Dopamin

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Dopamin
Das Buch der Parkinson Community
(Dopamin – Das Buch, Band 1)

#teamdopamin

Christoph De Martin, May Evers

Impressum

Friends will be friends, when you're in need of love, they give you care and attention.

*Freunde bleiben Freunde,

wenn du dich nach Liebe sehnst, geben sie dir

Zuwendung und Aufmerksamkeit.*

Queen
Referenzen

Vorwort
Was euch in „Dopamin - das Buch“ erwartet?

Ein Sack Flöhe! Ein Sack freudiger kreativer und unkontrollierbarer Flöhe. Das sind wir, die 31 Auto-rinnen und Autoren des Buches Dopamin.

Die Motivation, an diesem Projekt teilzunehmen ist genauso vielseitig und verschieden, wie unsere zusammengewürfelte Gruppe. Die meisten von uns sind sich nie im Leben begegnet, wir leben quer durch die Republik verstreut und doch verbindet uns eine Sache, wie auch viele andere Menschen, die sich mit der zweithäufigsten neurologischen Erkrankung in Deutschland auseinandersetzen, seien sie direkt betroffen, Angehörige oder Therapeuten:

Es geht um Morbus Parkinson.

Es sind zwei Seiten einer Medaille, die uns Men-schen mit Parkinson durch den Alltag begleiten: Die eine Seite hellglänzend, wach und freudig und die andere Seite tiefschwarz, antriebslos und ausgeknipst, oder wie wir Parkis sagen: Wir sind ent-weder im „ON“ oder im „OFF“ (ja, wir sagen es in großen Buchstaben).

Diese beiden Extreme und alle Facetten dazwischen, finden sich in den ehrlichen und authentischen, wie persönlichen Geschichten von Betroffenen, Angehörigen und Therapeutinnen in diesem Buch wieder.

Dieses Buch hat für jede*n von uns eine ganz besondere individuelle Bedeutung, die wir anhand der folgenden Stichpunkte an Sie weitergeben möch-ten:

Danke fürs zuhören | lesen und verstehen | Tonys Fahrradtour | Parkinsongeschichten! | Gemeinsam Geschichte schreiben | ich bin nicht allein! | Wissen, Verständnis, Zuhören |das Lesen gibt mir Mut | Die tägliche Dosis Dopamin | Es ist gemeinsam besser zu ertragen | Bewegungszauber Dopamin | Gemeinsam zurück zur Leichtigkeit

Wir wünschen Ihnen viele interessante Lesestunden mit „Dopamin – Das Buch der Parkinson Community“!

Bika, Claudia R., Cornelia, Gisela, Gunnar, Karl, Kornblume, May und Tony im Namen aller 31 Autor*innen.

Einleitung

Wir lernten uns online kennen, bei einer globalen Kampagne in den sozialen Medien, die darauf abzielte, mehr Öffentlichkeit für die chronische Erkrankung Morbus Parkinson zu erreichen. Wir lernten uns sehr bald kennen, denn wir schienen die einzigen in Deutschland zu sein (Christoph in Dortmund, May in Hamburg), die aus privatem Antrieb hartnäckig über einen längeren Zeitraum diese Kampagne unterstützten. Wir wunderten uns gemeinsam darüber, wie nicht minder hartnäckig, die deutsche Öffentlichkeit resistent gegen diese Kampagne war.

Das wollten wir unbedingt ändern und fingen an Ideen zu sammeln, als Vorbereitung auf die nächs-te Initiative.

Das Buch war eine der Ideen, die fast im Papier-korb gelandet wäre, wenn wir nicht gedacht hätten: „Naja, eine Webseite bauen kostet nicht viel Energie. Der Rest wird sich dann zeigen.“

Womit wir nicht rechneten, war der starke Sog, den dieses Online-Buch auf die deutsche Parkinson Community ausübte. Innerhalb weniger Wochen hatten wir fast 100 Follower, 60 Beiträge, knapp 10.000 Besucher, eine FB Seite, Twitter, eine Auto-rengruppe, die uns tatkräftig unterstützte mit Ideen, Kontakten und der Mobilisierung weiterer Autoren. Wir sind inzwischen ein Team von drei Leuten, die täglich Texte sichten, lektorieren und layouten - alles ehrenamtlich.

