Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien

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Film (Bewegtbild)

Das vermeintlich naheliegendste Format ist das klassische Video. Mit videotauglichen Endgeräten (Mobilgeräte) werden praktisch alle Lebensbereiche gefilmt, die Demontage des Akkus beim Smartphone wird genauso wie der Wechsel des Aktivkohlefilters an der Klimaanlage des eigenen Fahrzeugs oder das Lösen einer speziellen Mathematikaufgabe filmisch dokumentiert. Genau diese ubiquitär verfügbaren Low-Budget-Produktionen zu beliebigen Themen und Problemstellungen tragen dazu bei, dass wir unser Informationsbedürfnis immer effizienter und individueller befrieden können. Die veröffentlichten Werke sind dabei mediendidaktisch (struktureller Aufbau, Dialektik etc.), inhaltlich (Fachlichkeit, Logik etc.) und gestalterisch (Auflösung, Farbgebung, Schnitt etc.) von sehr unterschiedlicher Qualität. Sie verbessern sich aber insbesondere in der Kategorie mediale bzw. technische Qualität (Auflösung etc.) mit jeder neue Gerätegeneration. Der Horrorfilm „Unsane“ von Steven Soderbergh zeigt, was hier möglich ist, wurde er doch mit Mobilgeräten in 4K-Qualität aufgenommen und lässt mit Blick auf die Qualität der Bilder keine Wünsche offen (vgl. Vahabzadeh 2018).

Bei allen Vorteilen, die das Format personalisierter On- bzw. Off-Ton-Film mit Blick auf Unterhaltungswert, Empathieeffekte und die Authentizität der Darstellung bietet, verursacht die Produktion im klassischen Filmformat im Rahmen von institutionalisierten Lehrveranstaltungen in der Schule, Hochschule oder im Unternehmen Schwierigkeiten. Zwei Problembereiche sind dabei von besonderer Bedeutung:

1. Die Rechtsfigur: Der Produzent eines Films setzt sich durch die Vergesellschaftung von Bildinhalten besonderen rechtlichen Risiken aus. Das Medium Realfilm ist dabei mit Blick auf mögliche Rechtsverstöße, z. B. Persönlichkeitsrechten der Akteur*innen oder Markenrechte, deutlich schlechter zu kontrollieren, als andere Formate, etwas das Format Dia- oder Slideshow, bei denen lediglich [41] einzelne Bilder kontrolliert werden müssen. Der Aufwand, der für den Schnitt notwendig ist, um die Rechtsfigur adäquat zu bedienen, ist erheblich. Der Umgang mit Persönlichkeitsrechten stellt im Rahmen von formalen Settings an den Lernorten Schule, Betrieb oder Bildungsstätte eine derart komplexe Herausforderung dar, dass dem Einsatz dieses Formats in Filmprojekten mit realen Akteur*innen sehr enge Grenzen gesetzt sind. Dies gilt besonders, wenn der fertige Film über eine Social-Media-Plattform veröffentlicht werden soll.

Gleichwohl bietet das Medium Realfilm mit Bewegtbildern interessante Perspektiven für die Visualisierung von komplexen Zusammenhängen. Es hat sich daher bewährt, Bewegtbilder zu verwenden, die bestimmte Eigenschaften haben.

•Bewegtbilder sollten nicht direkt lokalisierbar sein. Das bedeutet, dass das Bildmaterial idealerweise keine Rückschlüsse auf den Aufnahmeort zulassen sollte, also nicht identifizierbar sein sollte, in welcher Firma bzw. Institution das Material entstanden ist.

•Das Material sollte visuell und auditiv entpersonalisiert sein. Es handelt sich dann um Stummfilme, in denen keine Personen zu sehen sind. Das Audio (personalisierter Erklärtext) kommt als Off-Ton hinzu. Die Praxis hat gezeigt, dass es erhebliche Nachteile mit sich bringen kann, wenn Lerner*innen als Akteur*innen fungieren. So konnte gezeigt werden, dass es dann häufig weniger um den Inhalt als vielmehr um die Befriedung der Wünsche einzelner Akteur*innen geht und der Erkärfilm schnell zum Unterhaltungsmedium wird. Es besteht die Gefahr, dass das didaktische Konzept zur One-Man bzw. One-Women-Show wird und anstelle eines Erklärfilms ein Performanzvideo entsteht, bei dem sich die Akteur*innen in Szene setzen. Erfahrungen mit dem didaktischen Konzept haben zudem gezeigt, dass eine visuelle Personalisierung der Produktionen ihren standardisierten Einsatz in der Lehre faktisch unmöglich macht, weil es zu kompliziert ist, die geforderten Eigenschaften zu integrieren.

