Ein tödliches Komplott

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From the series: Michael Korn & Liz Croll #4
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8. Kapitel
Vereinigte Staaten, Portland (OR)

Der Ort, an dem Vi­vi­an Bur­ge­ss ihr Pa­ket ab­lie­fern soll­te, lag et­was au­ßer­halb der Stadt in ei­nem Eta­blis­se­ment, das nicht ge­ra­de ein­la­dend auf die Da­men­welt wirk­te. Die ein­schlä­gi­gen Lä­den lock­ten vor­wie­gend Män­ner, die ge­gen Be­zah­lung ih­ren Trieb be­frie­di­gen konn­ten. Frau­en be­tra­ten die­se Lo­ka­li­tä­ten ei­gent­lich nicht, wenn sie nicht ge­ra­de dort ar­bei­te­ten. Vor al­lem rea­gier­ten die dort an­ge­stell­ten Da­men ziem­lich ne­ga­tiv auf wei­te­re Frau­en. Stu­ten­bis­sig­keit mach­te sich breit, weil sie sich um ih­re Ein­nah­men Sor­gen mach­ten. Die ro­ten Lam­pen soll­ten nicht nur an­zie­hend auf die Män­ner­welt wir­ken, son­dern auch ei­ne flüch­tig ero­ti­sche Stim­mung zu er­zeu­gen.

Zu­dem war auch in Port­land, wie in den ge­sam­ten USA, Pro­sti­tu­ti­on il­le­gal. Nur in Ne­va­da wur­de sie ge­dul­det. Das än­der­te al­ler­dings nicht dar­an, dass die ört­li­che Po­li­zei fast nichts da­ge­gen un­ter­neh­men konn­te. Die­se Eta­blis­se­ments gab es trotz­dem an fast je­der Stra­ßen­e­cke au­ßer­halb der Städ­te. Vi­vi­an woll­te es nicht wahr­ha­ben in die­se Lo­ka­li­tät zu ge­hen und dort et­was zu hin­ter­le­gen. Ihr vor­be­rei­te­tes Päck­chen trug sie im hin­te­ren Ho­sen­bund mit sich. Be­vor sie hin­ein­ging, über­prüf­te sie noch ein­mal sorg­fäl­tig, ob sie an al­les ge­dacht hat­te. Ihr war ziem­lich un­wohl als sie auf die Tür zu­trat.

In der Luft hing ein wi­der­li­cher Ge­ruch nach tau­sen­den Par­füms, de­ren Me­lan­ge in ih­rer Na­se kit­zel­te und je­de Men­ge Zi­ga­ret­ten­rauch. Es war kaum aus­zu­hal­ten. Vi­vi­an woll­te so schnell wie mög­lich wie­der aus dem La­den raus, aber sie muss­te erst noch den Auf­trag, den sie von ih­rer Freun­din Tia­na über­nom­men hat­te, zu ei­nem En­de brin­gen. Auf­grund des Or­tes, an dem sie sich be­fand, woll­te sie es so­fort hin­ter sich brin­gen. Ein Ge­tränk be­stell­te sie bes­ser nicht, denn das wür­de be­deu­ten sie müss­te län­ger hier aus­har­ren als nö­tig. An der im­pro­vi­sier­ten Bar, die aus ei­nem ein­fa­chen Brett zu be­ste­hen schi­en, dräng­ten sich vie­le, fast un­be­klei­de­te jun­ge Da­men um ei­ni­ge Män­ner. Die­se sa­ßen auf un­be­quem aus­se­hen­den Ho­ckern aus Holz, rauch­ten wie al­te Ka­mi­ne und be­tatsch­ten die Da­men.

Der gan­ze Gas­traum stand vor Dreck und Ab­fall. Nicht ein­mal die Glä­ser wa­ren or­dent­lich ge­spült. Die Her­ren der Schöp­fung fin­gen sich ga­ran­tiert kei­ne Krank­hei­ten ein. Sie des­in­fi­zier­ten sich von in­nen mit dem hoch­pro­zen­ti­gen Al­ko­hol, der in ih­ren Glä­sern schau­kel­te. Vi­vi­an rümpf­te die Na­se. Sie woll­te hier bes­ser nichts be­rüh­ren. Die Tür zur Toi­let­te hat­te die bes­ten Zei­ten schon lan­ge hin­ter sich. Sie hing schief in ih­rem Rah­men und der Lack war schon seit ge­fühlt hun­dert Jah­ren ab­ge­blät­tert. Die bei­den auf­ge­kleb­ten Nul­len hin­gen nur noch an ei­ni­gen Kle­be­res­ten fest und mach­ten den Ein­druck, als wür­den sie so­fort ab­fal­len, wenn man die Tür et­was fes­ter schloss.