Die Resonanz hat uns schlicht umgehauen. Mit so viel Engagement und freiwilliger Unterstützung, dieses Projekt auf den Weg zu bringen, haben wir nie und nimmer gerechnet.

Damit hat sich ein Grundgedanke erfüllt, der uns schon zu Beginn unserer Zusammenarbeit als das wichtigste Ziel erschien: Das Buch Dopamin gehört nicht nur uns beiden, wir hatten nur die Idee und haben die Plattform dafür vorbereitet. Das Buch Dopamin gehört der gesamten Parkinson Gemeinschaft. Sie gestaltet es und füllt es mit Leben. Denn wir Betroffenen wollen alle gemeinsam Menschen erreichen, der Öffentlichkeit Hallo sagen, Mut ma-chen und Zuversicht vermitteln.

Und das, finden wir, merkt man dem Buch von der ersten bis zur letzten Seite an.

Christoph und May

August 2017

Anonym 1
Die Erkenntnis, dass unser Leben nicht mehr so sein wird, wie es war

Mein Mann, 55 Jahre, war immer ein toller Mann mit viel Elan. Er war 45 Jahre als Mechaniker unterwegs. Echt, ein toller Mann.

Dann kamen Jahre, die wir uns nicht erklären konnten. Er war müde, machte viele Fehler und er wurde sehr langsam. Wir konnten es uns nicht erklären – mein Sohn und ich. Das Autofahren und Motorradfahren waren sein Hobby, aber auch das ließ nach. Er war immer sehr ordentlich, auch dies ließ nach. Der Ärger war bei uns in der Ehe vorprogrammiert, sie lief nicht mehr gut. Meinem Mann war alles egal geworden und zum guten Schluss fingen die Probleme auch in der Firma an. Ihm wurde dreimal fristlos gekündigt, seine Firma kam aber nicht damit durch.

Jetzt war Schluss mit lustig und ich schickte meinen Mann zum Arzt. Keiner hat etwas gefunden. Einer sagte dann, es seien Depressionen. Haha, Männer haben keine Depressionen!

Wir standen dann kurz vor der Scheidung. Mal gingen die Sachen, die er machen wollte, dann wieder nicht. Mal konnte er Auto fahren, mal nicht. Dann blieb er einfach stehen und erklärte mir, er könne nicht mehr laufen. Haha! Ich dachte wirklich, er will mich verarschen! Dies wiederholte sich jeden Tag, ich war verzweifelt. Ich war wirklich soweit, mich scheiden zu lassen.

Nun war mein Mann inzwischen schon 60 Jahre alt. Er sollte bald in Rente gehen, und da kam der Hammer. Wir gingen ganz normal zum Hausarzt. Der sagte mir auf den Kopf zu, ob ich nicht sähe, dass mein Mann Parkinson hat. Ich sagte ihm, dass dies nicht richtig wäre, denn er war ja mittlerweile in drei Krankenhäusern gewesen und die haben nichts gefunden.

Die Findungsphase dauerte dann fast zwei Jahre. Jeder Arzt sagte etwas anderes und ich konnte das nicht verarbeiten und habe es auch bis heute nicht verstanden.

Wir mussten bis in die Heidelberger Uniklinik fahren, bis wir endlich die Gewissheit hatten, dass es Parkinson war. Das hat mir so viel Kraft gekostet, dass ich am Ende war. Jetzt ging es aber erst richtig los. Einen Neurologen finden, mit dem man arbeiten kann und der sich auch Zeit nimmt. Leider hatten wir am Anfang sehr viel Pech. Zuerst mussten wir fast sieben Monate warten, bis wir einen Termin bekamen. Dann kamen wir mit dieser Dame nicht zurecht. Sie fragte mich, was ich denn wollte. Mein Mann hat Parkinson, da kann man nicht mehr viel machen. Ich habe mich mit dieser Dame derart angelegt, dass sie mich nicht mehr sprechen wollte.

Der nächste Neurologe – ein Jahr später – war nicht besser. Wenn man eine Erleichterung bei meinem Mann haben wollte, wurde dies direkt von dem Arzt abgelehnt, kostet zu viel.

