Kellermann kocht

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Kellermann kocht
Font:Smaller АаLarger Aa

Inhaltsverzeichnis

Kühle Küche für die heißen Tage

Graved Lachs mit Aprikose und Senf

Der Eintopf des Herrn Székely

„Berliner“ mit Pep und süßem Herz

Ein Rind, das mit der Mode geht

Gans – ganz klassisch und ganz langsam

Hommage an die süße Suzette

Auch Linsen machen glücklich

Feinschliff für den Obatzdn

Salatherzen, herzhaft umgarnt

Die Zeit ist reif für den neuen Matjes

Rind und Romana vom Rost

Stange für Stange den Frühling genießen

Lammrücken auf Persisch

Wärmende Rindssuppe mit inneren Werten

Hahn im Korb, Hahn im Rotwein

Ein geistreicher Ausklang

Die schwimmen im Glück

Fleisch vom Milchlamm

Glückliches Rotvieh

Eine Hommage an die Birne

So klingt der Kohlrabi

Schampus für den Anfang und das Ende

Die Eleganz des Saiblings

Eis aus der Bierflasche

Der Respekt vorm Reh

Blaukraut anders inszeniert

Die Knolle und ihr Grün

Impressum

Kühle Küche für die heißen Tage
Der Gazpacho ist eine Gemüse-Brot-Suppe aus dem Süden Spaniens. Sternekoch Thomas Kellermann aromatisiert sie für die Mittelbayerische mit Erdbeeren.


Der kalte Gazpacho ist die erfrischende Antwort auf die andalusische Hitze. In diesem Teller ist die Gemüse-Brot-Suppe mit vegetarischen Einlagen verfeinert. Foto: Sabine Franzl

Von Angelika Sauerer, MZ

Regensburg. Es war noch kalt, windig und regnerisch, als Thomas Kellermann vorschlug, für die Mittelbayerische im Mai Gazpacho zuzubereiten. Als hätte er es geahnt, lag in dieser Woche dann tatsächlich auf einmal der Sommer in der Luft – und machte so richtig Lust auf die kalte Gemüse-Brot-Suppe aus Andalusien.

Der Gazpacho ist in seinen unzähligen Varianten die einzig mögliche kulinarische Reaktion auf die Hitze in seinem Heimatland Spanien: Er ist einfach zuzubereiten, sättigt, erfrischt, versorgt mit Vitaminen und Mineralien – und er wird eiskalt gegessen. Ursprünglich enthielt der nahrhafte Brei nur eingeweichtes altbackenes Brot, Knoblauch, Olivenöl und Essig oder sauren Wein und war ein erschwingliches Essen für die einfachen Leute. Eine ähnliche Suppe gibt es noch heute in Malaga, sie heißt Ajo blanco.

Paprika und Tomaten kamen erst später dazu

Womöglich waren bereits früh rohe Gurken im Gazpacho enthalten, denn das aus Indien stammende Gemüse wurde nachweislich schon von den Griechen angebaut, die Römer kultivierten es dann in ihrem ganzen Reich, also auch auf der Iberischen Halbinsel. Sicher noch nicht mit von der Partie waren Tomaten und Paprika. Die musste nämlich erst der Entdecker Christoph Kolumbus 1492 aus Amerika holen. Während scharfe und milde Paprikasorten recht schnell ihren Platz in der Alltagsküche fanden, dauerte das bei den Tomaten noch ziemlich lange. Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts schafften sie den Sprung in die Töpfe und Schüsseln, zunächst in Italien. Davor schätzte man die „Liebesäpfel“, „Goldäpfel“ („pomi d’oro“) oder „Paradeiser“ nur als Zierpflanze.

Wie kam der Gazpacho zu seinem Namen?

Die lange Geschichte, die zahlreichen Einflüsse und Variationen schlagen sich auch in der Namenshistorie des Gazpachos nieder. Stammt die Bezeichnung aus dem Römischen, dem Griechischen, dem Arabischen oder etwa dem Hebräischen? Manche Quellen behaupten, sie gehe auf das lateinische „caspa“ zurück, das Reste bedeutete. Im Wörterbuch findet sich für diese Annahme aber kein Beleg. Sie passt allerdings zu der Überlieferung, wonach römische Soldaten mit dem im Mörser zerkleinerten Gemüse-Brot-Brei ihren sauren Wein genießbar machen wollten. Andere behaupten, Gazpacho habe etwas mit dem hebräischen Verb „gazaz“ zu tun, das unter anderem „etwas in Stücke brechen“ bedeuten könne. Juden lebten schon vor den Mauren in Südspanien. Auch den Mauren wird die Namensschöpfung in den Mund gelegt, handfeste Belege hierfür fehlen allerdings und außerdem gibt es in der maurischen Küche kein vergleichbares Gericht.


