Kosmos - Quanten - Zeitreise.

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Kosmos - Quanten - Zeitreise.
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Vorbemerkung

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ob im riesigen Kosmos oder der winzigen Quantenwelt - die Natur hält spannende Phänomene bereit, von denen die Forscher selbst vor zehn Jahren nichts ahnten. Mein Physikdiplom ist nun zwanzig Jahre alt, und es überrascht mich immer wieder, wieviel sich in dieser doch recht kurzen Zeit in der Wissenschaft getan hat.

Für mich selbst und für die Leser von Telepolis beschreibe ich regelmäßig in hoffentlich verständlichen Ton, was ich in der neuesten Fachliteratur finde. Ich lade sie hiermit auf eine Reise zu faszinierenden Entdeckungen ein, die in aktuellen Schulbüchern noch keinen Platz fanden. Ich hoffe, sie haben dabei ebensoviel Spaß wie ich beim Schreiben.

Einladung zur Wissensreise: Bitte studieren Sie dieses Buch nicht stur von vorn nach hinten. Werfen Sie einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis, springen Sie zu den Texten, die Sie interessieren. Benutzen Sie die Referenzlinks, lassen Sie sich ablenken. Treiben Sie, wohin Sie wollen - Neues zu lernen, soll bitte keine Arbeit sein. Wir treffen uns bestimmt irgendwann wieder.

Matthias Gräbner

1. Die Form des Elektrons

Hat das Elektron Dellen in seiner Gestalt? Die Antwort könnte die Struktur des Universums bestimmen.

Es hätte so schön einfach sein können: Das Elektron ist auf den ersten Blick eins der letzten echten Elementarteilchen, wie es von den Physikern im vergangenen Jahrtausend gesucht wurde. Es zerfällt nicht, besitzt keine innere Struktur und ist gar so klein, dass es mit Fug und Recht als Punkt behandelt werden kann. Doch wie so oft, steckt der Teufel im Detail. Denn welcher Punkt kann schon eine Ausrichtung für sich beanspruchen, mit der er in eine beliebige Raum-Richtung zeigen kann? So lässt sich jedenfalls der Spin (1/2) des Elektrons interpretieren. Aus den Wechselwirkungen des Teilchens mit anderer Materie ergibt sich zudem, dass das Elektron durchaus eine Gestalt haben muss, die von asphärischer Natur ist: rotationssymmetrisch, wobei die Form nicht Ausschnitt einer Kugeloberfläche ist.

Diese Gestalt, so die Theorie, hat eventuell ein paar Dellen. Und zwar genau dann, wenn das Elektron ein elektrisches Dipolmoment besitzt. Die Existenz seines magnetischen Dipolmoments ist unbestritten: Mit Hilfe eines Magnetfelds kann man Elektronen deshalb in Bewegung setzen. Aber kann auch ein elektrisches Feld ein Elektron in Rotation versetzen? Die Frage scheint irrelevant, wo doch der Elementarladungsträger so winzig ist. Die Antwort entscheidet aber so ganz nebenbei, welche Struktur das Universum hat.

Die Astrophysiker wären vermutlich froh, wenn sich tatsächlich ein elektrisches Dipolmoment fände. Denn es würde zum Beispiel erklären, warum das Universum so aufgebaut ist, wie wir es tagtäglich beobachten: Aus jeder Menge Materie und verschwindend wenig Antimaterie. Diese Asymmetrie passt nicht ins System, es gibt nichts, was gewöhnliche Materie vor Antimaterie auszeichnet. Wären allerdings all die Teilchen, die wir kennen, nur ein Teil einer viel größeren Gesamtheit, könnten sich neue Erklärungen für das Ungleichgewicht ergeben. Diese Teilchen, so vermutet man, warten im unendlichen Pool des Kosmos auf ihre Existenz. Sie tauchen auf und verschwinden wieder, ohne dass wir genug Zeit haben, sie zu beobachten. Da diese virtuellen Teichen, so die Idee, sehr massereich sind, genügen unsere Teilchenbeschleuniger bei weitem nicht, um in ihre Bereiche vorzustoßen.

