Drache, Lindwurm, Tatzelwurm

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Drache, Lindwurm, Tatzelwurm
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Norman Hall

Drache, Lindwurm, Tatzelwurm

Drachen in Mythologie, Märchen und Fantasy

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Drachen und Lindwürmer

Begriffsbestimmung

Historische Einordnung

Kulturelle Bedeutung

Europa

Asien

Südamerika

Naher Osten

Wissenschaftliche Interpretationen

Zu diesem Buch

Bekannte Drachenarten

Lindwurm

Tatzelwurm

Wyvern

Gargoyle

Gefiederte Schlangen

Bekannte Drachen

Tannin

Leviathan

Tarasque

Typhon

Lóng

Ladon

Fafnir

Midgardschlange

Nidhöggr

Graoully

Bolla

Hydra

Mušhušhu

Serpopard

Smei

Yamata no Orochi

Ouroboros

Bekannte Drachentöter

Erzengel Michael

Der heilige Georg

Marduk

Siegfried

Dietrich von Bern

Beowulf

Krak

Drachenmythen

Drachenhort

Das Drachenblut

Drachenerzählungen

Siegfried in der Nibelungensage

Der Lindwurm von Lambton

„Moderne“ Drachen

Smaug

Nepomuk

Frau Mahlzahn

Hildegunst von Mythenmetz

Fuchur

Vermithrax

Draco

Saphira

Die Herrschaft des Feuers

Spiele

Bekannte Drachenorte

Drachenfels

Furth im Wald

Wissenschaftliche Erklärungen

Impressum neobooks

Drachen und Lindwürmer

Drachen faszinieren uns. Und das seit alters her. Ihre Gestalten tauchen in Mythen, Sagen und Märchen rund um den Globus in allen Epochen der Weltgeschichte immer wieder auf.

Die Figur des Drachen erlebt heute in der modernen Fantasy-Kultur eine Renaissance. J. R. R. Tolkien benutzte für seinen Smaug das traditionelle Motiv des Schatzhüters, und auch in neueren Fantasy-Romanen und Rollenspielen, Filmen und Musicals und Computerspielen nehmen die Autoren Anleihen bei Märchen, Heldenepen und Volksballaden.

Die traditionelle Bedeutung des Drachen wird heute jedoch häufig aufgebrochen. Fantasy-Drachen sind nicht einheitlich „gut“ oder „böse“ - in einigen Rollenspielen nehmen Drachen beide Seiten ein. In anderen muss man die Drachen töten, um die Welt zu retten oder ein Unglück abzuwenden. In Science-Fiction-Romanen kämpfen sie gar an der Seite von Menschen gegen gemeinsame Feinde.

Die Symbolkraft des Drachen ist in der Gegenwart ungebrochen, trotz der Vielfalt an Typen und Bedeutungsnuancen, die sich in der jahrtausendelangen Entwicklung des Mythos herausgebildet haben. Als beinahe weltweit bekanntes Fabelwesen mit einem hohen Wiedererkennungswert verwendet ihn die Werbebranche als Markenzeichen, Vereinen, Clubs und Institutionen dient er als Emblem und Städten, Ländern und Fußballclubs als Wappentier. Von den traditionellen Bedeutungen ist im modernen Kontext vor Allem das Element der Stärke ausschlaggebend.

Drachen in Literatur und Medien verfügen meistens über Eigenschaften wie Echsenähnlichkeit, Flugfähigkeit, Feueratem oder ähnliche Fähigkeiten, Größe, Intelligenz und magische Begabung. Grundsätzlich sind sie mit etwas Magischem verbunden, einer Aufgabe oder einer Geschichte, und oft besitzen sie Weisheit. Die düstere Ästhetik der Drachenbilder enthält auch ein Element der Faszination: Sie sind gleichzeitig schrecklich und schön, edel und furchterregend.

