Parkinson - nie mehr allein!

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Wie ein Schlag ins Gesicht

Das Vergissmeinnicht

Es war ein Tag wie jeder andere, als ich mit meinem Mann die Praxis eines Neurologen betrat, doch dieser Mittwoch sollte nicht nur mein Leben, sondern auch das meines Mannes total verändern.

Schon seit längerer Zeit suchte ich nach der Ursache meines Befindens, denn irgendetwas stimmte nicht mit mir.

Ich fühlte mich unwohl, war langsam wie eine Schnecke geworden, hatte Schwierigkeiten mit meiner Motorik und wurde wegen meiner komischen „Gangart“ des Öfteren auch schon angesprochen.

Also rannte ich von Arzt zu Arzt, doch alle Untersuchungen ergaben immer das gleiche Ergebnis: „Ihnen fehlt nichts.“

Bis zu dem besagten Mittwoch, kurz vor Weihnachten 2011.

Schon nach nur zwei kurzen Untersuchungen war er der Meinung:

„Sie haben mit aller Wahrscheinlichkeit PARKINSON.“

PENG. Das saß, es war wie ein Schlag ins Gesicht!!!

Er war sich ziemlich sicher, ich bekam aber dennoch einen Termin für weitere Untersuchungen, um alles andere auszuschließen.

Am 29.12.2011 bekam ich das Endergebnis: Parkinson!

Aber kommen wir zurück, an den besagten Tag X…

Kurz darauf verließen mein Mann und ich wie betäubt die Arztpraxis und fuhren, was wir nach dem Artbesuch auch vorhatten, in die Stadt zum Weihnachtsmarkt.

Schweigsam, Hand in Hand, irrten wir zwei dann durch die schön geschmückten Straßen, die wir aber nicht wahrnahmen, weil wir mit unseren Gedanken ganz wo anders waren.

In der nachfolgenden Zeit war das Wort: „Parkinson“ täglich präsent, ich ging mit den Gedanken schlafen und stand mit den gleichen Gedanken morgens auf.

Um das Ganze zu verarbeiten, begann ich Gedichte unter den Namen „Vergissmeinnicht“ zu schreiben. Und ich muss gestehen, es machte mir Spaß, es tat mir gut. Seit dieser Zeit habe ich mehr als 300 Gedichte verfasst, zu Beginn schrieb ich über die unheilbare Krankheit „Parkinson“, später gefiel es mir auch, über andere Themen zu schreiben und ich bin bis heute immer noch ein poetisches schreibendes „Vergissmeinnicht“.

Ich war, oder besser gesagt, bin immer noch ein sehr positiv denkender Mensch und glaube, alles im Leben hat einen Sinn, ganz egal was auch passiert!

Trotz Parkinson, glücklich wie nie zuvor

Tony

Begonnen hat es bei mir schon mit dreißig Jahren. Ich war damals im Außendienst für eine Firma als Radio- und Fernsehtechniker unterwegs. Ich hatte immer gerne und auch viel gearbeitet. Schließlich wollte ich meine Schulden von einer älteren Beziehung so schnell wie möglich los werden. Also sparte ich jeden Pfennig und lebte sehr spartanisch, eigentlich nur vom Trinkgeld. Dabei fiel meinen Lehrbuben auf, dass ich so gut wie nur am Kopf schwitzte. Das ging so weit, dass ich nur noch mit einem Schweißtuch (Geschirrtuch) unterwegs war, oder mit Stirnband. Irgendwann ist das zu meinem Markenzeichen geworden und es wurde zwar belächelt, doch akzeptiert.

