Sky-Navy 05 - Das schweigende Schiff

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From the series: Sky-Navy #5
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Sie kletterten die Stange hinunter bis sie die Höhe des Hauptdecks erreichten und ignorierten dabei den zerschmetterten Leib eines Besatzungsmitglieds, den sie weit unter sich im schwachen Glimmen einer Notlampe erkannten. Sie schwangen sich aus der Schachtöffnung und sahen sich um.



Der Gang war ringförmig angelegt und führte um den Äquator der Bugkugel. An seinen Seiten befanden sich die Tore, die zu verschiedenen Räumen führten. Obwohl der Gang nahe der Außenhülle lag, gab es keine Korridore, die in das Zentrum der Kugel führten. Es war eine Eigenheit der Hantelschiffe, dass der Kernbereich nur durch Tore in den innen liegenden Räumen erreicht werden konnte.



In der Bugkugel befanden sich überwiegend die Aufenthaltsräume und Quartiere der Besatzung, Nahrungsmittellager und Wassertanks, die medizinische Abteilung, einige Labore und dergleichen. In zwei großen Depots wurden die bionischen Kunstwesen gelagert.



An der Verbindung zum Mittelteil gab es auf dem Hauptdeck zwei Zwischenschleusen, die den Zutritt in die beiden gläsernen Gänge ermöglichten, die an den Außenseiten des Mittelteils entlang zur Heckkugel führten. Die Trennschotts des äquatorialen Rundgangs waren geschlossen. Über dem einen glühte ein warnendes Licht, dass jenseits des Tores Druckabfall signalisierte.



„Wir sollten erst Rurod aus der Heilerabteilung befreien“, schlug Tisson vor. „Dann können wir jene Verletzten versorgen, die wir noch lebend vorfinden.“



„Solange wir keine Energie bekommen wäre das Zeitverschwendung“, lehnte Buron ab. „Das Schiff geht vor, denn ohne das Schiff versagen wir alle.“



Es gab keine Diskussion, denn die Entscheidung des Kommandanten stand fest. Sie wandten sich dem intakten Gang zu, der zum Heck führte.



In ihren Helmen waren zunehmend die Stimmen von Überlebenden zu hören. Einige hatten sich mit eigener Kraft aus den verschlossenen Räumen befreit und halfen nun den anderen.



„Kümmert euch um die Brände und Schäden“, befahl Buron ihnen über das Helmsprechgerät, „und redet nur, wenn es erforderlich ist. Euer Gezirpe hallt durch das ganze Schiff“, behauptete er, um seinen Unmut auszudrücken. „Vergeudet eure Kraft also nicht und konzentriert euch auf das, was getan werden muss.“



Abgesehen von Toren, über denen das Warnlicht auf fehlende Atmosphäre hinwies, bekamen sie keine Schäden zu Gesicht, als sie durch den intakten gläsernen Gang liefen. Als sie durch die lange Front der Panoramascheiben hinaus blickten, sahen sie nur wenige Sterne, dafür jedoch einen gewaltigen Gesteinsbrocken, der nur wenige hundert Meter neben dem Schiff trieb.



„Wir brauchen Energie“, sagte der Seher nervös. „Wir brauchen die Triebwerke.“



Der Sprecher zirpte amüsiert. „Das ist die Absicht des Hoch-Wortes.“



Sie erreichten den Äquatorgang der Heckkugel. Hier befanden sich die Lagerräume, Energiestationen und der große Maschinenraum im Zentrum, der sich über mehrere Decks erstreckte. Aufgrund der Nähe zur Energiequelle waren hier auch die Kälteschlafkammern installiert, zu denen eine kleine medizinische Abteilung gehörte.



Am anderen Ende des gläsernen Gangs trafen sie auf ein weiteres geschlossenes Sicherheitsschott. Das Licht zeigte dahinter Atmosphäre, also öffneten sie. Nur wenige Meter entfernt befand sich das ebenso geschlossene Gegenstück. Sein Licht blinkte warnend.