Nach mittlerweile zweieinhalb Jahren haben wir jetzt einen super Neurologen gefunden. Das erste, was er machte, war Reha-Sport und andere Therapien zu verschreiben. Mein Mann bekommt sogar eine Medikamentenverschreibung, das heißt morgens und mittags gibt eine Pflegerin ihm die Tabletten. Ich wusste nicht, dass es dies überhaupt gibt. Ich muss nur für 28 Tage 10 % dazu zahlen. Super! Jetzt klappt es auch viel besser, da er die Tabletten nun regelmäßig nimmt.

Also, geht doch! Ich muss dazu sagen, ich gehe noch den ganzen Tag arbeiten. Da mein Mann und ich durch diese Krankheit viele Freunde verloren haben, habe ich dafür gesorgt, dass er zweimal die Woche in eine Tagespflege geht. Dort fühlt er sich super wohl.

Das Beste ist aber

Jetzt kam bei mir die Erkenntnis der Bemutterung. Das heißt, ich nahm Ihm alles ab aus Angst, dass er etwas falsch machen könnte (hat er ja früher auch). Ich fing an, mich über diese Krankheit zu informieren – über das Internet. Sollte man lieber lassen, man findet so viele verschiedene Therapien und viele Medikamente und meint, dass man dies dann auch umsetzten kann (nee, kann man nicht, man ist kein Arzt).

Ich habe sehr viel falsch gemacht und habe mich auch sehr bemitleidet. Mir ging es immer schlechter und schlechter und das schlimmste dabei ist, ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, da ich ja jetzt für alles alleine verantwortlich bin. Das war aber nur ein Gefühl, das ich hatte.

Es wurde mir auch eingeredet: Ich bin in den Augen anderer Leute eine schlechte Ehefrau, da ich meinen Job nicht aufgegeben habe. Aber ich habe auch ein Leben und ich gehe seit meinem 20. Lebensjahr arbeiten und dies sehr gerne. Wie jeder weiß, muss man ja auch arbeiten, um zu leben.

Am Anfang habe ich sehr weit weg gearbeitet und wurde dann aufgrund der Krankheit meines Mannes im gegenseitigen Einverständnis gekündigt. Mein alter Chef war der Meinung, dass ich nicht immer alles leisten kann, wie es sein sollte. Es ist echt traurig, dass man heute nur noch nach Leistung bewertet wird (jeder hat mal schlechte Tage). Ich habe einen neuen Job mit 55 Jahren gefunden, der mir viel Spaß macht (ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass mich noch einer nimmt). Dort habe ich ein normales Leben.

 

Es ist schön, aber ich hatte wieder ein schlechtes Gewissen (ich bin immer unter Spannung und man hat immer dieses schlechte Gewissen). Es ist genauso wie früher. Als unser Sohn im Kindergarten war, hatte ich auch immer ein schlechtes Gewissen: „Geht es ihm gut, ist er gut versorgt?“

Diese schlechten Gedanken, die immer im Kopf sind. Alles hinterfragt man. Das schlimme ist auch, dass dieses Hinterfragen mittlerweile in jeder Lebenslage kommt. Man wird sehr unsicher. Das habe ich vor Kurzem wieder gemerkt. Ich hatte ein Personalgespräch, bei dem man mir auf Grund der Lage in der Firma (es sind Leute ausgefallen und ich habe diese Abteilung in Vertretung übernommen, für mehrere Monate) gesagt hat, wie klasse ich das mache. Ich konnte es überhaupt nicht glauben. Ich dachte, das kann nicht richtig sein. Ich habe kein Selbstbewusstsein.

Ich will ganz offen sein: Es ist nicht die Schuld meines Mannes, es ist mein Problem. Ich kann nicht damit umgehen, dass mein Mann vieles nicht mehr kann. Früher, als ich ihn noch fragen konnte, war alles besser. Ob es Alltagssorgen sind oder fachlich (Auto), alles muss ich machen. Man lernt es, aber es dauert ein wenig. Mit der Zeit wird es aber besser. Doch leider kommen immer neue Probleme hinzu, aber auch diese werde ich meistern.

Das Beste ist aber, dass ich meinen Mann liebe und dies wird auch so bleiben, mit allem Wenn und Aber!

Das ist jetzt mein neues Leben mit einem kranken Ehemann

Es ist wirklich nicht schön, aber man muss im Leben eben immer weitermachen. Ich höre mich jetzt wirklich an, wie eine Frau, der das alles zu viel ist. Richtig, ist es auch, aber es ist wirklich sehr schwer, wenn sich das ganze Leben verändert.