Ich lernte meine jetzige Frau Christiane kennen, wir heirateten und wir wurden Eltern. Es war keine Zeit um krank zu sein, schließlich hatte ich jetzt Verantwortung. Ich war immer gut versorgt mit allem, was die „Apotheke meiner Frau“ für welches Zipperlein auch immer, hergab. Ich war ein williger Abnehmer und erster Tester der sogenannten Nahrungsergänzung. Nur irgendwie passte es nicht. Ich war abgeschlagen, müde, einfach kraftlos. Nur bei Stress blühte ich förmlich auf. Doch dieses Auf und Ab meiner Leistungsfähigkeit wurde langsam zum Problem und ich versuchte meine Zeit mehr zuhause zu verbringen. Durch Zufall ergab sich ein Wechsel in den Verkauf und somit hatte ich erst mal eine bessere Position, auch innerhalb der Firma. Nur meine Zipperlein wurden immer häufiger und ich wurde von Doktor zu Doktor geschickt.

Da ich immer noch als Berater und Planer von hochwertigen HiFi-Anlagen im Außendienst unterwegs war, ließ sich das gut integrieren. Meine Aufgaben wurden jedoch schnell mehr und mehr. Wenn mich mal kein Kunde oder Lehrling benötigte, baute ich, zum Teil im Laden, High-End Autoradio Anlagen ein. Nur irgendwie wurde es immer schlimmer. Meine Bewegungen wurden unmerklich langsamer, meine Oberlippe gehorchte mir nicht mehr so hundertprozentig und meine Stimme wurde immer rauer, vor allem abends. Dadurch wurde meine Aussprache immer unverständlicher und ich musste mich oft wiederholen.

Dann der nicht verstandene Schock.

So mit rund achtunddreißig Jahren die Diagnose: Parkinson…

Erstmal nur eine Feststellung und gleichzeitig Erleichterung und Schock. Ich bin doch noch jung, das ist doch eine Krankheit von Opas!

Die Diagnose behielten wir ca. ein Jahr für uns, das mit der Arbeit klappte dank der Medikation auch wieder besser und ich wurde Abteilungsleiter der damals wichtigen Telekom-Abteilung. Meinem Chef wurde irgendwann zugetragen, dass ich einen Schwerbehindertenausweis habe und als er wissen wollte warum, habe ich es ihm gesagt.

Ab dem Zeitpunkt stand ich unter ständiger Beobachtung und es wurde immer wieder überlegt, ob und wie ich zu ersetzen wäre. Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Kollegen. Wenn diese vom Chef angesprochen wurden, kamen sie postwendend zu mir, um zu berichten. Dann kam ein Freund des Chefs darauf, mich mit Zustimmung der Behörden zu kündigen. So passierte es dann auch, nur hatte ich am Schluss nicht mehr die Kraft, auch noch für mich zu kämpfen und somit trennten wir uns „einvernehmlich“, nach mehr als achtzehn Jahren. Da ich mich nicht gegen ihn stellte und auch nicht gegen die Behörden vorgegangen bin, habe ich den Eindruck, ist bei mir die Rente relativ schnell genehmigt worden, unbefristet. Es hat lange gedauert, bis ich die Krankheit akzeptieren konnte, aber mittlerweile bin im achten Jahr Rentner und immer noch glücklich.

Ja, ich bin glücklich, glücklicher denn je!

Warum?

Eine Frau an meiner Seite zu haben, die mich unterstützt und die ich lieben darf.

Eine Tochter zu haben, die mich in meinem Sein akzeptiert.

Ein Leben zu leben, ohne Arbeitsstress und zu wissen, ich habe was erreicht.

Dem ein oder anderen Menschen zu helfen sich zu entscheiden, die THS nicht als die letzte Möglichkeit zu sehen, sondern seine Angst zu beherrschen.

Denn wer kann schon von sich behaupten, erfolgreich im Beruf gewesen zu sein und sein Kind aufwachsen zu sehen? Und das nicht wie ein Außenstehender, sondern live mitzuerleben. Das einzige, was ich schade finde ist, dass ich meiner Frau nicht der Mann sein kann, den sie verdient hätte und meiner Tochter nicht immer der Vater sein kann, den sie sich wünschen würde.

Und irgendwann, ja ich glaube daran, dass die Medizin einen Weg finden wird, uns Parkis zu helfen und ich es noch erlebe.