„Offensichtlich erreichen wir nun die Räume, in denen es keine Luft gibt“, stellte Buron fest. „Schließt das hintere Tor, damit die Luft aus der Schleuse abgelassen werden kann. Nun werden wir endlich sehen, was in der Heckkugel geschehen ist.“



Im Licht ihrer Scheinwerfer öffnete Tisson die Klappe, hinter der sich die Hebel und Ventile der Notsteuerung verbargen. Augenblicke später war die kleine Schleuse luftleer und sie konnten das Tor zum anderen Bereich des Äquatorgangs öffnen. Hier gab es keine Notlichter, doch das war auch nicht erforderlich. Wenige Meter vor ihnen klaffte ein unregelmäßiges Loch in der Wandung des Mittelteils. Das Metall war von der Gewalt des Durchschlags extrem erhitzt worden und die Ränder glühten unheilvoll. Auf der gegenüberliegenden Seite führte ein mehrere Meter durchmessender Tunnel mit sanfter Steigung durch die Heckkugel hindurch. Streben und Rumpfplatten waren geborsten, zerstörte Versorgungsleitungen und Kabelstränge ragten dazwischen hervor. Auch hier waren Glut und sprühende Funken zu sehen.



Buron erkannte mehrere große Blutflecken am Boden und am Rand des Tunnels. Sie waren das Einzige, was auf den Tod eines Besatzungsmitgliedes hinwies. Jenseits der Biegung des Gangs war unruhiger Lichtschein zu erkennen. Wenig später tauchten zwei Norsun in Raumanzügen auf.



„Maasla“, stellte sich der eine vor.



„Der niedere Kristallputzer“, erinnerte sich Buron. „Wie ich sehe hast du noch einen weiteren Putzer gefunden.“



„Ich bin eine Hand und kein Kristallputzer“, protestierte der andere. Der Standesdünkel des Maschinisten gegenüber einfachen Hilfskräften war nicht zu überhören. Im Volk der Norsun war es weit verbreitet und wurde unterstützt, denn es spornte zu besonderen Leistungen und Aufstieg im hierarchischen System an.



„Habt ihr einen freien Zugang zum Maschinenraum gefunden?“, fragte Buron.



„Viele Zugänge, Herr“, behauptete Maasla. Obwohl er unter einer Hand stand, schien er der Wortführer der beiden Überlebenden zu sein. „Was uns traf, das hat ein langes Loch durch unser Schiff gegraben. Eine Seite des Maschinenraums wurde derart aufgerissen, dass wir ihn dort mühelos betreten können.“



„Aber es ist gefährlich“, schränkte die Hand ein. „Scharfkantige Trümmer, zerfetzte Kabel, die noch unter Energie stehen…“



Buron hob die Hand und gebot Schweigen. „Sehen wir uns dort um.“



„Meine Hand folgt deinem Willen, Hoch-Wort“, versicherte der Maschinist zögernd.



Kristallputzer Maasla schien über mehr Mut zu verfügen als sein Begleiter, denn er wandte sich bereits um und führte die Gruppe den zu einem der Tore des Maschinenraums. Dieses war aus seiner Führung gedrückt worden und ragte in den Gang hinein, die umgebende Wand war verzogen und wies Spuren auf, als habe man sie von der anderen Seite mit enormen Schlägen bearbeitet.



Sie zwängten sich vorsichtig zwischen den Torhälften hindurch. Nach rechts erstreckte sich die schreckliche Wunde, die der Erzklumpen geschlagen hatte. Vor ihnen lag die Krümmung der Außenwand des Maschinenraums. Hier, in Höhe des Äquators, war sie aufgeschlitzt worden und man konnte zwischen den zerfetzten Metallrändern in den Maschinenraum hineinblicken. Die starken Lichtkegel der Scheinwerfer offenbarten, welcher Schaden dort entstanden war.