Hier kommen die Elektronen ins Spiel. Die virtuellen Teilchen können wir zwar nicht direkt beobachten, wohl aber ihre Wechselwirkungen. Bei den Elektronen müssten sich diese Wechselwirkungen in der Existenz des elektrischen Dipolmoments äußern. Die virtuellen (und hypothetischen) Teilchen verleihen den Elektronen ihr Dipolmoment. Könnte man zeigen, dass es Realität ist, hätte man einen Beweis auch für den Rest der Theorie. Den großen Rest der Physikergemeinde würde eine solche Entdeckung aber in Probleme stürzen. Denn mit dem gegenwärtigen Standardmodell der Physik ist sie nicht kompatibel, wir bräuchten eine neue Physik.

Wie es aussieht, können die Physiker aber erst einmal aufatmen. Ein britisches Forscherteam berichtet im Wissenschaftsmagazin Nature, dass das elektrische Dipolmoment zumindest kleiner sein muss, als man erhofft hatte. Dieser Nachweis war gar nicht so trivial. Denn um eine sehr schwache Wirkung eines elektrischen Felds auf ein Elektron zu testen, müsste man das Teilchen einem möglichst starken Feld aussetzen. Die Wirkung eines elektrischen Felds auf ein Elektron ist allerdings bekannt: Die Teilchen flitzen, wie der US-Physiker Aaron Leanhardt in einem begleitenden Kommentar in Nature schreibt, wie von Sinnen auf die nächstbeste Wand zu. Ein Effekt, der sich sehr schön zur Erzeugung von Röntgenstrahlung nutzen lässt, aber beim Experimentieren sehr hinderlich ist. Um ihre Testobjekte festzuhalten, nutzen die britischen Forscher deshalb die Tatsache, dass sie in Atomen und besonders Molekülen relativ stabile Orbitale einnehmen. Äußere elektrische Felder polarisieren Atome oder Moleküle zunächst. Im konkreten Fall kam Ytterbium-Fluorid zum Einsatz (YbF). Im Vergleich zu früheren Experimenten gelang es den Forschern damit, die Nachweisgrenze für das elektrische Dipolmoment um den Faktor 1,5 zu verringern. Es ergibt sich ein Maximalwert von 10,5 x 10(-28)*e Zentimetern (e = Elementarladung) - das sind 16 Größenordnungen weniger als beim magnetischen Dipolmoment. Die Forscher rechnen allerdings damit, dass mit diesem Experiment-Design noch eine Verbesserung um einen Faktor von bis zu 100 möglich ist. Insofern ist die Entwarnung für die heutige Physik womöglich nur temporär.

2. „Lonely Planets“

Astronomen entdecken eine neue Art von Planeten: Einsame Wanderer, die fernab von jeder Sonne ihre Bahn ziehen. Es scheint sogar, als gäbe es von dieser Sorte eine ganze Menge.

Dass Himmelsforscher neue Planeten ausfindig machen, ist fast schon alltäglich geworden. Seit 1995 hat man über 500 Exoplaneten gefunden. In dem Maße, wie die Suchmethoden von Jahr zu Jahr verfeinert wurden, ist auch die Nachweisgrenze gesunken: Heute ist man längst auf der Jagd nach möglichst erdähnlichen Himmelkörpern, die Modell für das Sonnensystem stehen könnten. Dabei kann man sich sehr selten auf die Direktbeobachtung verlassen. Bei der Suche kommt deshalb eine Auswahl verschiedenster Technologien zum Einsatz, die jeweils auf eine bestimmte Eigenschaft des Objekts und seines Sternsystems abzielen.

