Die Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten

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1.6Inhaltlicher Aufbau der Arbeit (Disposition)

Eine grundlegende inhaltliche Gliederung (Disposition) macht das Konzept der Arbeit sichtbar und stellt sich in der Regel als ein Inhaltsverzeichnis mit Stichworten dar. Die Disposition soll bereits die Forschungsfrage enthalten und zeigt anhand der geplanten Kapitel einen „roten Faden“ zur Beantwortung dieser Forschungsfrage.

Folgende inhaltliche Bausteine hat eine wissenschaftliche Arbeit zu enthalten:16

1.Einleitung

2.Hauptteil

3.Schluss (Fazit)

1.6.1 Einleitung

Die Einleitung fungiert als Einführung in das Thema, Rechtfertigung der Themenstellung sowie der Forschungsfrage und soll den Bezug zur aktuellen Diskussion herstellen. Die Einleitung umfasst drei Aspekte:

1.Relevanz: Warum ist das Thema überhaupt wichtig?

2.Forschungsfrage: Welche Frage(n) will die Arbeit beantworten?

3.Vorgangsweise: Wie gehe ich beim Bearbeiten und Beantworten der Frage(n) vor?

1.6.2Hauptteil

Das Thema soll im Kontext der wissenschaftlichen Diskussion stehen. Hierzu erfolgen zunächst ein Überblick über die unterschiedlichen theoretischen Definitionen und Ansätze zum jeweiligen Thema und eine Abgrenzung zu anderen verwandten Themen und Begriffen.

Es ist zweckmäßig, zuerst die Hauptpunkte der Arbeit (Probleme, Fragen, Theorien etc.) klar darzustellen und dann die jeweiligen Unterpunkte zu formulieren. Hierbei soll bereits jetzt der „rote Faden“ erkennbar sein. Der umgekehrte Weg (vom Speziellen zum Allgemeinen) ist weniger empfehlenswert, weil sich so Überschneidungen und Unklarheiten schwer vermeiden lassen.

Auch die Unterkapitel werden in Einleitung, Hauptteil und Schluss gegliedert. In jedem Kapitel soll eine kurze Einleitung die Leser*innen[31] vorbereiten, was sie inhaltlich erwartet, und nach dem Hauptteil soll ein Schlusskapitel die Ergebnisse zusammenfassen. Das ist nicht nur für die übersichtliche Bearbeitung des Themas, sondern auch besonders bei der ersten Begutachtung durch die Betreuungsperson von entscheidender Bedeutung (siehe Kap. 1.10).

1.6.3Schluss (Fazit)

Den Abschluss der Arbeit bildet die Zusammenfassung der wesentlichen

Ergebnisse, die folgende drei Punkte beinhaltet:

1.Beantwortung der Forschungsfrage, die Sie in der Einleitung aufgeworfen haben.

2.Sinnstiftung der Arbeit: Für welchen Zweck sollen die Ergebnisse verwendet werden?

3.Gegebenenfalls auch persönliche Bemerkungen und Bewertungen oder ein kurzer Ausblick.

1.6.4Abstract (Kurzfassung)

Ein Abstract ist eine Kurzfassung der Arbeit, die – je nach Vorgabe – auf 1-3 Seiten deren wichtigste Inhalte enthält. An international orientierten Instituten ist darüber hinaus die Abfassung des Abstracts in englischer Sprache üblich. Das Abstract ist streng genommen kein Teil des inhaltlichen, sondern des formalen Aufbaus, weil keine neuen Inhalte oder gar Erkenntnisse präsentiert werden, sondern eine Kurzfassung von Einleitung, Hauptteil und Schluss.


Der oder das Abstract ist von der inhaltlichen Zusammenfassung im Schlusskapitel streng zu unterscheiden und wird erst nach dem Fertigstellen der Abschlussarbeit geschrieben. Anders als die Zusammenfassung folgt das Abstract als normierte Kurzfassung einer eigenen, meist vorgegebenen Logik im Textaufbau.

1.7Literaturarbeit vs. Empiriearbeit

Es hängt von Fachbereich, Themenstellung und von der Forschungsfrage ab, womit Sie Ihre Aussagen und Schlüsse rechtfertigen und ob Sie dafür (ausschließlich) auf wissenschaftliche Literatur (Belege) zurückgreifen oder (auch) empirische Untersuchungen (Beweise) durchführen.[32]

Ein Beispiel für eine „Literaturarbeit“ wäre eine Dissertation über die Historie und den aktuellen Stand der „Einteilung der Wissenschaften“.

