Sky-Troopers

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Sky-Troopers
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Michael Schenk

Sky-Troopers

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53 Hinweis auf Sky-Troopers 2

Kapitel 54 Hinweis auf Homepage

Impressum neobooks

Kapitel 1

Sky-Troopers

Science Fiction Roman

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2014/2020

Büro des Hoch-Admirals, Direktoratsträgerschiff „D.C.S. Trafalgar“, innerhalb der äußeren Planetenbahnen von Roald-37-S, zwei Wochen bis zum Ziel

Die Scheibe maß drei mal zehn Meter und nahm die gesamte Längswand des Raumes ein. Trotz ihrer Stärke von zwei Metern gab es keinerlei Verzerrungen und der Ausblick in den Weltraum war phantastisch. Das Sonnensystem Roald-37-S befand sich näher am Zentrum der Milchstraße als die Heimat der Menschen. Das samtige Schwarz ging in ein tiefes Blau über, zahllose Sterne funkelten und weit entfernt war der farbige Schimmer eines Sternennebels zu sehen. Am Rand der Panoramascheibe glitt der fünfte Planet von Roald ins Blickfeld. Der rötliche Gigant erinnerte an den Saturn und wies sogar ähnliche Ringe auf, doch seine kreisten auf zwei entgegengesetzten Ebenen.

Der Mann stand reglos und schweigend vor der Scheibe und niemand hätte sagen können, ob er in diesen Augenblicken tatsächlich sah, was ihm der Ausblick zu bieten hatte. Er war groß und schlank, fast hager, und seine Hautfarbe zeigte einen Hauch von Kupfer. Das Alter hatte seine Spuren im Gesicht hinterlassen und das Haar weiß gefärbt. Er trug die graublaue Hose und die dunkelgrüne Jacke der bewaffneten Streitkräfte des Direktorats. Messerscharfe Bügelfalten fielen auf Schuhe, die wie schwarzes Glas schimmerten. Die Uniform zeigte keinerlei Rangabzeichen oder Zugehörigkeit zu einer Waffengattung, wenn man von dem goldenen Kometen absah, der knapp handtellergroß an der rechten Brustseite zu sehen war.

Vor der Scheibe des Planeten wurde ein dunkler Schatten sichtbar. Er wirkte klein und unscheinbar, doch der Mann wusste, wie sehr die Entfernung täuschte. Es war der Träger D.C.S. Agincourt, ein Schwesterschiff der Trafalgar. Seine Form ähnelte einem flachen Sechseck aus grauem Tri-Stahl. Ein Gigant von fünf Kilometern Länge, einem Kilometer Höhe und anderthalb Kilometern Breite. Die hellgraue Oberfläche setzte sich aus zahllosen Segmenten zusammen. Türme, Kuppeln und andere Aufbauten enthielten Waffensysteme und Ortungsanlagen, die trotz ihrer Größe unscheinbar wirkten.

Niemand verfügte noch über die Ressourcen, solche Schiffe aus Tri-Stahl zu bauen. Wie alle Träger war er ein Überbleibsel der ersten Evakuierungswelle und des kolonialen Krieges. Nun diente er in der vereinten Flotte. An der Flanke war der breite, schräg verlaufende gelbe Farbstreifen zu sehen, der es als Schiff des Direktorats auswies. Riesige hellblaue Buchstaben zeigten Name und Kennung. Positionslampen blitzten rhythmisch und zahlreiche Lichter verrieten das Vorhandensein von Klarstahlscheiben, die denen des Betrachters ähnelten. Im Inneren des Trägers bereiteten sich zwanzigtausend Soldaten und zweihundert Landungsboote auf ihren Einsatz vor.

Am Bug war blaues Flimmern zu sehen, wo die dortigen Triebwerke mit vollem Gegenschub arbeiteten. Alle Schiffe der Flotte bremsten derzeit, um ihre hohe Geschwindigkeit herabzusetzen. In knapp zwei Wochen musste die Flotte in den Orbit um Roald einschwenken. Aus Sicht des Planeten würde es wohl aussehen, als nähere sich ihm ein Schwarm blauer Sterne aus den Tiefen des Weltraums. Doch auf Roald herrschte eine Art von finsterem Mittelalter und dort war man kaum in der Lage oder überhaupt interessiert, den Himmel zu erforschen.

