Read the book: «Hühner, Die Goldene Eier Legen», page 3

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Silvia

Die Protagonistin dieser Geschichte möchte ihre Identität nicht preisgeben. Sie ist eine junge Frau von 32 Jahren, die im Frühjahr 2016 eine Freundschaftsanfrage von einem 40-jährigen Franzosen erhält, ein schöner Mann, der sich Henry Dupont nennt. Sie nennen wir Silvia:

"Er schickt mir sofort eine Nachricht über Messenger - erzählt Silvia - und sagt mir, dass ich sein Typ sein und dass er sich in mich verliebt habe. Er schickt mir Herzchen und Küsse und schreibt honigsüße Schmeicheleien. Ich fühle mich ein wenig unwohl, weil es mir scheint, dass seine Leidenschaft übertrieben ist, wenn man bedenkt, dass ich ihn kaum kenne. Ich kenne ihn nicht, ich habe ihn nur in einem Bild gesehen, das, obwohl es schön ist, für mich nicht viel über die Person aussagt.

Für ein paar Tage lasse ich das Ganze laufen. Ich möchte nicht von ungewünschten Zuneigungsbezeugungen in meiner Privatsphäre gestört werden.

Henry kontaktiert mich immer wieder, ich antworte aus Anstand. Ich lese seine liebevollen Sätze und denke, dass ich mich Gianni gegenüber vielleicht nicht korrekt verhalte; Gianni ist mein Lebensgefährte, mit dem ich in letzter Zeit nicht sehr gut auskomme. Wir streiten über Kleinigkeiten und gehen nur noch selten aus.

Jeden Abend erscheint Henry online, spricht mit Silvia und erzählt ihr von seinem Leben. Er sagt ihr, dass er Witwer mit zwei Kindern sei, einem Jungen und einem Mädchen. Dann berührt er das sehr traurige Thema des Todes seiner Frau, der bereits einige Jahre zurückliegt. Er erzählt ihr von seiner Einsamkeit, mit zwei kleinen Kindern, die ohne ihre Mutter aufwachsen. Er schickt ihre rührenden Fotos der Kleinen zusammen mit ihrem Papa (trauriger und trostloser Mann!). Silvia teilt ihm korrekterweise mit, dass sie bereits einen Lebensgefährten hat und sich nicht für andere Geschichten interessiere, vor allem nicht mit Leuten, die sie nicht direkt kennt. Aber Henry gibt nicht auf und schickt ihr Bilder mit Blumen, pulsierende Herzen, liebevolle Kuscheltiere und zärtliche Phrasen.

Silvia ist vorsichtig das kann man ihren Worten entnehmen. Sie ist sicher keine Frau, die es gewohnt ist, leichtfertig Entscheidungen zu treffen. Wenn sie das täte, würde sie sich ihrem Lebensgefährten gegenüber schuldig fühlen, denn obwohl sie gerade eine Krise durchleben, ist sie sich bewusst, dass er es nicht verdient hat, abserviert zu werden.

Der Widerstand der Frau gegen Henry ist wirksam, aber dennoch steigert sich das geheime Interesse ihrerseits täglich. Schließlich ist es schon ungewöhnlich, dass man Mittelpunkt von so viel Aufmerksamkeit und Zuneigung ist. Da kann man sich nur geschmeichelt fühlen.

An einem Abend schreibt ihr Henry, dass er am nächsten Tag in die Elfenbeinküste fliegen würde, wo seine Familie ein Immobilienunternehmen hat. Silvia wünscht ihm eine gute Reise.

Zwei Tage lang hört sie nichts von ihm. Dann fängt er wieder an, ihr zu schreiben, um etwas Zeit mit ihr im Chat zu verbringen. Er sagt ihr, dass diese Momente die einzigen heiteren seines Tages sind. Seine Umgebung, in der er sich befindet, tut ihm nicht gut. Tatsächlich geht er abends nicht aus, trifft niemanden und traut vor allem niemandem, denn der Ort, an dem er sich befindet, ist gefährlich. Auf den Straßen trifft man Frauen von übelstem Ruf, Räuber und Diebe.

Eines Abends erzählt er ihr, dass er mit seiner Tochter gechattet hat. Sie schickte ihm einen Kuss mit großen Buchstaben: "SMACK!”. Silvia wird weich und lächelt. Sie sagt ihm, dass es schön ist, Kinder zu haben, die so liebevoll sind.