Der Maschinenraum wies die Grundform einer Kugel auf und erstreckte sich über zwölf Decks. Im Abstand von drei Decks gab es eine umlaufende Galerie. Kern der Anlage war der aufragende Zylinder des riesigen Reaktors. Sein pulsierendes Leuchten war erloschen, denn mit den auftretenden Kurzschlüssen in den Hauptleitungen war es zur Notabschaltung gekommen. Um den Reaktor bildeten zwei Reihen schlanker Kristallsäulen einen doppelten Ring. In ihnen wurde jene Energie zwischengespeichert, die vom Reaktor produziert, aber nicht unmittelbar abgerufen wurde. Diese Kristallsäulen speisten auch das Transit-Triebwerk des Schiffes. Zwei der Säulen erstrahlten in hellem Blau und zeigten die volle Ladung an, drei weitere glommen schwach, die übrig dreißig waren matt und enthielten keine Ladung.



Als sich die Katastrophe ereignete hatte keiner der Norsun im Maschinenraum seinen Anzug geschlossen. Alle dreiundfünfzig waren bei der explosiven Dekompression ums Leben gekommen. Der Luftsog hatte die meisten, ebenso wie fast alle losen Gegenstände, mit sich aus dem Schiff gerissen. Einige der Leichen waren zwischen Maschinenteilen verkeilt. Ihre aufgeplatzten Leiber wurden nur noch von den Anzügen zusammengehalten.



Buron gab seinen Gefährten einen Wink, schaltete seine Magnete ab und ließ sich langsam durch den Riss in den Maschinenraum treiben. Nun gewann er einen besseren Überblick und was er sah, bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Ein Teil der Anlage war durch Kurzschlüsse zerstört worden. In einem Umfang, der eine Reparatur unmöglich machte.



„Hoch-Wort an alle Besatzungsmitglieder“, wandte sich Buron an die Überlebenden. „Das Bekämpfen der Kurzschlüsse hat oberste Priorität. Alle beschädigten Energieverbraucher sind von der Versorgung abzutrennen. Anschließend werden alle Hände die Schäden im Maschinenraum begutachten und beheben, soweit dies möglich ist. Lebenserhaltung und Schwerkraft haben Priorität. Ich erwarte in einem Kleinzyklus die Berichte der ausführenden Hände.“



Für die siebenundvierzig überlebenden Norsun begann eine extrem anstrengende Periode, in der sie alles versuchten, ihr Schiff zu retten. Inzwischen waren alle aus den Räumen befreit worden und die Verletzten wurden auf der Heilerstation versorgt. Wer keine zu schweren Wunden erlitten hatte wurde sofort an die Arbeit geschickt. Das Schiff ging vor, denn es war ihre einzige Hoffnung auf Rettung. Solange es Kurzschlüsse im Energiesystem gab konnte der Reaktor nicht neu aktiviert werden und sie waren bis dahin auf die gespeicherte Energie der Kristallsäulen angewiesen. Drei Kristallputzer wurden abgestellt, die Säulen fortwährend zu polieren, damit kein Quäntchen Energie durch Verunreinigungen der Oberflächen verloren ging. Der Versuch, die Schiffshülle wieder zu versiegeln, um die

Herndaskar

 wieder vollständig mit Atmosphäre zu versorgen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Es gab nicht genug Ersatzmaterial, um es über die Durchschlagsöffnungen im Rumpf zu schweißen.



Nach Ablauf eines Kleinzyklus versammelte Buron die Überlebenden in der Zentrale des Schiffes. Inzwischen zeichnete sich ab, welche Möglichkeiten den Norsun verblieben. Es lag am Kommandanten, die entsprechenden Entscheidungen zu fällen und zu verkünden.