Der Raum, den Vi­vi­an als Toi­let­te vor­fand, er­in­ner­te ent­fernt an ein schmie­ri­ges Kel­ler­loch. Die hel­len Flie­sen an den Wän­den wa­ren über­sät mit Sch­lie­ren und ei­nem of­fen­sicht­li­chen Fett­film. Die Toi­let­ten­schüs­seln wie­sen die­sel­be Ver­schmut­zung auf, nur un­ter­bro­chen durch ei­ni­ge run­de hel­le Stel­len. Sie ver­such­te die Tür ab­zu­schlie­ßen, um al­lei­ne zu sein. Um nichts zu be­rüh­ren, nahm sie sich ein grau­es Pa­pier aus dem Spen­der, der ne­ben dem dre­cki­gen Wasch­be­cken an der Wand kleb­te. Vi­vi­an fal­te­te das Pa­pier dop­pelt und zog den Rie­gel an der Tür vor. Dann be­gann sie die Flie­sen an der Wand ab­zu­zäh­len. Fünf­te Rei­he von un­ten und die 18. Plat­te von rechts der Tür war als Ver­steck an­ge­ge­ben.

Nach­dem Vi­vi­an die Plat­te aus­fin­dig ge­macht hat­te, nahm sie sich ei­ne ex­tra ein­ge­steck­te Na­del­fei­le aus ih­rer Hand­ta­sche. Vor­sich­tig lös­te sie da­mit die Flie­se an der Wand, die schon nach dem ers­ten auf­he­beln fast von al­lei­ne auf den Bo­den fiel. Vi­vi­an stütz­te sie mit ih­rem Pa­pier­tuch ab. Da­hin­ter war in der Wand ein großes Loch ver­bor­gen. Man hät­te dar­in auch be­quem ein gan­zes Ra­dio un­ter­brin­gen kön­nen. Sie fum­mel­te das vor­be­rei­te­te Päck­chen aus dem Ho­sen­bund und stopf­te es sorg­los in die Ver­tie­fung. Es ver­schwand voll­stän­dig dar­in. Sie klapp­te die Plat­te wie­der nach oben bis sie wie­der an ih­rem Platz saß und drück­te sie mit dem Pa­pier­tuch fest.

Sie be­trach­te­te noch ein­mal ihr Werk und öff­ne­te dann wie­der den Rie­gel an der Tür. Vi­vi­an ließ das Pa­pier ein­fach auf den Bo­den fal­len, als sie aus dem Raum wie­der auf den Gang trat. Wie­der stieg ihr der ekel­haf­te Ge­ruch in die Na­se und sie muss­te einen Wür­ge­reiz un­ter­drücken. Oh­ne auf et­was an­de­res zu ach­ten, ver­ließ sie das Eta­blis­se­ment. Auf der Stra­ße at­me­te sie ei­ni­ge Ma­le tief durch, um den Rauch aus ih­rer Lun­ge zu be­kom­men. Vi­vi­an hat­te das drin­gen­de Be­dürf­nis sich so­fort un­ter ei­ne Du­sche zu stel­len und sich ei­ni­ge Stun­den ab­zu­schrub­ben. Al­ler­dings konn­te sie das noch nicht. Sie hat­te noch et­was an­de­res vor.

Die Stra­ßen der Groß­stadt Port­land er­strahl­ten un­ter der künst­li­chen Be­leuch­tung. Zu die­ser Zeit wur­de es noch sehr früh dun­kel und die vie­len La­ter­nen spen­de­ten ein gelb­li­ches Licht. Ihr Weg führ­te sie zu­rück in die In­nen­stadt mit den großen Bü­ro­ge­bäu­den. Vi­vi­an setz­te sich in ein klei­nes Café und zog ihr Mo­bil­te­le­fon aus der Hand­ta­sche. Sie muss­te Tia­na in­for­mie­ren, was sie ent­deckt hat­te. Sie wähl­te die Num­mer ih­rer Freun­din und war­te­te bis das Ge­spräch auf­ge­baut war.

»Hal­lo Vi­vi­an, du bist zu früh. Ich bin noch da­bei et­was her­aus­zu­fin­den«, mel­de­te sich Tia­na mit fröh­li­cher Stim­me.