„Zwei Wochen“, flüsterte der Mann leise, „nur noch zwei verdammte Wochen. Zwölf Jahre Kälteschlaf und Überlichtflug – und jetzt sind wir da und die Zeit rennt uns davon.“

Er hieß John Redfeather und hatte allen Grund zur Sorge. Als Hoch-Admiral unterstand ihm die gesamte Flotte und damit trug er die Verantwortung für den Erfolg der Invasion.

Das Büro war abgedunkelt und die einzige Beleuchtung kam von der großen Klarstahlscheibe. Der Raum war luxuriös eingerichtet, was jedoch nicht an seinem derzeitigen Benutzer lag. Die Eichenholzvertäfelung der Wände und der Decke waren zu einer Zeit eingebaut worden, als man noch Holz von der Erde zum Mars einführte. Inzwischen war dies verboten. Redfeather war froh, sich nicht mit dem spröden Ersatz aus den Marswäldern begnügen zu müssen. An den Schmalseiten befanden sich Regale. In einigen Fächern standen alte Bücher aus jener Zeit, in der diese noch auf Syn-Papier gefertigt und gepressdruckt worden waren. Auf dem Boden lag ein graublauer Teppich aus der Wolle der zähen Mars-Schafe. Ein Schreibtisch mit Kommunikationseinrichtungen und eine lederne Sitzgruppe ergänzten das Mobiliar.

 

Viele Befehlshaber hatten diesem Raum bereits ihren persönlichen Stempel aufgedrückt und John Redfeather machte dabei keine Ausnahme. In einem beleuchteten Vitrinenfach stand eine indianische Federhaube, ein paar alte Fotografien und Vids zeigten Stationen aus dem Leben Redfeathers oder seiner Vorfahren. John Redfeather war stolz darauf, dass sein Stammbaum weit in die Jahrhunderte zurückreichte. So empfand er es auch durchaus für angemessen, ein so altes Schiff zu befehligen.

Die Trafalgar war vor über zweihundert Jahren erbaut worden. Generationen von Raumfahrern hatten das Schiff einsatzbereit gehalten und seine Einrichtung den neuen Entwicklungen angepasst, wenn die Mittel dies zuließen. Ursprünglich war es eine Art Arche gewesen, die der Umsiedlung von der Erde zum Mars und den Kolonien diente, dann war sie als Verhüttungsfrachter im Asteroidengürtel eingesetzt worden. Während des kolonialen Krieges hatte man sie schließlich bewaffnet und zum Truppenträger umgerüstet. Sie gehörte zu den wenigen Schiffen, die ununterbrochen im Einsatz gewesen waren. Sieben ihrer Schwesterschiffe schwebten hingegen lange Zeit eingemottet im Marsorbit und waren bereits zum Teil ausgeschlachtet, als man sich zur Entsendung der Invasionsflotte entschloss und sie reaktivierte.

John Redfeather wippte unbewusst auf den Fersen und legte dann unvermittelt einen Finger hinter das rechte Ohr. Es sah ein wenig aus, als wollte er sich dort kratzen, doch die Fingerkuppe berührte lediglich das Implant, das alle Angehörigen der Streitkräfte trugen. „Komm herein“, sagte er mit halblauter Stimme. „Ich habe dich bereits erwartet.“ Er blickte in Richtung der sensorischen Raumsteuerung. „Beleuchtung auf dreißig Prozent.“

Indirektes gedämpftes Licht konkurrierte nun mit dem Glanz der Sterne. An der gegenüberliegenden Längswand bildete sich eine Öffnung. Helles Licht fiel vom Korridor herein und umspielte den Eintretenden. Sie waren schon lange befreundet und fühlten sich ihrer Aufgabe gleichermaßen verpflichtet, daher verzichteten sie auf die sonst üblichen militärischen Formen.