 



Buron musste sich dabei auf das Wort von Maasla verlassen. Obwohl er nur ein niederer Kristallputzer war und zwei Hände der Maschine überlebt hatten, zeigte Maasla den größten Sachverstand. Er hatte die Schäden im Schiff unermüdlich untersucht und es war ihm, mit der Unterstützung anderer, gelungen, mehrere kleine Wunder zu vollbringen. Die Lebenserhaltung und die künstliche Schwerkraft funktionierten wieder und in den wichtigen Räumen war die Hauptbeleuchtung eingeschaltet. Nun musste Maasla den Übrigen jedoch ein paar bittere Wahrheiten verkünden.



„Ich habe den Reaktor und die Speicherkristalle sorgfältig untersucht. Ebenso alle wichtigen Maschinen und die Antriebe.“ Der Kristallputzer sah die Blicke der anderen auf sich gerichtet und knickte bedauernd die Fühler nach vorne. „Die Schäden sind schwerer als zunächst gedacht. Wir können den Reaktor nicht reaktivieren, womit uns nur die Energie in den noch intakten Speichersäulen bleibt. Es ist zu wenig, um damit die Triebwerke zu starten. Die

Herndaskar

 ist gestrandet und nicht mehr als ein Wrack.“



„Ich bezweifle sein Wort“, sagte Tisson prompt. „Was versteht ein niederer Kristallputzer schon von den Seelen der Maschinen?“



„Offensichtlich mehr als die Hände der Maschine“, wehrte Buron die Kritik ab. Er sah die überlebenden Techniker grimmig an. „Ich frage mich, welchen Nutzen sie für uns haben.“



„Die ausführende Hand der Maschine hat ihr Wissen stets vor uns verborgen“, behauptete einer der beiden. „Maasla war klug, da er der ausführenden Hand heimlich auf die Finger sah.“



Buron überlegte. Das konnte stimmen. In der Hierarchie der Norsun versuchten die meisten, ein Aufsteigen der niederen Ränge zu verhindern, damit diese ihnen die Position nicht streitig machen konnten. So war das Wissen des Einzelnen oft ausgesprochen spezialisiert.



„Dann müssen wir um Hilfe rufen“, meldete sich ein Norsun zu Wort. „Die Energie wird doch genügen bis uns die Schiffe des Volkes erreichen, nicht wahr?“



Buron sah den ausführenden Sprecher auffordernd an. Der deutete auf die Konsole des Funkgerätes. „Das Fernsprechgerät ist schwer beschädigt. Es ist mir gelungen es so weit zu reparieren, dass wir einen Notruf absetzen können. Allerdings nur einen sehr kurzen und nur einen einzigen. Die Bionik-Platinen werden der Belastung eines Spruchs nur kurz standhalten. Wird dieser nicht gehört, dann sind wir verloren.“



„Ich halte deine Wort für wahr, aber für unangemessen“, wandte Tisson ein. Die ausführende Hand der Stecher stand neben der nutzlosen Waffenkontrolle. „Auch wenn man unseren Notruf nicht empfangen würde, so ist es eine Tatsache, dass die

Herndaskar

 als Prototyp ein sehr wertvolles Schiff für das Stammvolk ist. Wenn wir schweigen, so wird man sie nicht einfach verloren geben, sondern nach ihr suchen.“



„Ich halte dies für überlegt und angemessen“, stimmte Buron zu. „Man wird auf jeden Fall nach uns suchen und das Stammvolk kennt die Sektoren, in denen wir unsere Tests durchgeführt haben. Das Suchgebiet ist groß, aber früher oder später wird man uns finden und retten.“



Rurod, die einzige überlebende Hand der Heilung, zirpte zweifelnd. „Die Frage ist nur, Hoch-Wort, ob unsere Energie ausreichend ist, die Lebenserhaltungssysteme so lange am Laufen zu halten.“



„Maasla?“



Der gab das Äquivalent eines Seufzers von sich. „Zwei Mittelzyklen, dann versiegt die Energie.“



„Zwei Mittelzyklen?“ Diese Information erschreckte selbst Buron.



