Ich bin dann mal bei mir

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Ich bin dann mal bei mir
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MarioS.

Ich bin dann mal bei mir

Ein Erlebnisbericht

adakia Verlag

adakia Verlag UG (haftungsbeschränkt)

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig.

Gesamtherstellung: adakia Verlag, Gera

Umschlagfoto: MarioS.

1. Auflage, Oktober 2012

ISBN 9783941935228

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Ich trink dann mal mit ihm - oder ein Vorwort von Mark Jischinski

25.05.2011 Jena - Erfurt - Frankfurt - Paris

26.05.2011 Paris - Bayonne - Saint Jean Pied de Port - Huntto

27.05.2011 Huntto - Orisson - Roncesvalles

28.05.2011 Roncesvalles - Burguete - Espinal - Viscarret - Linzoain - Zubiri

29.05.2011 Zubiri - Larrasoana - Trinidad de Arre - Burlada - Pamplona

30.05.2011 Pamplona – Cizur Menor – Zaraquiequi – Uterga – Eunate – Obanos – Punte la Reina

31.05.2011 Uterga – Zaraquiegui – Cizur Menor

01.06.2011 Cizur Menor - Pamplona

02.06.2011 Pamplona – Vitoria Gasteiz – Paris

03.06.2011 Paris – Frankfurt – Weimar

Ich trink dann mal mit ihm - oder ein Vorwort

von Mark Jischinski

Es gibt Zeiten im Leben, da bestellen wir ein kühles Bier und bekommen von einem fies dreinblickenden Barkeeper eine völlig überteuerte, warme Plörre, die bestenfalls als Reinigungsmittel taugt. Nicht immer läuft es, wie wir es uns erträumen. Nur selten bekommen wir das geliefert, was wir bestellen. Bei einem Barkeeper ist es einfach, auf eine falsche Lieferung zu reagieren. Wir lassen das fade Getränk zurückgehen und müssen es nicht einmal bezahlen. Stattdessen gelingt ihm der nächste Versuch und vor uns steht das ersehnte kühle Blonde.

Als ich Mario das erste Mal traf, gingen einige Bestellungen von ihm nicht auf. Sie wurden entweder an den falschen Empfänger geliefert oder gar nicht. Irgendwie schien sich das Universum zu irren. Möglicherweise war auch gerade Annahmeschluss und der zuständige Wunscherfüller für den Bereich M war im Urlaub. Weil so ein universaler Zauberer eben auch einmal eine Auszeit braucht, ein wenig Abstand vom Glück der anderen. Damit er tatendurstig bleibt und noch vielen Menschen helfen kann. Mario schaute nach oben, nach unten und nach innen. Finden konnte er nichts. Zumindest nicht das, was ihm das Gefühl gegeben hätte, ein Leben voller Möglichkeiten und Chancen zu haben. Wir trafen uns also zu einem Zeitpunkt, an dem er vielleicht nicht gleich am Boden war, zumindest aber doch mit dem Gesicht auf dem Tresen lag. Und ich saß dort neben ihm, mit einem Glas Whiskey in der Hand und strahlte Zuversicht aus. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht wirke ich mit einem Glas Whiskey in meiner Hand so. Womöglich kann ich dann besonders verständig schauen, als hätte ich eine Ahnung vom Leben, vom Glück und allem, was dazu gehört. Genaugenommen habe ich nichts dergleichen. Aber ich kann gut zuhören. Und das habe ich getan. Sein Unternehmen steckte in der Krise und es gab Berater, die ihm anhand von Zahlen aufzeigten, dass es in der Krise steckte. Und wenn er dann genauer nachfragte, was all die vielen Zahlen bedeuteten, erklärte man ihm, dass sein Unternehmen tatsächlich in der handfesten Krise wäre. So weit, so gut. Ich hätte mich nun an meinem Getränk festhalten und ihm ähnlichen Unsinn erzählen können. Auch in die Trickkiste hätte ich greifen können. Dann hätte ich ihm so etwas gesagt wie »Vielleicht versteckt sich hinter jeder Angst, die wir überwinden, die Chance auf Glück!« Dann hätte ich mein Glas ein paar Mal im Kreis geschwenkt, einen bedeutungsschwangeren Blick aufgesetzt und das Getränk zu mir genommen, als würde es mir genau die Weisheit einflößen, die ich einfach nur weitergeben brauchte. An Menschen, deren Unternehmen nicht so gut läuft zum Beispiel. Doch so war es nicht.

