib als Position, als Kupplerin, zusammenhängt mit dem Weibe als Negation, das eines höheren Lebens als Monade gänzlich entbehrt. Das Weib verwirklicht eine einzige Idee, die ihm selbst eben darum nie zum Bewußtsein kommen kann, jene Idee, welche der Idee der Seele am äußersten entgegengesetzt ist. Ob sie nun als Mutter nach dem Ehebett verlangt oder als Dirne das Bacchanal bevorzugt, ob sie zu zweien Familie begründen will oder nach den Massenverschlingungen des Venusberges hinstrebt, sie handelt stets nach der Idee der Gemeinschaft, jener Idee, welche die Grenzen der Individuen, durch Vermischung, am weitesten aufhebt.

So ermöglicht hier eines das andere: Emissärin des Koitus kann nur ein Wesen ohne Individualität, ohne Grenzen sein. Nicht ohne Grund ist in der Beweisführung so weit ausgeholt worden, wie es sicherlich noch nie in einer Behandlung dieses Gegenstandes, noch auch sonst je einer charakterologischen Arbeit geschehen ist. Das Thema ist darum so ergiebig, weil hier der Zusammenhang alles höheren Lebens auf der einen und alles niederen Lebens auf der anderen Seite sich offenbaren muß. Jede Psychologie und jede Philosophie findet hier einen Prüfstein, vorzüglicher als die meisten anderen, auf daß sie an ihm sich erprobe. Nur darum bleibt das Problem Mann-Weib in aller Charakterologie das interessanteste Kapitel, nur darum habe ich es zum Objekte einer so umfassenden, weit ausgreifenden Untersuchung gewählt.

Man wird an dem Punkte, zu welchem die Darlegung nun gelangt ist, sicherlich offen fragen, was man bisher vielleicht nur als Bedenken bei sich erwogen hat: ob denn dieser Anschauung die Frauen überhaupt noch Menschen seien? Ob sie nach der Theorie des Verfassers nicht eigentlich unter die Tiere oder die Pflanzen gerechnet werden müßten? Denn sie entbehrten, nach seiner Auffassung, einer höheren als der sinnlichen Existenz nicht minder denn jene, sie hätten so wenig teil am ewigen Leben wie die übrigen Organismen, denen persönliche Fortdauer kein Bedürfnis und keine Möglichkeit ist. Eine metaphysische Realität sei beiden gleich wenig beschieden, sie seien alle nicht, das Weib nicht, noch auch das Tier, noch die Pflanze – alle nur Erscheinung, nirgends etwas vom Ding an sich. Der Mensch ist, nach der Ansicht, die sein Wesen am tiefsten erfaßt hat, ein Spiegel des Universums, er ist der Mikrokosmus; die Frau aber ist absolut ungenial, sie lebt nicht im tiefen Zusammenhange mit dem All.

In Ibsens »Klein Eyolf« spricht das Weib an einer schönen Stelle zum Manne:

Rita: Wir sind doch schließlich nur Menschen.

Allmers: Auch mit Himmel und Meer sind wir ein wenig verwandt, Rita.

Rita: Du vielleicht. Ich nicht.

Ganz bündig liegt hierin die Einsicht des Dichters, daß die Frau zur Idee der Unendlichkeit, zur Gottheit, kein Verhältnis hat: weil ihr die Seele fehlt. Zum Brahman dringt man, nach den Indern, nur durch das Âtman vor. Das Weib ist nicht Mikrokosmus, es ist nicht nach dem Ebenbilde der Gottheit entstanden. Ist es also noch Mensch? Oder ist es Tier? Oder Pflanze?

Den Anatomen müssen diese Fragen wohl recht lächerlich bedünken, und er wird einen Standort von vornherein für verfehlt halten, auf dessen Boden solche Problemstellungen erwachsen können. Ihm ist das Weib homo sapiens und von allen übrigen Spezies wohl unterschieden, dem menschlichen Manne nicht anders zugeordnet als das Weibchen in jeder Art und Gattung sonst seinem Männchen. Und der Philosoph darf gewiß nicht sagen: Was gehen mich die Anatomen an! Mag er auch von dieser Seite noch so wenig Verständnis erhoffen für das, was ihn bewegt: er spricht hier über anthropologische Dinge, und, wenn er die Wahrheit findet, darf auch die morphologische Tatsache um ihr Recht nicht verkürzt worden sein.