Nach Rosen und Blumen warten wir nun auf das Unheil

Die Kontakte zwischen Henry und Silvia werden für etwa zehn Tage unterbrochen. Sie sucht nicht nach ihm. Alles in allem ist sie, abgesehen von den schmeichelhaften Liebeserklärungen, nicht sehr an ihm interessiert. Oder zumindest ist sie nicht so sehr an ihm interessiert, um ihn zu suchen oder sich über seine Abwesenheit Sorgen zu machen.

Henry meldet sich plötzlich wieder und erzählt ihr, dass er kurz bevor er nach Hause kam ausgeraubt wurde. Ohne großes Drum Rum bitte er sie um Bargeld, weil er auf dem Trockenen sitzt. Er hat nichts mehr. Er erzählt ihr die Einzelheiten des bewaffneten Überfalls, wo er zwei Kriminellen zum Opfer gefallen war. Aus Angst, dass sie ihn töten, gab Henry ihnen alles, was er hatte: seine Brieftasche, seine Kreditkarte, seine goldene Uhr.

Silvia antwortete, dass es ihr Leid tut. Henry bittet sie inständig ihm Geld zu schicken. Sie hat kein Geld und sagt es ihm, aber Henry erklärt weiterhin seine Schwierigkeiten. Er sagt, er hat nichts, nicht mal etwas zu essen. Silvia rät ihm, sich an die Polizei zu wenden und eine Anzeige zu erstatten. Er antwortet, dass er dies bereits getan hat, aber immer noch ohne Mittel ist. Nur sie kann ihm helfen.

„Nein", wiederholt Silvia. „Ich habe kein Geld, um es irgendjemand zu geben. Ich komme kaum selbst über die Runden!"

„Du bist herzlos!" schimpft er, „Ich brauche das Geld für meine Kinder!"

Dann beginnt sie Fragen zu stellen. Die allgemeinen Fragen, die jedem von uns in den Sinn kommen würden. Sie fragt ihn, wo seine Verwandten, die mit dem Immobilienunternehmen. Sie will, dass er ihr erklärt, warum seine Kinder in der Elfenbeinküste und nicht in Frankreich sind.

Henry wird wütend und sagt ihr, dass sie nichts von dem verstanden hat, was er ihr gesagt hatte. Er findet Ausreden für seine Widersprüche. Dann gibt er klein bei und bittet sie um einen niedrigeren Betrag. Eintausend Euro reichen aus. „Schicke, was du kannst! Ich werde dir jeden Cent zurückzahlen".

Silvia unterbricht den Kontakt. Verbittert stellt sie Nachforschungen an und entdeckt, dass er ein Betrüger ist.

Sie war kurz davor, auf ihn hereinzufallen, aber in diesem Fall hatte sie immerhin eine gute Dosis Vernunft bewahrt. Sie ließ sich nicht verzaubern, ein wenig wegen ihres Charakters, ein wenig auch, weil dieser unbekannte Mann sie nie ganz überzeugt hatte. Um genau zu sein, können wir sagen, dass der Honig von seiner Seite aus falsch war, von ihrer Seite hatte es ihn nie gegeben.

Daria

„Es ist auch mir passiert. Zwei Monate sehr zärtlicher Briefe und süßer Phrasen, die jede Frau gerne hören würde".

So beginnt Darias Geschichte, indem sie die Person, die sie betrogen hat, als dubiose Person bezeichnet. Sie sagt, dass sie dachte, dass diese Dinge alten Rentnern oder naiven, einsamen Frauen passieren, und verwendet abfällige Worte, um diese Angelegenheit zu definieren, weil sie Verachtung für sich selbst empfindet. Sie fühlt sich dumm und ohne Ausreden, eine arme und schwache Frau. Daria schreibt ihre Geschichte im Blog von Massimo Cappanera, einem klinischen Psychologen und Experte für Web-Betrügereien, der Leute dazu einlädt, von ihren Erfahrungen zu erzählen, um sicherzustellen, dass Leser gewarnt werden und nicht in die gleiche Falle geraten.7

Ich schwebte zwei Monate lang auf Wolke sieben

Marcello sagt, er sei Italiener, als er sich an Daria ranmacht. Aber man versteht sofort an seiner Ausdrucksweise, dass dem nicht so ist. Sie weist ihn darauf hin, dass er nicht gut auf Italienisch schreibt und er rechtfertigt sich damit, dass er in Italien geboren wurde, seine Mutter aber Deutsche ist. Sein Vater ist gestorben. Als er noch ein Kind war, beschloss seine Mutter nach dem Tod des Ehemannes, nach Großbritannien zu ziehen, wo sie viele Jahre lebten.