Omar ibn Fahed trug eine ähnlich schlichte Uniform, aber der goldene Stern und die halbhohen Stiefel verrieten unzweifelhaft seine Zugehörigkeit zu den Sky-Troopern der Raumkavallerie. Seine dunklere Hautfarbe, die scharf geschnittenen Gesichtszüge und die leicht vorspringende Nase waren Hinweise auf seine arabische Herkunft, auch wenn ethnische Unterschiede in den vergangenen Generationen weitestgehend verschwunden waren.

Der Hoch-General trat neben seinen Freund und blickte ebenfalls hinaus. „Um diese Aussicht beneide ich dich immer wieder, obwohl ich es noch immer befremdlich finde, in einem Kriegsschiff ein solches Fenster vorzufinden.“

Sein Freund lachte humorlos. „Die meisten unserer Schiffe bestehen aus mehr Klarstahl und Bauschaum als aus Tri-Stahl. Zwölf Träger, dreißig Kryo-Schiffe und dazu noch ein ganzer Schwarm von Begleiteinheiten … Hätte man beim Bau keine Konzessionen an das Material gemacht, wäre die Flotte niemals rechtzeitig fertig geworden.“

Es mochte ein wenig übertrieben sein und doch steckte mehr als nur ein Korn Wahrheit in dieser Aussage. Vor sechs Generationen hatte die Menschheit ihre angestammte Heimat verlassen müssen. Klimawandel, Rohstoffknappheit und Wassermangel führten zu verheerenden Kriegen. Die Erde und ihre Bewohner hatten drastisch gelitten. Milliarden waren verhungert, verdurstet oder Gewalt und Seuchen zum Opfer gefallen. Knapp zwei Milliarden Menschen hatten auf dem Mars eine neue Zuflucht gefunden, doch es erforderte gewaltige Anstrengungen, denn der Terraforming-Prozess war noch immer nicht ganz abgeschlossen. Andere siedelten in den Asteroidengürteln oder auf Stationen im All. Die Asteroiden verschafften der Menschheit die erforderlichen Rohstoffe und vor allem das überlebenswichtige Wasser. Vor knapp hundert Jahren waren zwei bedeutende wissenschaftliche Durchbrüche gelungen: die Entwicklung des Überlichtantriebs und die Tomaschenko-Fernanalyse, die es erlaubte, weit entfernte Sonnensysteme zu untersuchen und im Hinblick auf Planeten zu analysieren. Die Menschheit gierte nach Welten, die zum Besiedeln geeignet waren und sie gierte nach Ressourcen. Dies hatte letztlich zur Entdeckung von Roald-37-S geführt und zum Bau der Flotte.

Es hatte immenser Anstrengungen bedurft, die erforderlichen Mittel aufzubringen. Die anfängliche Begeisterung zu dem Projekt war zunehmender Skepsis gewichen. Man hatte Kompromisse schließen müssen und dies zeigte sich auch in der Konstruktion der Raumschiffe. Die zwölf großen Träger stammten noch aus der Umsiedlungswelle zum Mars und der Kolonisierung des solaren Systems, doch die anderen Schiffe – vor allem die riesigen Kryo-Frachter – überforderten die Vorkommen an Erzen, die man im Asteroidengürtel schürfte, da die Zeit drängte. Schließlich fand man eine ebenso einfache wie geniale Lösung. Die Frachter und einige der Begleitschiffe bestanden lediglich aus einem Skelett aus Tri-Stahl, ihre Hüllen jedoch aus jenem Schaum, mit dem man inzwischen auch die meisten Gebäude errichtete. Zwar waren die Außenwandungen der Schiffe fast fünfzehn Meter dick, um eine ausreichende Stabilität bei Flugmanövern zu gewährleisten und der Hülle genug Festigkeit zu verleihen, aber der Bauschaum hatte auch seine Vorteile. Er war feuerfest, absolut strahlungssicher, ließ sich leicht herstellen und man konnte ihn problemlos bearbeiten. Die anfängliche Skepsis an den „Schaumschiffen“ war rasch gewichen, als sie sich in den Testflügen bewährten. Äußerlich war diesen Raumfahrzeugen nichts anzusehen, denn sie waren im Standardgrau der Flotte lackiert.

