30 Minuten Preise durchsetzen

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From the series: 30 Minuten
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1.2 Weshalb Kunden feilschen

Der billige Preis kann schnell zum Bumerang werden. Diese Erfahrung musste vermutlich jeder schon einmal machen. Aber: Es gibt auch viele Produkte und Dienstleistungen, die aus Kundensicht nur einen bestimmten Preis wert sind und nicht mehr. Vielleicht, weil der Kunde mit einer einfachen Lösung zufrieden ist, keine höheren Ansprüche stellt, begrenzte finanzielle Möglichkeiten hat – oder gar nicht weiß, dass er für mehr Geld eine wirklich deutlich bessere Leistung bekommt.

Warum feilschen Kunden, insbesondere professionelle Einkäufer?

 Preise zu verhandeln macht Spaß.

 Erfolgreiche Preisverhandlungen verschaffen Einkäufern Erfolgserlebnisse und Machtgefühle.

 Es ist die Aufgabe von Einkäufern, den bestmöglichen Preis zu erzielen.

 Häufig gibt es schon Nachlässe, wenn nur nach Rabatten gefragt wird.

 Warum sollte man für eine Sache mehr bezahlen als nötig?

 Das Budget ist beschränkt, und deswegen soll der Preis diesem angepasst werden.

 Ein niedrigerer Preis gibt mehr Sicherheit. Denn ist die Leistung womöglich doch nicht so gut wie gedacht, hat man immerhin weniger dafür gezahlt als ursprünglich gefordert.

Auch Kunden haben Ängste

Viele Menschen haben schon schlechte Erfahrungen mit Verkäufern gemacht, und einige neigen dazu, diese Erfahrungen zu verallgemeinern. Auch die Sorge, unter Druck gesetzt zu werden, kann dazu beitragen, dass ein Kunde schnell überreagiert, beispielsweise wenn gleich zwei Verkäufer bei ihm eintreffen.

Kunden wissen, dass es die vorrangige Aufgabe von Verkäufern ist, zu verkaufen. Darum sind es ja Verkäufer. Deswegen gehen Kunden davon aus, dass Verkäufer im Zweifelsfall im Sinne ihres Arbeitgebers bzw. ihrer Provision handeln und nicht im Sinne des Kunden.

Manche Verkäufer versuchen diesen Zwiespalt zu verschleiern, indem sie beispielsweise auf ihre Visitenkarte „Vermögensberater“, „Repräsentant“ oder „Gebietsleiter“ schreiben. Aber wenn diese Personen nach Umsätzen bezahlt werden oder zumindest über ihre Verkaufszahlen Rechenschaft ablegen müssen, dann sind es Verkäufer. Punkt. Dieser Tatsache sind sich viele Kunden bewusst.

Werte als Basis der Geschäftsbeziehung

Fühlen sich Kunden nicht ernst genommen, empfinden zu wenige positive Gefühle für den Verhandlungspartner oder wollen ihr Selbstwertgefühl mithilfe von Preisverhandlungen aufbauen, dann haben es Verkäufer unnötig schwer.

Kunden haben Mindestanforderungen an Verkäufer, die diese zu erfüllen haben, um es sich und ihren Kunden generell leichter zu machen:

 Kunden wollen nicht „zugetextet“ oder vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Kunden wollen Lösungen für ihre Probleme und jemanden, der ihnen zuhört.

 Nicht nur die Zeit des Verkäufers ist wertvoll, sondern auch die des Kunden. Darum sollten Anbieter auf den Punkt kommen.

 Umgang auf Augenhöhe bedeutet auch, dass der Verkäufer nicht um einen Auftrag bettelt, dass er Versprechen einhält, keinen Druck ausübt, pünktlich ist und niemals auf unangebrachte Art persönlich wird.

Empfinden Kunden Sympathie für den Verkäufer, weil dieser begeistert, engagiert und überzeugend ist, spielt der Preis eine untergeordnete Rolle. Denn wer dem Verkäufer und dem Lieferantenunternehmen vertraut, stellt den Preis nicht mehr stark infrage.

Die „Spielchen“ professioneller Einkäufer

Die Aufgabe eines Einkäufers besteht darin, jedem Verkäufer bzw. Lieferanten klarzumachen, dass sein Angebot austauschbar ist und dass somit ausschließlich der Preis zählt.

Um möglichst hohe Qualität zu einem niedrigen Preis zu erzielen, gibt es viele Möglichkeiten:

 Der Kunde nutzt die Unfähigkeit des Verkäufers aus, Verbindlichkeit aufzubauen (Salamitaktik): Nachdem der Verkäufer dem Einkäufer etwas entgegengekommen ist, fordert der Einkäufer weitere Zugeständnisse.

 Es wird geprüft, wo es in der Vergangenheit Probleme in der Zusammenarbeit gab. So werden beispielsweise Reklamationen aus der Vergangenheit genutzt, um dem Verkäufer ein schlechtes Gewissen zu machen.