2. Die Scham und der Zweifel an der Qualität des eigenen Produkts: Ein Erklärfilm ist anders als ein Plakat, eine Collage oder eine handgeschriebene Präsentationsfolie unwiderruflich mit den jeweiligen Akteur*innen verbunden. Das gilt besonders dann, wenn es sich um Realfilme mit Bewegtbildern handelt, die visuell und auditiv nicht entpersonalisiert sind. Das Ich des produzierenden Subjekts wird quasi im Film mit vergesellschaftet. Das gilt besonders dann, wenn das Subjekt im Film erkennbar ist. Da der Film – insbesondere im Rahmen der Distribution – kopiert, verändert, entstellt und weiterverbreitet werden kann, kann er auch praktisch jederzeit wieder aufgerufen [42] werden, wenn er entsprechend platziert wurde. Selbst das Löschen erlöst die Darsteller*innen nicht, da niemand ausschließen kann, dass der Film nicht doch an einer anderen Stelle wieder auftauchen wird.

Iconfilm

Der Iconfilm (vgl. Abbildung 3) stellt ein Format für Erklärfilme dar, das in der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung gewonnen hat. Im Iconfilm werden Sachverhalte mit Hilfe statischer oder animierter grafischer Symbole erklärt. Zusammenhänge und Prozesse lassen sich auf diese Weise unterhaltsam, kontrolliert und flexibel darstellen. Zum besseren Verständnis können typografische bzw. textuelle Elemente beitragen. Für Designprojekte, in denen Technikvideos oder Mathematikvideos entstehen sollen, sind Icon-Filme dagegen weniger gut geeignet. Zum einen müssen die Icons beschafft werden, zum anderen muss bedacht werden, dass die Icons weniger Realität transportieren als Realbilder, da sie eher abstrakt bleiben (vgl. Abbildung 3). Iconfilme haben vor allem Stärken, wenn es um die filmische Darstellung von Inhalten geht, die auf eine realweltliche Visualisierung verzichten können. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten zur designorientierten Didaktik wurde teilweise mit dem Diensteanbieter Powtoon (www.powtoon.com) experimentiert, der sich auf Iconfilme spezialisiert hat. Für die Entwicklung von Bildungsprodukten bietet Powtoon eine kostenfeie Lizenz.


Abbildung 3: Der Iconfilm als Umsetzungsvariante für Erklärfilme. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=fefJhSQdNP4 [Zugriff: 06-01-2020]. Bildschirmkopie.

[43] Schiebe- bzw. Legetechnik

In den letzten Jahren hat sich das Format Legetechnik rasant weiterentwickelt (vgl. Abbildung 4). Charakteristisch für die Legetechnik sind Hände, die gezeichnete Figuren, Szenen oder Objekte synchron zum Audio bewegen. Auf der Nutzer*innenseite bietet die Legetechnik vor allem dann Vorteile, wenn Prozesse oder Vorgänge erläutert werden. Oft wird hierzu eine Geschichte erzählt. Sachverhalte, etwa die Kundenannahme in einer Werkstatt, werden hier in eine Story verpackt und personalisiert erzählt. Dies hat den Vorteil, dass die Zusammenhänge und Fachbegriffe über die Geschichte beim Ansehen assoziativ vernetzt werden können. Damit steigt erwartbar die Behaltensleistung (vgl. Vester 1996). Für die Entwicklerseite gilt ähnlich wie bei der Icon-Technik, dass das Format für Videos, die eine realweltliche Visualisierung fordern (z. B. Technikvideos), weniger gut geeignet ist. Man benötigt die Lege-Objekte und eine spezielle Aufnahmetechnik. Mit Blick auf technisch oder naturwissenschaftlich ausgerichtete Videos fehlt ähnlich wie bei Iconfilmen die Realitätsnähe. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten wurde mit My Simple Show experimentiert, die eine Plattform zur Umsetzung der Legetechnik bietet (www.mysimpleshow.com).