„Der Zeitplan ist verdammt eng“, sagte ibn Fahed zögernd.

„Du weißt wohl am Besten, gegen welche Widrigkeiten wir zu kämpfen hatten.“ John Redfeather blickte erneut zur Raumsteuerung. „Blick über den Bug!“ Über die Klarstahlscheibe zog ein kurzes Flimmern, dann zeigte sie den Blick, der sich in Flugrichtung der Flotte bot. Ein blaugrüner Planet, kaum zu erkennen, stand im Zentrum. „Vergrößern, Faktor drei!“

„Eine schöne Welt“, kommentierte ibn Fahed. „Sie erinnert mich an die Erde. So, wie sie einmal gewesen sein muss.“

„Und wie sie wieder sein wird.“ Redfeather seufzte. „Seit sechs Generationen ist sie sich selbst überlassen und es ist überraschend, wie schnell sich die Natur erholt und die Spuren der einstigen Besiedelung überwuchert. Die Beobachter berichten von ganz neuen Lebensformen, Tieren und Pflanzen, die es zuvor nicht gegeben hat.“

„Wundert mich nicht. Bei dem ganzen Dreck, den man in den Öko-Kriegen eingesetzt hat, musste es ja zu Mutationen kommen.“

„Aber sie erholt sich – allen Pessimisten zum Trotz. Die Erde wird wieder ein lebenswerter Planet.“

Der Hoch-General zuckte mit den Schultern. „Mag sein. Es gibt ja Gerüchte, dass man sie erneut besiedeln will – allerdings nur in kleinerem Maßstab.“

„Was die Menschheit ihr angetan hat, soll sich nicht wiederholen“, murmelte Redfeather. „Sag, würdest du auf ihr leben wollen, wenn das Direktorat sie wieder zum Siedeln freigibt?“

„Warum sollte ich dort leben wollen?“ Der Freund lachte laut. „Ich bin Marsianer in der sechsten Generation und dort ist meine Heimat. Was soll ich auf einer mir fremden Welt?“

„Das klingt seltsam, mein Freund, denn auch Roald ist eine fremde Welt.“

„Das ist etwas völlig anderes und das weißt du auch. Würdest du auf der Erde leben wollen?“

Der Hoch-Admiral strich sich nachdenklich über das Kinn. „Mein Volk, die Lakota, haben dort ihre Wurzeln. Dort sind unsere heiligen Berge, die Paha Sapa. Dort wurden die Jungen unserer Stämme zu Männern und Kriegern. Dort schlugen wir General Custer am Little Big Horn.“

„Du schwelgst wieder in deinen alten indianischen Legenden, John. Das Kriegsbeil ist schon lange begraben. Heute gibt es nur noch die geeinte Menschheit. Nun, sie mag ein wenig im Weltraum verteilt sein – aber du weißt schon, wie ich das meine.“

John Redfeather vom Volk der Sioux sah seinen Freund an und nickte lächelnd. „Vielleicht sind wir nun eine bessere Menschheit, nachdem wir die Erde verlassen mussten.“

„Nun, deswegen sind wir hier.“

„Ja, deswegen sind wir hier.“ Das Gesicht des Hoch-Admirals wurde wieder ernst. „Womit wir wieder beim Tagesgeschäft wären.“ Er wandte sich endgültig von der Klarstahlscheibe ab und trat hinter den Schreibtisch seines Büros. Er lud den Freund zum Sitzen ein und langte nach zwei Bechern und einer Flasche, aus der er einschenkte. „Leider kein Single Malt, alter Freund, aber hochprozentige Vitamine und Nährstoffe – genauso wie es der Herr Doktor verschrieben hat.“