Und wenn sich auch unsere Sprache, mit der wir versuchen, uns dem Phänomen zu nähern und es zu beschreiben, im Laufe der Zeit verändert hat, so schwingt doch auch hier in allen Publikationen immer die gleiche Mischung aus Skepsis, Furcht und Respekt mit, wie wir in den folgenden drei Beispielen kurz demonstrieren:

Lateinisch draco, Französisch Dragon, ist eine ungeheure grosse Schlange, die sich in abgelegenen Wüsteneyen, Bergen und Stein=Klüfften aufzuhalten pfleget, und Menschen und Vieh grossen Schaden zufüget. Man findet ihrer vielerley Gestalten und Arten; denn etliche sind geflügelt, andere nicht; etliche haben zwey, andere vier Füsse, Kopff und Schwantz aber ist Schlangen=Art. Einige Naturkündiger halten davor, es sey eine unordentliche Missgeburt, welche durch Vermischung allerley Saamen von erwürgten Thieren, da ein jedes etwas von seinem Geschlechte an einem solchen scheußlichen Thier hervor bringet, gezeuget werde. Man glaubt auch, daß ein solcher Ort, wo sich Drachen aufhalten, reich von Golde, Silber und anderen Ertze sey, und dahero diese Thiere sich von denen gifftigen schwefflichten Dünsten nähren, und so selbst gifftig werden.

Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste (1731-1754)

Sie haben eine gespaltene Zunge, Adlerklauen, den Kopf eines Löwen oder Kamels, sind mal gut und mal böse und können in der Regel fliegen. Fantastische Drachen bevölkern schon seit Jahrtausenden unsere Welt. Meist erreichen sie ein beträchtliches Alter, speien Feuer und versetzen die Welt in Furcht und Schrecken. Fast jeder hat schon mal von ihnen gehört - ganz gleich, in welchem Teil der Welt er lebt.

 

Planet Wissen (2012)

Ein Drache (lat. draco, altgriech. drákon „Schlange“, eigentlich „der starr Blickende“) ist ein schlangenartiges Mischwesen der Mythologie, in dem sich Eigenschaften von Reptilien, Vögeln und Raubtieren in unterschiedlichen Variationen miteinander verbinden. Häufig ist er geflügelt, mit Adlerklauen oder Löwenpranken ausgestattet und speit Feuer. Der Drache ist als Fabelwesen aus Mythen, Märchen und Sagen bekannt; bis in die Neuzeit wurde er als real existierendes Tier angesehen.

Wikipedia (2012)

Wir wollen uns dem Phänomen nähern, indem wir Wissen zusammentragen, um dem Leser so zu ermöglichen, sich selbst ein Bild dieser schaurig-schönen Wesen zu machen.

Begriffsbestimmung

Erzählungen und Bilder von Drachen sind vielen Kulturen und Epochen bekannt, entsprechend mannigfaltig sind seine Erscheinungsformen.

Drachen bevölkern die Welt vermutlich seit die Menschen ihre Vorstellungskraft benutzen und denken können. Die ersten Abbildungen von Drachen oder drachenähnlichen Wesen sind über sechstausend Jahre alt. Sie erinnern noch an Schlangen, die ebenso wie die Drachen Tiere der Unterwelt waren und das Böse verkörperten.

Grundsätzlich handelt es sich um ein Mischwesen, das sich aus mehreren real existierenden Tieren zusammensetzt, doch werden die mehrköpfigen Schlangen der antiken Mythologien ebenfalls als Drachen betitelt. Die Schlangenanteile sind bei den meisten Drachen vorherrschend. Der Körper ist meist geschuppt. Der Kopf – oder die Köpfe, oft sind es drei oder sieben – stammt von einem Krokodil, einem Löwen, einem Panther oder einem Wolf.

Die Füße sind Tatzen von Raubkatzen oder Adlerklauen. Meist besitzt der Drache vier; es gibt aber auch zweifüßige Formen wie die Wyvern und schlangenartige Mischwesen ohne Füße. Diese werden in Typologien als Kriech-Drachen den Flug-Drachen gegenübergestellt. Die Flügel des Drachen erinnern an Greifvögel oder Fledermäuse. Verbreitete Elemente sind eine gespaltene Zunge, ein scharfer, durchdringender Blick, der feurige Schlund und ein giftiger Atem.

Die Abgrenzung zu anderen mythischen Wesen ist nicht immer klar erkennbar. Besonders Schlangenmythen weisen viele Gemeinsamkeiten zu Drachenerzählungen auf, und vom Basilisk entlehnt ist die in manchen Erzählungen geschilderte Herkunft des Drachen aus einem Hahnenei. Der chinesische Drache vereint in sich die Merkmale von neun verschiedenen Tieren: Neben einem Schlangenhals besitzt er den Kopf eines Kamels, die Hörner eines Rehbocks, die Ohren einer Kuh, den Hinterleib einer Muschel, die Schuppen eines Fisches, die Klauen eines Adlers, die Augen des Teufels und die Tatzen des Tigers.