Abbildung 4: Die Legetechnik. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=gvye2S8gsZk&t=13s [Zugriff: 06-01-2020]. Bildschirmkopie.

[44] Entpersonalisierte Off-Ton-Slideshow

Ein Produktionsformat, dass dem Anforderungsprofil (Flexibilität, akzeptabler Ressourceneinsatz, Kontrollierbarkeit etc.) gerecht wird und die Problemfelder (Personalisierung, Rechtsfigur) beherrschbar macht, gleicht einer vertonten Slide- oder auch Diashow. In einer Slideshow werden Bilder, Stummfilmausschnitte, Grafiken oder Abbildungen gezeigt und mit einer Audiospur hinterlegt. Der Rezipient*innen erhalten so zunächst den Eindruck, als betrachten sie ein Fotobuch, bei dem die einzelnen Bilder – teilweise animiert – erläutert werden. Die notwendigen Informationen zum Verständnis der Medien liefern Sprecher*innen aus dem Off. Bei Bedarf können grafische oder textuelle Elemente ergänzt werden. Auch die Integration von Stummfilmen ist möglich. Stummfilme stehen dann entweder für sich, oder sie erhalten ein spezielles Audio aus dem Off. Die visuellen Elemente dienen dazu, den Inhalt (Audio) zu elaborieren. Auf der Seite der Rezipient*innen hat das Format Diashow vermeintlich den Nachteil, dass die finalen Produktionen nicht so unterhaltsam sind, wie konventionelle Filmprodukte. Auf der Entwicklerseite bietet das Format Diashow aber den Vorteil, dass die Produktion flexibel integrierbar und mit Blick auf die Mediennutzung auch kontrollierbar ist. Im Grund benötigt man zunächst lediglich den Audioschnitt. Ein einmal produzierter Audioschnitt lässt sich mittels Schnittprogramm anschließend fast beliebig mit visuellen Medien (Bildern, Grafiken, Stummfilme etc.) anreichern. Der Audioschnitt lässt sich über die Komponenten Manuskript und Deklamation zudem didaktisch in den Ausbildungsprozess (produktive Komponente der Designorientierung) integrieren. Auch die Ressourcenfrage scheint unproblematisch. Man benötigt in einer Grundausstattung lediglich die Schnitt- bzw. Aufnahmesoftware und einen Rechner mit Mikrofon.

 

Fazit: Die Slideshow bietet die meisten Übereinstimmungen mit dem Anforderungsprofil

Erklärfilme, die in Designprojekten entstehen, erläutern entweder, wie man etwas macht oder warum man etwas macht bzw. wie und warum etwas funktioniert oder sie erklären mehr oder weniger abstrakte Konzepte und technische bzw. naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Erklärvideos aus didaktisch professionalisierten Lernumgebungen sind vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen (vgl. Kapitel 1, 2, 3, 4) insbesondere durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet:

1. Erklärvideos [45] enthalten eine klare Fokussierung auf einen thematischen Schwerpunkt. Dieser Schwerpunkt ist in der Regel über das Ordnungsmittel curricular verankert. Die eher willkürliche Vielfalt, die Videos aus informellen Kontexten bieten, wird über die Steuerinstrumente formaler Settings im Rahmen institutionalisierter Aus- und Weiterbildung (Lehrperson, Curriculum) kanalisiert.

2. Erklärvideos verfügen über eine didaktische Gestaltungsperspektive mit definiertem fachwissenschaftlichem und fachdidaktischem Anspruch. Es gibt eine Bezugsnorm, die durch die Lehrkräfte definiert wird. Erklärvideos erreichen damit eine relativ hohe und vor allem vorhersagbare fachwissenschaftliche Qualität.

3. Es gibt Produktionsstandards, die Erklärvideos aus pädagogisch angeleiteten Kontexten von solchen Videos unterscheiden, die in informellen Kontexten als Eigenproduktion entstehen. Das heißt im Besonderen, dass es Qualitätsstandards für die Audioqualität gibt. Trotz geringer Produktionsbudgets erreicht die Qualität von Erklärvideos über die Standardisierung semi-professionelles Niveau.