„Zwölf Jahre Kälteschlaf haben nun einmal ihren Preis.“ Omar ibn Fahed prostete dem Freund zu und nahm einen tiefen Schluck. „Ich hab mir den verdammten Arsch wundgelegen, John. Man hat uns versichert, so etwas könne in den Kältekammern nicht passieren, aber meine Kehrseite sieht aus, als wäre ich gehäutet worden. Ich bin verdammt froh, dass mir die Medo-Techs einen Sprühverband aufgetragen haben.“

„Ich bin ebenfalls noch ein wenig schwach auf den Beinen“, gestand der Hoch-Admiral. „Aber das gilt wohl für alle, die in den zwölf Jahren geschlafen haben. Trotzdem haben wir wohl das bessere Los erwischt als die Kernbesatzungen, die während dieser Zeit auf ihren Posten bleiben mussten, damit nichts schiefgeht.“

„Es ist trotzdem genug schiefgegangen.“ Der General legte die Hände ineinander und drehte Daumen – eine Angewohnheit, die er immer wieder zeigte, wenn er beunruhigt war. „Bei fast einem Prozent der Kryo-Kammern kam es zu Ausfällen – Totalausfällen, wie ich leider sagen muss. Wir haben dadurch eine Menge guter Leute verloren.“

„Ja, ich hörte davon. Hoch-Medizinerin Denez erwähnte es.“

Ibn Fahed sah den Freund düster an. „Erwähnte sie auch, dass fast nur Sky-Trooper betroffen sind?“

„Wie meinst du das?“

„Wie ich es sagte. Bei den normalen Besatzungsmitgliedern gab es kaum Ausfälle durch ein Versagen der Kältekammern. Über neunzig Prozent der Verluste betreffen die Kampftruppe.“

„Verdammt! – vielleicht ein Zufall?“

Der General lachte grob. „Ich wusste gar nicht, dass ihr Indianer noch an den Weihnachtsmann und den Klapperstorch glaubt.“

„Vielleicht nicht an den Weihnachtsmann, aber über den Klapperstorch können wir diskutieren“, knurrte Redfeather und beugte sich leicht vor. „Meinst du, jemand hat an den Kryo-Kammern manipuliert?“

„Zumindest ist es mir verdächtig“, gestand der Kommandeur der Landungstruppen. „Ich habe einen meiner Tech-Offiziere darauf angesetzt, aber er kann nur Stichproben machen. Wir haben genug anderes zu tun.“

„Ich will nur hoffen, dass nicht die verdammte ,Human Rights‘ dahinter steckt.“

„Es würde zu ihnen passen.“ Ibn Fahed stieß einen grimmigen Fluch aus. „Die waren von Anfang an gegen das Projekt. Erst haben sie auf der politischen Schiene Stimmung gegen die Invasion gemacht und als das nichts half, sind einige ihrer ,Aktivisten‘ in den Untergrund gegangen. ,Aktivisten‘, pah! Das ist doch nur ein anderes Wort für Terroristen. Diese verfluchten Dreckskerle haben ja auch vor Mord nicht zurückgeschreckt. Den Träger Verdun haben sie mitsamt seiner Stammbesatzung in der Orbitalwerft in die Luft gejagt. Oh ja, ich weiß … Offiziell war es ein Reaktorunfall, aber wir wissen doch beide, wozu diese Verbrecher fähig sind. Das Direktorat will nur nicht, dass ein moralischer Schatten auf unsere Mission fällt.“

„Es könnte durchaus sein, dass es ein paar Aktivisten der ,Human Rights‘ an Bord unserer Flotte geschafft haben.“ Der Hoch-Admiral nippte lustlos an seinem Saft. „Wir haben 220.000 Männer und Frauen der Landetruppen in den Schiffen, dazu kommen noch die Besatzungen und die Crews der Landungsboote und Jagdbomber. Das sind eine Menge Leute, Omar. Da kann schnell einer durch die Kontrollen schlüpfen, zumal wir nahezu jeden nehmen mussten, um auf Sollstärke zu kommen.“

„Wir hätten uns auf meine Sky-Trooper beschränken sollen. Das sind Berufssoldaten.“