Da gibt es zunächst die so genannte Radialgeschwindigkeitsmethode. Sie beruht auf der Tatsache, dass selbst ein recht kleines Objekt - der Planet - über seine Gravitation auf seinen riesigen Nachbarn - den Stern - wirkt. Es genügt, das größere Objekt zu beobachten, um aus dessen Bahn-Verzerrung auf den kleinen Begleiter zu schließen. Die Wankel-Bahn erkennt man an einer Dopplerverschiebung des Sternen-Spektrums, die sich auch von der Erde aus detektieren lässt. Je ähnlicher sich beide Objekte, das sichtbare und das unsichtbare, sind, umso besser funktioniert diese Methode. Bei kleinen Sternen (dazu gehört auch die Sonne) findet man so auch erdähnliche Planeten.

Die Transitmethode, der man derzeit die besten Chancen zur Entdeckung wirklich kleiner Planeten zutraut, beruht auf einem Prinzip, das Menschen schon seit Jahrmillionen am Himmel beobachten können: Der Abdunkelung eines Objekts durch ein anderes, wie es Mond, erde und Sonne regelmäßig praktizieren. Diese Abdunkelung sehen wir natürlich nur, wenn wir von der Seite auf die Bahnebene des abdeckenden Objekts blicken. Aber dank der vielen Sterne im Weltall muss man eben nur mehr Beobachtungen anstellen, um irgendwann auf diese Weise einen Fund zu machen.

Ähnliches gilt für die Methode des Microlensing. Der Name erklärt das Prinzip eigentlich schon recht gut: Es beruht darauf, dass die Gravitation eines schweren Objekts als Linse für die Strahlung eines anderen Objekts in dessen Hintergrund dienen kann. Wer eine Fotokamera besitzt, weiß jedoch, dass ein durch eine Linse beobachtetes Motiv nicht automatisch scharf aussieht: Man muss Motiv, Linse und Sensor in dieselbe Ebene und in die richtige Entfernung bringen. Und so wird nur einer von einer Million Sternen der zentralen Milchstraße zu einem bestimmten Zeitpunkt durch ein solches Zusammentreffen glücklicher Ereignisse vergrößert, wie der Astronom Joachim Wambsganss in einem Beitrag im Wissenschaftsmagazin Nature schreibt. Und selbst wenn jeder dieser Sterne einen jupitergroßen Begleiter hätte, könnte man wegen unpassender geometrischer Verhältnisse nur ein Prozent dieser Planeten tatsächlich entdecken. Da Astronomen nun einmal nicht an ihren Linsen, den Sternen, drehen können, bleibt Ihnen nur übrig, eben ganz oft hinzusehen und auf ihr Glück zu vertrauen.

Genau damit sind seit ein paar Jahren zwei internationale Forscherteams befasst. Denn das Microlensing-Verfahren bietet zwei Vorteile: Es verschafft einen guten statistischen Überblick über die Bestandteile des Universums, und es ist auch geeignet, recht kleine Planeten zu lokalisieren. In Nature berichten (http://dx.doi.org/10.1038/nature10092) die Forscher nun von den Ergebnissen ihrer Arbeit. Dem MOA-Team (Microlensing Observations in Astrophysics) etwa ist es gelungen, 50 Millionen Sterne der Milchstraße über zwei Jahre hinweg mindestens einmal pro Stunde zu überprüfen. Dabei entdeckten die Forscher gerade einmal 474 Microlensing-Ereignisse, von denen zehn kürzer als zwei Tage zu beobachten waren.

Je kürzer das Event, desto kleiner die Linse - bei weniger als zwei Tagen gehen die Forscher davon aus, dass die Linsen Planeten-, nicht Sternenmasse hatten. Die Wissenschaftler verglichen ihre Daten mit denen des OGLE-Teams (Optical Gravitational Lensing Experiment) - sieben der Ereignisse waren bei OGLE ebenfalls aufgefallen. Da sich auch über acht Jahre keine Periodizität zeigte, gehen die Forscher davon aus, dass es sich um mindestens sehr weit von ihren Gaststernen entfernte Planeten handeln muss - vermutlich auch um solche, die ganz allein durch das All wandern. Interessant ist aber auch die statistische Analyse: Sie zeigt, dass solche Planeten weit häufiger sein müssen, als man bisher annahm. Es sollten in der Milchstraße sogar mehr davon existieren, als es Sterne der Hauptreihe gibt.