Eine wissenschaftliche Arbeit im Fachbereich Biologie wird sehr wahrscheinlich Beobachtungen beinhalten, im Fachbereich der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften werden häufig Befragungen oder Interviews durchgeführt.

So oder so ist es in jeder wissenschaftlichen Arbeit wesentlich, den aktuellen Stand der Forschung/der Theorie zu rekonstruieren und zu diskutieren.

Zum besseren Überblick dient die nun folgende Tabelle (Abbildung 4), bei der wir drei Aspekte der wissenschaftlichen Forschung mit einbeziehen.17 Maßgeblich sind hier:

•Der Entdeckungszusammenhang: Warum ist dieses Problem so relevant, dass es erforscht werden soll? Was ist die Motivation der Forscherin, gegebenenfalls was sind die Interessen der Auftraggeber*innen?

Der Entdeckungszusammenhang wird in der Einleitung Platz finden. Sie begründen Ihr Interesse und die Relevanz, warum die aufgestellte Forschungsfrage auch tatsächlich beantwortet werden soll.

•Der Begründungszusammenhang: Welche Theorien können angewendet werden und welche Informationen werden zur Beantwortung der Forschungsfrage benötigt?

Der Begründungszusammenhang beschreibt im Hauptteil anhand der Einordnung der Forschungsfrage in die Theorie und der Bezugnahme auf die aktuelle Diskussion, wie Sie die Aufgabenstellung Schritt für Schritt deskriptiv bzw. praktisch abarbeiten. Sollten Sie empirische Untersuchungen durchführen, so werden Sie die Vorgangsweise an dieser Stelle näher und detaillierter beschreiben als etwa in der Einleitung.

•Der Verwertungszusammenhang: Für welchen Zweck sollen die Ergebnisse verwendet werden?[33]

Der Verwertungszusammenhang dient im Schluss- bzw. Folgerungsteil der Sinnstiftung der Ergebnisse und Erkenntnisse.


Abbildung 4: Theoriearbeit versus Praxisarbeit[34]

Prinzipiell können Sie also Forschungsfragen für ein theoretisches oder praktisches Problem formulieren. Bei theoretischen Forschungsfragen wird eine Grundlagenarbeit aus der Literatur ausreichend sein, bei praktischen Fragestellungen wird ein entsprechender Empirieteil sinnvoll sein. Gerade bei Bachelor- und (theoretisch fundierter) bei Masterarbeiten bietet sich die funktionale Analogie als eine mögliche Methodenform an: Wenden Sie dabei bekannte theoretische Ansätze, Modelle oder Mechanismen in bzw. an einem speziellen und konkreten Fall an.

Das könnte beispielhaft ein regionales Tourismuskonzept sein, das Sie auf einen konkreten Fremdenverkehrsbetrieb umlegen und untersuchen.

1.8Planung und Umsetzung

Die Bearbeitungszeit wissenschaftlicher Abschlussarbeiten beträgt etwa zwei Wochen für eine Hausarbeit, zwei Monate für eine Bachelorarbeit, vier Monate für eine Masterarbeit, sechs Monate für eine Magisterarbeit und darüber hinaus für eine Doktorarbeit.

Eine Ausnahme bildet hier die Vorwissenschaftliche Arbeit in Österreich: Schon im vorletzten Unterrichtsjahr muss die Themenstellung eingereicht werden und die Endfassung muss spätestens in der ersten Woche des zweiten Semesters des letzten Unterrichtsjahrs vorliegen.18 Für die Facharbeit in Deutschland gelten je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen.19

1.8.1Zeiteinteilung

Egal wie viel Zeit Sie sich letztendlich für Ihre wissenschaftliche Arbeit nehmen (können), wir empfehlen Ihnen, nach der Vorbereitungsphase (Themenfindung, Gewinnen einer Betreuungsperson, Literaturüberblick, Formulierung der Forschungsfrage etc.) jeweils 20 % für die Erkundungs- und Strukturierungsphase (Literaturrecherche und -studium, Konzeption, inhaltlicher Aufbau) sowie jeweils 30 % für Schreib- sowie Reflexionsphasen anzuberaumen.[35]


Unterschätzen Sie bei Ihrer Zeiteinteilung bitte nicht die Reflexionsphase. Korrekturlesen, Fehlerkorrektur, Überdenken, Überarbeiten und eventuell partielles Umgestalten der Arbeit sowie Layoutieren der Endfassung nehmen erfahrungsgemäß einen beträchtlichen Anteil Ihrer zeitlichen Ressourcen in Anspruch.