4. Erkärfilme im Sinne des Konzepts sind kurz; die Zeitspanne reicht von kurzen Erklärungen mit einer Dauer von weniger als einer Minute bis hin zu maximal fünfminütigen Produktionen.

5. Erklärfilme werden im Laufe der Zeit zwangsläufig Teil von Erklärfilmreihen mit einer Vielzahl von aufeinander aufbauenden Erklärvideos.

6. Das Corporate Design der Produktionen spiegelt medial die Lernumgebung, in der die Macher*innen agieren. Das bedeutet, dass die verwendeten (Bild-) Medien und Macharten einen Wiedererkennungswert und Wiedererkennungsmerkmale bieten. Die Produktions-Peers entwickeln fast zwangsläufig einen eigenen Stil.

7. Erklärvideos verwenden einen mehr oder weniger informellen Kommunikationsstil. Dieser Stil hat aber klar definierte Regeln (vgl. Kapitel 6.1, 6.2). Allgemein zeichnen sich Erklärfilme, auf Youtube, durch einen eher informellen Kommunikationsstil aus, sie werden häufig sogar gezielt durch einen flapsigen Sprachstil aufgelockert. Es wird fast ausschließlich geduzt und es geht wenig hierarchisch zu. Dadurch wird nicht von oben herab kommuniziert, sondern auf Augenhöhe erklärt. Mit Blick auf Erklärvideos, die in einem institutionalisierten Kontext entstehen, unterliegt die Produktion bzw. Verwendung von humorvollen bzw. unterhaltenden Elementen jedoch gewissen Regeln. Abgesehen von Rechtsverstößen, etwa der Verletzung von Persönlichkeitsrechten, stellt die Verletzung von moralischen Grundwerten eine solche Grenze dar. Institutionen des [46] öffentlichen Rechts, aber auch Unternehmen haben zusätzlich Compliance-Richtlinien einzuhalten. Eine strikte Anwendung der Regeln im Kontext einer Qualitätskontrolle ist besonders dann verpflichtend, wenn die Videos später in Social-Media-Plattformen veröffentlicht werden. Die Einhaltung der Regeln ist immer auch ein Spagat. Schließlich besitzen bestimmte Unterhaltungselemente durchaus motivationspsychologische Potentiale. Es obliegt auch hier den Lehrkräften, für klare Regeln zu sorgen. Das gilt auch mit Blick auf eine fehlertolerante und positive Lernatmosphäre, in der die Videos entstehen und in der sie distribuiert werden.

8. Dopplungen bzw. Wiederholungen sind im Kontext designorientierter didaktischer Projekte der Regelfall. Es ist durchaus möglich, vorhandene Produktionen zur Überarbeitung freizugeben. Die Vielfalt der Angebote wird am Ende einen Beitrag zur Überwindung von Bildungsbarrieren leisten und inklusive didaktische Settings ermöglichen. Eine auf den ersten Blick überflüssig bzw. redundant erscheinende Zweit- oder gar Drittproduktion von speziellen Erklärfilmen zu ein und demselben thematischen Schwerpunkt macht die individuelle Akzeptanz und damit Zugänglichkeit überhaupt erst möglich (vgl. Kapitel 4).

Mit den genannten Eigenschaften unterscheiden sich die Erklärfilme aus Designprojekten von reinen Videotutorials und auch von Performancevideos. Videotutorials, in denen eher praktische Werktätigkeiten im Sinne einer operativen Handlung zum Nachahmen vorgemacht werden, bilden einen reduzierten Spezialfall des Erklärvideos. Es handelt sich um ein Genre, das sich gerade in informellen Kontexten großer Beliebtheit erfreut. Erklärvideos aus Designprojekten unterscheiden sich von Tutorials insbesondere dadurch, dass sie die Inhalte in der Regel tiefer elaborieren und theoretisch fundieren. Außerdem verwenden sie mehr grafische Textelemente und der Begleittext wird nicht frei gesprochen, sondern abgelesen. Performancevideos sind dann besonderes beliebt, wenn es den Darsteller*innen gelingt die Community zu überzeugen. In Performancevideos werden spezielle, oft künstlerische Fähigkeiten oder Fertigkeiten der Darsteller*innen häufig überaus prägnant präsentiert.