Auch gebratene Garnelen (links) oder hauchdünn geschnittener Speck machen sich gut als Gazpacho-Beilagen. Kräuterblüten garnieren die Suppe. Foto: Sabine Franzl

Wie auch immer der Gazpacho zu seinem Namen gekommen ist, eins steht fest: Er schmeckt – und zwar besonders gut an heißen Tagen. Die Suppe ist sehr cremig und sättigt durch das enthaltene Brot auch ein bisschen. Gleichzeitig liege sie einem aber überhaupt nicht schwer im Magen, erklärt Thomas Kellermann. Da esse man dann gerne auch ein paar Löffel mehr davon. „Man spürt richtig was im Mund“, sagt der Küchenchef von der Burg Wernberg. „Erst kalt, fruchtig, voll und dann scharf“ – so fühle sich sein Gazpacho an. Die Erdbeeren, die in einem klassischen Gazpacho nichts zu suchen haben, schmecke man eigentlich gar nicht heraus, dafür sei die Menge zu klein. Dennoch unterstreichen sie im Hintergrund die angenehme Fruchtigkeit der kalten Gemüsesuppe und wirken sehr harmonisch mit der Paprika.

Schnipseln, mischen – und dann einfach ziehen lassen

Für Thomas Kellermanns Gazpacho wird etwas Olivenöl mit zwei ungeschälten, leicht angedrückten Knoblauchzehen erhitzt. Dann gibt er grob gewürfeltes Schwarzbrot (3 Scheiben) ohne Rinde hinzu und röstet es leicht an. Zwei Thymianzweige aromatisieren Öl und Brot. Nach dem Durchschwenken entsorgt man die Kräuter und den Knoblauch, die Brotwürfel hingegen wandern in einen Schüssel. Dort vermischt man sie mit 150 g Olivenöl, 300 g geviertelten Erdbeeren, 250 g gewürfelten Gurken ohne Kerne, 200 g roter und 100 g gelber Paprika, jeweils entkernt und in kleine Würfel geschnitten, 100 g Tomatensaft, 40 g Rotweinessig – am besten aus Cabernet Sauvignon – und 7,5 g Salz. Gut durchrühren und dann vakuumieren oder in einen Gefrierbeutel geben. Ohne Luft dicht verschlossen ziehen die Zutaten im Kühlschrank zwölf Stunden lang gut durch. Dann werden sie fein gemixt und durch ein Spitzsieb gestrichen. Nochmals kalt stellen. Vor dem Servieren erhält der Gazpacho seinen letzten Schliff: Thomas Kellermann schmeckt mit Tabasco-Sauce, frischem Zitronensaft, etwas Ahornsirup und Ingwersaft ab. Dazu reibt man ein Stück frischen Ingwer und presst den Abrieb aus.

Ein Gazpacho wäre nicht komplett ohne „guarnición“ – einer Einlage, die direkt vorm Servieren auf die gefüllten Suppenteller gegeben wird. Sehr klein gewürfelte Gurken oder Paprika wären die klassische Variante.

Verschiedene Einlagen sorgen für den letzten Schliff

Thomas Kellermann bevorzugt – passend zur Saison – momentan die fruchtige Version mit frischen Erdbeeren oder gekochtem Rhabarber. Frisches Basilikum und Blattpetersilie heben als Einlage die Kräuternote hervor. Gebratener Romana-Salat oder gebratener junger Lauch fügen dem Gazpacho kräftige Röstaromen hinzu. Hauchdünn aufgeschnittener Speck, am besten italienischer Lardo di Colonnata, zergeht salzig auf der Zunge. Gebratene Garnelen ergänzen die kalte Gemüsesuppe mit feinem Krustentiergeschmack. Wer sich nicht entscheiden kann, bereitet einfach verschiedene Beilagen vor – dann kann man sie nacheinander oder auch durcheinander probieren und seinen Favoriten finden.

Gazpacho mit Erdbeer-Aroma

Gazpacho:

etwas Olivenöl zum Braten

 

2 Knoblauchzehen, ungeschält und angedrückt

150 g Schwarzbrot, ohne Rinde, grob gewürfelt

2 Thymianzweige

150 g Olivenöl

300 g Erdbeeren, geviertelt

250 g Gurken, ohne Kerne und gewürfelt

200 g rote Paprika, entkernt und gewürfelt

100 g gelbe Paprika, entkernt und gewürfelt

100 g Tomatensaft

40 g Rotweinessig (am besten aus Cabernet Sauvignon)

7,5 g Salz

Zum Abschmecken:

Tabasco-Sauce

frischer Zitronensaft

etwas Ahornsirup

Saft von frischem Ingwer (Ingwer fein reiben und auspressen)

Vorschläge für die Einlagen:

frische Erdbeeren

gekochter Rhabarber

gewürfelte Gurken

gebratener Romana-Salat

gebratener junger Lauch

Kräuter: frisches Basilikum und Blattpetersilie

Scheiben von sehr dünn aufgeschnittenem Speck, zum Beispiel Lardo di Colonnata

gebratene Garnelen

Graved Lachs mit Aprikose und Senf
Sternekoch Thomas Kellermann verhilft einem Küchenklassiker, der mittlerweile keine Rarität mehr ist, zu einem delikaten Auftritt.