Am Ende ist es völlig egal, was uns die Zahlen sagen. Wir können Berge von Papier anhäufen, Berater konsultieren, uns schwarz und wieder weiß ärgern, was bleibt, ist eine rote Zahl. Es besteht dann noch immer die Möglichkeit, Peter Zwegat einzuladen, ein Flipchart in den Raum zu stellen und die gesamte Scheiße zu visualisieren. Doch es verändert sich nichts an diesem großen, braunen Klumpen Ungemach. Es ist wie mit allem im Leben und diese Weisheit habe ich nicht vom Whiskey. Es kommt auf unsere Einstellung an. Wir können es uns aussuchen, ob wir mit Wut und Enttäuschung in die Vergangenheit schauen und mit Sorge und Angst in die Zukunft. Wir können uns entscheiden, jederzeit. Mario hat sich entschieden. Er hat den Willen in sich gefunden, weiter zu machen. Und dann, nachdem die Karre nicht nur aus dem Dreck, sondern wieder auf dem rechten Weg war, trat er einen noch beschwerlicheren Weg an.

Wir können auf die größten Entdeckungstouren in die entlegensten Länder dieser Welt gehen und dort ganz erstaunliche Dinge erleben. Ferne Kulturen, obskure Traditionen und unglaubliche Lebensformen begegnen uns dort. Vielleicht werden wir auch auf einer dieser Reisen fündig, was uns selbst betrifft. Doch so weit brauchen wir manchmal gar nicht zu reisen. Die größten Schätze liegen noch immer in uns. Wir müssen uns nur trauen, den Mut finden, uns auf die spannendste und gefährlichste Reise zu begeben. Denn am Ende einer solchen Odyssee steht immer die Begegnung mit unserem eigenen Ich. Mario ist den Jakobsweg gegangen und hat dort eine Menge entdeckt. Ein Teil steht auf den folgenden Seiten. Vieles aber auch nicht. Ich sehe ihn jetzt neben mir sitzen. Zufrieden und eins mit sich selbst. Deshalb möchte ich mein Glas erheben. Dieses Glas, das ich immer bei mir und mit einem guten Whiskey gefüllt habe, wenn ich besonderen Menschen begegne. Und ich will auf meinen Freund Mario trinken. Und ihm sagen, dass der Platz neben mir an der Bar immer frei für ihn ist.


Seine – Paris

25.05.2011 Jena - Erfurt - Frankfurt - Paris

Eigentlich ein Tag, wie jeder Andere. Das Wetter ist herrlich, nur ich fahre nicht wie gewohnt mit dem Auto zur Arbeit, sondern setze mir den roten Rucksack auf und laufe. Vorher habe ich noch die restliche Erdbeertorte vom Geburtstag meines Schatzes aufgegessen und verlasse munter das Dorf in Richtung meiner Arbeit. Auf dem Weg durch den Ort rufen mir freundlich zwei Nachbarn zu: »Mario, wo willst Du denn hin?« Ich winke und rufe herzlich zurück: »nach Spanien«, und gehe dabei zielstrebig weiter. Die Blicke verraten mir, was sie nicht aussprechen. »Jetzt ist er wohl völlig verrückt?!«

Ich ziehe weiter. Wie es sich für einen ordentlichen Arbeitgeber gehört, gehe ich noch einige Stunden zur Arbeit, schließlich fährt mein Zug erst um halb zwei. Noch ein Kundenbesuch, einige dringend zu erledigende E-Mails beantworten, ein paar Telefonate, Banküberweisungen und die Übergabe der offenen Arbeiten an die gute Fee des Hauses, dann holt mich mein Schatz ab und fährt mich zum Bahnhof.

Das letzte Mal sind wir den Jakobsweg gemeinsam gelaufen und dieses Mal bringt sie mich zum Zug. Ich habe Ihr noch ein Ferrero Küsschen aufs Kopfkissen gelegt und einen Zettel mit der Aufschrift: »Schlaf schön. Ich liebe Dich.«

Vor 3 Wochen haben wir Silberhochzeit gefeiert und ich liebe sie, wie am ersten Tag. Muss ich erst auf einen blöden Berg fahren, um das zu merken?

Ich habe ständig das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Dies nutzt mein Schatz auf dem Bahnhof aus, um mir noch ein Geschenk zu überreichen. Eine Süßigkeiten-Überlebensbox und eine Taschenlampe, damit ich mich nicht verirre. Diese Frau schafft es immer wieder, mich zu überraschen.