Kenra, die Bionikerin, brachte es auf den Punkt. „Dann sind wir tot, lange bevor Hilfe eintrifft.“



„Das halte ich für unüberlegt und unangemessen“, widersprach der Heiler. Rurod zog damit die Aufmerksamkeit auf sich. „Wir haben ausreichend Schlafkammern an Bord. Sie verbrauchen nur sehr wenig Energie und der Kälteschlaf hält uns über viele Langzyklen am Leben.“



„Wir sind nur noch Siebenundvierzig“, überlegte Kenra. „Ich halte die Worte von Rurod für angemessen. Da wir nur noch wenige Schlafkammern benötigen, würde die vorhandene Energie für ihren Betrieb sehr lange ausreichen.“



„Ich spreche das Wort.“ Buron hob die Hände. „Der Sprecher wird einen Notruf an das Stammvolk absetzen. Die anderen bereiten die Schlafkammern vor. Sobald der Notruf ausgestrahlt wird, begeben wir uns in den Kälteschlaf und warten auf unsere Rettung.“



Der Sprecher behielt recht. Er konnte kaum mehr als den Namen des Schiffes und einen Teil der Raumkoordinaten nennen, als die Bionik-Platinen seines Funkgerätes zerfielen.



Die Norsun machten sich daran, alle Geräte abzuschalten und Maasla und die beiden Hände der Maschine beaufsichtigte die Sorgfalt, mit der alle verbliebene Energie für die Schlafkammern bereitgestellt wurde. Der Heiler und die Bionikerin programmierten die Kammern mit aller Sorgfalt. Dann begaben sich die Überlebenden in den kalten Schlaf, während das Schiff in Dunkelheit und Schweigen versank.






Kapitel 2 Auf der Suche nach dem großen Fund






Fünfhundert Jahre später, C.S. Golden Hope, privates Prospektorenschiff






Seit über hundertfünfzig Jahren beherrschte die Menschheit die überlichtschnelle Raumfahrt. Doch selbst mit dem Cherkov-Antrieb benötigte ein Schiff noch immer Wochen, Monate oder sogar Jahre, um sein Ziel zu erreichen. Dann, vor rund fünfzehn Jahren, war durch Zufall der Hiromata-Antrieb entdeckt worden. Mithilfe der seltenen Hiromata-Kristalle konnte ein Schiff jede Entfernung in Nullzeit überwinden. Der sogenannte Nullzeit-Antrieb brachte der Menschheit eine ungeahnte Expansionswelle. Während man mit den Überlichtschiffen noch viele Jahre zu fernen Sternen unterwegs war, die man meist in Kryo-Kammern verschlief, benötigte ein Sturz-Schiff für dieselbe Entfernung nur noch rund sechzehn Stunden. Acht zum Beschleunigen und Aufladen des Hiromata und weitere acht Stunden, um am Ziel wieder abzubremsen. Da der Antrieb nur wenig Raum in Anspruch nahm, waren selbst kleine Raumfahrzeuge für interstellare Reisen geeignet. Man brauchte keine Kryo-Kammern mehr und auch keine umfangreichen Vorräte. Ein Aufenthaltsbereich und ein paar sanitäre Einrichtungen reichten aus, die Menschen nun relativ komfortabel zu den fernen Sternen zu bringen. Der Handel boomte ebenso wie die Besiedlung des Weltraums, denn jetzt stand es jeder Interessengruppe frei, ihr eigenes persönliches Glück zu suchen.



Die einzige Einschränkung bestand in den geringen Vorkommen des Hiromata-Kristalls. Trotz aller Versuche gelang es nicht, ihn künstlich zu erzeugen. So waren Scharen von Abenteurern sowie kommerziellen und privaten Prospektoren im Weltraum unterwegs, um ein Vorkommen der Kristalle auf einem Asteroiden oder einer fernen Welt zu entdecken. Selbst kleine Brocken des Hiromata versprachen schon großen Reichtum.