 

Wie sind die einsamen Wanderer zu ihrer Reise aufgebrochen? Die Forscher vermuten, dass es sich um die Ergebnisse kosmischen Billards handeln könnte. In Systemen und protoplanetaren Scheiben mit mehreren großen Körpern kann es leicht dazu kommen, dass einerseits Gasriesen in große Nähe zu ihren Heimatsternen gelangen, ihre Brüder aber andererseits aus dem System geschleudert werden.

3. Blick in die Exo-Atmosphäre

15 Jahre Jagd nach fremden Planeten: Forschern ist erstmals ein zaghafter Blick in die Gashülle einer Super-Erde gelungen, die eine fremde Sonne umkreist.

Wenn das Außenteam von Raumschiff Enterprise auf einem fremden Planeten landet, behalten alle Raumfahrer brav ihren Helm auf - bis der Wissenschaftsoffizier sich mit einem Blick auf den Tricorder überzeugt hat, dass die Atmosphäre des Fremdgestirns auch wirklich atembar ist. Das ergibt natürlich mehr Dramatik (vor allem, wenn sich im Nachhinein zeigt, dass man irgendein fieses, extraterrestrisches Virus übersehen hat, das nun die Gedankenkontrolle übernimmt) als der langsame, geradezu umständliche Weg, den Astrophysiker in der Realität beschreiten.

Umso mehr überrascht, wie viele Details man offenbar auch aus der Ferne erkennen kann - auf den Warp-Antrieb können wir zwar nicht zurückgreifen, wohl aber auf ausgefeilte Beobachtungsmethoden in jedem Bereich des Spektrums. Die Jagd nach erdähnlichen Planeten im Weltraum ist dafür das beste Beispiel - erst vor gut 15 Jahren ging mit 51 Pegasi b das erste Exemplar ins Netz. Als Riesen-Planet vom Hot-Jupiter-Typ war er zwar wohl am einfachsten zu entdecken, doch für die Suche nach Weltraumobjekten mit erdähnlichen, lebensbefördernden Eigenschaften war er noch nicht der richtige Kandidat.

Für die Entdeckung von 51 Pegasi b kam die sogenannte Radialgeschwindigkeitsmethode zum Einsatz. Dabei nutzt man die Tatsache, dass ein System aus Planet und Sonne stets um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreist. Beobachtet man den Stern, erkennt man seine Wankel-Bahn an einer Dopplerverschiebung seines Spektrums: Mal kommt das Gestirn ja auf den Beobachter auf der Erde zu, mal entfernt es sich von ihm. Verblüffend ist allerdings, welche kleine Abweichungen man auf diese Weise schon detektieren kann. Das Verfahren funktioniert natürlich umso besser, je kleiner der Größenunterschied von Stern und Planet ist. Bei Zwergsternen, die relativ eng von Planeten umlaufen werden, kommt man so auch tatsächlich erdähnlichen Welten auf die Spur.

Bei der Konkurrenzmethode hingegen, der Transitmethode, hofft man darauf, einen wichtigen Moment mitzubekommen: Wenn der vermutete Planet sich zwischen seinem Stern und dem Beobachter befindet, sollte es zu einer Abdunklung des Sternenlichts kommen. Die Transitmethode traut die Forschergemeinde derzeit mehr Erfolge insbesondere bei der Entdeckung möglichst kleiner Planeten zu. Voraussetzung ist natürlich, dass wir von der Seite auf die Bahnebene des Planeten schauen - sonst fällt die Bedeckung aus.