Der westliche Drache ist meist von furchterregender Gestalt und Größe; als Sinnbild des Teufels bestimmt die Hässlichkeit seine Erscheinung. In seiner klassischen Form ist er allen vier Elementen zugehörig: Er kann fliegen, schwimmen, kriechen und Feuer speien.

Die Drachen gehören zu einem Kosmos von Tieren, die seit Urzeiten die Geschichten der Menschheit beleben. Neben dem Einhorn, dem Greif, der Sphinx oder den Wolfsmenschen nehmen die Drachen einen besonderen Platz ein, denn sie treten fast überall auf der Welt auf. Drachen sind Mischwesen, das heißt, sie sind aus verschiedenen Tieren zusammengesetzt. Da sich die einzelnen Tierkombinationen von Region zu Region unterscheiden können, lassen sie sich manchmal nur schwer zuordnen.

Eines der wichtigsten Merkmale der meisten Drachen ist die Ähnlichkeit mit Schlangen, und nicht von ungefähr stammt der Begriff "Drache" vom griechischen Wort "dracon" ab, was soviel bedeutet wie "Drache" oder "große Schlange". Das Wort "dracon" wiederum hat seinen Ursprung im griechischen Wort "Derkomai", was soviel bedeutet wie "genau und durchdringend anschauen". Die Dracostandarte, ein Feldzeichen der römischen Kavallerie in Form einer Schlange mit Drachen- oder Wolfskopf, findet sich bereits auf Abbildungen von sarmatischen Reitern.

Der antike Drache war vor allem ein Schreckbild und ein Herrschaftssymbol. Das römische Heer übernahm die Dracostandarte als Feldzeichen von den Parthern oder Dakern. Die purpurne Drachenfahne stand dem Kaiser zu; sie wurde ihm in der Schlacht und bei Feierlichkeiten voran getragen. Das Mittelalter führte diese Symbolik auf Fahnen, Wappen, Schildern und Helmen fort. Als Kaisertier diente der Drache noch Maximilian I., und mit der Thronbesteigung des Hauses Tudor gelangte der goldene Drache in das Wappen von Wales.

Der eigenständige Bildtypus des geflügelten, Feuer speienden Drachen in klarer Abgrenzung von der Schlange setzte sich in Europa erst in der Karolingerzeit durch. In der bildenden Kunst und Emblematik des christlichen Mittelalters erscheint er vor allem als Verkörperung des Teufels oder Dämons. Er dient aber auch als Symbol von Wachsamkeit, Logik, Dialektik, Klugheit und Stärke; in Bauplastik und Buchmalerei finden sich auch rein ornamentale Darstellungen.

Ab dem Hochmittelalter ist das vorherrschende Motiv der christlichen Drachendarstellungen der Kampf gegen das Böse und die Erbsünde. Populäre Drachentöter sind der Heilige Georg und Erzengel Michael, manchmal erscheint auch Christus selbst als Sieger über die Bestie. Zuweilen tritt die Schlange aus dem Paradies in Drachengestalt auf, die Bilder des Jüngsten Gerichts zeigen die Hölle als Drachenschlund. Die dämonische Variante ist das Drachenbild, das in der Gegenwart die Fantasy-Kultur übernahm.

Obwohl es auch in Ostasien verschiedene Typen gibt, ist die Darstellung des klassischen chinesischen Drachen Long stark formalisiert. Auf zeremoniellen Gewändern zeigte seine Farbe und die Anzahl der Klauen den Rang des Trägers an. Der gelbe Drache mit fünf Klauen blieb ausschließlich dem Kaiser selbst vorbehalten. Ein besonderes Attribut des chinesischen Drachen ist ein Spielzeug: Zu dem Papierdrachen der chinesischen Feste in New York gehört ein roter Ball, auf Keramik ist seit der Ming-Zeit der Drache verbreitet, der eine Perle jagt. Die Bedeutung des kostbaren Schmuckstücks ist nicht geklärt. Sie könnte den Mond oder die Vollkommenheit symbolisieren