Es ist jeden Tag eine Herausforderung des Lebens, dieses auch zu meistern. Es fängt morgens an und hört erst am späten Abend auf. Das Eheleben ist in meinen Augen nicht mehr vorhanden. Ich habe das Gefühl, dass ich nur noch eine Krankenschwester für ihn bin. Das ganze Problem ist, er hat auch keine Freude mehr am Leben, sitzt den ganzen Tag – wenn ich nicht da bin – da und kann nichts mit sich anfangen. Ich möchte gar nicht wissen, was er den ganzen Tag macht. Ich bin noch berufstätig in Vollzeit. Und ich muss sagen, dass ich sehr gerne arbeiten gehe. Ich glaube, sonst würde ich die gesamte Situation nicht aushalten können.

Es hört sich sehr schlimm an, aber leider ist es so. Ich liebe meinen Mann sehr, aber ich hadere mit der gesamten Situation. Ich bin mittlerweile schon so weit, dass ich echt überlege, endlich mal alleine in den Urlaub zu fahren. Es ist schlimm, dass man so denkt, aber ich brauche eine Auszeit. Vor vier Jahren hätte ich jedem gesagt ich fahre nie alleine in den Urlaub, aber jetzt werde ich es in Angriff nehmen. Und ich fahre alleine in den Urlaub, und ich hoffe, dass ich mich auch wirklich erholen kann, da ich es echt brauche. Sonst lande ich bald selber im Krankenhaus.

Wir haben einen Sohn, der jetzt 35 Jahre alt ist. Am Anfang der Krankheit ist er sehr rüde mit mir umgegangen, weil er nicht verstanden hat, wie sehr ich leide. Er lebt 300 km von uns entfernt und daher bekam er nur am Wochenende mit, was bei uns Zuhause los ist. Er sagte immer: „Es ist doch nicht so schlimm.“

Jetzt war er im Urlaub bei uns und er ist echt verzweifelt und sagte nur: „Mutti, wie kannst du das nur aushalten?“ Und ich sage Ihm immer wieder – es ist nicht einfach – aber ich habe mal gesagt: „Wie in guten, so in schlechten Zeiten.“ Er ist mein Ehemann und er wird es auch bleiben. Man muss nur einen Weg finden, wie man jetzt zusammenleben kann und beide gut leben können.

Jeden Tag muss man lernen, ich versuche es jeden Tag aufs Neue.

Beate
Fünf Jahre danach

Es ist mittlerweile fünf Jahre her, als ich nach gefühlten 100 Jahren die endgültige Diagnose Morbus Parkinson bekam. Ich war so richtig froh und glücklich. Die meisten Personen in meinem Umfeld verstanden mich nicht. Wie konnte ich lachen und glücklich sein über eine Diagnose? Morbus Parkinson, eine unheilbare Nervenkrankheit. Diese Diagnose brachte mich in mein Leben zurück. Die Medikamente machten aus mir wieder einen Menschen. Ich wurde vom krummen schlurfenden, gesichtslosen Menschen mit leiser piepsiger Stimme und unleserlicher Schrift zu einem Menschen, der wieder am normalen Leben teilnehmen konnte und wollte. Dass sich mein Leben ändern würde, war mir klar. Dass es sich so radikal ändern würde, allerdings nicht. Nachdem ich die ersten Einheiten von meinen Parkinson-Medikamenten bekam, war es, als ob ich aus einem Dämmerschlaf aufgewacht wäre. Meine Augen gingen wie in Zeitlupe auf und ich nahm mein Umfeld wieder war. Es bekam alles wieder Farbe.

Ich wollte leben. Mein Leben, mein einziges Leben, was ich je haben werde, wollte ich wiederhaben. Nein – ich wollte es weiter (er)leben, die Jahre, die mir genommen wurden, durch falsche Diagnosen, bekam ich nicht wieder. Die Jahre waren vorbei, aber nicht vergessen. Zurückholen ging nicht und wollte ich es überhaupt? Nein. Meine Schwellenangst, so nannte ich es. Der Gang nach draußen war eine Überwindung, die ich Schritt für Schritt, tagein tagaus üben musste. Ich nahm Fahrstunden, um wieder die größte Unabhängigkeit, die der Mensch je hatte und immer noch hat, einen PKW zu lenken, nicht aufzugeben.