In der Tat! Zwar stehen die Frauen sicherlich in ihrem Unbewußten der Natur näher als der Mann. Die Blumen sind ihre Schwestern, und daß sie von den Tieren minder weit entfernt sind als der Mann, dafür zeugt, daß sie zur Sodomie sicherlich mehr Neigung haben als er (Pasiphae- und Leda-Mythus. Auch das Verhältnis zum Schoßhündchen ist wahrscheinlich ein noch weit sinnlicheres, als man gewöhnlich es sich ausmalt).78 Aber die Frauen sind Menschen. Selbst W, die wir ohne jede Spur des intelligiblen Ich denken, ist doch immerhin das Komplement zu M. Und sicherlich ist die Tatsache der besonderen sexuellen und erotischen Ergänzung des menschlichen Mannes durch das menschliche Weib wenn auch nicht jene sittliche Erscheinung, von welcher die Fürsprecher der Ehe schwatzen, so doch von ungeheuerer Bedeutung für das Problem der Frau. Die Tiere sind ferner bloß Individuen, die Frauen Personen (wenn auch nicht Persönlichkeiten). Die äußere Urteilsform, wenn auch nicht die innere, die Sprache, obgleich nicht die Rede, ein gewisses Gedächtnis, obschon keine kontinuierliche Einheit des Selbstbewußtseins ist ihnen verliehen. Für alles im Manne besitzen sie eigentümliche Surrogate, die noch fortwährend jene Verwechslungen begünstigen, denen die Schätzer der Weiblichkeit so gerne unterliegen.

Es ist keine andere Frage als die nach dem letzten Wesen des Geschlechtsgegensatzes, die hiemit neu aufgeworfen erscheint. Die Rolle, welche das männliche und das weibliche Prinzip im Tier- und im Pflanzenreiche spielen, bleibt hier außer Betracht; es handelt sich einzig um den Menschen. Daß solche Prinzipien der Männlichkeit und Weiblichkeit nicht als metaphysische Ideen, sondern als theoretische Begriffe angenommen werden müssen, darauf lief die ganze Untersuchung gleich zu Anfang hinaus. Welche gewaltigen Unterschiede zwischen Mann und Weib, weit über die bloße physiologisch-sexuelle Differenz hinaus, ohne Frage zumindest beim Menschen bestehen, das hat der ganze weitere Verlauf der Betrachtung gezeigt. Jene Anschauung also, welche in der Tatsache des Dualismus der Geschlechter nichts weiter erblickt als eine Vorrichtung zur Distribution verschiedener Funktionen auf verschiedene Wesen im Sinne einer Teilung der physiologischen Arbeit – eine Auffassung, die, wie ich glaube, dem Zoologen Milne-Edwards ihre besondere Verbreitung zu danken hat – erscheint hienach völlig unannehmbar; über ihre ans Lächerliche streifende Oberflächlichkeit und intellektuelle Genügsamkeit ist weiter kein Wort zu verlieren. Zwar ist der Darwinismus der Popularisierung dieser Ansicht besonders günstig gewesen, und man hat sogar ziemlich allgemein an ein Hervorgehen der geschlechtlich differenzierten Organismen aus einem früheren Stadium sexueller Ungeschiedenheit gedacht: durch einen Sieg der einer solchen Funktionsentlastung teilhaft gewordenen Wesen über die primitiveren, überbürdeten, ungeschlechtlichen oder doppelgeschlechtlichen Arten. Daß aber eine solche »Entstehung des Geschlechtes« infolge der »Vorzüge der Arbeitsteilung«, der »Erleichterung im Kampfe ums Dasein« eine, ganz unvollziehbare Vorstellung ist, hat, lange vor den modernen Totenkäfern Darwins, Gustav Theodor Fechner in einer unwiderleglichen Argumentation dargetan.