Relativ selten hat man bisher jedoch Planeten direkt beobachten können, wie es im Jahre 2008 Astronomen bei dem Drei-Planeten-System des Sterns HR 8799 gelang. Hier handelte es sich allerdings um recht große Welten mit mehreren Jupitermassen - die auch auf ein Problem der Planetenjagd aufmerksam machen: Man kann sich bei sehr großen Objekten nicht wirklich sicher sein, es mit einem Planeten zu tun zu haben. Ab 13 Jupitermassen könnte solch ein Objekt in seinem Inneren Deuterium fusionieren und wäre damit ein Brauner Zwergstern. In die Datenbank der Exo-Planeten, die erst kürzlich die 500. Entdeckung feierte, werden Exo-Objekte bis zu 20 Jupitermassen aufgenommen.

HR 8799 hat Anfang dieses Jahres erneut astrophysikalische Schlagzeilen gemacht: Von einem der Planeten des Systems konnten Forscher erstmals direkt ein Spektrum auffangen. Das Spektrum verrät viel über den Aufbau eines Objekts. Umso spannender ist die Entdeckung, von der nun Astrophysiker im Wissenschaftsmagazins Nature berichten: Ihnen ist es gelungen, einen Blick in die Atmosphäre von GJ 1214 b zu werfen. Dem Planeten mit knapp sieben Erdmassen hatte man schon eine relativ dichte Atmosphäre zugeschrieben.

Doch woraus besteht diese? Offenbar nicht aus Wasserstoff. Eine Wasserstoff-Atmosphäre würde wegen ihrer leichten Bestandteile sehr weit in den Raum reichen, es käme zu vielen Interaktionen mit dem Licht des Sterns - und es müssten sich entsprechende Linien im Spektrum nachweisen lassen. Genau diese Linien fehlen jedoch - und das kann im Umkehrschluss nur heißen, dass GJ 1214 b eine wasserreiche, von Wolkenbildung gekennzeichnete Atmosphäre besitzen muss, die sich wie bei der Erde in der Nähe der Oberfläche konzentriert. Über die Atembarkeit sagt das zwar noch nichts, aber da GJ 1214 b nur rund 40 Lichtjahre von der Erde entfernt seinen Mutterstern umkreist, könnte man ja auch ohne Warp-Antrieb in nicht allzu ferner Zukunft einen Kontrollflug unternehmen.

4. Das Universum ist eine Scheibe

Welche Gestalt hat das Universum?

Schon Einstein wusste, dass die Geometrie des Raums von seinem Inhalt abhängt. Diese Beziehung gilt auch andersherum: Wenn die Geometrie, die Form, des Universums bekannt ist, können wir auf seinen Inhalt schließen. Beide Fragen gehören in der Kosmologie gerade zu den heißesten Tagesordnungspunkten - noch vor 20 Jahren wären die Antworten darauf ganz anders ausgefallen. Erst genaue Analysen der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung gaben schlüssige Hinweise darauf, dass das Universum tatsächlich flach sein könnte.

Dann müsste sich allerdings seine Expansion mit der Zeit verlangsamen, gebremst von der allgegenwärtigen Gravitation. Die direkte Beobachtung sagt jedoch, dass genau das Gegenteil der Fall ist - das Weltall dehnt sich immer schneller aus. Zu erklären war diese Tatsache nur mit einer Größe, die man Dunkle Energie nannte - sie wirkt demnach der Gravitation entgegen. So verkehrte sich die ältere Annahme, das Universum bestünde vor allem aus Dunkler Materie (deren Existenz man aus Gravitationswirkungen ableitet, die nicht allein von sichtbarer, gewöhnlicher Materie herrühren können), in ihr Gegenteil: Im aktuellen Standard-Modell der Kosmologie nimmt man an, dass der Kosmos nur zu 4 Prozent aus gewöhnlicher Materie besteht, wie wir sie kennen, und auch nur zu 23 Prozent aus Dunkler Materie - aber zu 73 Prozent aus Dunkler Energie.