»Ich kann nur hof­fen, dass es für uns nicht schon zu spät ist!«, sag­te Vi­vi­an ver­är­gert. »Man setzt uns als Dro­gen­ku­rie­re ein. Das Päck­chen, was du trans­por­tie­ren soll­test, ent­hielt ir­gend­ein grob­kör­ni­ges Pul­ver.«

»Das kann al­les Mög­li­che sein«, er­wi­der­te Tia­na.

Vi­vi­an ver­dreh­te einen Mo­ment die Au­gen, »Wa­rum soll­te man uns wohl da­für be­zah­len ein Pul­ver durch die Ge­gend zu tra­gen und dann auch noch in ei­nem il­le­ga­len Bor­dell ab­lie­fern?«

»Was weiß ich? Vi­el­leicht ist es ein ex­pe­ri­men­tel­les Me­di­ka­ment, was aus­ge­lie­fert wer­den muss.«

»Wel­che Nut­te ver­teilt Me­di­ka­men­te? Wenn es Dro­gen sind und wir da­mit er­wi­scht wer­den, ge­hen wir für min­des­tens fünf Sonn­ta­ge ins Ge­fäng­nis!«

Tia­na stöhn­te, »Die fünf Wo­chen hal­ten wir auch noch aus.«

»Mein Gott bist du naiv Ti. Das Min­dest­maß für Dro­gen­schmug­gel in nicht ge­rin­gen Men­gen sind fünf Jah­re, al­so ge­hen wir dann für fünf Os­ter­sonn­ta­ge in den Bau und nicht nur ein paar Wo­chen. Au­ßer­dem ken­nen wir un­se­re Auf­trag­ge­ber nicht, um den Cops Hin­wei­se zu ge­ben. Wir soll­ten kei­ne Auf­trä­ge mehr für SNB durch­füh­ren, hörst du?«

»Bist du völ­lig ir­re? Ich muss mein Stu­di­um be­zah­len und auch von ir­gend­was le­ben! Ich kann es mir nicht leis­ten, auf die Be­zah­lung zu ver­zich­ten.«

Vi­vi­an wur­de sau­er, »Du kannst nicht im Ge­fäng­nis stu­die­ren Ti. Wenn sie dich da­mit er­wi­schen fährst du ein und du kannst dein Stu­di­um be­gra­ben. Nie­mand wird dich mehr ein­stel­len, wenn du we­gen Dro­gen­schmug­gel ver­ur­teilt wur­dest. Wir müs­sen einen an­de­ren Weg fin­den, uns zu fi­nan­zie­ren.«

»Und was bit­te?«, frag­te sie er­war­tungs­voll.

»Ich weiß es noch nicht, aber uns wird si­cher et­was ein­fal­len. Jetzt küm­me­re du dich um den Ty­pen, den ich ver­folgt ha­be. Ich hab den Auf­trag er­le­digt, du wirst al­so noch min­des­tens ein­mal be­zahlt und dann se­hen wir wei­ter.«

Tia­na brumm­te nur kaum hör­bar und un­ter­brach das Ge­spräch. Vi­vi­an steck­te ihr Han­dy wie­der in die Hand­ta­sche. Ihren nächs­ten An­ruf durf­te sie un­ter kei­nen Um­stän­den von ei­nem Te­le­fon ma­chen, des­sen Num­mer auf sie re­gis­triert war. Es muss­te ein öf­fent­li­ches Te­le­fon sein und kei­nen Auf­schluss dar­über ge­ben, dass sie da­mit te­le­fo­niert hat­te. Sie muss­te die­ses Teu­fels­zeug mög­lichst los­wer­den und das klapp­te am bes­ten mit ei­nem an­ony­men An­ruf bei der Po­li­zei von Port­land. In dem Café, in dem sie saß, wür­de das nicht funk­tio­nie­ren. Die gan­ze Zeit hat­te sie sich mög­lichst un­auf­fäl­lig um­ge­se­hen und ei­ne Men­ge Ka­me­ras ent­deckt. Gut ver­steckt, aber den­noch sicht­bar. In ei­ner Stadt wie Port­land war das nor­mal, um Über­fäl­le zu ver­mei­den oder den Tä­tern schnel­ler auf die Spur zu kom­men.