Isoliert ist der Sinn von Mann und Weib nicht zu erforschen; sie können in ihrer Bedeutung nur aneinander erkannt und gegeneinander bestimmt werden. In ihrem Verhältnis zueinander muß der Schlüssel für das Wesen beider zu finden sein. Bei dem Versuche, die Natur der Erotik zu ergründen, ist bereits kurz auf ihn angespielt worden. Es ist das Verhältnis von Mann und Weib kein anderes als das von Subjekt und Objekt. Das Weib sucht seine Vollendung als Objekt. Es ist die Sache des Mannes, oder die Sache des Kindes, und will, trotz aller Bemäntelung, nicht anders genommen werden denn wie eine Sache. Niemand mißversteht so sehr, was eine Frau wirklich will, als wer sich für das interessiert, was in ihr vorgeht, und für ihre Gefühle und Hoffnungen, für ihre Erlebnisse und innere Eigenart eine Teilnahme in sich aufkommen läßt. Die Frau will nicht als Subjekt behandelt werden, sie will stets und in alle Wege – das ist eben ihr Frau-Sein – lediglich passiv bleiben, einen Willen auf sich gerichtet fühlen, sie will nicht gescheut noch geschont, sie will nicht geachtet sein. Ihr Bedürfnis ist vielmehr, nur als Körper begehrt, und nur als fremdes Eigentum besessen zu werden. Wie die bloße Empfindung erst Realität gewinnt, indem sie begrifflich, d. h. Gegenstand wird, so gelangt das Weib zu seinem Dasein und zu einem Gefühle desselben erst, indem es vom Manne oder vom Kinde, als dem Subjekte, zu dessen Objekt erhoben wird, und so eine Existenz geschenkt erhält.

 

Was erkenntnistheoretisch der Gegensatz des Subjekts zum Objekt, das sagt ontologisch die Gegenüberstellung von Form und Materie. Sie ist nur die Übersetzung jener Unterscheidung aus dem Transcendentalen ins Transcendente, aus dem Erfahrungskritischen ins Metaphysische. Die Materie, das absolut Unindividualisierte, das, was jede Form annehmen kann, selbst aber keine bestimmten und dauernden Eigenschaften hat, ist das, was so wenig Essenz besitzt, wie der bloßen Empfindung, der Materie der Erfahrung, an sich schon Existenz zukommt. Während also der Gegensatz von Subjekt und Objekt ein solcher der Existenz ist (indem die Empfindung erst als ein dem Subjekte gegenübergestellter Gegenstand Realität gewinnt), bedeutet der Gegensatz von Form und Materie einen Unterschied der Essenz (die Materie ist ohne Formung absolut qualitätenlos). Darum konnte Platon die Stofflichkeit, die bildsame Masse, das an sich formlose ἄπειρον, den knetbaren Teig des ἐκμαγεῖον, das, worein die Form eingeht, ihren Ort, ihre χώρα, das ἐν ᾧ, jenes ewig Zweite, Andere, das θάτερον, auch als das Nichtseiende, als das µὴ ὄν bezeichnen. Der zieht den tiefsten Denker auf das Niveau der vordersten Oberflächlichkeit, der ihn, wie dies häufig geschieht, meinen läßt, sein Nichtseiendes sei der Raum. Gewiß wird kein bedeutender Philosoph dem Raum eine metaphysische Existenz zuschreiben, aber ebensowenig kann er ihn für das Nichtseiende an sich halten. Es charakterisiert gerade den ahnungslosen, frechen Schwätzer, daß der leere Raum für ihn »Luft«, »Nichts« ist; erst dem vertieften Nachdenken gewinnt er an Realität, und wird ihm Problem. Das Nichtseiende Platons ist gerade das, was dem Philister als das denkbar Realste, als die Summation der Existenzwerte erscheint, es ist nichts anderes als die Materie.

Ist es also eine zu klaffende Diskontinuität, wenn ich im Anschluß an Plato, der selbst sein jede Form Annehmendes vergleichsweise als die Mutter und Amme alles Werdens bezeichnet, auf den Spuren des Aristoteles, dessen Naturphilosophie im Zeugungsakte dem weiblichen Prinzip die stoffliche, dem männlichen die formende Rolle zuerteilt hat – ist es Willkür, wenn ich, in Übereinstimmung mit dieser Anschauung und Erweiterung derselben, die Bedeutung des Weibes für den Menschen nun überhaupt in der Vertretung der Materie erblicke? Der Mann, als Mikrokosmus, ist beides, zusammengesetzt aus höherem und niederem Leben, aus metaphysisch Existentem und Wesenlosem, aus Form und Materie: das Weib ist nichts, es ist nur Materie.