Jedenfalls heute - zu anderen Zeiten verhielt es sich anders. In der Rekombinationsphase des Universums etwa, rund 377.000 Jahre nach dem Big Bang, bestand der Kosmos aus zehn Prozent Neutrinos, zwölf Prozent Atomen, 15 Prozent Photonen und 63 Prozent Dunkler Materie - von der Dunklen Energie war fast nichts zu spüren. Das weist schon darauf hin, worum es sich bei der seltsamen Dunklen Energie eigentlich handeln könnte: Um die Energie des leeren Raums, Vakuumenergie, von der es so kurz nach dem Urknall einfach noch nicht viel gab.

Zwar hat die Analyse der Hintergrundstrahlung Parameter erbracht, die bis auf zwei Prozent an den für ein flaches Universum nötigen Werten liegen - der endgültige Beweis steht trotzdem noch aus. Da kommt es der Wissenschaftsgemeinde sehr gelegen, dass zwei französische Theoretische Physiker eine unabhängige Methode entwickelt haben, auf die Geometrie des Universums zu schließen. Im Wissenschaftsmagazin Nature stellen sie ihr Verfahren vor. Es beruht im Grunde auf zwei beobachtbaren Daten: Der Rotverschiebung eines astronomischen Objekts und des relativen Winkels zwischen zwei Objekten. Kennt man die Geometrie des Raums, in dem sich beide Objekte bewegen, kann man die nicht direkt messbare Position berechnen. Hätte man nun ein Objekt bekannter Form, für das man die Rotverschiebung zweier Punkte messen kann, könnte man daraus exakt die Geometrie des Universums ableiten. So leicht ist es allerdings leider nicht.

Wovon wir aber ausgehen können, jedenfalls wenn unsere Modelle stimmen, ist die Homogenität des Universums. Und hier kommt der Trick der beiden französischen Physiker ins Spiel: Man nehme eine größere Anzahl weit entfernter Galaxienpaare - Binärsysteme, die sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Nun müsste die Ausrichtung der beiden Teile des Paars zueinander, geht man von einem homogenen Universum aus, eigentlich rein statistisch verteilt sein, es dürfte keine Vorzugsrichtungen geben. Nun braucht man nur noch die tatsächlich gemessene, eben nicht rein statistische Verteilung in ein Modell des Universums zu geben, dass dessen Geometrie berücksichtigt, und so lange an den Parametern herumspielen, bis sich eine korrigierte Gleichverteilung ergibt - und schon hat man die korrekte Form des Universums gefunden.

Ob das Verfahren funktioniert, haben die Franzosen auch gleich ausprobiert: Das Ergebnis - das Universum ist eine Scheibe - passt zum Standardmodell der Kosmologie. Die Forscher zeigen dabei auch, dass die mysteriöse Dunkle Energie wohl eine Art Vakuumenergie sein muss - was sie in direkte Beziehung zu Einsteins kosmologischer Konstante setzt. Interessant ist diese Auflösung aber nicht nur für Kosmologen: Die Gestalt des Universums bestimmt auch sein Ende - wird es sich einfach nur zu Tode expandieren, bis alle Objekte verdampft und vielleicht sogar alle Protonen zerfallen sind, oder wird es gar in einem „Big Rip“ durch die Dunkle Energie von der immer weiter beschleunigenden Expansion auseinandergerissen?

5. HIP 13044b, der Extragalaktische

Forscher entdecken den ersten Planeten mit einer Herkunft außerhalb unserer Milchstraße.

Der Planet HIP13044b hat offenbar gleich mehrere ungewöhnliche Eigenschaften: Er ist seiner Sonne sehr nah, und er ist mit dieser aus einer Begleitgalaxis unserer Milchstraße eingewandert.

Auf HIP 13044b geht es wohl eher ungemütlich zu. Der Planet, etwas größer als unser Jupiter, umkreist seinen Heimatstern auf einer sehr engen Bahn. Auf bis zu 0,06 Astronomische Einheiten (AU) kommt er der Sternenoberfläche nahe - das ist gerade einmal noch ein Fünftel der kleinsten Sonnenentfernung des Merkur. Auch ist seine Bahn ungewöhnlich stark elliptisch, mit einer Exzentrizität von 0,25 liegt sie noch über der des sonnennächsten Planeten, während die Erde mit einer Exzentrizität von 0,0167 fast eine Kreisbahn beschreibt.