Mit Blick auf das Produktionsformat besitzt die vertonte Slideshow das größte Potential, in Designprojekten Verwendung zu finden. Auch die Lege- und Schiebetechnik sowie der Iconfilm bieten sich dafür an, als Designprojekt umgesetzt zu werden. Die Formate haben aber gegenüber der Slideshow den Nachteil, dass sie weniger flexibel eingesetzt werden können und auf sehr spezielle visuelle Medien angewiesen sind. Die Slideshow dagegen verwendet Fotos, Abbildung und Grafiken, die einfach zu beschaffen bzw. zu produzieren sind. Der Realfilm [47] ist, wie sich gezeigt hat, dagegen weniger gut dafür geeignet, als Standardformat für die regelmäßige Umsetzung von Designprojekten zu fungieren. Der Implementierungsaufwand ist zu groß. Der Realfilm findet daher seinen Platz eher in speziellen Projekten.

Tabelle 3 fasst die Besonderheiten der Produktionsformate in einer Übersicht zusammen und zeigt die Vor- und Nachteile der verschiedenen Filmformate. Die Off-Ton-Slideshow erweist sich mit Blick auf die Rechtsfigur als gut kontrollierbar, weil eine visuelle Entpersonalisierung problemlos umsetzbar ist. Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für den Filmschnitt auf ein Minimum, während über Abbildungen, Bilder, Stummfilme und andere visuelle Medien Realitätsnähe erzeugt werden kann. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten zum Konzept wurde die vertonte Slideshow im Referenzprojekt zu diesem Lehrbuch in rund 500 Projekten erprobt. Die weiteren Ausführungen fokussieren sich entsprechend auf dieses Format. Die in den folgenden Kapiteln näher erläuterten Entwicklungsphasen sind aber für die anderen Formate ebenfalls von Bedeutung. Auch sie benötigen je nach Herangehensweise ein Manuskript, müssen ein Audio produzieren, fordern einen finalen – allerdings speziellen – Filmschnitt und benötigen Nachnutzungsszenarien und Distributionskanäle.

Tabelle 3: Videoproduktionstechniken in einer Übersicht


Grad der Personalisierung Implementierung: Aufwand für die Lehrkräfte Realitätsnähe Anforderungen an die Lerner*innen
Zielvorstellung (Soll) Niedrig Niedrig Hoch Niedrig
Personalisierter Film (Bewegtbild) Hoch (hoher Kont- rollaufwand) Hoch (Schnitt, Beleuchtung, Rechtekonzept etc.) Hoch Hoch
Entpersonalisierter Film (Bewegtbild) Niedrig Hoch (Schnitt, Beleuchtung etc.) Hoch Hoch
Wisch- bzw. Legetechnik Niedrig Hoch (Verschiebeobjekte müssen erzeugt werden) Niedrig Hoch
Iconfilm Niedrig Niedrig Niedrig Hoch
Entpersonalisierte Off-Ton Slideshow Niedrig Niedrig Hoch Niedrig

Nachdem die bildungswissenschaftlichen Bezüge die Vorzüge der Projektpädagogik als pädagogische Rahmung zeigen konnten und eine Eingrenzung bzw. Fokussierung auf das Produktionsformat Off-Ton-Slideshow erfolgt ist, geht es im Folgenden darum, die Phasen von Designprojekten auszudifferenzieren.