Erst diese Erkenntnis bildet den Schlußstein des Gebäudes, von ihr aus wird alles deutlich, was noch unklar war, und rundet sich zum geschlossenen Zusammenhange. Das geschlechtliche Streben des Weibes geht nach Berührung, es ist nur Kontrektations- und nicht Detumeszenztrieb.79 Dem entspricht, daß sein feinster Sinn, und zugleich der einzige, bei ihm weiter als beim Manne entwickelte Sinn das Tastgefühl ist.80 Auge und Ohr führen beide ins Unbegrenzte und lassen eine Unendlichkeit ahnen; der Tastsinn erfordert engste körperliche Nähe zur eigenen Betätigung; man vermengt sich mit dem, was man angreift: er ist der eminent schmutzige Sinn, und wie geschaffen für ein auf körperliche Gemeinschaft angelegtes Wesen. Was durch ihn vermittelt wird, ist die Widerstandsempfindung, die Wahrnehmung des Palpablen; und eben von der Materie läßt sich, wie Kant gezeigt hat, nichts anderes aussagen, als daß sie eine derartige Raumerfüllung ist, die allem, was in sie einzudringen strebt, einen gewissen Widerstand entgegensetzt. Die Erfahrung des »Hindernisses« hat, wie den psychologischen (nicht den erkenntnistheoretischen) Dingbegriff, so auch den übergroßen Realitätscharakter geschaffen, welchen die Data des Tastsinnes für die meisten Menschen immer besitzen, als die solideren, »primären« Qualitäten der Erfahrungswelt. Aber nichts anderes als der ihm stets anhaftende letzte Rest von Weiblichkeit ist es, der bewirkt, daß für den Mann die Materie den Charakter der eigentlichen Realität gefühlsmäßig nie vollständig verliert. Gäbe es einen absoluten Mann, so wäre ihm die Materie auch psychologisch (nicht nur logisch) kein irgendwie Seiendes mehr.

Der Mann ist Form, das Weib Materie. Ist das richtig, so muß es auch in dem Verhältnis ihrer psychischen Einzelerlebnisse zueinander einen Ausdruck finden. Die längst festgestellte Gliederung der Inhalte des männlichen Seelenlebens gegenüber dem unartikulierten und chaotischen Vorstellen des Weibes verkündet nichts anderes als diesen nämlichen Gegensatz von Form und Materie. Die Materie will geformt werden: darum verlangt das Weib vom Manne die Klärung seiner verworrenen Gedanken, die Deutung der Heniden.81

Die Frauen sind die Materie, die jede Form annimmt. Jene Untersuchungen, welche für die Mädchen eine bessere Erinnerung speziell an den Lehrstoff ergeben haben, als für die Knaben, können nur so erklärt werden: aus der Inanität und Nullität der Frauen, die mit allem Beliebigen imprägniert werden können, indes der Mann nur behält, was ihn wirklich interessiert, und alles übrige vergißt (vgl. Teil II, S. 147, 168). Aber vor allem geht das, was die Schmiegsamkeit des Weibes genannt wurde, seine außerordentliche Beeinflußbarkeit durch das fremde Urteil, seine Suggestibilität, seine völlige Umschaffung durch den Mann auf dieses Bloß-Materie-Sein, diesen Mangel jeder ursprünglichen Form zurück. Das Weib ist nichts, und darum, nur darum kann es alles werden; während der Mann stets nur werden kann, was er ist. Aus einer Frau kann man machen, was man will; dem Manne höchstens zu dem verhelfen, was er will. Darum hat, in der wahren Bedeutung des Wortes, eigentlich nur Frauen, nicht Männer, zu erziehen einen Sinn. Am Manne wird durch alle Erziehung nie irgend ein Wesentliches geändert; im Weibe kann sogar seine eigenste Natur, die Hochwertung der Sexualität, durch äußeren Einfluß völlig zurückgedrängt werden. Das Weib mag alles scheinen und alles verleugnen, aber es ist nie irgend etwas in Wahrheit.