Aus mir wurde wieder eine selbstbewusste Frau (meine Einschätzung). Diese Zeit hat mich geprägt und den Menschen aus mir gemacht, der ich heute bin. Aber wer bin ich heute, fünf Jahre nach der Diagnose? Das Leben wird nicht einfacher. Die Dosierung wird erhöht, die Medikamente schon mal ausgetauscht. Weitere Diagnosen folgen. Trotz allem ist es für mich sehr wichtig, den Humor nicht zu verlieren. Auch wenn die Laune manchmal zu wünschen übriglässt. Ein falscher Ton angeschlagen wird. Und sich die sogenannten „guten Freunde“ verabschieden, weil man ja nicht mehr ist, was man ist, aber man einen doch gerne so hätte.

Verbiegen lassen möchte ich mich nicht, dazu bin ich zu steif (Parkihumor). Ich kann Vieles ändern, aber eins kann ich nicht, diese Krankheit verschweigen oder vergessen. Möchte ich auch nicht. „Mein Morbus Parkinson“ hat mir geholfen, weiter zu leben. Gute und auch beste Freunde zu finden. Über meinen Tellerrand hinaus zu schauen. Zu lernen, dass jeder „Parkinson“ anders ist. Ich lebe das Meine so: das, was gestern war, ist vorbei. Was morgen kommt, weiß ich nicht. Den Tag heute so zu leben, dass ich morgen sagen kann, der Tag gestern war schön. Mit Dingen zu hadern, die man nicht ändern kann, oder zu sagen, das Leben ist ein Kampf.

Sind Empfindungen, die einen schon mal streifen, aber nicht das Leben beherrschen sollten. Eine Frage werde ich nie beantwortet bekommen, was vielleicht auch ganz gut ist. Mein Vater starb vor 27 Jahren. Was hätte er gesagt, dass sein kleines „Zwiebelchen“ diese Krankheit hat. Ich fragte mal meine Mutter, sie sagte nur zwei Worte: „Ach Kind!“

Ich möchte kein Mitleid. Ich möchte nur eins, dass man akzeptiert wird mit Morbus Parkinson, den guten und den schlechten Tagen und Launen. Und dass man sagen kann wie einst ein Dichter: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.“

Bika
Wann und wie alles begann, das ist die große Frage

Ich denke, es muss vor ca. fünf Jahren gewesen sein, vielleicht auch schon länger, als der Mr. Parkinson zum ersten Mal um die Ecke lugte.

Ich hatte Schmerzen in den Oberschenkeln und meine Beine bewegten sich nicht so flott, wie ich es wollte. „Müdigkeit und man wird ja älter“, war damals gerade sechzig, habe ich nicht akzeptiert.

Meine rechte Hand zitterte manchmal, ach, mal 'ne Unterzuckerung, hörte ja auch wieder auf. Meine leichte Depression wurde mittelschwer. Ich hatte ständig irgendwelche Schmerzen. Es folgten psychosomatische Rehamaßnahmen, Psychotherapie und Physiotherapie und kurzzeitige Besserung. Ab und an stolperte ich auch mal und das Absteigen vom Fahrrad musste durch vorheriges Anhalten geschehen. In der letzten Reha wollte ich wortwörtlich mit dem Kopf durch die Wand. Beim Sport musste ich ja unbedingt, sportlich wie ich immer war, den Ball bekommen und lief ungebremst (war nicht möglich) mit dem Kopf gegen die Wand. Tatütata, ins Krankenhaus, Nase nähen und zurück. Zum Glück nichts gebrochen. Ein paar Tage später war es mir nicht möglich, aus dem Drachenboot zu klettern. „Sie müssen mal einen Gang zurückschalten, Sie werden älter“. Grrr!!

Wieder zu Hause, war mein erster Weg zum Neurologen, der schickte mich zum MRT. Ohne Befund, alles in Ordnung. Muss wirklich am Älterwerden liegen, alles etwas langsamer, Schmerztabletten und Antidepressiva.

Die Zitterpartie ging weiter, breitete sich auf Beine und Kiefer aus. Daraufhin musste ich zum DAT-Scan in die Uniklinik. Der Befund war, man kann es sich schon denken, Morbus Parkinson.