Daria spricht viele Sprachen und sagt ihm, dass er eine auswählen soll: Spanisch, Englisch, Deutsch.

„Ich bin Witwer und habe eine zwölfjährige Tochter - erklärt er - und reise viel für internationale Geschäfte. Ich nehme meine Tochter und das Kindermädchen mit auf die Reisen, weil ich das Mädchen nicht gerne allein lasse. Wir haben nur uns auf dieser Welt.“

An diesem Punkt beginnt Daria, Mitgefühl und Verständnis für diesen Witwer zu nähren, dem immer eine süße kleine Tochter folgt.

„Mein Standort ist in Bristol - fährt Marcello fort - aber geschäftlich muss ich um die ganze Welt reisen. Ich arbeite im Bereich der öffentlichen Ausschreibungen und schließe beträchtliche Verträge ab".

„Das ist ein anspruchsvoller Job!", sagt Daria.

„Ja, aber ich bin es gewohnt zu arbeiten, zu reisen. Ich bin mit dem Geschäftsverlauf zufrieden. Das einzige, was in meinem Leben fehlt, ist eine Frau, die mir den Kopf verdreht. Jetzt bin ich glücklich, weil ich sie gefunden habe, aber mein Glück wird erst komplett sein, wenn ich dich umarmen kann."

„Wird dieser Tag bald kommen?"

„Früher als du dir vorstellen kannst!" versichert ihr Marcello mit Nachdruck.

„Wann?"

„Ich hasse es über Zahlen zu sprechen, aber dir kann ich es sagen. Ich habe mich für den Vertrag von 7,5 Millionen statt der 12 Millionen entschieden, weil der von kürzerer Dauer ist und wir uns so früher sehen können. Ich freue mich darauf, dich zu treffen. Du bist so schön, so liebenswert (der Mann beginnt ihre Vorzüge und seine Gefühle für sie aufzulisten). Süße Daria, ich denke nur an dich!“

Marcello erklärt ihr weiterhin die Pläne für ihr Treffen, das nach seiner Rückkehr von einer Schiffsreise nach Zypern stattfinden wird, wo er im Begriff ist, die Ausrüstung zu kaufen, die zum Bau einer Brücke benötigt wird.

„Es verläuft alles gut", sagt Daria, „auch wenn es in seinen Worten einige Widersprüche gibt, die ich aber nicht bemerke, weil mein Gehirn auf Standby steht".

Und hier sind die tollkühnen Implikationen der Geschichte

Marcello spricht oft von der mystischen Dimension ihrer Begegnung, die sicherlich eine Gottesfügung ist. Es ist das Schicksal zweier Herzen, die sich ähnlich sind, die sich suchen um gemeinsam das Glück zu finden. Sie finden sich durch göttliche Fürsprache und lieben sich für den Rest ihres Lebens.

Dann ist ja alles in Ordnung! Aber auch hier kommt es - wie in einem schon bekannten Drehbuch - zu einer Katastrophe. Daria wird vor etwas Unerwartetem und Ungewöhnlichem gewarnt. Marcello befindet sich im Hafen von Zypern, als Piraten ein Schiff angreifen, das vor ihrem abgefahren war. Der Kapitän wurde getötet, während die Schüsse wie wahnsinnig durch die Luft fliegen, und unendlich viel Blut fließt. Die Piraten nehmen einige Geiseln. Marcello hat einen Koffer voller Bargeld und die wertvollen Dokumente seiner Verträge.

„Meine Liebe - sagt er - du weißt, dass ich ohne dich allein auf der Welt bin. Ich vertraue nur dir allein. Tu mir bitte einen großen Gefallen und bewahre das Paket, das ich verstecken konnte, bis zu meiner Ankunft in Italien auf."

„In Ordnung," antwortet Daria.

„Gib mir deine Adresse!" sagt Marcello.