 Einkäufer üben vor der eigentlichen Verhandlung, insbesondere dann, wenn mehrere Mitarbeiter aus dem Kundenunternehmen daran teilnehmen (Gremiumverhandlung). So vereinbaren sie Gesten, um untereinander bestimmte Botschaften auszutauschen, und verteilen Rollen: Der eine spielt in der Verhandlung den Wohlwollenden, der andere den Kritischen.

 Geschäftsberichte des Lieferantenunternehmens werden als Argumentationshilfe genutzt: „Wieso wollen Sie uns keine besseren Preise geben? Sie haben doch selbst Ihren Umsatz um 20 Prozent gesteigert und Ihren Gewinn sogar um 25 Prozent! Warum sollten da keine besseren Preise für uns möglich sein?“

 Der Raum wird so gestaltet, dass die Atmosphäre (Anordnung der Stühle, Licht usw.) zugunsten des Kunden ausfällt.

 Auf dem Schreibtisch liegen ganz offen Mitbewerberangebote, um dem anwesenden Verkäufer zu suggerieren, dass dieser nur einer von vielen ist.

 Störungen und Wendungen werden inszeniert. Beispielsweise beglückwünscht der Einkäufer den Verkäufer zum Auftrag, geht vor der Unterschrift unter einem Vorwand raus, um dem verblüfften Verkäufer dann klarzumachen, dass er zwar gerne unterschreiben würde, dass der Mitbewerber gerade eben aber noch mal preislich nachgebessert hat. Er möchte ja gerne kaufen – unter diesen Umständen nun aber leider nicht mehr.

 Es wird bewusst Sympathie zum Verkäufer aufgebaut, damit dieser sich dem Kunden mehr verpflichtet fühlt.

 Die Neigung vieler Verkäufer, gerne und viel zu reden, wird ausgenutzt: Man lässt sie so lange reden, bis sie irgendwann auch etwas Negatives über ihr Angebot, ihre Firma oder sich selbst erzählen. Hier wird dann gezielt eingehakt.

Objektivität durch Leistungsvergleich

Kunden wollen sich gerne für den richtigen Lieferanten entscheiden. Um den Vergleich zwischen unterschiedlichen Angeboten zu erleichtern, stellen sie manchmal die angebotenen Leistungen in einer Tabelle gegenüber. Dazu werden Entscheidungskriterien wie Qualität, Preis und dergleichen gesammelt, nach Relevanz gewichtet und bewertet. Das Angebot, welches dann die meisten Punkte bekommt, wird ausgewählt.

Problematisch an diesen Vergleichen ist, dass nicht alle Angebote so leicht und eindeutig vergleichbar sind. Zum einen, weil Angebote nicht immer exakt der Anfrage entsprechen, zum anderen, weil nicht jede angefragte Leistung so eindeutig definiert werden kann, dass mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass sich alle Angebote anhand der gleichen Kriterien in Bezug auf Qualität und Zusammensetzung betrachten lassen.

Weiche Faktoren, wie beispielsweise Marktführerschaft, bisherige Zusammenarbeit, Beziehungen zum Lieferanten und so weiter, erschweren zudem den objektiven Vergleich.

Einkäufer haben viele Gründe, den Preis infrage zu stellen. So feilschen sie nicht nur um einen besseren Preis, weil es ihre Aufgabe ist, sondern auch, weil es ihnen Spaß macht. Damit Kunden sich leichter für den richtigen Lieferanten entscheiden können, sollten Anbieter ihre Nutzen und Mehrwerte deutlich kommunizieren.

1.3 Preise als Gewinntreiber

Sowohl aus Kunden- als auch Anbietersicht sind Preise ein entscheidender Gewinntreiber. Schließlich setzt sich der Gewinn aus dem Umsatz (Absatzmenge x Preis) abzüglich der Kosten zusammen. Darum ist es aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht wichtig, möglichst hohe Verkaufspreise und niedrige Einkaufspreise zu erzielen.

In der Praxis sind hohe Verkaufspreise bei niedrigen Einkaufspreisen nur selten möglich. Denn mit den Preisen geht oft auch eine gewisse Qualität einher. Sollte sich nach dem Kauf herausstellen, dass die Qualität unter den Erwartungen des Kunden liegt, zieht dies häufig mehrere unangenehme Konsequenzen nach sich: Der Kunde reklamiert, meidet möglicherweise weitere Angebote des Anbieters und warnt im schlimmsten Falle andere potenzielle Kunden vor dem Kauf.

Was zwei Prozent bewirken können

Manch ein Kunde nimmt sich nicht die Zeit für Preisverhandlungen. Warum sollte man auch wegen ein paar Prozenten seine Lieferanten unter Druck setzen? Verkäufer hingegen geben häufig vorschnell Rabatte, um die Beziehung zum Kunden nicht zu gefährden und den Kunden zu halten. Doch welche Auswirkungen können beispielsweise „lächerliche“ zwei Prozent haben?