Graved Lachs, noch unter seiner Beize begraben: Thomas Kellermann erfrischt ihn mit Zitrusabrieb, Dill und Gewürzen. Nach dem Abwaschen heißt es Messer wetzen, aufschneiden und genießen. Foto: Sabine Franzl

Von Angelika Sauerer, MZ

Regensburg. Die Karriere des Lachses gleicht einer wilden Berg- und Talfahrt. Gut erinnern kann man sich noch an die Zeit, in der er auf den Esstischen eine echte Rarität darstellte – eine Delikatesse, die man sich nur an Weihnachten, Silvester oder anderen Festtagen gönnte. Mittlerweile ist der feinaromatische, rosige Fisch durch den Ausbau von Aquakulturen wieder in aller Munde. Zu den Schattenseiten der ausufernden Zucht zählt die Verschmutzung der Meere. Durch die Massenverarbeitung wird die Belastung des Lachsfleisches mit Schadstoffen oder Keimen begünstigt. Etwas Besonderes ist aber nach wie vor der Wildlachs, zumal wenn er aus nachhaltig betriebenem Fischfang stammt. Nach Möglichkeit sollte man sich beim Einkauf für ein solches, mit Siegel gekennzeichnetes Produkt entscheiden.

Lachsschwärme im Rhein

Bevor der Atlantische Lachs sich – nicht ganz freiwillig – vor über hundert Jahren ziemlich rar machte, musste man gar nicht so weit reisen, um ihn in Fülle anzutreffen. In Köln sollen sich die Dienstboten sogar dagegen gewehrt haben, öfter als dreimal pro Woche Lachs vorgesetzt zu bekommen. Im Rhein fühlten sich die Salme pudelwohl, in Schwärmen drangen sie bei ihrer Suche nach Laichplätzen im Süßwasser bis in die Schweiz vor.

„Ein Rheinsalm schwamm den Rhein bis in die Schweiz hinein“, dichtete um 1910 Christian Morgenstern. Auch die Elbe war ein Lachsfluss, die Donau jedoch nie. Der in seinem Bestand gefährdete Huchen wird zwar auch Donaulachs genannt und gehört wie die Forellen zu den Lachsfischen, lebt aber nur im Süßwasser. Wo sich der Atlantische Lachs einmal tummelte, vertrieben ihn nach und nach Staumauern, Uferverbauungen und die zunehmende Wasserverschmutzung. Erst in jüngster Zeit wird – mit vielversprechenden Erfolgen – versucht, die Lachse im Rhein und auch in der Elbe wieder anzusiedeln.

Lachs ist ist reich an Vitaminen (Vitamin D, B6, B12, Niacin und Folsäure) und er enthält viel Kalium, Jod und Omega-3-Fettsäuren. Diese mehrfach ungesättigten Fettsäuren sollen vor Herz-Kreislauferkrankungen schützen. Es spricht also viel dafür, den gesunden Fisch regelmäßig auf den Tisch zu bringen. Man kann ihn braten, dünsten oder roh zu Sushi verarbeiten.

Eine köstliche Alternative zum Räuchern ist das Beizen. Diese Methode der Haltbarmachung ist schon sehr alt und stammt aus Skandinavien. „Graved Lachs“ heißt „eingegrabener“ Lachs. Die Fischer rieben ihren frischen Fang mit Salz und Zucker, Dill, Gewürzen und Kräutern ein, legten ihn in ein Erd- oder Strandloch und beschwerten das „Grab“ mit Steinen. Der physische Druck durch den Stein und der Wasserentzug durch die Beize sorgten zusammen mit einer leichten Fermentierung dafür, dass Fäulnisbakterien die Grundlage entzogen wurden. Damit war der Lachs für einige Wochen haltbar – und wohlschmeckend. Heute wird der Fisch während der Beize gekühlt, deshalb fällt die Fermentierung aus und der Lachs bleibt schön saftig.

Kellermanns Beize

Für Thomas Kellermann gehört Lachs zu den beständigsten Küchenklassikern. „Damit ist man groß geworden. Früher war er ja noch mehr etwas Besonderes als jetzt“, sagt er. Klassisch werde nur mit Salz, Zucker, Dill und Petersilie gebeizt. Aber das wäre ihm zu „eindimensional“. Er ergänzt die Frische von Zitrusfrüchten und weitere Gewürze. Das Gegenstück zum salzbetonten Fisch bildet das Aprikosen-Relish mit seiner „süß-floralen Note“. Und als Bindeglied zwischen den Komponenten reicht Kellermann seine Dill-Senf-Sauce. Als Beilage könne man Reiberdatschi in der Pfanne herausbacken. Kartoffelchips passen übrigens auch sehr gut.