Vi­vi­an be­zahl­te ih­re Rech­nung und spa­zier­te aus dem Café in die laue Nacht hin­aus. Sie wuss­te be­reits, wo sie te­le­fo­nie­ren konn­te. Ganz in der Nä­he ih­rer Woh­nung be­fand sich ei­ne Te­le­fon­zel­le, die auch nicht von Ka­me­ras über­wacht wur­de. In al­ler Ru­he lief sie durch die noch be­leb­ten Stra­ßen der Stadt. Kurz be­vor sie das Te­le­fon er­reich­te, blick­te sie sich noch ein­mal um. Nie­mand war ihr ge­folgt, wie sie er­ken­nen konn­te. In ih­rer Ta­sche kram­te sie nach der Te­le­fon­kar­te, die sie sich für Not­fäl­le ge­kauft hat­te. In der klei­nen Sei­ten­ta­sche wur­de sie dann end­lich fün­dig. Sie stell­te sich in die Zel­le, nahm den Hö­rer ab und führ­te die Kar­te in den da­für vor­ge­se­he­nen Schlitz ein. Sie wähl­te die nor­ma­le Not­ruf­num­mer und gab dem Be­am­ten am an­de­ren En­de den Hin­weis auf das Ver­steck des ei­gent­li­chen Pa­kets.

 

* * *

Un­weit des klei­nen Cafés, in dem Vi­vi­an Bur­ge­ss ge­ra­de mit der Po­li­zei te­le­fo­niert hat­te, lag Ed­win Nash in sei­nem Kran­ken­bett. Die Kli­nik in der Stadt­mit­te von Port­land war auf Schuss­wun­den, wie er sie ab­be­kom­men hat­te, spe­zia­li­siert. As­hleigh Spears und ihr Kol­le­ge vom FBI woll­ten zu­min­dest hö­ren, was ih­nen der über­führ­te Dea­ler sa­gen konn­te. Sie wa­ren mit ih­ren Er­mitt­lun­gen nicht sehr viel wei­ter­ge­kom­men. Al­les, was sie bei der Po­li­zei er­fah­ren hat­ten, stand schon in ih­ren Ak­ten, die sie be­ka­men, be­vor sie in Wa­shing­ton ge­st­ar­tet wa­ren. Nun galt es dem Ver­letz­ten et­was auf den Zahn zu füh­len.

Ser­geant Ro­ger Bar­ber führ­te die Be­su­cher des FBI zu dem Ver­letz­ten in die Kli­nik. Er hat­te be­reits sei­ne Be­am­ten dar­auf an­ge­setzt, die bei­den Dro­gen­kö­ni­ge der Stadt aus­fin­dig zu ma­chen. Ob­wohl man den bei­den vie­le Jah­re nicht das ge­rings­te nach­wei­sen konn­te, ver­steck­ten sie sich vor den Er­mitt­lungs­be­am­ten. Das Geld, was sie mit ih­ren Dro­gen­ge­schäf­ten ver­dien­ten, nutz­ten sie, um sich ir­gend­wo in Port­land zu ver­ste­cken. Es war sehr schwie­rig, die bei­den auf­zu­fin­den. Sie über­lie­ßen die Ge­schäf­te ih­ren An­ge­stell­ten. Die bei­den Grö­ßen des Ge­schäfts zo­gen nur im Hin­ter­grund die Fä­den.

Cooper Knight war nicht wirk­lich auf Be­trieb­stem­pe­ra­tur ge­kom­men. Er konn­te sich nicht recht auf den Fall kon­zen­trie­ren. Statt sich mit den Fak­ten zu be­schäf­ti­gen, in­ter­es­sier­te er sich mehr für sei­ne Kol­le­gin. Sie kam ihm in die­sem Früh­ling deut­lich hüb­scher vor als zu­vor. Knight muss­te sich ein­ge­ste­hen, dass er deut­lich mehr an sei­ner Kol­le­gin in­ter­es­siert war als an dem Fall, den sie be­ar­bei­te­ten. Spears hin­ge­gen be­ach­te­te ihn kaum. Sie ver­such­te den auf­ge­tra­ge­nen Kri­mi­nal­fall zu lö­sen. Es war im­mer so bei ihr. Da in­ti­me Be­zie­hun­gen un­ter Kol­le­gen des FBI ver­bo­ten wa­ren, ver­biss sie sich in den Fall und ach­te­te nicht mehr so sehr auf ih­ren Kol­le­gen.