Abbildung 5: Die Phasen einer wissenschaftlichen Arbeit 20

1.8.2Arbeitstagebuch

Zur Dokumentation Ihres Arbeitsfortschrittes und zur Motivation kann ein Arbeitstagebuch nützliche Dienste leisten.21

Es hilft, den aktuellen Arbeitsprozess zu reflektieren, und dient auch als Erinnerungsblock. Am Ende einer Arbeitssitzung können hier z. B. folgende Fragen beantwortet werden:

•Welche Quellen habe ich gesucht, gefunden, gegliedert?

•Was habe ich heute gelesen, worüber habe ich nachgedacht?

 

•Was habe ich verworfen oder eingegrenzt?

•Welche Ideen scheinen beachtenswert?

•Wo habe ich Schwierigkeiten, wer kann mir dabei helfen?

•Was sind meine nächsten Schritte?

•…[36]

Sollte Ihnen ein „Tagebuch“ zu aufwendig erscheinen oder nicht Ihrem persönlichen Arbeitsstil entsprechen, kann auch eine Art Gedanken-Block hilfreich sein. Notieren Sie – am besten handschriftlich – Gedanken und Schlüsse, haken Sie erledigte Punkte ab und ziehen Sie grafische Querverweise. Eine gern verwendete Methode sind mind-maps.

Es kommt beim Schreiben viele Male vor, dass ein „plötzlicher“ oder „unvermuteter“ Gedanke Sie kurz innehalten lässt, weil er nicht direkt zum aktuellen Absatz passt, aber anderswo relevant und passend sein kann. Aber bevor Sie damit ein neues Kapitel beginnen oder in der Arbeit springen, schreiben Sie diesen Gedanken vorerst einmal separat auf Ihrem Gedanken-Block auf und wenden Sie sich wieder dem aktuellen Absatz zu. Ständig hin und her zu springen ist zwar eine Art „multitasking“, aber es ist zielführender, die Konzentration auf einem aktuellen „task“ zu belassen und diesen fertig zu formulieren, bevor Sie sich einem neuen „task“ zuwenden und Ihre Konzentration darauf richten.

1.8.3Was bedeutet „Eigenständigkeit“?

Bei einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit wird von Ihnen verlangt, eigenständig zu arbeiten. Das bedeutet zuallererst, dass Sie die Arbeit selbst, also eigenständig, verfassen.

Der Anspruch an Sie, in der wissenschaftlichen Arbeit eine eigenständige geistige Leistung abzubilden, ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass Sie in völliger Einsamkeit arbeiten sollen.

Eigenständigkeit bedeutet nicht, so zu tun, als wäre man immer „selbst darauf gekommen“. Im Gegenteil! Es ist bei wissenschaftlicher Sorgfalt sogar eine Pflicht, anerkannte Theorien und Meinungen zu zitieren.

Wissenschaftlich Schreiben ist ein Dialog mit sich selbst. Es geht dabei jedoch nicht darum, das „einzig Richtige“ zweifelsfrei darzustellen und zu argumentieren, sondern durchaus Pro und Contra sowie auch Widersprüche zu diskutieren. Eine Ausnahme bilden hier die Formal- oder auch die Naturwissenschaften (siehe Kap. 1.5). In den Bereichen der Mathematik oder der Genetik ist es möglich, innerhalb festgelegter Parameter zweifelsfrei richtige Lösungen zu präsentieren. Was in der Mathematik „eine Regel“ ist, mutiert in den Sozialwissenschaften gerne zu „in der Regel“.22[37]

Wissenschaftliches Argumentieren bedeutet, seine Aussagen bzw. den Zusammenhang einer getätigten Aussage auch entsprechend durch Belege und Zitate anderer Autor*innen abzusichern und zumindest deren Meinung dazu abzubilden.23 Es geht darum, das Wissen anderer Autor*innen in seine eigene Arbeit einzubeziehen, entweder als Beleg oder passend für den Zusammenhang oder eben auch im Widerspruch.