Man wird freilich, selbst wenn man mit den bisherigen Ableitungen sollte einverstanden sein, ihnen zum Vorwurf machen, daß sie keine Auskunft darüber gäben, was denn der Mann eigentlich sei. Läßt sich von ihm, wie vom Weibe Kuppelei und Wesenlosigkeit, irgend etwas als allgemeine Eigenschaft prädizieren? Gibt es überhaupt einen Begriff des Mannes, wie es einen Begriff des Weibes gibt, und läßt sich dieser Begriff ähnlich definieren?

Hierauf ist zu antworten, daß die Männlichkeit eben in der Tatsache der Individualität, der wesenhaften Monade liegt und sich mit ihr deckt. Jede Monade aber ist von jeder anderen um ein Unendliches verschieden, und darum keine subsumierbar unter einen umfassenderen Begriff, der mehreren Monaden Gemeinsames enthielte. Der Mann ist der Mikrokosmus, in ihm sind alle Möglichkeiten überhaupt enthalten. Man hüte sich dies zu verwechseln mit der universellen Suszeptibilität der Frau, die alles wird, ohne irgend etwas zu sein, indes der Mann alles ist und davon mehr oder weniger, je nach seiner Begabung, auch wird. Der Mann hat auch das Weib, er hat auch Materie in sich, und kann diesen Teil seines Wesens sich entwickeln lassen, d. h. verkommen und entarten; oder er kann ihn erkennen und bekämpfen – darum kann er, und nur er, über die Frau zur Wahrheit gelangen (Teil II, S. 106–108). Das Weib aber hat keine Möglichkeit einer Entwicklung, außer durch den Mann.

Ganz deutlich wird die Bedeutung von Mann und Weib immer erst in der Betrachtung ihrer gegenseitigen sexuellen und erotischen Relationen. Das tiefste Begehren der Frau ist, vom Manne geformt und dadurch erst geschaffen zu werden. Die Frau wünscht, daß der Mann ihr Meinungen beibringe, ganz andere, als sie bisher gehabt hat, sie will durch ihn umgestoßen sehen, was sie bisher für richtig hielt (Gegenteil der Pietät, S. 161), sie will als Ganzes widerlegt sein, und erst neugebildet werden durch ihn. Der Wille des Mannes schafft erst die Frau, er gebietet über sie, und verändert sie von Grund auf (Hypnose). Hier ist auch endlich Klärung über das Verhältnis des Psychischen zum Physischen bei Mann und Weib zu finden. Für den Mann wurde früher die Wechselwirkung, und zwar nur im Sinne einer einseitigen Schöpfung des Leibes durch die transcendente Psyche, als die Projektion derselben auf die Erscheinungswelt, für das Weib hingegen der Parallelismus eines bloß Empirisch-Psychischen und Empirisch-Physischen angenommen. Jetzt ist klar, daß auch beim Weibe eine Wechselwirkung Geltung hat. Aber während beim Manne, nach Schopenhauers wahrster Lehre, daß der Mensch sein eigenes Werk sei, der eigene Wille sich den Körper schafft und umschafft, wird das Weib durch den fremden Willen körperlich beeinflußt und umgebildet (Suggestion, Versehen). Der Mann formt also nicht nur sich, sondern auch, ja leichter noch, das Weib. Jene Mythen der Genesis und anderer Kosmogonien, welche das Weib vom Manne geschaffen sein lassen, haben eine tiefere Wahrheit verkündet als die biologischen Deszendenzlehren, die an ein Hervorgehen des Männlichen aus dem Weiblichen glauben.