Der Ver­letz­te Ed­win Nash lag ein­gehüllt in Ver­bän­de und dem gän­gi­gen Kran­ken­haus­hemd­chen in sei­nem Kran­ken­bett und starr­te die De­cke an. Er hat­te sich be­reits da­mit ab­ge­fun­den, nach sei­nem Auf­ent­halt in der Kli­nik für ei­ni­ge Jah­re in ei­ner Haft­an­stalt zu lan­den. Seit min­des­tens vier Mo­na­ten ar­bei­te­te für das SNB und war in­ner­halb der Or­ga­ni­sa­ti­on auf­ge­stie­gen, wie er glaub­te. An­fangs muss­te er ein­fa­che Bo­ten­gän­ge er­le­di­gen, aber nach ei­ni­gen Wo­chen be­kam er deut­lich ge­fähr­li­che­re Auf­trä­ge. Er blick­te nur ein­mal kurz zur Sei­te, als der Ser­geant mit sei­nen Be­su­chern sein La­za­rett be­trat. Schon seit sei­nem letz­ten Auf­trag hat­te er meh­re­re Ver­hö­re durch die Be­am­ten über­ste­hen müs­sen. Was konn­te ihm auch noch mehr pas­sie­ren als oh­ne­hin schon!

Der Ser­geant der ihn auf der Um­ge­hungs­stra­ße ver­haf­tet hat­te kann­te er be­reits, nur sei­ne bei­den Be­su­cher wa­ren ihm fremd. Al­ler­dings konn­te er sich be­reits den­ken, mit wem er es zu tun be­kam. Be­am­te des Fe­deral Bu­reau of In­ves­ti­ga­ti­on sa­hen im­mer gleich aus. Selbst Blin­de wür­den sie in ih­rem Auf­zug auf hun­der­te Me­ter Ent­fer­nung er­ken­nen. In ih­ren Bu­si­nes­sout­fits sa­hen sie al­le gleich aus. Die Ab­zei­chen an den Gür­teln hat­ten sie zwar gut ver­steckt, aber die Kla­mot­ten wa­ren iden­tisch. Ed­win Nash brauch­te we­ni­ger als zwei Se­kun­den, sie zu iden­ti­fi­zie­ren und dem FBI zu­zu­ord­nen. Man kann­te ihr Auf­tre­ten aus vie­len Fil­men.

Die bei­den stell­ten sich ihm als Agents As­hleigh Spears und Cooper Knight vor. Ab­ge­stellt von Wa­shing­ton sei­nen Fall un­ter die Lu­pe zu neh­men und auf­zu­klä­ren. Dar­über konn­te Ed­win Nash nur mil­de lä­cheln. Nicht mal er selbst kann­te sei­ne Auf­trag­ge­ber. Die Agen­tin nahm sein Ver­hör vor, wäh­rend der Agent an ih­rer Sei­te mehr an ihr in­ter­es­siert schi­en als an sei­nen Aus­sa­gen. Trotz­dem krit­zel­te er ei­ni­ge Ein­drücke in ein klei­nes Buch. Al­ler­dings sah es eher aus als wür­de er mit sei­nem Blei­stift ein Bild sei­ner Kol­le­gin zeich­nen.

»Mis­ter Nash«, be­gann die hüb­sche Agen­tin, »Was ge­nau war ihr Auf­trag an der Um­ge­hungs­stra­ße?«

»Das ha­be ich ih­ren Lu­schen be­reits öf­ter er­klärt, wenn sie zu blöd sind, zum Le­sen soll­ten sie viel­leicht ei­ne Schu­le be­su­chen.«

»Wir ha­ben ih­re Aus­sa­ge be­reits ge­le­sen, Mis­ter Nash. Al­ler­dings glau­be ich ih­nen nicht, was sie zu Pro­to­koll ge­ge­ben ha­ben.«

Der an­ge­schos­se­ne ant­wor­te­te, »Was sie Glau­ben dür­fen sie ei­nem Pfaf­fen er­zäh­len. Sie ha­ben mei­ne Aus­sa­ge be­kom­men, das muss aus­rei­chen. Aber viel­leicht soll­ten sie bes­ser ver­ste­hen, dass sie nichts mehr aus mir raus­krie­gen. Was glau­ben sie wohl, warum ich hier lie­ge?«

As­hleigh Spears lä­chel­te, »Ein Kol­le­ge des Ser­geants hat sie ein biss­chen an­ge­bal­lert. Hät­ten sie sich nicht ih­rer Ver­haf­tung wi­der­setzt, wä­re nicht das ge­rings­te pas­siert.«

»Mei­ner Ver­haf­tung wi­der­setzt? Ich ha­be nicht das ge­rings­te ge­tan, ver­damm­te Schei­ße! Das Pa­ket soll­te zu ei­nem an­de­ren Stand­ort und ge­ra­de als ich es hat­te, taucht der Arsch da auf«, sag­te Nash und zeig­te mit dem Fin­ger auf den Ser­geant, »An­statt sich erst­mal aus­zu­wei­sen, fing er an, an mei­nem Pa­ket her­um­zu­zer­ren wie ein Ir­rer. Da­bei hat er es zer­stört und einen Teil des In­halts auf die Stra­ße ge­wor­fen. Dann taucht noch der klei­ne Lut­scher ne­ben mir auf, schreit her­um wie ein frisch ge­fick­ter Gar­ten­zwerg und jagt mir ei­ne Ku­gel durch den Ma­gen. Das ist Po­li­zei­bru­ta­li­tät!«