Outing

Man(n) fällt aus der Norm

Beate

Outing steht für „anders sein“ – „nicht der Norm entsprechen“. Es ist, als ob man beispielsweise homosexuell wäre. Sie outen sich auch. Muss man sich outen? Herr Wowereit, ehemaliger Bürgermeister von Berlin, stellte sich hin und sagte: „Ich bin schwul und das ist gut so“. Er hat für Aufsehen und Zündstoff gesorgt.

Als ich die Diagnose bekam und es meinem Umfeld mitteilte – wenn es nicht schon ein „besorgter“ Mitmensch getan hatte – war der „Huch - Effekt“ inklusive des Gesichtsausdrucks fast der Gleiche. Denn wir entsprechen nicht der Norm. Und fallen durch das Raster. Welches Raster? Das Raster des Lebens. Ich fiel so schnell durch, ich konnte bildlich gesprochen noch nicht mal den Fallschirm öffnen. Ich stellte mir vor, dass ich auf einem Fließband liege und Etiketten bekomme: Parkinson? Demenz…. Zittern…krumm – für den Anfang hat das gereicht.

Als ich für mich entschied, an die Öffentlichkeit zu gehen, bekam ich ganz schnell wieder einen Stempel aufgedrückt. Es hat keiner verstanden, dass ich „aufklären“ wollte. In deren Augen wollte ich mich wichtig machen und wurde beobachtet, wo immer ich war. Man kam zu dem Entschluss, dass ich lügen würde. Ich zitterte nicht und konnte noch gerade gehen.

Ich wurde dann langsam ungehalten und habe gesagt: “Wenn ich noch sichtbare Beschwerden hätte – dann habe ich einen schlechten Neurologen.” In dem Dorf, wo ich wohnte und in dem Nachbardorf, wo ich aufgewachsen bin, kamen dann doch so nach und nach die „Parkinsonerkrankten“ auf mich zu – leider teilweise mit einer schlechten Einstellung gegenüber der Krankheit – und wollten von mir vom Gegenteil überzeugt werden. Nur weil meine Einstellung anders war/ist. Ich bin nicht da, um zu überzeugen. Denkanstöße geben: Ja. Ich wollte lediglich, dass akzeptiert wird, dass auch junge Menschen Parkinson bekommen können. Dass sie von diesem Klischee wegkommen und sich eventuell mit diesem Thema auseinandersetzen.

Alt + Jung = Parkinson

Ich wurde zum Querkopf. Wie konnte ich mir anmaßen, so darüber zu reden. „Du hast Parkinson? Aber du zitterst doch gar nicht! Wenn ich dagegen meinen Opa sehe…“ Es versteht keiner, dass jeder Mensch anders ist, genau wie sein Parkinson.

Eines wurde mir bewusst, mit Jogginganzug und schlappem T-Shirt konnte ich nicht mehr vor die Tür gehen. Ich war richtig interessant geworden. Wow! Hinter mir wurde hergeschaut. Auch mal der Blick eines Mannes verirrte sich in meine Richtung.

Ich suchte mir eine Arbeit auf 625,– DM Basis. Bei dem Vorstellungsgespräch outete ich mich, dass ich Morbus Parkinson habe. Mein Eindruck war, es spielte keine Rolle. Nach circa sechs Monaten sagte mein Chef „Die Geschäfte laufen schlecht, deshalb bekommst du weniger Geld und hielt mir noch vor, ich würde zu lange mit den Kunden über Privates reden.

 

Vier Tage später bekam ich eine betriebsbedingte Kündigung mit einer Zusatzbegründung, die Kunden würden wegen mir ausbleiben. Ich staunte nicht schlecht. Nach einiger Zeit wurde mir dann angetragen, dass mein ehemaliger Chef Probleme mit Krankheiten hatte. Er mochte keine kranken Menschen. Dadurch hatte er sich auch geoutet. Mein Fazit…egal wie oder was, irgendwann „outen“ wir uns alle. Jeder sagte mir, dass es Diskriminierung war. Stimmt. Aber sollte ich ihn wirklich anzeigen? Nein, in meinen Augen war er schlechter dran als ich. Immer die Angst zu haben, irgendwann mal krank zu werden – wäre mir zu anstrengend. Dann sage ich lieber mit einem Lächeln:

„Ich habe Parkinson und stehe dazu!“

Ich bin bis jetzt ein Glückspilz

Bika

Mir fiel es nicht besonders schwer, mich zu meiner Krankheit zu bekennen. Denn es ging mir schon jahrelang sehr schlecht in Bezug auf die Motorik, vor allem in den Beinen.