Auch jene im 9. Kapitel (S. 279) offen gelassene Frage, wie das Weib, ohne selbst Seele und Willen zu besitzen, doch in der Lage sein könne, herauszufinden, in welchem Maße der Mann mit ihnen ausgestattet ist, auch diese schwierigste Frage mag jetzt zu beantworten versucht werden. Man muß sich nur darüber klar geworden sein, daß, was die Frau bemerkt, und wofür sie ein Organ hat, nicht die besondere Natur eines Mannes ist, sondern nur die allgemeine Tatsache und etwa noch der Grad seiner Männlichkeit. Es ist ganz falsch, Heuchelei, oder aus der späteren Imprägnation mit dem männlichen Wesen zu Unrecht erschlossen, daß die Frau ein ursprüngliches Verständnis für die Individualität des Mannes habe.82 Der Verliebte, der durch das unbewußte Simulieren eines tieferen Begreifens von Seite des Weibes so leicht zu foppen ist, mag an ein Verständnis seiner selbst durch ein Mädchen glauben; wer weniger genügsam ist, wird es sich nicht verhehlen können, daß die Frauen nur für das Daß, nicht für das Was der Seele, nur für die formale allgemeine Tatsache, nicht für die Besonderheit der Persönlichkeit einen Sinn besitzen. Denn um spezielle Form perzipieren und apperzipieren zu können, müßte die Materie an sich nicht formlos sein; das Verhältnis der Frau zum Mann ist aber kein anderes als das der Materie zur Form, und ihr Verständnis für ihn nichts als Bereitwilligkeit, möglichst kräftig geformt zu werden, der Instinkt des Existenzlosen für Existenz. Also dieses »Verständnis« ist kein theoretisches, es ist kein Anteilnehmen, sondern ein Anteilhabenwollen; es ist zudringlich und egoistisch. Die Frau hat kein Verhältnis zum Manne und keinen Sinn für den Mann, sondern nur einen für Männlichkeit; und wenn sie für sexuell anspruchsvoller gehalten werden darf als er, so ist diese Anspruchsfülle nichts anderes als das intensive Begehren nach ausgiebigster und stärkster Formung: es ist das Warten auf das größtmögliche Quantum von Existenz.

 

Und nichts anderes ist schließlich auch die Kuppelei. Die Sexualität der Frauen ist überindividuell, weil sie nicht abgegrenzte, geformte, individualisierte Wesenheiten im höheren Sinne darstellen. Der höchste Augenblick im Leben des Weibes, der, in dem sein Ursein, die Urlust sich offenbart, ist jener Moment, wo der männliche Same in es fließt. Da umarmt es den Mann stürmisch und preßt ihn an sich: es ist die höchste Lust der Passivität, stärker noch als das Glücksgefühl der Hypnotisierten, die Materie, welche eben geformt wird und die Form nicht loslassen, sie ewig an sich binden will. Dieses unendliche Trachten der Armut, dem Reichtum sich zu gesellen, das gänzlich formlose und darum überindividuelle Streben des Ungegliederten, die Form zur Berührung mit sich zu bringen, sie dauernd festzuhalten und so Existenz zu gewinnen, liegt der Kuppelei im Tiefsten zu Grunde. Daß das Weib nicht Monade ist und keine Grenzen hat, dadurch ist Kuppelei nur ermöglicht; zur Wirklichkeit wird sie, weil es die Idee des Nichts, der Materie repräsentiert, die unaufhörlich und in jeder Weise die Form zur Vermengung mit sich zu verführen trachtet. Kuppelei ist das ewige Drängen des Nichts zum Etwas.

So hat sich allmählich die Dualität von Mann und Weib zum Dualismus überhaupt entwickelt, zum Dualismus des höheren und des niederen Lebens, des Subjekts und Objekts, der Form und der Materie, des Etwas und des Nichts. Alles metaphysische, alles transcendentale Sein ist logisches und moralisches Sein: das Weib ist alogisch und amoralisch. Es enthält aber auch keine Abkehr vom Logischen und Moralischen, es ist nicht antilogisch, es ist nicht antimoralisch. Es ist nicht das Nicht, sondern das Nichts, es ist weder Ja, noch ist es Nein. Der Mann birgt in sich die Möglichkeit zum absoluten Etwas und zum absoluten Nichts, und darum hat all sein Handeln eine Richtung nach dem einen oder dem anderen: das Weib sündigt nicht, denn es ist selbst die Sünde, als Möglichkeit im Manne.