Spears dreh­te sich zu Ser­geant Bar­ber um und frag­te, »Wa­ren sie in Uni­form vor Ort?«

»Nein. Wir wa­ren auf ei­ner Über­wa­chung al­so in Zi­vil wie ge­wöhn­lich.«

»Sie hiel­ten es nicht für er­for­der­lich, sich Mis­ter Nash ge­gen­über als Po­li­zei­be­am­ter aus­zu­wei­sen?«, frag­te die jun­ge Agen­tin ver­wun­dert.

Bar­ber schüt­tel­te den Kopf, »Wir hat­ten einen an­ony­men Hin­weis und er woll­te mit den Dro­gen ver­schwin­den. Ich ha­be ihn al­so auf­ge­hal­ten und da­bei das Pa­ket er­wi­scht, was dann auf­ge­gan­gen ist. Da­bei ist ein Teil der Dro­gen schon über die Stra­ße ge­se­gelt. Mein Kol­le­ge hat ihn dann auf­ge­for­dert sich zu er­ge­ben da­mit wir ihn fest­neh­men kön­nen. Al­ler­dings hat­te Mis­ter Nash nur Flucht im Sinn, was mei­nen Kol­le­gen ver­an­lass­te einen Schuss ab­zu­ge­ben.«

Cooper no­tier­te ei­ni­ge Da­ten auf sei­nem Block, wäh­rend Spears lang­sam ein Licht auf­ging. Die bei­den Be­am­ten ver­such­ten ih­re Haut zu ret­ten und dreh­ten sich ei­ni­ge Aus­sa­gen pas­send zu­recht. Wann im­mer sie nicht ganz nach Vor­schrift han­del­ten, bo­gen sie die Wahr­heit ein biss­chen zu­recht, wie es ge­ra­de für sie am güns­tigs­ten war. Die­ses Ver­hal­ten war im­mer zu be­ob­ach­ten, wenn sich das FBI ei­nem Fall an­nahm. Je­der Be­am­te hat­te Angst da­vor sei­nen Job zu ver­lie­ren. Ei­gent­lich sorg­te die­se Angst da­für, dass sich die Be­am­ten an die Re­geln hiel­ten und nach ih­ren Vor­ga­ben ar­bei­te­ten. In die­sem Fall war aber ein Ver­däch­ti­ger ver­letzt wor­den und man muss­te die Wahr­heit ein biss­chen zu­recht­bie­gen.

»Ihr jun­ger Kol­le­ge hat ih­nen einen Hau­fen Är­ger ein­ge­han­delt Bar­ber«, stell­te As­hleigh fest. »Sie sind ver­pflich­tet sich aus­zu­wei­sen, wenn sie in Zi­vil ope­rie­ren, was na­tür­lich auch für ih­ren Part­ner gilt. Das ha­ben sie un­ter­las­sen und einen Bür­ger ver­letzt, oh­ne ihm et­was nach­wei­sen zu kön­nen. Die­se Metho­den sind zu Recht il­le­gal. Zu­dem ha­ben sie auch noch einen Afro­ame­ri­ka­ner an­ge­schos­sen. Wenn das an die Öf­fent­lich­keit kommt, dreht die Be­völ­ke­rung wie­der durch. So wie es in den Ak­ten stand, er­gibt sich die Tat­sa­che, dass sie einen Bür­ger der Ve­rei­nig­ten Staa­ten, oh­ne sich als Be­am­ter zu er­ken­nen ge­ge­ben ha­ben, kon­trol­lie­ren woll­ten. Das wie­der­um be­deu­tet, dass die er­lang­ten Be­wei­se vor kei­nem Ge­richt des Staa­tes Ore­gon zu­ge­las­sen wer­den. Mis­ter Nash kann für sein Ver­ge­hen nicht be­langt wer­den, weil die Be­wei­se il­le­gal er­langt wur­den. Die­se gan­ze Ak­ti­on wird ei­ne Un­ter­su­chung nach sich zie­hen. Cooper, wir sind hier fer­tig!«

Oh­ne ein wei­te­res Wort lie­ßen die bei­den Agents den Ser­geant mit Ed­win Nash al­lei­ne in des­sen Kran­ken­zim­mer. Sie mach­ten sich auf den Weg zu­rück ins Re­vier. Nash brauch­ten sie nicht mehr zu ver­hö­ren. Sie muss­ten die Hin­wei­se auf an­de­rem Weg er­lan­gen. We­nig spä­ter er­schie­nen sie wie­der auf dem Re­vier und such­ten in den äl­te­ren Ak­ten nach Hin­wei­sen.