Ab und zu hatte ich einen Tremor und Depressionen. Mehrmals wurde ich zur psychosomatischen Reha geschickt, aber die Besserung war immer nur von kurzer Dauer.

Es folgte Mobbing am Arbeitsplatz, weil ich so häufig krank war.

Ärzte schoben alles auf mein Alter.

Als der Tremor auch mein Gesicht erreichte, wurde ich zum DatScan geschickt. In der Praxis meines Neurologen wollte man mir am Telefon keine Auskunft geben. Ich bestand darauf, mir den Krankenhausbericht zu faxen.

Ich war im Büro und einige Kollegen bekamen mit, wie erleichtert ich, mit dem Fax in der Hand, da saß und es sprach sich in Windeseile herum, dass meine Diagnose Morbus Parkinson lautete.

Auf einmal war da so viel Verständnis und Hilfe (ich war noch nie nachtragend).

Fünf Monate später ging ich regelgerecht in den Ruhestand.

Als ich zur gleichen Zeit in eine ebenerdige Wohnung umziehen konnte, hatte ich viele helfende Hände.

Meine Freundinnen stehen mir zur Seite, wenn ich Hilfe benötige, es sind einige dabei, mit denen ich über 50 Jahre und seit der Grundschule befreundet bin. Eine hatte ihre parkinsonkranke Mutter gepflegt, sie nahm mich in den Arm und weinte.

Meine Familie, zwei erwachsene Söhne und Mutter sowie Bruder mit Familie waren erschüttert, aber erst mal änderte sich nichts.

Heute ist man zum Teil sehr rücksichtsvoll.

In der Öffentlichkeit habe ich kein Problem, mich zu outen. Wenn ich bei EC Zahlung unterschreiben muss, sage ich häufig “Na, mal sehen, wie es heute klappt, ich habe nämlich Parkinson”.

Ich habe festgestellt, wenn man sich offen zu unserem hässlichen gemeinen, kleinen Zwerg MP bekennt, kommt man besser zurecht.

Das muss aber jeder für sich selbst entscheiden.

Eigensinn macht Spaß!

Canty

Meine Diagnose Morbus Parkinson ist nun sechs Jahre her.

Soll ich mich outen? Ist Offenlegung oder Geheimhaltung der bessere Weg?

Vor diesem Dilemma stand ich bisher nicht. Man sieht mir den Parkinson nicht unbedingt an. So habe ich noch die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie lange ich Outing-Verweigerin bleibe.

Das Problem stellt sich trotzdem, irgendwann, wenn mich das „Verstecken“ mehr Kraft kostet als das Outen!! Ich folge meinem Herzen und hoffe, dass ich nicht vergesse, mein Hirn mitzunehmen.

Meine Erkrankung ist meine persönliche Sache. Bisher habe ich mich nicht geoutet.

Bei den wenigen Leuten, die es wissen, stoße ich jedoch auf Unverständnis.

Ich möchte keine gut gemeinten Ratschläge „DAS“ soll ich machen. „JENES“ soll ich tun. Sicherlich weiß jeder etwas. NICHTS wissen sie, REIN GAR NICHTS! Keiner kann sich in mich hineinversetzen, außer vielleicht andere Betroffene. Heldentum und Angst sind nahe beieinander – Gelassenheit und Grauen auch!

Ich will kein Mitleid, von Niemandem bedauert werden und erst recht nicht die Krankheit ständig thematisieren. Ich mag mich nicht in Watte packen lassen. Ich will auf gar keinen Fall, dass irgendjemand was-auch-immer in mein Tun und Lassen hineininterpretiert. Nahe Verwandte und gute Freunde würden sich sicher sehr große Sorgen um mich machen und sich ständig nach meinem Zustand erkundigen.