Das Unternehmen „Gewinnmaximierung“ macht einen Umsatz von 1 000 000 Euro. Es hat Kosten von 950 000 Euro und fährt somit einen Gewinn von 50 000 Euro ein. Dem Einkäufer ist es nun gelungen, seinen größten Lieferanten, der ihm jährlich Ware für 200 000 Euro verkauft, um zwei Prozent „zu drücken“. Damit fallen die Einkaufskosten um 4000 Euro niedriger aus und der Gewinn steigt um acht Prozent auf 54 000 Euro.

Eine alternative Möglichkeit ist die Erhöhung der Verkaufspreise. Auf der Vertriebstagung erfährt das Verkaufsteam, dass die Preise um zwei Prozent angehoben werden. Infolgedessen steigt der Umsatz um 20 000 Euro. Der Gewinn erhöht sich dadurch um 20 000 Euro bzw. 40 Prozent von 50 000 Euro auf 70 000 Euro.

Natürlich sind solche theoretischen Rechenbeispiele nicht leicht in die Praxis umzusetzen. Denn die Rechenwege unterstellen, dass die Rahmenbedingungen gleich bleiben, insbesondere die Absatzmenge. Dennoch sollten die Auswirkungen, die „nur“ zwei Prozent mehr oder weniger haben können, jeden unternehmerisch Handelnden nachdenklich stimmen …

 

Preiskompetenz der Verkäufer

Ob und wie viel Preisverhandlungskompetenz Verkäufer haben sollten, wird kontrovers diskutiert:

Pro – Argumente für mehr Preiskompetenz:

 Haben Verkäufer Ermessensspielräume, sind sie vor Ort flexibel und können auf die unterschiedlichen Gegebenheiten unkompliziert eingehen.

 Kunden fühlen sich gut bedient, wenn der Verkäufer Preiskompetenz hat. Denn was sollen Kunden mit Ansprechpartnern anfangen, die sowieso keine Entscheidung treffen können, wenn es drauf ankommt?

 Verkaufsverantwortliche mit Preiskompetenz belasten nicht unnötig ihren Innendienst mit Konditionsbitten bzw. -anfragen.

 Geben Führungskräfte ihren Verkäufern Ermessensspielräume, dann motivieren sie sie meist durch den Vertrauensvorschuss und bringen ihnen Wertschätzung entgegen.

Kontra – Argumente gegen mehr Preiskompetenz:

 Die Gefahr ist groß, dass Verkäufer vorschnell ihre Rabattspielräume nutzen, um den Auftrag zu gewinnen und die Beziehung zu „ihrem“ Kunden zu pflegen.

 Anfragen beim Innendienst können die Preisverhandlung vor Ort beim Kunden entschleunigen – und so verhindern, dass voreilig Rabatte gegeben werden.

 Verkäufer haben in der Regel keinen konkreten Einblick in die Kalkulation – und wissen so häufig gar nicht, was sie mit ein paar Prozent mehr oder weniger verursachen.

Verkäufer werden vermutlich eher im Sinne „ihres“ Unternehmens handeln, wenn sie nicht nur nach Umsatz, sondern auch nach Deckungsbeitrag bezahlt werden. Allerdings sind solche Abrechnungssysteme deutlich komplizierter, als Mitarbeiter nur nach Umsatz zu bezahlen.

Werden mehrere Verkäufer beschäftigt, ist es interessant, zu erfahren, wie einzelne Verkäufer ihre Ermessensspielräume nutzen. So kann es im Extremfall sein, dass ein Verkäufer mit höchstmöglichen Rabatten Innovationen in den Markt drückt, während sein Kollege den Nutzen und den Mehrwert dieser Innovation hervorhebt – und weniger über den Preis verkauft.

Es muss nicht immer Barrabatt sein

Muss dem Kunden Rabatt gegeben werden, so ist Naturalrabatt stets dem Barrabatt vorzuziehen. Wer es ganz geschickt machen will, gibt seinem Kunden sogar Naturalrabatt, um die Kundenbindung zu erhöhen.

So fährt ein Autohaus besser damit, wenn es anstelle eines Preisnachlasses dem Kunden Gutscheine für die nächsten Inspektionen gibt. Denn so wird der Kunde auf eine geschickte Art dazu animiert, erneut wiederzukommen. Hätte er einfach einen hohen Barrabatt erhalten, würde er nicht zwangsläufig zur Wartung zu diesem Autohaus gehen.

Neben Bar- und Naturalrabatt ist auch eine Änderung der Liefer- und Zahlungsbedingungen sowie der AGB möglich. Deswegen können auch Punkte wie Lieferzeit, -ort und -art, Mindestmengen bzw. Mindermengenzuschläge, Transportkosten, Umtausch- und Rückgaberecht sowie die Zahlungsart, -frist und -sicherung alternativ zum Preis thematisiert werden.

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