9. Kapitel
Vereinigte Staaten, Las Vegas (NV)

Die Wüs­ten­son­ne Ne­va­das hat­te die klei­ne Woh­nung von Roy Ca­b­re­ra schon den gan­zen Vor­mit­tag auf­ge­heizt. Trotz der ein­ge­bau­ten Kli­ma­an­la­ge wur­de es im­mer wär­mer. Der Dea­ler lag nach ei­ner lan­gen Nacht, die er im Death Val­ley ver­bracht hat­te, noch im Bett. Un­ge­fähr je­de Stun­de wach­te er völ­lig ver­schwitzt wie­der auf. Roy hat­te sich schon mehr­fach bei der Haus­ver­wal­tung be­schwert, weil die Kli­ma­an­la­ge wohl feh­ler­haft war. Sie schaff­te es ein­fach nicht mehr, die klei­ne Bu­de an­stän­dig zu küh­len. Spä­tes­tens im Som­mer, der nicht mehr lan­ge ent­fernt war, wä­re es nicht mehr aus­zu­hal­ten.

Die Ge­sell­schaft, die je­den Mo­nat die, zu­ge­ge­ben, re­la­tiv klei­ne Mie­te ein­strich, küm­mer­te sich kaum noch um das Ge­bäu­de. Wä­re es nach ihm ge­gan­gen hät­te er schon längst ei­ne an­de­re an­ge­mie­tet, al­ler­dings muss­te er vor­sich­tig sein und durf­te nicht auf­fal­len. Sei­ne Dro­gendeals brach­ten ihm zwar ge­nug Geld für ei­ne bes­se­re Woh­nung in gu­ter La­ge ein, aber er konn­te es sich nicht leis­ten auf­zu­fal­len. So­lan­ge er noch selbst für die Wa­re ver­ant­wort­lich war, muss­te er un­ter dem Ra­dar blei­ben. Die Po­li­zis­ten ka­men nur an die klei­ne­ren Dea­ler her­an, die großen wa­ren schon lan­ge nicht mehr auf der Stra­ße an­zu­tref­fen. Das war sein großes Ziel. Ein­mal zu den rich­tig großen ge­hö­ren und zu­min­dest einen Teil der Stadt zu kon­trol­lie­ren.

Am frü­hen Nach­mit­tag konn­te er ein­fach nicht mehr schla­fen. Roy klet­ter­te im­mer noch nie­der­ge­schla­gen aus sei­nem Bett und ver­zog sich in das klei­ne Ba­de­zim­mer sei­ner Woh­nung. Er brauch­te jetzt drin­gend ei­ne kal­te Du­sche, um den Schweiß der Nacht ab­zu­spü­len. Gera­de als er fer­tig war und sich ab­trock­ne­te, klin­gel­te sein Mo­bil­te­le­fon. Roy nahm das Ge­spräch ent­ge­gen, wäh­rend er sich um­ständ­lich das feuch­te Hand­tuch um die Hüf­te schlang. Es war sein al­ter Kum­pel Paul, den er we­gen wei­te­rer Lie­fe­ran­ten an­ge­spro­chen hat­te.

»Roy, du al­ter Ha­lun­ke. Wie war das Le­ben zu dir?«

»Hör auf zu fra­gen Paul. Im­mer, wenn du denkst es kann nur noch bes­ser wer­den, be­kommst du wie­der ei­ne auf die Fin­ger. Ich ha­be ver­sucht Ma­te­ri­al zu be­sor­gen und muss­te da­für sie­ben Su­per­märk­te an­steu­ern. Da­nach saß ich die gan­ze Nacht an mei­nem Tisch und ha­be die Wa­re vor­be­rei­tet.«

»Ah ja, und dann fragst du mich noch nach meh­re­ren Lie­fe­ran­ten, da­mit du noch mehr ar­bei­ten darfst. Du brauchst drin­gend Per­so­nal, mein Freund.«

Roy grins­te, »Das kannst du laut sa­gen, aber mit den klei­nen Char­gen, die ich hier be­kom­me, geht das nicht so ein­fach. Au­ßer­dem kann ich hier nie­man­dem ver­trau­en. Die­se Stadt ist ein Hai­fisch­be­cken und wer nicht auf­passt, wird ge­fres­sen.«

»Ich ha­be zwei wei­te­re Lie­fe­ran­ten für dich auf­ge­tan. Ei­ner da­von hat pro Mo­nat noch vier Ki­lo Schnee, die er dir für einen an­stän­di­gen Kurs lie­fern kann und der an­de­re könn­te wei­te­re zwei Ki­lo lie­fern. Zu­sätz­lich aber auch noch sechs Ki­lo Ice, wenn du in­ter­es­siert bist«, er­klär­te Paul.