An Ressourcen herrschte kaum Mangel. In besonders lohnenden Fällen entsandten große Konzerne ihre Fabrikschiffe in die Asteroidenfelder, mit deren Hilfe man gefundene Metalle direkt in Rohstoffbarren einschmolz. In anderen Fällen entstanden Abbaukolonien auf fernen Planeten, wo man unter widrigsten Umständen arbeitete, um die Gier der Menschheit nach Ressourcen zu stillen. Es gab immer wieder große Funde und manches einst kostbare Material hatte seinen ursprünglichen Wert längst eingebüßt.



Die Besatzung des kommerziellen Raumschiffes

C.S. Golden Hope

 gehörte zu jenen, die in den Tiefen des Weltraums auf den großen Fund hofften.



Die

Golden Hope

 war eines der ersten Überlichtschiffe gewesen und hatte lange Zeit als interstellarer Frachter gedient. Sie gehörte der Conestoga-Klasse an, deren Schiffe in Modultechnik gebaut wurden. Im Bugteil befanden sich die Steuereinrichtungen, Lebenserhaltungssysteme, Mannschaftsquartiere und Depots sowie ein kleines Nottriebwerk, im Heck der Impuls- und Überlichtantrieb. Beide Module wiesen zusammen eine Länge von knapp hundertzwanzig Metern auf. Dass ein Conestoga die stattliche Länge von über zwei Kilometern erreichen konnte lag daran, dass zwischen Bug und Heck ein Gerüst aus Tri-Stahl-Trägern verlief, in dem zehntausende der genormten Frachtcontainer verankert werden konnten. Derartige Frachter flogen von einem Sternensystem zum anderen, gingen am Ziel in den Orbit und wurden von Shuttles be- und entladen.



Inzwischen war auch die

Golden Hope

 mit einem Hiromata-Antrieb versehen worden. Der ursprüngliche Eigner hatte sie zum Kauf angeboten, doch es gab weit modernere und günstigere Raumschiffe. Als sich kein Interessent fand, stand das fast 180 Jahre alte Schiff zur Verschrottung an. Kurz bevor es in den Parkorbit zum Ausschlachten ging, rettete die „Malloy Mining Corporation“ das Schiff vor seinem unrühmlichen Ende.



Die „Malloy Mining Corporation“ bestand aus der hübschen und eigensinnigen Patty Malloy sowie einer Handvoll von Abenteurern, die ihr Erspartes und ein paar Kredite investierten, um mit der

Golden Hope

 ihre Träume von Unabhängigkeit und Reichtum zu erfüllen.



Der frühere Besitzer hatte dem Schiff seinen Namen gegeben, da es dem Konzern durch die Beförderung interstellarer Frachten hohe Gewinne bringen sollte. Die neuen Besitzer hielten am Namen fest, auch weil es angeblich Unglück brachte, ein Schiff umzutaufen. Mit den ihnen verfügbaren Mitteln ließen sie den alten Frachter umbauen. Die Träger zwischen Bug und Heck wurden bis auf ein Segment von vierzig Metern Länge entfernt. Ein gutes Dutzend Frachtcontainer nahm drei der Seiten ein. An der unteren vierten war ein kleines Shuttle in seinen Ankerklammern angedockt, inklusive einer kleinen Luftschleuse zum Zentralgang, der durch das gesamte Schiff führte. Insgesamt wirkte die Konstruktion, als habe man einen kleinen Backstein zwischen zwei größere geklemmt. Da die

Golden Hope

 niemals für eine planetare Landung bestimmt gewesen war, hatte man auf jede aerodynamische und gefällige Form verzichtet.



Die Malloy Mining Corporation verschwendete kein Geld für die äußere Verschönerung des Schiffes. Der kantige Rumpf war verschrammt und an einigen Stellen ausgebessert. Während seiner Existenz war das Schiff dreimal von kosmischen Geschossen getroffen worden, die den Rumpf perforierten. Es hatte keine Verluste unter den Besatzungen gegeben, weswegen die neuen Besitzer dies als gutes Omen sahen. Das alte Firmenlogo des Vorbesitzers wurde durch das der neuen Eigentümer überlackiert. Es zeigte einen Goldgräber mit riesigem Schlapphut und mächtigem Schnauzbart, der mit einer Schaufel in der Hand auf einem großen Goldberg tanzte.