1.8.4Was tun bei Schreibblockaden?

Was die emotionale Komponente des eigenständigen Arbeitsprozesses betrifft, so werden auch Ausdauer, Konsequenz und Geduld auf die Probe gestellt. Wenn Ihnen einmal alles zu viel wird, dann gönnen Sie sich eine Pause und gehen Sie zurück zur Forschungsfrage. Ob Sie thematisch am richtigen Weg sind, können Sie am besten dadurch überprüfen, ob das, was Sie gerade tun, zur Beantwortung dieser Frage beiträgt.

Das Schreiben und das wiederkehrende Lesen der Literatur wird Sie zu Erkenntnissen führen, die Sie vor dem Schreiben noch nicht hatten bzw. nicht haben konnten. Folgen Sie also beim Schreiben Ihrem Konzept (Theorie, Forschungsfragen) und folgen Sie dann aber auch beim Lesen und Schreiben neuen Aspekten, die Sie gegebenenfalls in Ihr Konzept aufnehmen oder (begründet) verwerfen.


Eine gute Methode zur Auflösung von Schreib- oder Denkblockaden sind Gespräche; und zwar weniger therapeutische, sondern inhaltliche. Erzählen Sie einer guten Freundin oder Studienkolleg*innen, was Sie vorhaben, worum es in Ihrer Arbeit geht, was Sie herausfinden wollen und wie Sie bereits Gelesenes oder Überlegtes analysieren und argumentieren. Lassen Sie es dabei bewusst zu, dass Sie vom Gegenüber dazu inhaltlich befragt werden, und stellen Sie fest, ob Ihre Ausführungen auf Interesse bzw. Verständnis stoßen. Sie werden sehen, dass das sehr hilfreich sein kann.[38]

1.9Stil der Arbeit

Man kann durchaus flüssig und auch pointiert formulieren, ohne dabei umgangssprachliche Wendungen oder einen allzu saloppen Ton zu gebrauchen. Abgesehen von Irritationen, die ein nicht wissenschaftlicher und inadäquater Stil beim Lesen hervorruft, erwecken plump gewählte Ausdrücke und Formulierungen bei Betreuungspersonen eher den Eindruck, Sie hätten Sachlichkeit und wissenschaftlichen Ernst vermissen lassen. Eines hat jedenfalls – auch wenn es manchmal verlockend scheint – keinen Platz: Ironie. Ein Smiley mit einem Augenzwinkern ;-) ist zwar aus unserem Alltag mit E-Mail, WhatsApp und Co. nicht mehr wegzudenken, in einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit jedoch fehl am Platz.

1.9.1Thesaurus

Seien Sie sich dessen bewusst, dass in der Regel die erste sprachliche Formulierung das Gedachte nicht in idealer Form verbalisiert. Erst durch mehrfache Überarbeitungen und Ergänzungen wird der Stil Ihrer Arbeit einem wissenschaftlichen Niveau gerecht werden.


Nützliche Dienste kann Ihnen dabei der in den meisten Textverarbeitungsprogrammen enthaltene „Thesaurus“ leisten. Wenn Sie den Thesaurus aufrufen, schlägt Ihnen das Programm zu den von Ihnen eingegebenen Wörtern entsprechende verwandte Begriffe vor. Damit vermeiden Sie die überbordende Verwendung derselben Begriffe.

So liefert Ihnen etwa der Thesaurus im Textverarbeitungsprogramm Word für Windows (aufrufbar über das Menü „Überprüfen“) für den Begriff „Anerkennung“ mehrere bedeutungsverwandte Begriffe, also Synonyme, wie etwa Bestätigung, Ansehen, Anklang, Respekt, Wertschätzung, Würdigung, Zustimmung, Erkenntlichkeit etc. Darüber hinaus werden auch die entsprechenden Antonyme wie etwa Ablehnung, Beanstandung, Beschwerde, Geringschätzung, Kritik, Missachtung etc. angezeigt.