„Wie viele Regimenter der Sky-Cavalry hat das Direktorat?“

„Zehn“, knurrte ibn Fahed. „Das weißt du ganz genau.“

„Und du weißt ganz genau, dass wir auf Roald mit zwanzig Millionen Eingeborenen rechnen müssen.“ Redfeather sah sein Gegenüber ernst an. „Willst du ernsthaft behaupten, deine Sky-Cav würde alleine damit fertig?“

„Die kämpfen mit Schwert und Lanze“, brummelte der General, „oder was auch immer das roaldische Äquivalent dazu ist. Die Panzerungen der Kampfanzüge werden damit fertig und gegen unsere Hochtechnik haben die Eingeborenen ohnehin keine Chance.“

 

„Kannst du garantieren, dass deine Raumkavallerie alleine mit zwanzig Millionen Gegnern fertig wird?“, beharrte der Hoch-Admiral.

„Nein“, knirschte ibn Fahed. „Kann ich natürlich nicht.“

„Und genau deshalb haben die Träger nicht nur die zwanzigtausend Trooper von deinen zehn Regimentern an Bord, sondern auch hundert Regimenter aus Freiwilligen. Ja, ich weiß, was du sagen willst. Es sind keine Berufssoldaten. Sie wurden während des Baus der Schiffe angeworben und in Schnellkursen ausgebildet. Ihnen fehlt Erfahrung und vielleicht auch etwas Schliff. Aber sie sind ebenso motiviert wie deine Leute – und du brauchst sie.“

Omar ibn Fahed mahlte mit den Kiefern und rang sichtlich nach Worten. Schließlich entspannte er sich. „Ich musste auf Direktorats-Befehl fünf meiner Regimenter praktisch auflösen, damit ich meine erfahrenen Trooper unter die unerfahrenen Freiwilligen mischen konnte. Dafür hat man meine ausgedünnten Kompanien dann mit ,Freiwilligen‘ aufgefüllt.“

„Du weißt, ich rede dir nicht in die Belange der Sky-Trooper hinein, aber ich halte das für die richtige Lösung. Deine Leute werden manchen Fehler der Freiwilligen verhindern.“

„Bei dieser Gelegenheit sollte ich wohl erwähnen, dass sich die Sache mit der Königsgrätz bestätigt hat.“

„Dann haben wir sie wirklich verloren? Nicht nur ein Ausfall der Funkanlage?“

„Der Träger ist kein Totalverlust, falls du das befürchtest – jedenfalls nicht im eigentlichen Sinn. Vor einem Jahr fiel sein Überlichtantrieb aus. Der Captain tat das einzig Vernünftige: Er hat einen Krachspruch an uns geleitet und dann seinen Kahn gewendet. Er zuckelt jetzt zum Sekundärziel und hofft, dass wir ihn später auflesen. Falls unser Werkstattschiff sein Überlicht allerdings nicht reparieren kann, dann wird es eine sehr lange Reise und er kann nur hoffen, dass seine Kryo-Kammern funktionieren.“ Der General lächelte entsagungsvoll. „Wie dem auch sei, für uns ist die Königsgrätz aus dem Rennen.“

„Wir haben ohnehin schon kaum Reserven. In knapp zwei Wochen werden wir in die Umlaufbahn von Roald einschwenken und du weißt, was das bedeutet. Sobald wir im Orbit sind, müssen die Einsatztruppen ausrücken.“ Hoch-Admiral Redfeather legte seinem Freund die Hand an den Arm. „Sag mir ganz ehrlich, werden sie bereit sein?“

Ibn Fahed sah die Sorge in den Augen des Gegenübers. „Das sind fast zwei Wochen Zeit. Gutes Mastfutter, jede Menge Vitamine und herzhafter Drill … Sei unbesorgt, die Männer und Frauen werden bereit sein. Das gilt für meine Sky-Cav und auch für die Freiwilligen.“ Er räusperte sich. „Und das gilt natürlich ebenso für die Landungsboote und Jagdbomber.“