Und schon sitze ich im Zug nach Erfurt. Ein kurzer Blick zurück und los geht die zweite Etappe des Abenteuers, welche eigentlich vor acht Monaten als erste hätte stattfinden müssen. Und weil ich nun mal so bin, muss ich das jetzt allein zu Ende bringen. Der Zug rollt gemütlich durch die Landschaft und ich erreiche bequem meinen ICE nach Frankfurt.

Ich bin gerade zwei Stunden vom Büro weg, da ruft der erste Kunde an. »Was ist denn bei euch los? Im Büro geht keiner ans Telefon.« Zehn Minuten später das gleiche Spiel. Ich bin genervt. Eigentlich wollte ich mich nicht ärgern, aber ich könnte bereits platzen. Ein Rückruf meinerseits in der Firma bringt leider auch keine Aufklärung, vermutlich haben die Kunden alle einfach nur die falsche Nummer gewählt.

 

Der ICE ist pünktlich auf die Minute in Frankfurt. Ankunft auf Gleis 6, Weiterfahrt ab Gleis 18. Umsteigezeit zwanzig Minuten. Das sollte kein Problem sein. Also trotte ich gemütlich zu Gleis 18. Kein TGV. Super, heute fährt der TGV nach Paris ab Gleis 1a. Von wegen zwanzig Minuten Zeit. Ich also zurück zum Gleis 1. Dort fährt nun wieder ein ICE ein. Zum Glück erklärt eine Dame vom Bahnpersonal einem genauso verdutzt Suchenden wie mir, dass sich Gleis 1a außerhalb des Bahnhofes befindet und der TGV (Train à Grand Vitesse) bereits wartet.


Der TGV von Frankfurt nach Paris

Ich komme dem Teil näher und es sieht beeindruckend aus. Auf dem Zug steht 574,8 km/​h Spitzengeschwindigkeit. Das muss ich fotografieren. Ich habe Wagen 5, Platz 33, rückwärts zur Fahrtrichtung, am Fenster. Prima! 574,8 km/​h rückwärts durch die Botanik, mir ist jetzt schon schlecht! Der TGV ist von Komfort und der Qualität nicht mit unserem ICE vergleichbar. Eher etwas in die Tage gekommen und die Klimaanlage bläst mir sehr kalte Luft in die Augen. Aber immerhin, ich bin auf dem Weg nach Paris. Eher gemütlich sanft gleiten wir wie in einem französischen Auto bequem und unspektakulär über Mannheim und Karlsruhe Richtung Straßburg. Eigentlich komisch, in meiner Verwandtschaft fahren viele Leute französische Autos. Offensichtlich lieben sie diese Gemütlichkeit. Ich fahre kein französisches Auto. Ich bin lieber auf der Autobahn als in der Werkstatt. Zwei Kundenanrufe später verlassen wir Deutschland.

Plötzlich passiert etwas Seltsames. Ein erstaunliches Summen und Brummen von Elektromotoren versetzt den Zug in Schwingungen, dass ich blass werde. Ich bin selbst Pilot, aber solch einen Vorschub habe ich noch nicht erlebt. Eine Wahnsinnskraft treibt diesen TGV nach vorn, sodass ich das Gefühl habe, in einem Spaceshuttle zu sitzen und gleich unsere geliebte Erdatmosphäre zu verlassen. Einfach gigantisch. Ich wusste es. Die haben hier Atomkraftwerke und irgendwas ist da in dem Strom drin. Ich trau mich gar nicht, mein Handy an die Bordsteckdose anzuschließen. Am geilsten ist das Gefühl, wenn der Zug über eine Autobahnbrücke düst. Dann steigt er an, erreicht den Zenit und rast danach in ein Tal. So muss sich ein Parabelflug anfühlen. Plötzlich bebt der Wagen und die Scheiben wackeln. Mitten auf freier Strecke ist uns ein zweiter TGV begegnet. Wenn der nun auch 574,8 km/​h schnell war, dann sind wir uns gerade mit 1.149,6 km/​h entgegengekommen. Die sind hier komplett verrückt.

Die Kühe auf der sattgrünen Wiese scheint das wenig zu interessieren. Ich wüsste zu gern, was die denken.

Ich war noch niemals in Paris und so ist meine Erwartungshaltung entsprechend hoch. Wenn man mit dem Zug die Vorstädte von Paris erreicht, so ist Paris eher unspektakulär. Industrieanlagen, Hochhäuser, Schallschutzmauern und plötzlich bist du auf die Minute genau in Paris, Gare de l´Est.

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