Es befiel mich eine richtige Fröhlichkeit, endlich wusste ich, was mit mir los ist. Ein Medikament und gut ist… Denkste! Das ist jetzt ca. eineinhalb Jahre her und ich habe die Krankheit immer noch nicht akzeptiert.

So hat alles begonnen.

Mein Tagesablauf

Er beginnt mit einem Tabletten-Cocktail, der mich auch weiterhin durch den Tag begleitet. Ab ins Bad und Zähne putzen auf einem Bein (fürs Gleichgewicht).

Dann je nachdem was anliegt, Ärzte, Therapien, Einkaufen, Enkel besuchen, mit Muttern einkaufen, Wohnung in Ordnung bringen, um’s Gärtchen kümmern, Radfahren und vieles mehr.

Das alles, wenn es mir gut geht. Es gibt aber oft Tage, da habe ich Schmerzen und Schwindel oder ich bin sehr müde und erschöpft.

Mein Parkinson gehört mir, nur mir, könnte gut darauf verzichten. MP ist bei jedem anders. Mit meinem muss ICH mich arrangieren, ob ich will oder nicht. Als positiver Mensch horche ich jeden Tag in mich hinein, was mein Körper gerade an diesem Tag braucht. Ich versuche, nicht wütend zu sein, wenn er rebelliert und ich freue mich, wenn er sanft mit mir umgeht.

In diesem Sinne, kein Tag ist wie der andere!

Zurück im Leben!

Ja, wie ging es weiter nach meiner jahrelangen Odyssee und der MP Diagnose vor etwa eineinhalb Jahren?

Dieser kleine Zwerg, der gigantische Größe erreichen konnte, hatte sich fest eingenistet. Ich bekam zunächst einen Agonisten, der gegen ihn antreten sollte.

OK, der Tremor reduzierte sich und tritt heute nur noch bei Erschöpfung und Aufregung auf. Meine Beine jedoch blieben sehr schwer und manchmal hatte ich das Gefühl, es würde gleich gar nichts mehr weitergehen. Ich gab mit meinem Kopf den Befehl an meine Beine, aber es kam nicht an, Befehlsverweigerung. Dieser Zustand und dass ich Tag und Nacht essen wollte, was durch das Medikament verursacht wurde, stürzte mich mal wieder in eine Depression. Nicht die Freunde zogen sich zurück, nein, ich wollte mit meinem gigantischen Zwerg alleine sein.

Zum Glück gab es Mitstreiter, so wurde ich darauf aufmerksam, dass L-Dopa bei uns Parkis für Fitness sorgt.

Mein Neurologe fand das noch nicht angebracht, er wüsste nicht, wie er mich dann in zehn Jahren behandeln sollte, weil es bei der Behandlung mit L-Dopa ein Limit gibt.

Nun, erst mal weiß niemand, was in zehn Jahren ist und außerdem möchte ich jetzt ein wenig mehr Lebensqualität. So verhandelten wir und einigten uns auf die geringste Dosierung.

Gespannt lauschte ich, was mein kleiner Zwerg davon hielt. Schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass sich das Blatt gedreht hatte, er wurde ein wenig müder und ich wesentlich agiler. Schnell gehen kann ich immer noch nicht, aber länger zumindest und ich habe wieder mehr Elan. Habe beim Tanzcafé Tango getanzt und werkele in meinem Gärtchen oder tolle mit meinem kleinen Enkel.

Dazu schaffe ich es noch, ein wenig zu arbeiten und viele Sachen nebenbei zu erledigen, nur alles etwas langsamer. Ein altes oder defektes Automobil kann auch keine 200 mehr fahren, man soll es hegen und pflegen. Genau so gehe ich jetzt mit mir um, umsichtig und verständnisvoll. Ich bin leider allein, aber mein Freundeskreis steht zu mir und sieht es genauso, kein Mitleid, neue Ideen und Verständnis.

Ich helfe meinem Körper und Geist durch Kunsttherapie, Achtsamkeitstraining, Bewegungsbad und einiges mehr. Das drängt auch meinen kleinen, hässlichen Zwerg, den Parkinson in die Defensive. So sieht es aus, 20 Monate nach der Diagnose, somit nach circa sieben Jahren MP. Ich hoffe, ihn noch lange im Zaum halten zu können und vertraue auf die Wissenschaft.