Patty „Pat“ Malloy besaß die meisten Anteile an der

Golden Hope

 und war nicht nur ihr Captain, sondern unbestreitbar auch der „Boss“ ihrer kleinen Crew. Sie war klein, zierlich und ein Bündel an Energie, mit roten Haaren und grünen Augen. Ihre Elan und ihr Optimismus waren es, welche die Mannschaft auch dann vorantrieben, wenn diese einmal nahe daran war, aufzugeben und es gab viele Momente, in denen sie an der Erfüllung ihrer Träume zweifelte.



Patty Malloy war im Augenblick das einzige Mannschaftsmitglied, welches sich in der Zentrale des Schiffes aufhielt. Diese erstreckte sich über die gesamte Breite des mittleren Hauptdecks der Bugsektion und glich mit ihren fünfundzwanzig Metern Breite und nur fünf Metern Tiefe einem schmalen Schlauch. Die hier installierten fünf Arbeitsplätze wirkten trotz der breiten Konsolen ein wenig verloren, doch die eher ungewöhnliche Form der Zentrale bot einen großen Vorteil. Durch die hohe Panoramaverglasung bot sie freien Blick nach vorne und man besaß auch zu den Seiten einen bemerkenswerten Ausblick in den Weltraum. Diese „Peilbrücke“ hatte einst das Andocken an Orbitalstationen erleichtert und war nun für die neue Besatzung ein unschätzbarer Vorteil, denn die

Golden Hope

 schwebte nur wenige hundert Meter vor einem kilometergroßen Asteroiden. Das Schiff lag in einem riesigen Feld aus Objekten unterschiedlichster Größe. Jene, die vor dem Hintergrund der Sterne lagen, waren sogar mit dem Auge gut zu erkennen, andere blieben in Finsternis verborgen und wurden nur durch die Scanner angezeigt.



Patty Malloy achtete mit Argusaugen darauf, dass keiner von ihnen dem Schiff gefährlich werden konnte. Aus diesem Grund hatte sie die Zentrale bis auf die Konsolenlichter abgedunkelt. Geschwindigkeit und Kurs waren dem Asteroidenfeld angeglichen, doch sie war bereit die Position im Notfall mithilfe der Korrekturtriebwerke zu ändern. Die zierliche Frau hatte eine Hand locker neben dem Joystick liegen, mit dem die Lagekorrekturtriebwerke gesteuert wurden und blickte immer wieder auf den kreisenden Finger des Nahbereich-Scanners. Seine Tetronik war darauf eingestellt jede Bewegungsänderung der umgebenden Planetentrümmer oder die Annäherung eines anderen Objektes anzuzeigen sowie optisch und akustisch zu warnen.

 



Patty trug einen schlichten blauen Bordoverall, der schon ein wenig abgetragen wirkte und an dessen rechter Brustseite das Logo der Malloy Mining Corporation aufgenäht war. Über die kurzgeschnittenen roten Haare hatte sie ein Headset geschoben und lauschte den Atemzügen und Stimmen, die es übertrug.



Außer ihr befand sich nur noch der Sanitäter Sid Barrows an Bord. Er trug einen offenen Raumanzug und langweilte sich im Schleusenraum. Er war für jene Sitzbereitschaft eingeteilt, welche in Kreisen der Schürfer und Prospektoren als „Rettungsleine“ bezeichnet wurde. Dies traf seine Funktion ziemlich genau. Geriet einer der anderen in Not, dann würde es Sid´s Aufgabe sein, ihm Beistand zu leisten und ihn an Bord zurückzuholen. Hierfür stand ein spezieller Raketenschlitten zur Verfügung, eines der wenigen neuwertigen Geräte an Bord.