Daria schickt ihm die Adresse und Telefonnummer. Er erklärt ihr, dass er bereits achttausend Euro für den Transport bezahlt hat und dass sie nur einen kleinen Betrag für nationale Steuern zahlen muss, den das Unternehmen nicht vor Ankunft des Pakets am Bestimmungsort abschätzen kann.

Die Frau verbringt zwei verzweifelte und lange Tage, die Angst, die diese unerwartete Situation bei ihr verursacht, raubt ihr den Schlaf. Sie denkt an Marcellos Sicherheit. Sie hat Angst. Sie weiß nicht, was sie tun soll, während sie bis spät in die Nacht wartet, als sie per E-Mail den Lieferschein des Transportunternehmens Turkiye Diplomatic Security Company erhält. Der Lieferschein ist voller Stempel und sieht sehr wichtig und offiziell aus. Es fehlt jedoch ein wesentliches Teil um die Auslieferung durchführen zu können. Damit die Sicherheitsbeamten des Unternehmens das Paket zu Daria nach Hause liefern können, sind 2500 Euro an nationale Steuern und Mehrwertsteuer zu entrichten. Der Betrag ist vor Lieferung per Bankgutschrift zu begleichen. Daria ist terrorisiert von der Last der Verantwortung, und weiß nicht, welche Entscheidung sie treffen soll. Sie ruft Marcello an, aber er antwortet nicht. Dann versucht sie, seine Firma anzurufen und auch dort antwortet niemand. Dann sucht sie das Unternehmen im Internet und findet es nicht. Und so zerreißt sie sich tatsächlich vor Angst. Sie ist versucht, das Geld zu überweisen, aber sie verfügt nicht über eine ausreichende Summe. Sie denkt daran, ihre Schwester um Hilfe zu bitten. Sie geht zu ihr. „Ich habe ein ernstes Problem", sagt sie aufgeregt, „Ich brauche dringend 2500 Euro!"

„Was?"".

„Ja, ich muss damit eine Sendung freistellen lassen!"

„Setz dich einen Moment und erklär mir alles von Anfang an," sagt ihre Schwester bestimmend.

„Nun, ich habe Marcello im Chat kennengelernt. Er ist ein Geschäftsmann...".

Daria spricht mit ihrer Schwester und merkt, während sie diese unglaublichen Fakten erzählt, wie sich der Nebel in ihrem Gehirn lichtet.

„Es wurde mir von ganz alleine klar! Während ich spreche und mir selbst zuhöre, kann ich meinen eigenen Worten nicht glauben.

Die Geschichte Darias endet an diesem Punkt. Mit ihrer Schwester, die ihr glücklicherweise geholfen hat, die Augen zu öffnen und die ihr in ihrem Kummer Trost gespendet hat.

Aber sie will ihre Geschichte so beenden:

„Zum Abschluss sage ich euch, dass solche Dinge, so intelligent und wachsam wir auch sein mögen, passieren können. Ein sehr wichtiger Punkt ist es, nicht alles für sich zu behalten. Wir betreten einen Tunnel, in dem die Realität leicht mit Fantasie verwechselt wird, wenn wir sie nicht mit jemandem teilen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht mit dieser langen Geschichte gelangweilt, und ich hoffe auch, jemandem geholfen zu haben, wie Sie mir, danke".8

Serena

Dies ist der Geschichte von Serena, frei entnommen aus dem Blog World Romance Scam9. Diese Website sammelt unzählige Zeugnisse derer, die ihre Erfahrung mitteilen wollen, um anderen Frauen zu helfen, bevor den Gefühlsbetrügern ins Netz gehen, oder nach der Enttäuschung, die sie erlitten haben, um ihnen einen Weg aufzuzeigen, wie sie ihr Selbstwertgefühl zurückgewinnen können:

"Ich heiße Serena und bin 31 Jahre alt, eines Tages lerne ich auf Facebook einen sehr netten und galanten Mann kennen, der mir eine Freundschaftsanfrage schickte. Ich wusste nichts von der Existenz von Fakes und deshalb vertraue ich ihm. Er ist gebildet, romantisch, aufmerksam; er sagt oft, dass er Gott dafür dankt, dass er uns zusammengebracht hat. Ich finde nichts Schlechtes dabei und mache einfach weiter. Er erzählt mir, was er arbeitet; er befindet sich auf einem Öltanker. Er ist Witwer mit einer Tochter. Ganz langsam vernarre ich mich in ihn und bitte ihn darum uns zu treffen. Er sagt, er kann im Moment nicht an Land gehen, wird dies aber so bald wie möglich tun.