1.9.2Stilmittel

In wissenschaftlichen Arbeiten sind alltagssprachliche Redewendungen oder Stilmittel zu vermeiden. Welche Stilmittel Sie in Ihrer Arbeit besser nicht verwenden, beschreibt unter anderen Theisen anschaulich:24[39]


Aspekt Vermeiden Sie …
Unseriöse Wendungen •„Es kann gezeigt werden, dass …“. « •„so sagt man“ •„Es ist wohl logisch, dass“ •„Da leuchtet es selbstverständlich ein, dass …“
Superlative, die den Leser*innen den Eindruck vermitteln sollen, man hätte gerade etwas unglaublich Bedeutsames herausgefunden •„Das sind deutlichste Indikatoren dafür.“ •„Ein unglaublich falscher Ansatz.“ •„Das ist sicher die optimalste Alternative.“ •„Was sich somit als einzig richtiges Modell herausstellt.“
Künstliche Überhöhungen •„enorm“ •„erheblich“ •„immens“
Abwertende Adverbien, die den dahinter stehenden Satz als gerade noch erwähnenswert und damit unwichtig erscheinen lassen •„übrigens“ •„irgendwie“ •„eigentlich“
Gedankenlücken •„Nun, dann widmen wir uns dem nächsten Aspekt.“
Alltagssprachliche Füllwörter •„natürlich“ •„selbstverständlich“ •„an und für sich“ •„gewissermaßen“ •„sozusagen“

Abbildung 6: Stil der Arbeit

Selbiges gilt für den überbordenden Einsatz des Wortes „soll“.

•Also nicht: „Im nächsten Kapitel soll untersucht werden, ob“, sondern: „Im nächsten Kapitel wird untersucht, ob …“

Achten Sie auf ein ausgewogenes Verhältnis von positiven und negativen Aussagen. Auch wenn es gegebenenfalls interessant ist, warum etwas nicht funktioniert, so stehen Aussagen, die erklären, warum etwas so ist, wie es ist, aus wissenschaftlicher Sicht im Fokus.[40]

1.9.3Der „Ich-Bezug“

Die Verwendung des Ich-Bezugs wird in der Lehre kontroversiell diskutiert. Während einige Lehrende die Verwendung „erlauben“, sehen andere die Verwendung eines Ich-Bezugs als Tabubruch an.

Wir – die Autoren – sind hier der Auffassung, dass es durchaus auf den wissenschaftlichen Kontext ankommt. „Kritischere“ Einlassungen wie z. B. Cultural Studies, Gender Studies, Postcolonial Studies oder aber auch normative Diskurse (z. B. der Wirtschafts- und Medienethik) haben mehr Raum für derlei Aussagen.

Ganz prinzipiell haben unseres Erachtens Werturteile von Autor*innen in der eigenen Arbeit Platz, sofern diese auch als solche transparent gemacht werden. Das gelingt mit Formulierungen, die explizit auf Ihre Meinung verweisen, wie:

•„Meines Erachtens…“

Persönliche Bemerkungen oder Bewertungen haben jedenfalls im Schlussteil der Arbeit Platz. Bei der Beantwortung der Forschungsfrage können Sie durchaus Ihre Meinung dokumentieren. Jedoch ist es auch hier nötig, Ihre Meinung unmissverständlich und in Abgrenzung zu den Ergebnissen des wissenschaftlichen objektiven Forschungsprozesses als solche kenntlich zu machen. Jedenfalls zu vermeiden sind jedoch Formulierungen wie:

•„Ich komme zu dem Schluss, dass …“

Stanley Maloy, Professor an der University of California, schreibt in seinen „Guidelines for Writing a Scientific Paper“:25

“Third vs first person. It is OK to use first person in scientific writing, but it should be used sparingly – reserve the use of first person for things that you want to emphasize that „you“ uniquely did (i.e. not things that many others have done as well). Most text should be written in the third person to avoid sounding like an autobiographical account penned by a narcissistic author.”[41]


Häufig sind Arbeiten mit dass-Sätzen überfrachtet. Dies können Sie vermeiden, indem Sie in „dass-Konstruktionen“ den einleitenden Satzteil auf ein einziges Wort reduzieren. Also statt „Es ist bekannt, dass Bienen zu den Blumen fliegen …“ schreiben Sie besser: „Bekanntlich fliegen Bienen …“ oder statt „Es ist offensichtlich, dass …“ schreiben Sie: „Offensichtlich haben …“.