Noch kommen Meldungen wie: „Mensch bist du aber fit!“ oder „Du bist die einzige aus unserer Clique, der nichts fehlt!“, dann fühle ich mich in meiner Haltung bestärkt! Dann feiert meine Seele! Das tut gut und zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich werde meinen Schweige-Modus beibehalten!

Eigensinn macht Spaß!

Vortrag für Nicht-Patienten

Click

Wie es mir geht, willst du wissen? Achte nicht auf meinen Mund, denn die Antwort steht in meinen Augen.

Ein Freund formulierte einmal: Alle gehen auf dem festen Boden am Strand, nur ich gehe im Wasser. Eine Zeit lang kann ich mithalten, weil ich mit höherem Kraftaufwand laufe, doch langsam falle ich mehr und mehr zurück. Parkinson, trotz allem Wollen nicht können. Ist das so?

JA, es ist wohl so, es wäre unrealistisch zu glauben, man könne Parkinson ignorieren, aber …, ist da nicht doch ein kleines „Aber“, für was steht es eigentlich, dieses „Aber“? Nun will ich Ihnen hier nichts über Krankheit und Chance erzählen, nein, das will ich nicht, aber… und da ist es wieder, dieses “Aber“… Lassen Sie uns dieses „Aber“ ein wenig hinterfragen, darum bin ich hier.

Doch zunächst:

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren,

mein Name ist Wolfgang Bornemann, ich komme aus dem Großraum Hannover und ich habe Parkinson im 19. Jahr.

Als Parkinson Botschafter der Firma UCB, als der ich hier bin, habe ich heute auf dem Weg hier zu Ihnen überlegt, welche Botschaft ich denn habe für Sie! Sie als Mitarbeiter einer Pharmafirma sind schon ein besonderes Publikum für mich, rede ich doch sonst eher vor Patienten. Wie also kann meine Botschaft an Sie sein? Meine Damen und Herren, ich denke, wenn es mir gelingt, der Krankheit Parkinson, mit der Sie und ich, wenn auch jeder auf seine Art und Weise, täglich zu tun haben, also wenn es mir gelingt, Ihnen für diese Krankheit ein Gesicht und eine Stimme zu geben, dann sollte mein Auftrag erfüllt sein.

Und so will ich Ihnen ein bisschen aus meinem Leben erzählen.

Parkinson. Irgendwann sagt Ihnen ein Arzt, was Sie haben. Sie tragen das erste von unzähligen Rezepten zur Apotheke und ohne dass es Ihnen gleich bewusst ist, wird der Weg zur Apotheke Sie nun ihr Leben lang begleiten.

Wenn alles normal ist, wird Ihr Ehepartner der oder die erste sein, dem Sie es erzählen. Die Kinder, die Kollegen, die Freunde erst einmal nicht. Das braucht seine Zeit. Es ist einfach das Gefühl, dass man plötzlich nicht mehr in das gewohnte Bild passt, es ist auch eine gewisse Angst, sich zuzugestehen, dass man auf eine ganz gewisse Art und Weise anders ist als die Anderen. Es ist auch ein Gefühl von Scham und Schwäche.

Irgendwann werden Sie angesprochen, die Symptome sind nicht mehr zu verbergen. Sie outen sich und.. es ist wie ein Befreiungsschlag.

In meinem persönlichen Fall waren inzwischen beinahe vier Jahre ins Land gegangen und es gilt zu erkennen, dass Parkinson eine Krankheit für die ganze Familie ist. Die Krankheit beginnt, Sie zu verfolgen, ja sie verfolgt Sie bis auch in sehr private Bereiche ihres Lebens. Das setzt zu, auch, wenn die Symptome und die Krankheit nach außen fast noch nicht sichtbar sind, was in vielen Fällen ein Erfolg der Medikamente ist. Nach innen jedoch fühlen Sie sich krank, verletzt und gescheitert.