Eines Tages schreibt er mir, dass das Schiff ein Leck hat und sie andocken müssen. Er sagt mir, dass sie Probleme mit der Versicherung haben, die die Schäden nicht deckt und alle riskieren ihre Arbeit zu verlieren. Er bittet mich darum, ihm zu helfen, indem ich ihm fünftausend Euro schicke. Ich glaube ihm und tue es. Dann bittet er mich um mehr Geld für weitere Arbeiten auf dem Schiff. Er erklärt, dass sie Geld sammeln und dass er weitere fünftausend Euro braucht. Ich schicke sie ihm. Ich beginne für meine Finanzverhältnisse zu viel auszugeben und durch Zufall sehe ich eine Werbung des Vereins "World Romance Scam". Ich klammere mich daran. Ich schreibe. Dr. Ansaldi antwortet mir und bittet mich darum sie anzurufen. Seitdem steht sie mir bei. Sie hilft mir zu verstehen, in was für eine Sache ich hineingeraten bin, und sie sendet mir Fotos des Betrügers, die mir beweisen, dass diese Person bereits andere Frauen übers Ohr gehauen hat.

Ich folge blind den Vorschlägen der Ärztin, die mich durch den Tunnel der Rückkehr zur Realität begleitet. Ich blockiere den Kontakt mit ihm. Ich beantworte seine Anrufe nicht mehr; ich weine, ich schlafe nicht, ich bin krank, aber ich weiß, dass ich das überwinden muss und die Ärztin ist immer in meiner Nähe. Am Ende verschwindet er und für mich endet ein Alptraum, der viel mehr Schaden hätte anrichten können, wenn ich nicht "Worldromancescam.org" kennengelernt hätte. Heute weiß ich, was Fake sind, und ich bin gefeit. Ich wollte, dass jeder weiß, dass man diese Abhängigkeiten heilen kann und ich bin der lebendige Beweis".

Die Verbände, die Medien, die Institutionen, die sich mit diesem Problem befassen, das heute weit über alle Erwartungen hinaus verbreitet ist

Der Verein World Romance Scam leistet gute Arbeit bei der Verbreitung und Prävention. Auf der Website und auf der entsprechenden Facebook-Seite interagieren Frauen, die solche romantischen Betrügereien durchlebt haben, und wollen Schutz und Hilfe bieten. Ihre Präsentation auf der Homepage der Website ist die folgende:

„Vereinigung gegen sentimentalen Betrug, Assistenz und Beratung für Opfer; Ermittlungen, Information, Prävention;; Reporting gemäß dem Abkommen von Budapest, dem Budapest Cybercrime Act v. 23. April 2001 und allen nachfolgenden Versionen“.

Betrachtet man die auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichten Beiträge, kann man eine unendliche Anzahl von Bildern sehen, die als Fakes aufgedeckt werden. In einem steht eine Warnung:

„Dies ist eine weiteres Fake mit Fotos eines italienischen Modells und er nennt sich Jean Marck Venus.“

Die Antwort eines Mitglieds der Seite lautet: „Mir hat er sich mit dem Namen Oliver Perret vorgestellt!"

Wenn man die Seite überfliegt, findet man viele Personen, die von Betrügern geklont wurden. Man findet das Foto eines hochdekorierten und nichts wissenden Marineoffiziers, mit einem interessanten und energischem Gesicht und dem fiktiven Namen Ken Scaparotti. Weiter unten ein Video mit der Warnung: „Neues Fake, er nennt sich Miguel Pazamini oder Jean Marc Riviet".

Der folgende Kommentar stammt von einer gewissen Martha: „Dieser Typ hieß im April Sebastien Perrot!"

Die Seite sucht weiter nach der wahren Identität der Betrüger und zeigt die Fotos, die sich mit denen Lügengeschichten der listigen Betrüger verbinden lassen. Es sind Bilder von vielen verschiedenen Typen, schöne Männer, weniger schöne aber interessante, Sportler in moderner Kleidung, Offiziere in hoher Uniform, Lehrer und Ärzte.