1.9.4Gender-Mainstreaming

Die Frage der Verwendung geschlechtsneutraler Formulierungen in wissenschaftlichen Texten polarisiert. Wir geben Ihnen hier einige Hinweise, wie Sie Rücksicht auf eine geschlechtergerechte(re) Sprachverwendung nehmen können und trotzdem den Lesefluss nicht beeinträchtigen.26

Sofern Sie diese Strategie ernsthaft verfolgen, können Sie statt des (oft schon obligaten) Hinweises am Beginn einer wissenschaftlichen Arbeit: „Auf geschlechtsneutrale Formulierungen wurde aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet. Im Text sind immer beiderlei Geschlechter gemeint.“ mit gutem Gewissen – so oder so ähnlich – formulieren: „In dieser Arbeit wurde (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) auf möglichst geschlechtsneutrale Formulierungen geachtet.“

 

Zur Umsetzung haben Sie zwei Möglichkeiten: Sichtbarmachen des Geschlechts oder Neutralisieren des Geschlechts.

Grundsätzlich sind Methoden des Sichtbarmachens zu bevorzugen, weil sie eindeutig das natürliche Geschlecht benennen. Bei umfangreichen Texten können ergänzend dazu Methoden des Neutralisierens eingesetzt werden. Wir – die Autoren – verwenden vornehmlich die Methode des Gender Gap, die mittels Sternchen weitere Geschlechter neben Frau und Mann sichtbar werden lässt, und greifen ansonsten auf die weibliche Form zurück, wobei Männer natürlich immer mitgemeint sind.

Vermeiden Sie das Binnen-I („der/die TeilnehmerIn, TeilnehmerInnen“). Es ist zwar die „einfachste“ und platzsparendste Form geschlechtergerechter Formulierung, allerdings werden ohnehin schon lange Wörter durch das Binnen-I noch länger und damit schwerer lesbar. Zum Teil entstehen[42] bei ungeübten Autor*innen grammatikalisch falsche oder nicht existente Worte („die/der ÄrztIn“).

Auch nicht ratsam sind Erweiterungen, die auf Artikel, Pronomen oder unbestimmte Zahlwörter angewendet werden („jedeR TeilnehmerIn“).

Bei wissenschaftlichen Arbeiten ist es besser, sich im Plural für die Paarform zu entscheiden („Teilnehmerinnen und Teilnehmer“) und diese mit neutralen Formen („Teilnehmende“) zu kombinieren.27

In der folgenden Übersicht finden Sie noch einige Hinweise und Beispiele für die Praxis:


statt … können Sie schreiben …
Verwendung geschlechtsneutraler Bezeichnungen im Plural:
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bedienstete, Arbeitskräfte, Team, Belegschaft
Teilnehmerinnen und Teilnehmer Teilnehmende
Lehrerin (Lehrerinnen) Lehrende, Lehrperson(en)
VorgesetzteR Führungskraft
Anstatt sich auf konkrete Personen zu beziehen, wird deren Funktion, Amt oder Gruppenzugehörigkeit benannt:
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts das Projektteam
die Referatsleiterin/der Referatsleiter die Referatsleitung
Kreative Formulierungen:
Zugang für Rollstuhlfahrerinnen rollstuhlgerechter Zugang
Teilnehmerinnenliste Teilnahmeliste
Praktikantlnnenstelle Praktikumsstelle
Rat der Ärztin/des Arztes ärztlicher Rat
Passivformen:
Die AbsolventInnen erhalten nach dem Kurs eine Bestätigung. Nach Absolvierung des Kurses wird eine Bestätigung ausgestellt.
Die Teilnehmerinnen der Sitzung haben eine To-do-Liste erstellt. in der Sitzung wurde eine To-do-Liste erstellt.[43]
Sichtbarmachen des Geschlechts im Plural (bei Wörtern, wo weder im Singular noch im Plural erkennbar ist, ob es sich dabei um weibliche oder männliche Personen handelt):
die Befragten/die Mitglieder die weiblichen Befragten/Mitglieder bzw. die männlichen Befragten/ Mitglieder

Abbildung 7: Geschlechtergerechte Formulierungen

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