[48] 6 Designprojekte durchführen

Das designorientierte didaktische Konzept setzt in seinen produktiven Komponenten (vgl. Abbildung 5) darauf, dass die aktive Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt in den Phasen Manuskript, Deklamation und Videoschnitt Prozessgewinne in der kognitiven Entwicklung respektive Fachkompetenzentwicklung ermöglicht, motivationale Mehrwerte erzeugt und die Medienkompetenzentwicklung als Teil der Fachkompetenzentwicklung ganzheitlich integriert (vgl. Kapitel 4). Die Umsetzung eines Designprojekts erfüllt dabei immer die Kriterien, die auch für konventionelle Lernprojekte gelten (vgl. Frey 1996; Gudjons 2009). Der Begriff Designorientierung bzw. Designprojekt betont dabei den funktionalen Zusammenhang zwischen Produktions- und Nachnutzungsprozess: Designobjekte werden von Designer*innen geschaffen; das finale Handlungsprodukt hat als (offenes) Artefakt eine Bedeutung; es kann nicht nur rezipiert und geteilt werden, sondern, da es sich um ein digitales Produkt handelt, zusätzlich auch aggregiert, verändert, erweitert, verkürzt und umgestaltet. Entscheidend ist, dass Designprodukte eine Funktion haben und als offene Lernressourcen weiter zur Verfügung stehen. Im Gegensatz dazu sind Handlungsprodukte aus konventionellen Lernprojekten in der Nachnutzung eher unflexibel. Sie können in der Regel nur über eine bestimmte Zeit nachgenutzt werden, weil sie vergänglich sind bzw. einem natürlichen Verschleiß unterliegen. Reale Handlungsprodukte werden, wenn überhaupt, einmal präsentiert und verschwinden dann häufig so unpersönlich und emotionslos, wie sie entstanden sind.

Abbildung 5 zeigt die fünf Phasen, aus denen Designprojekte bestehen. In den Phasen Themenfindung, Manuskript, Deklamation und Schnitt entstehen die drei Handlungsprodukte Manuskript, Audio und Film.

Die fünfte Phase, Nachnutzung, beschreibt die rezeptive Komponente. Die besondere Qualität der rezeptiven Nachnutzungskomponente für die Lerngruppe (Lerner*innen und Lehrkräfte) besteht in den folgenden drei Aspekten (vgl. Kapitel 6.5):

 

1. Die finalen filmischen Handlungsprodukte integrieren Teile der realen Lernumgebung der Lerngruppe, weil die visuellen Medien im finalen Film in der Regel aus der jeweiligen Lernumgebung stammen und die Stimme im Audio [49] ebenfalls bekannt ist. Das führt dazu, dass sich die Lerner*innen aus der Lerngruppe in der Nachnutzung leichter mit der digitalisierten Lernumgebung identifizieren können, die sie im Film vorfinden. Die Lerner*innen haben dadurch erwartbar einen optimierten Zugang zu den Informationen, die der Film transportiert. Zusätzlich steigt zusätzlich auch die Nachnutzungswahrscheinlichkeit im Vergleich zu (kommerziellen) Fremdprodukten. Die Filme werden also häufiger für Übungs-, Vorbereitungs- oder Vertiefungszwecke ausgewählt als unbekannte Fremdprodukte. Die Lerner*innen wissen, was sie bekommen, wenn sie die Filme aus der eigenen Lernumgebung ansehen, und das Risiko, Filme auszuwählen, die dem eigenen Anspruch nicht gerecht werden, sinkt.


Abbildung 5: Phasen und Elemente von Designprojekten. Eigene Darstellung.

2. Wenn die Filme in der Präsenzlehre von Lehrkräften gezeigt werden, die an der ursprünglichen Produktion beteiligt waren, kommt es zu einer effektiveren Kommentierung und Aufarbeitung der Inhalte, die im Film gezeigt werden. Die Qualität des Moderationsprozesses steigt, weil die Lehrkräfte die Stärken und Schwächen der einzelnen Produktionen genau kennen. Sie wissen zudem, an welcher Stelle des Films Zusatzinformationen für ein tiefergehendes Verständnis sorgen können. Die Praxis zeigt, dass die Designprodukte in der Nachnutzung durch die Lehrkräfte deutlich häufiger angehalten, kommentiert und diskutiert werden.

3. Über die rezeptive Nachnutzungskomponente ermöglicht das didaktische Konzept zudem eine didaktische Entgrenzung unterschiedlicher Lernorte. Die Filme können in der privaten Umgebung, in der Freizeit, im schulischen Unterrichtsraum, in der betrieblichen bzw. überbetrieblichen Unterweisung oder im [50] Ausbildungsbetrieb übergreifend als Lernressourcen genutzt werden, um zu lernen oder sich zu informieren. Dazu müssen die finalen Filmbeiträge aus der produktiven Phase möglichst frei zugänglich sein. Details zur Distribution der finalen Filme und zur Nachnutzung finden sich im Kapitel 6.5.