John Redfeather deutete kurz in Richtung des Zielplaneten, der unverrückbar in der Mitte der Klarstahlscheibe sichtbar war. „Dies ist eine einmalige Chance für die Menschheit und eine überwältigende Aufgabe. Als die erste Tomaschenko-Fernanalyse gemacht wurde, da war ich gerade Admiral im Kommandorat des Protektorats geworden und hatte – mit den Worten meiner indianischen Vorfahren gesprochen – noch keine Feder im Haar. Meine Stimme besaß kaum Gewicht. Aber ich saß an der Quelle und bekam mit, wie man eine Fernsonde hierher schickte. Nach zwölf Jahren Flug kamen dann die ersten Daten und Bilder über den Nullzeit-Krachfunk. Zwei Jahre später startete das Scout-Schiff Magellan. Wieder vergingen zwölf Jahre, dazu kam ein Jahr für die Sammlung der Beobachterdaten. Dann traf ihr Bericht auf dem Mars ein und der hat einen mächtigen Sturm entfacht.“

„Es war eine Sensation“, stimmte Omar ibn Fahed zu. „Ich kann mich selbst noch sehr gut an die endlosen Debatten im Direktorat erinnern. Es dauerte über ein Jahr, bis man den Entschluss für diese Mission getroffen hatte und danach ging es ja erst so richtig los. Während der fünf Jahre, für den Bau der Flotte, hörten die Auseinandersetzungen nicht auf.“

„Aus denen die verdammte ,Human Rights‘ hervorging.“ Redfeather war versucht, auf den Boden zu spucken, beherrschte sich dann aber doch. „Aber jetzt sind wir hier – trotz aller Probleme und Widerstände. Fünfundvierzig Jahre nach der ersten Fernanalyse sind wir endlich hier. Und dies“, er machte eine ausholende Geste, „all diese Schiffe, Männer und Frauen, all dies repräsentiert die vereinigten Anstrengungen der Menschheit.“ Er schlug sich mit der geballten Faust in die offene Handfläche. „Nichts darf schiefgehen, alter Freund.“

Omar ibn Fahed lächelte. „Es wird nichts schiefgehen. Wir kennen die körperliche Beschaffenheit der Eingeborenen durch die Untersuchungen, die unsere Beobachter auf Roald an zwei toten Exemplaren vorgenommen haben. Wir kennen ihre technischen Möglichkeiten und die Lage ihrer Städte und Siedlungen – eine archaische Kultur, die in etwa die Entwicklungsstufe des irdischen Mittelalters erreicht hat. Unsere Waffentechnik und Taktik ist den Fremden fraglos überlegen und das Bio-Gas müsste uns ohnehin die meiste Arbeit abnehmen.“

Der Hoch-Admiral leckte sich über die Lippen. „Dennoch habe ich ein merkwürdig ungutes Gefühl. Ich erwarte noch ein Daten-Update unserer auf Roald verborgenen Beobachter. In drei Tagen werde ich hier an Bord ein Briefing für unsere Führungsoffiziere durchführen und ich möchte, dass du die Regiments-Kommandeure dazu einlädst.“

„Kein Problem, aber ist das nicht zu umständlich? Eine Video-Konferenz wäre leichter durchführbar. Wenn du alle Kommandooffiziere an Bord der Trafalgar einberufen willst, dann bedeutet das eine Menge Zeit und Shuttleflüge.“

„Wenn wir die neuen Daten von der Beobachtermission haben, dann will ich die persönliche Meinung der Offiziere dazu hören. Du weißt selbst, dass sie bei einer Video-Konferenz mit ihrer Meinung eher zurückhaltend sind. Im direkten Gespräch ist das anders.“

„Ich glaube, du bist wirklich ein wenig … äh … angespannt.“

„Ich habe allen Grund dazu, Omar. Fünfundvierzig Jahre sind vergangen und nun drängt die Zeit. Diese Invasion muss rasch und gründlich durchgeführt werden. Keiner der Eingeborenen darf entkommen.“

„Keine Sorge. Wie du schon sagtest, die stecken im finstersten Mittelalter. Die werden gar nicht begreifen, was da mit ihnen geschieht.“