Bei genauerer Betrachtung der Beiträge findet man Fotos von Frauen, meist junge (auch diese ahnungslose Klone), die in den Socials mit falschen Profilen und wenig erfundenen Informationen eingesetzt werden, um - wie ein Köder auf hoher See - gewinnbringende romantische Betrügereien zu aktivieren. Einziges Ziel: den im Netz gefundenen Unglückseligen so viel Geld wie möglich abzuknöpfen.

Die Fotografien sind alle echt, aber von Männern und Frauen, die nicht ahnen, dass sie so wegen ihrer wahren Züge und einer gefälschten persönlichen Geschichte, die von Berufsbetrügern mit Engagement interpretiert wird, geliebt werden.

Rossana

Auch Rossana enthüllt ihre Geschichte auf Cappaneras Blog. Sie schreibt, dass sie die Berichte anderer Frauen und die Ratschläge im Web sehr nützlich findet10. Sie will darüber sprechen, um den Lesern zu helfen, nicht in die Falle zu tappen:

„Seit kurzem habe ich angefangen Web-Marketing für mein Geschäft zu betreiben und auf der Suche nach Kontakten und Freundschaften auf Facebook bin ich auf diesen Mann gestoßen... Es ist zu beachten, dass ich die Freundschaftsanfrage mit vielen anderen geschickt habe. Nach einer Weile kontaktiert er mich über den Chat von Facebook".

Der Mann, der antwortet, ist misstrauisch, denn auf Rossanas Profil ist kein Foto, sondern nur eine Grafik. Er will ein Foto bevor er die Freundschaftsanfrage annimmt. Sie schickt es ihm und es beginnt eine tägliche Korrespondenz. Der Mann heißt Fred und erklärt ihr, dass er Engländer aus London ist, ledig, 40 Jahre alt, Bauingenieur. Er ist genau das, was man unter einer guten Partie versteht. Er ist zudem auch noch ein schöner Mann.

Aber schauen wir mal, wie Rossanas Erzählung weitergeht:

„Das Gespräch findet immer auf Englisch statt, was ich einigermaßen gut beherrsche.... Anfangs versuche ich auch, einfach um auszutesten, einige Sätze auf Italienisch zu schreiben, aber er versteht es nicht. Wir reden ein oder zwei Tage lang ganz ruhig, aber in der Zwischenzeit - ich muss zugeben mit großer Klasse - wird daraus ein "Flirt" und er fängt an, mich mit Kosenamen wie "dear" (Liebes), dann "honey" (Süße) (und achtet auch darauf, dass er sich dafür entschuldigt, als er diesen Spitznamen zum ersten Mal benutzt) anzusprechen. Ich muss zugeben, dass mir das Ganze sehr gefällt. Ich fühle mich umsorgt, mit Aufmerksamkeiten bedacht in einem Moment meines sentimentalen Lebens, der zugegebenermaßen nicht sehr glücklich ist (und wenn ich Moment sage, vergesse ich manchmal, dass es schon Jahre her sind...), also lasse ich es geschehen."

Nach etwa einer Woche teilt Fred Rossana seine Absicht mit, sie in den Weihnachtsferien zu besuchen. Sie ist überrascht über diese spontane Entscheidung und er antwortet leichtfertig, dass er einen guten Job hat und dass er es sich leisten kann. Dann beginnen Sätze wie "Ich liebe dich" und "Liebling, ich denke immer an dich." Und weiter "Ich danke Gott, dass ich eine Frau wie dich getroffen habe".

Bei der angekündigte Reise soll er Rossana treffen, aber das ist nicht alles. Fred erzählt ihr, dass er sich entschieden hat, ein Haus in Italien zu kaufen, um sie zu heiraten und wie im Märchen für immer glücklich zusammenzuleben.

An diesem Punkt beginnt ein vager Verdacht sich einen Weg in Rossanas Verstand zu bahnen, aber sie denkt nicht an einen Betrug, sondern befürchtet, dass sie es mit einem Verrückten zu tun hat, so einem der einer Frau gegenüber Luftschlösser baut, der davon überzeugt ist, dass auch einseitige Liebe funktioniert und dass Akzeptanz und Bestätigung von der anderen Seite nicht unbedingt notwendig ist.