Roy freu­te sich wie ein Kind an Weih­nach­ten. »Das ist her­vor­ra­gend, Paul. Wann kann die ers­te Lie­fe­rung er­fol­gen?«

»Wenn du Ka­pa­zi­tä­ten hast be­reits nächs­te Wo­che. Wir brau­chen nur einen Ort für ei­ne Über­ga­be!«

»Den ha­be ich be­reits. Die Koor­di­na­ten ge­be ich den Lie­fe­ran­ten durch.«

Er konn­te Paul grin­sen hö­ren, »Das ist in Ord­nung. Aber du soll­test auch ge­nug Geld bei dir ha­ben, sonst wird nie­mand dei­ne Lei­che fin­den. Die ma­chen da kei­ne Späß­chen!«

 

»Das ha­be ich mir be­reits ge­dacht, aber am Geld soll­te es nicht lie­gen. Ich ha­be ge­nug, um die Lie­fe­run­gen zu be­zah­len. Wie ist die Rein­heit von der Wa­re?«

»Schnee zu 89 % und Ice zu 92 %.«

Roy grins­te in sich hin­ein. Das war bes­ser als er er­war­tet hat­te. Mit den Wer­ten konn­te er die Lie­fe­run­gen deut­lich stre­cken und noch mehr Geld ein­neh­men. »Okay, schick mir die Da­ten. Ich er­war­te die Lie­fe­run­gen dann.«

»Mach ich Roy. Und nicht ver­ges­sen, das Geld be­reit­zu­hal­ten. Ich mel­de mich nächs­ten Mo­nat wie­der bei dir!«, sag­te Paul und leg­te auf.

End­lich hat­te Roy ein biss­chen mehr Wa­re, die er im Groß­raum Las Ve­gas un­ter die Men­schen brin­gen konn­te. Sei­ne Ab­neh­mer woll­ten so­wie­so schon deut­lich mehr von ihm kau­fen als er her­an­schaf­fen konn­te. Jetzt hat­te er zwei neue Lie­fe­ran­ten, de­nen er das be­nö­tig­te ab­kau­fen konn­te. Es war zwar im­mer noch zu we­nig für sei­nen großen Plan, aber er war nicht mehr nur auf die Gna­de der SNB an­ge­wie­sen, die ihn an der kur­z­en Lei­ne hielt. Soll­ten sie doch end­lich ih­re Lie­fer­pro­ble­me in den Griff be­kom­men. Falls er dann aus die­ser Rich­tung mehr er­war­ten konn­te, wä­re er im Groß­raum Las Ve­gas ei­ner der Ver­tei­ler, die sich einen Teil der Stadt si­chern konn­te. In Ame­ri­kas Spiel­platz in der Wüs­te von Ne­va­da war der Be­darf be­son­ders hoch. Das Glückss­piel in den vie­len Ca­si­nos lock­te jähr­lich sehr vie­le Kun­den an. Vor al­lem die­je­ni­gen, die schon ge­nug Geld auf der Sei­te hat­ten und das hier als Frei­zeit be­trach­te­ten, zo­gen sich ger­ne mal ei­ne Li­ne.

Roy Ca­b­re­ra freu­te sich auf die be­vor­ste­hen­den Wo­chen und der An­he­bung sei­ner Vor­rä­te. Das be­deu­te­te zwar in ers­ter Li­nie mehr Ar­beit für ihn, aber auch mehr Ein­nah­men, für die er über ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten neue Dro­gen in sein Sor­ti­ment auf­neh­men konn­te. Seit Can­na­bis zum Ei­gen­ge­brauch in den Staa­ten le­ga­li­siert war, konn­te man da­mit kein Geld mehr ver­die­nen. Der Staat griff sich die Ein­nah­men ab und da es nicht mehr il­le­gal war, konn­te man da­mit auch nichts mehr ver­die­nen. Die Kun­den wa­ren ein­fach zu ver­wöhnt, weil man Can­na­bis fast über­all kau­fen konn­te.

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