Mein sportlicher Ehrgeiz war es, und wohl auch der Beginn der Dopamin-Behandlung, die mich aus dieser kritischen Phase herausgeführt hat. Ich war nie unsportlich, aber auch nie ehrgeizig sportlich. Doch unter dem jetzt regelmäßigem Sportprogramm, das ich mir auferlegt hatte, machte ich ganz überraschende Erfahrungen. Meine Muskulatur bildete sich aus, was eher nicht überrascht, aber ich bekam ein ganz neues Körpergefühl, daraus folgte, dass mein Selbstbewusstsein stieg und ich mochte mich selbst wieder leiden.

Es war die Phase, ich war jetzt wohl so im siebten Jahr nach der Diagnose, wo ich jedem erzählte der es wissen wollte, ja, ich habe Parkinson. Es war die Phase, als ich mit meinem Neurologen spezielle Parkinson-Kongresse organisierte und einem Auditorium von einem Rednerpult aus mitteilte, ja auch ich habe Parkinson.

Ich fotografierte, schrieb Gedichte, verlegte Bücher und mein inzwischen sportlicher Ehrgeiz ließ mich mit meinem Fahrrad auf den höchsten Straßen Europas unterwegs sein. Ich überquerte mehrmals die Alpen mit dem Fahrrad und das alles trotz Parkinson, beinahe ist mir, als wollte ich Ihnen zurufen: „Habe ich nicht ein Glück“? Doch halt, ich habe Parkinson, und mit dieser Krankheit gibt es im Alltag auch die dunkle Seite, die Seite, die sie und genauso Ihre Familie, mit Verzweiflung und Frustration quält.

Zeitungen schrieben und schreiben über mich, auf einer Tour durch die Alpen hat mich ein Fernsehteam begleitet. Beinahe ein bisschen zu viel Geräusch um meine Person. Ich wurde von verschiedenen Organisationen eingeladen, um Vorträge zu halten, Vorträge über den Menschen, der mit einer langjährigen Krankheit in der Lage ist, Extremsport zu treiben, wo man ihn eigentlich eher im Rollstuhl vermutete.

Die Symptome, die ich dank der Medikamente und des Sportprogramms ganz gut im Griff hatte, beschwerten mich nun nicht mehr mit Minderwertigkeitskomplexen. Ich führte ein ausgeglichenes und spannendes Leben, getragen durch die Kraft der vielen Erfolgserlebnisse, die mir durch die Anerkennung meiner lyrischen Arbeit, vor allen aber durch die mehrfache Überquerung der Alpen mit dem Fahrrad zu teil wurden. Ich habe und ich spüre sie, die Kraft des Wollens, doch…

So langsam wird es ruhig um mich. Es sind nicht nur die Parkinson-Symptome, die sich mehr und mehr bemerkbar machen, es ist wohl auch eine Frage des Alters. Ich empfinde den Eintritt in eine neue Lebensphase und ich würde mir etwas vormachen, hoffte ich, sie würde einfacher. Sie wird nicht einfacher, was mich stärkt, ist aber die Hoffnung, dass ich vorbereitet bin, trotzdem bleibt eine Mischung aus Unsicherheit und auch ein bisschen aus Angst. Angst, vor dem Verlust von Selbständigkeit und damit einhergehendem Verlust an Würde?

Parkinson, wie geht’s dir damit? Alles kein Problem, es geht mir gut! Nein, wer diese Antwort gibt, der sagt auf die gleiche Art und Weise die Unwahrheit wie der, dessen Urteil nur negativ ausfällt. Die Wahrheit liegt wohl wie so oft dazwischen.

Bevor ich nun, meine Damen und Herren, meinen kurzen Vortrag beende, möchte ich Sie bitten, nie zu vergessen, dass Ihr Auftrag, und damit spreche ich wohl im Namen aller Patienten, vergessen Sie nie, dass Ihr Auftrag unsere Gesundheit ist, dass Ihr Erfolg unsere Hoffnung ist und machen Sie es sich bewusst, dass hinter jedem Reagenzglas ein Mensch steht. Wir brauchen Sie und wir zählen auf euch. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

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