Graved Lachs

Die Lachsseite (mit Haut) sollte von Gräten befreit sein. Dann stellt man die Beize aus Zitronen- und Orangenabrieb, gehacktem Dill, grob gemahlenen Korianderkörnern, weißem Pfeffer und Fenchelsamen sowie braunem Zucker, Salz, weißem Balsamico-Essig und Olivenöl her. Alles wird zusammengemischt, und der Lachs damit eingerieben. Mit Klarsichtfolie gut bedeckt zieht er nun in einer flachen, länglichen Schale zwölf Stunden lang im Kühlschrank durch.

Das Aprikosen-Relish

Ein Relish ist eine Würz-Sauce aus gewürfeltem Obst oder Gemüse. Hier kommen getrocknete Aprikosen zum Einsatz. Sie sollten ungeschwefelt sein, das erkennt man ganz gut an der bräunlicheren Farbe. Für das Aprikosen-Relish kocht Wasser mit Salz, Pfefferkörnern, Zucker und Vanillemark auf. Die Aprikosen dazugeben, nochmals aufkochen lassen und kalt werden lassen. Durch ein Sieb passieren und den Sud dabei auffangen. Die Aprikosen klein würfeln, desgleichen auch die getrockneten Tomaten und die Essiggurke. Die ebenfalls gewürfelte Schalotte wird kurz blanchiert. Nun aus Aprikosen-Pochierfond, Marmelade, Traubenkernöl und Essig eine Marinade herstellen und die gewürfelten Aprikosen, Tomaten, Schalotten und Essiggurken dazugeben. Die gerösteten Pinienkerne grob hacken und drüberstreuen.

Das Dill-Senf-Dressing

Das Eigelb mit den Senfsorten, dem braunen Zucker, Salz und Essig vermischen. Mit Traubenkernöl zu einer Mayonnaise rühren. Am Ende gehackten Dill – Menge je nach Geschmack – unterheben.

Der gebeizte Lachs wird ausgewickelt und kurz mit kaltem Wasser abgewaschen. Anschließend reibt man ihn mit Olivenöl ein. Jetzt ist er genussfertig, muss aber noch geschnitten werden. Das gelingt am besten mit einem scharfen, langen, schmalen Messer. Man hält es dabei relativ flach und schneidet leicht schräg ohne starkem Druck. Begonnen wird am Schwanzende. Je dünner die Scheiben gelingen, desto besser. Wer das nicht hinkriegt, könne die Scheiben zwischen Klarsichtfolie vorsichtig plattieren, rät Thomas Kellermann.

Der selbst gebeizte Lachs eignet sich übrigens sehr gut, wenn Gäste kommen. Man muss ihn ohnehin einen Tag vorher einlegen – das bedeutet eine stressfreie Vorbereitung. Er gelingt immer und ist nach wie vor eine Delikatesse.

Zutaten für den Graved Lachs

Gebeizter Lachs:

Abrieb von 2 Zitronen; Abrieb von 1 Orange; 50 g gehackter Dill mit Stiel; 3 g Korianderkörner, grob gemahlen; 3 g weißer Pfeffer, grob gemahlen; 3 g Fenchelsamen, grob gemahlen; 100 g brauner Zucker; 100 g Salz; 20 ml weißer Balsamico-Essig; 100 ml Olivenöl; eine Lachsseite mit Haut; Klarsichtfolie; etwas Olivenöl

Relish von getrockneten Aprikosen:

100 g Wasser; 1 g Salz; 2 Pfefferkörner; 10 g Zucker; 1 Msp. Vanillemark; 60 g getrocknete Aprikosen – nicht geschwefelt; 10 g Schalotten, geschält, gewürfelt und blanchiert; 10 g getrocknete Tomaten; 10 g Essiggurkenwürfel; etwas Aprikosen-Pochierfond; 5 g Aprikosenmarmelade; 50 g Traubenkernöl; 5 g weißer Balsamico-Essig; Prise Salz; geröstete Pinienkerne

Dill-Senf-Dressing:

1 Eigelb; 60 g mittelscharfer Senf; 20 g Dijon Senf, fein; 20 g Dijon Senf, grob; 30 g Süßer Senf (Händlmaier); 2 g englisches Senfpulver („Mustard Powder“ gibt es in gut sortierten Supermärkten); 30 g brauner Zucker; 50 g Sherry-Essig;300 g Traubenkernöl; 2 g Salz