Der reine Mann ist das Ebenbild Gottes, des absoluten Etwas, das Weib, auch das Weib im Manne, ist das Symbol des Nichts: das ist die Bedeutung des Weibes im Universum, und so ergänzen und bedingen sich Mann und Weib. Als des Mannes Gegensatz hat das Weib einen Sinn und eine Funktion im Weltganzen; und wie der menschliche Mann über das tierische Männchen, so reicht das menschliche Weib über das Weibchen der Zoologie hinaus.83 Kein begrenztes Sein, kein begrenztes Nichtsein (wie im Tierreich) liegen im Menschen im Kampfe: was hier sich gegenübersteht, ist unbegrenztes Sein und unbegrenztes Nichtsein. Darum machen erst Mann und Weib zusammen den Menschen aus.

Der Sinn des Weibes ist es also, Nicht-Sinn zu sein. Es repräsentiert das Nichts, den Gegenpol der Gottheit, die andere Möglichkeit im Menschen. Darum gilt mit Recht nichts für gleich verächtlich, als der Weib gewordene Mann, und wird ein solcher Mann geringer geachtet als selbst der stumpfsinnigste und roheste Verbrecher. Und so erklärt sich auch jene tiefste Furcht im Manne: die Furcht vor dem Weibe, das ist die Furcht vor der Sinnlosigkeit: das ist die Furcht vor dem lockenden Abgrund des Nichts.

Das alte Weib offenbart erst ganz und gar, was das Weib in Wirklichkeit ist. Die Schönheit der Frau wird, auch rein erfahrungsgemäß, nur geschaffen durch die Liebe des Mannes: die Frau wird schöner, wenn ein Mann sie liebt, weil sie passiv dem Willen entspricht, der in seiner Liebe liegt; so mystisch dies klinge, es ist nur eine alltägliche Beobachtung. Das alte Weib zeigt, wie das Weib nie schön war: wäre das Weib, so wäre die Hexe nicht. Aber das Weib ist nichts, ein hohles Gefäß, eine Zeitlang überschminkt und übertüncht.

Alle Qualitäten der Frau hängen an ihrem Nicht-Sein, an ihrer Wesenlosigkeit: weil sie kein wahres, unwandelbares, sondern nur ein irdisches Leben hat, darum begünstigt sie als Kupplerin die Zeugung in diesem, darum ist sie durch den Mann, der sinnlich auf sie wirkt, vom Grund auf umzuschaffen und empfänglich überhaupt. So vereinigen sich die drei fundamentalen Eigenschaften des Weibes, welche dieses Kapitel aufgedeckt hat, und schließen sich zusammen in seinem Nicht-Sein.

Aus dem Begriff des Nicht-Seins ergeben sich Veränderlichkeit und Verlogenheit, als die zwei negativen Bestimmungen, durch unmittelbare Deduktion. Bloß Kuppelei, als die einzige Position im Weibe, folgt aus ihm nicht gleich rasch durch einfache Analyse.

Und das ist wohl begreiflich. Denn das Dasein des Weibes ist selbst identisch mit der Kuppelei, mit Bejahung aller Sexualität überhaupt. Kuppelei ist nichts anderes als universale Sexualität; daß das Weib ist, heißt nichts anderes, als daß in der Welt ein radikaler Hang zu allgemeiner Sexualität besteht. Die Kuppelei noch weiter kausal zurückführen bedeutet so viel als das Dasein des Weibes erklären.

Wenn hiezu von der Tafel des zwiefachen Lebens (S. 378) ausgegangen wird, so ist die Richtung vom höchsten Leben weg zum irdischen hin, das Ergreifen des Nicht-Seienden statt des Seienden, der Wille zum Nichts, das Nicht, das An-Sich-Böse. Antimoralisch ist die Bejahung des Nichts: das Bedürfnis, Form in Formloses, in Materie zu verwandeln, das Bedürfnis zu zerstören.

Das Nicht aber ist dem Nichts verwandt. Und darum besteht ein so tiefer Zusammenhang zwischen allem Verbrecherischen und allem Weiblichen. Das Antimoralische berührt sich eben mit dem Amoralischen, von dem es in dieser Untersuchung zuerst ausdrücklich getrennt wurde, im gemeinsamen Begriffe des Unmoralischen, und die gewöhnliche unterschiedslose Verwechslung beider erfährt nun dennoch eine gewisse Rechtfertigung. Denn das Nichts ist allein eben – nichts, es ist nicht, es hat weder Existenz noch Essenz. Es ist stets nur das Mittel des Nicht, das, was durch das Nein dem Etwas gegenübergestellt wird. Erst indem der Mann seine eigene Sexualität bejaht, indem er das Absolute verneint, sich vom ewigen Leben ab-, dem niederen zukehrt, erhält das Weib Existenz. Nur indem das Etwas zum Nichts kommt, kann das Nichts zum Etwas kommen.