Gesehen hat HIP13044b noch niemand - seine Entdecker sind ihm mit Hilfe des hochauflösenden Spektrographen FEROS am 2,2-Meter-Teleskop des ESO-Observatoriums La Silla in Chile auf die Spur gekommen. Der Entdeckungsprozess selbst gleicht dem der einigen Hundert anderen Exoplaneten, die mittlerweile in den Fachjournalen gelistet sind. Das heißt, periodische Unregelmäßigkeiten im Spektrum des 2000 Lichtjahre von der Erde entfernten Sterns HIP 13044 haben darauf aufmerksam gemacht, dass dort noch ein unsichtbarer Begleiter im Spiel sein könnte.

Dass dieser Exoplanet es sogar in das renommierte Wissenschaftsmagazin Science geschafft hat, liegt an seiner ungewöhnlichen Herkunft, sowohl aus örtlicher als auch aus geschichtlicher Sicht. Sein bis auf das „b“ gleichnamiger Stern gehört nämlich zu einer Gruppe, die sich Helmi-Strom nennt - eine Gruppe von Sternen, die ursprünglich zu einer separaten Zwerggalaxis gehört haben muss. Diese könnte vor etwa sechs bis neun Milliarden Jahren einem Fall von galaktischem Kannibalismus zum Opfer gefallen und von den Gezeitenkräften der Milchstraße zerrissen worden sein - ähnlich wie es derzeit den Mitgliedern der Sagittarius-Zwerggalaxie geschieht.

Die Forscher halten es für wenig wahrscheinlich, dass HIP 13044 seinen planetaren Begleiter erst nach dem Einzug in die Milchstraße aufgepickt hat. Das hält allerdings weitere Rätsel bereit, denn es handelt sich hier um einen Stern, dem man aufgrund seiner Eigenschaften eigentlich gar keine Planeten zugetraut hätte. Vor allem die Tatsache, dass sich im Spektrum von HIP 13044 sehr wenig Metalle finden lassen, passt nicht zu den gegenwärtigen Theorien über die Entstehung von Planeten. Bisher gibt es jedenfalls keine Erklärung dafür, wie sich rund um einen solchen Stern Planeten gebildet haben könnten.

 

Und es müssen, wie weitere Daten zeigen, tatsächlich einmal mehrere Planeten gewesen sein. Offenbar hat HIP 13044 in einem früheren Stadium seiner Entwicklung schon einige seiner inneren Planeten geschluckt, als er sich zu einem Roten Riesen aufblähte. Darauf weist die messbare Tatsache hin, dass seine Rotationsgeschwindigkeit für Objekte dieses Typs ungewöhnlich hoch ist. Andere Forscher haben bereits gezeigt, dass es zu einer Erhöhung dieser Rotationsgeschwindigkeit führt, wenn ein Stern Planeten in seine Hülle einschließt.

Spannend dürfte auch das weitere Schicksal unseres extragalaktischen Besuchers sein. Zwar konnte er dem Tod im Sterninneren bisher entfliehen - doch sein Heimatstern ist so alt, dass ihm (in kosmologischen Zeiträumen) bald ein neuer Entwicklungsschritt bevorsteht. Derzeit verbrennt er als Teil des so genannten Horizontalastes im Hertzsprung-Russel-Diagramm in seinem Kern Helium, in der Hülle Wasserstoff. Sobald das Helium im Kern aufgebraucht ist und wenn die Masse des Sterns nicht ausreicht, um Kohlenstoff zu verbrennen, folgt der nächste Schritt - das Helium in der Hülle fusioniert und der Stern dehnt sich (bei schrumpfendem Kern) weiter aus, er wird zu einem Stern auf dem asymptotischen Riesenast. Am Lebensende steht dann ein starker Masseverlust - der Beobachter sieht einen Planetarischen Nebel.