Sid Barrows trug ebenfalls ein Headset. Während er sich mit seinem Mini-Comp die Zeit vertrieb, lauschte auch er den Atemgeräuschen und gelegentlichen Stimmen der Crew.



„Wie sieht es aus, Steven?“



Auf Patty´s Frage hin herrschte einen Moment Schweigen, bis sich Steven Braker über seinen Helmfunk meldete. „Bin noch nicht so weit. Hab mal ein bisschen Geduld, okay?“



„Sorry, Steven, ich wollte nicht hetzen“, kam ihre Entschuldigung.



Steven Braker war ein blonder Hüne, der sich geologische Grundkenntnisse angeeignet hatte und der Co-Pilot des Schiffes war. Neben Patty gehörten ihm die meisten Anteile an der

Golden Hope

. Er war gutmütig und auch ein wenig dickfellig, denn er war so ziemlich der Einzige an Bord, der niemals die Ruhe verlor. Er schwebte in seinem Raumanzug knapp fünfzig Meter vor der Oberfläche eines großen und unregelmäßig geformten Asteroiden und bremste nun mit seinem Fluggestell ab. Er hatte die Kraft der Druckluftdüsen exakt kalkuliert, denn seine Geschwindigkeit war gleich Null, als er den Steinbrocken berührte. Der Helmscheinwerfer riss die schroffen Formen aus der Dunkelheit. Steven wollte ein paar Gesteinsproben nehmen, doch bevor er das tat, musste er sich verankern. Er zog die Bolzenpistole aus der Seitentasche des Fluggestells, lud einen Bolzen in die Kammer, richtete den Lauf aus und drückte ab. Federdruck trieb den Bolzen gegen den Felsen. Als er ihn berührte quoll Klebstoff aus der tellerförmigen Spitze, der sich sofort mit dem Gestein verband. Steven klinkte den Draht von der Bolzenpistole, hakte ihn in die Hakentrommel an seinem Gürtel und lud das Gerät erneut, um den zweiten Bolzen zu verankern. Sorgfältig schob er das Gerät wieder in die Tasche zurück und drückte dann rechts und links am Gürtel auf die Spanner der Hakentrommel. Die Drahtseile spannten sich sanft und pressten seine Füße fest gegen das Gestein.



Nachdem er sich auf diese Weise gegen ein Abtreiben gesichert hatte, nahm er den Bohrer und schraubte das lange Gestänge zusammen. Prospektoren beschränkten sich nicht mehr darauf, mit einem Hammer ein paar äußere Gesteinsplitter abzuschlagen, auch wenn dies noch immer zum Standard gehörte. Weit wichtiger war ihnen eine Bohrung, die mehrere Meter in das Objekt ihres Interesses hinein führte. Der Bornkern gab weit besseren Aufschluss über die wahrscheinliche Zusammensetzung des Asteroiden. Die äußeren Scans waren längst erfolgt und deuteten auf einen Ferritkern hin. Wenn der Reinheitsgehalt des Eisens hoch war, konnte sich die Arbeit lohnen, denn es war einer der Grundstoffe, aus dem Tri-Stahl hergestellt wurde.



Steven schaltete den Akku-Bohrer ein und musste trotz der Diamantium-Krone kraftvoll drücken, um Dezimeter um Dezimeter in die tieferen Schichten vorzudringen. Die eingearbeitete Sonde an der Bohrkrone übermittelte dem Überwachungsmonitor, durch welches Material sich die Krone drehte. Normales Felsgestein, eine dünne Schicht Ferrit, dann wieder Fels. Sogar ein wenig Gold, doch Steven hoffte inbrünstig, auf etwas Wertvolles zu stoßen.



Der Druck auf den Bohrer presste den blonden Hünen in die beiden Fangleinen, die ihn sicherten. Hin und wieder schaltete das Drehmoment das Werkzeug ab, wenn es sich festzufressen drohte. Dann zog Steven das Gerät zurück und versuchte es erneut.



„Und? Hast du angefangen?“



„Verdammt, Pat, störe den Künstler nich

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