Der bejahte Phallus ist das Antimoralische. Darum wird er als das Häßlichste empfunden; darum wurde er stets in einer Beziehung zum Satan gedacht: den Mittelpunkt der Danteschen Hölle (das Zentrum des Erdinneren) bildet der Geschlechtsteil Lucifers.

So erklärt sich denn die absolute Gewalt der männlichen Geschlechtlichkeit über das Weib.84 Nur indem der Mann sexuell wird, erhält das Weib Existenz und Bedeutung: sein Dasein ist an den Phallus geknüpft, und darum dieser sein höchster Herr und unumschränkter Gebieter. Der Geschlecht gewordene Mann ist das Fatum des Weibes; der Don Juan der einzige Mensch, vor dem es bis zum Grunde erzittert.

Der Fluch, den wir auf dem Weibe lastend ahnten, ist der böse Wille des Mannes: das Nichts ist nur ein Werkzeug in der Hand des Nicht. Die Kirchenväter drückten dasselbe pathetischer aus, als sie das Weib das Instrument des Teufels nannten. Denn an sich ist die Materie nichts, erst die Form muß ihr Existenz geben wollen. Der Sündenfall der Form ist eben jene Verunreinigung, die sie auf sich lädt, indem es sie treibt, an der Materie sich zu betätigen. Als der Mann sexuell ward, da schuf er das Weib.

Daß das Weib da ist, heißt also nichts anderes, als daß vom Manne die Geschlechtlichkeit bejaht wurde. Das Weib ist nur das Resultat dieser Bejahung, es ist die Sexualität selber (S. 116).

Das Weib ist in seiner Existenz abhängig vom Manne: indem der Mann zum Manne, als Gegenteil des Weibes, indem er geschlechtlich wird, setzt er das Weib und ruft es ins Dasein. Deshalb muß dem Weibe alles daran gelegen sein, den Mann sexuell zu erhalten: denn es hat so viel Existenz als der Mann Geschlechtlichkeit. Deshalb muß der Mann, so will sie es, ganz zum Phallus werden, deshalb kuppelt die Frau. Sie ist unfähig, ein Wesen anders denn als Mittel zum Zweck, zu diesem Zweck des Koitus zu gebrauchen: denn mit ihr ist selbst kein anderer Zweck verfolgt, als der, den Mann schuldig werden zu lassen. Und sie wäre tot in dem Augenblick, da der Mann seine Sexualität überwunden hätte.

Der Mann hat das Weib geschaffen und schafft es immer neu, so lange er noch sexuell ist. Wie er der Frau das Bewußtsein gab (Teil II, Kapitel 3, Ende), so gibt er ihr das Sein. Indem er auf den Koitus nicht verzichtet, ruft er das Weib hervor. Das Weib ist die Schuld des Mannes.

78Man darf dies nicht verwechseln mit der Fähigkeit, die ganze Natur zu umfassen, wie sie der Mann hat, weil er nicht nur Natur ist. Die Frauen stehen in der Natur als ein Teil derselben, und in kausaler Wechselbeziehung zu allen anderen Teilen: von Mond und Meer, von Wetter und Gewitter, von Elektrizität und Magnetismus sind sie in einem viel weiteren Ausmaß abhängig als der Mann.
79Vgl. .
80Vgl. .
81Vgl. , .
82Vgl. hiezu auch .
83Man vergleiche den Schluß des 10. Kapitels.
84Vgl. Kapitel 11, Schluß. So auch, warum höher stehende Frauen bisexuell sein, d. h. nicht ausschließlich unter dem Regiment des Phallus stehen müssen (Teil I, –82). Doch scheint in der lesbischen Liebe Hysterie eine beträchtliche Rolle zu spielen.