Rossana beginnt die Bremse zu ziehen und neugierig zu werden. Sie stellt Fragen, möchte Informationen über seine Familie. Er beginnt, ihr Fotos von ihm mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner Schwester zu schicken. Rossana fragt ihn erneut, was er arbeitet und für welche Firma. Fred sagt ihr den Namen der Firma, für die er arbeitet, aber jegliche Suche im Internet liefert keine Informationen mit diesem Namen. Es gibt keine Beweise für Freds Beruf. Doch Rossana bleibt in Kontakt ihm, den sie möchte wissen, wie weit er gehen will.

Die virtuelle Liebesgeschichte geht weiter. Eines Tages ruft er mit einer Nummer mit der englischen Vorwahl +44 an. An einem anderen Tag jedoch erweist sich die Nummer als eine amerikanische. Rossana erinnert sich, dass seine Familie - laut Fred - in den USA lebt, also belässt sie es dabei.

Der Eifer dieses Mannes, der ihre Nähe sucht, ist beständig. Er ist sehr an ihr interessiert, fragt sie, wie sie sich so die Zeit vertreibt, was sie am liebsten macht, wie sie gekleidet ist. Er teilt ihr mit, dass sie sich bald sehen werden und dass dieser Tag für ihn wunderschön sein wird.

Eines Tages teilt er ihr mit, dass er eine Reise in die USA gebucht hat, wo er einen Vertrag unterschreiben muss. Danach wird er nach Italien kommen, wo er eine schöne Wohnung kaufen, Geld investieren und vor allem ein Heim haben will, in dem er jedes Mal wohnen kann, wenn er sie sehen will. Er bittet sie, sich über Immobilienpreise in ihrer Heimatstadt zu informieren.

Er redet nicht über Hochzeit, wie es in früheren Gesprächen der Fall war. Zweifellos hat er verstanden, dass Rossana es ungewöhnlich findet, eine Beziehung, die erst vor kurzem begann, gleich so dingfest zu machen. Dies macht deutlich, dass die Eroberungsmethode von Online-Betrügern im Laufe der Arbeit angepasst werden kann. Es ist hauptsächlich eine Art Drehbuch wie für ein Film. Die Liebesphrasen sind ein Kopieren/Einfügen aus romantischen Büchern. Aber nicht alles ist so offensichtlich. Es hat auch etwas von der "Commedia dell'arte" mit seiner jeweiligen Entwicklung je nachdem wie es die Szene erlaubt.

Rossana ihrerseits findet dieses Interesse am Immobilienkauf durch ihren virtuellen Anbeter unwahrscheinlich. Freds Verhalten ist widersprüchlich und hat sicherlich einen Zweck, den sie nicht kennt. Deshalb beschließt sie, das Spiel mitzuspielen. Sie interessiert sich für Immobilienangebote, liest die Verkaufsanzeigen, schickt ihm Vorschläge, die seinem Budget entsprechen, das - so Fred - bis zu sechshunderttausend Euro erreichen kann.

Dieser Austausch von E-Mails mit Informationen über die Hauspreise in Rossana scheint eine gute Gelegenheit, Anfragen über ihn durch die E-Mail-Adresse zu machen, aber das einzige, was sie herausfindet, ist, dass es die gleiche E-Mail ist, die mit dem Facebook-Konto verbunden ist.

Das Haus, das Fred interessiert, ist eines der teuersten auf dem Markt. Er dankt ihr und lässt sie wissen, dass er sich das Recht vorbehält, sie persönlich zu besuchen, wenn er nach Italien kommt.

Dann geschieht hier auch nichts anderes als das übliche Drehbuch der Romantikschwindel. Fred warnt Rossana, dass er ihr 700.000 Pfund aus den USA schicken muss, und es wird ein Kurier zu ihr kommen, um ihr ein Paket zu bringen, in dem auch ein Geschenk für sie sein wird.

Wir wissen wie die Geschichte weiter geht. Es müssen Kosten für Schifffahrt, Briefmarken, Notar und Weiß-der-Kuckuck-noch-was im Voraus bezahlt werden.

Rossana, die von Anfang an Lunte gerochen hatte, erzählt ihm, dass sie kein Geld für solche Ausgaben hat. Dann informiert sie sich auf Webseiten und Blogs, die über Liebesbetrug schreiben, und erhält die Bestätigung, dass der selbst ernannte Fred ein Schurke ist. Sie verbreitet seine Geschichte um anderen Frauen zu helfen und beginnt mit einem der Vereine zusammenzuarbeiten, die sich gegen diese abscheulichen Betrügereien engagieren.

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