Heinrich von Petersberg

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Heinrich von Petersberg
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Inhalt

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

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Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2020 novum Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-903271-65-4

ISBN e-book: 978-3-903271-66-1

Lektorat: Mag. Eva Reisinger

Umschlag- und Innenabbildungen:

Maria Weißböck

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Danksagung
Teil 1

Teil 2
Gab es Not, gibt es heute Überfluss. Sehr viel Überfluss. Die Einkaufszentren quellen über. Kommt Heinrich zufällig in einen Lebensmittelsupermarkt, fragt er sich, wer das alles kauft. Links und rechts der Gänge findet sich stapelweise Essen. Essen, das er nicht kennt, Essen, das er nicht braucht. Und Verpackung. Verpackung und nochmals Verpackung. Allein besucht er so ein halbes Fußballfeld großes Geschäft nicht. Er geht nur mit, wenn er jemanden da hin fährt. Der Parkplatz ist voll. Leute streben, mit vollgeladenen Einkaufswägen, auf ihre Autos zu. Drinnen Stau vor den Kassen. Eiliges Schlichten einer Unmenge Waren auf das Förderband. Noch ist nicht alles wieder im Einkaufswagen gelandet, präsentiert die Kassiererin schon die Rechnung und wünscht einen schönen Tag. Waren einladen in den Einkaufswagen, schnell ausladen auf’s Förderband, wieder, – fast hinein werfen –, in den Einkaufswagen, ausladen ins Auto, ausladen aus dem Auto, schlichten in Vorratskästen und auf Stellagen. Wenn seine Mutter diesen Unfug sähe. Er hat sein Geschäft, wo er einkauft. Auch ein Markt, aber überschaubar.
In St. Johann gibt es seit 2018 kein Geschäft mehr, wie in vielen ähnlich großen Orten schon länger. Verdrängt von den Supermärkten. Verdrängt von gedankenlos Einkaufenden. Abgewürgt von zu viel gekauften Lebensmitteln, von denen nicht wenige verderben und entsorgt werden. In Wien zum Beispiel soll täglich so viel Brot im Biomüll landen, wie die Menschen in Graz an einem Tag kaufen. Unzählige, verlockende Angebote, nach denen fast automatisch gegriffen wird, die weder geplant noch notwendig sind. Vieles lagert dann zuhause. „Ah, ja, das liegt auch noch da. Das gehört auch verbraucht“, bleibt aber noch liegen. Oft zu lange. Ist wirklich so viel zu gewinnen bei den großen Packungen und den kleineren Preisen? Eigentlich nur die öde Ruhe in den Orten! Das verlorene Miteinander, das uns gut tat. Auch Kaufhaus Krauck, Gemischtwarenhandel, ist geschlossen.
Heinrich weiß den Werdegang dieses Geschäftes und hat seit seiner Geburt auch eine besondere Beziehung dazu. Der Lehner Franzl, der als Bub die Nachricht wegen der Hebamme vergaß, war der Sohn des Gründer-Ehepaares. Das erste Geschäft befand sich in Petersberg. Zwischen 1920 und 1930 erwarben die Lehners dort das Häusl Nr. 18 und begannen einen Gemischtwarenhandel, der florierte. Sie waren bekannt als freundlich und hilfsbereit. Herr Lehner befasste sich auch mit allen möglichen anderen Arbeiten, während seine Frau das Geschäft bediente. Bekannt wurde er als Zahnzieher. Klagte ein Kunde über nicht mehr ertragbare Zahnschmerzen, setzte er diesen neben eine offene Tür, band einen widerstandsfähigen Faden um Zahn und Türschnalle. Noch bevor der Schmerzgeplagte Einwand erheben konnte, schlug er die Tür zu und weg war der Zahn, zumindest, wenn er schon etwas gelockert war. Später verkaufte das Ehepaar das Häusl wieder und erwarb ein Haus im Ortszentrum von St. Johann. Dort führten sie zusammen mit Tochter Fannie das Geschäft weiter, auf die es auch überging. Diese heiratete Herrn Alfred Krauck. Tochter Regina führte das Geschäft bis zu ihrer Pensionierung 2018 weiter. Die geschlossenen Geschäfte fehlen in den Orten. Das, was fehlt, ist in Supermärkten nicht zu finden.
„Diese und andere Begebenheiten hat meine Mutter erzählt“, sagt Heinrich.
Der Vater war also zu dieser neuen Bekanntschaft gezogen. Diese hatte schon einige Kinder, jedes von einem anderen, so hinter vorgehaltener Hand. Danach etwas lauter: „Kinder können ja nichts dafür.“ „Nein, die Kinder nicht, auch nicht wirklich die Frau. Wo sind die in Verantwortung stehenden Väter geblieben?“
Schwanger sei sie, hatte sie Herrn Grünzweil mitgeteilt, und zwar von ihm. Das kleine alte Haus an der Straße, das sie gemietet hatte, war total heruntergekommen. An einigen Fenstern gab es statt Glas vorgespannte Fetzen. Leicht hatte es diese Frau bestimmt auch nicht. Heinrichs Vater erfuhr, es gebe einen nicht all zu weit entfernten Hof zu bewirtschaften. Auch die entsprechenden Wirtschafts- und Wohngebäude seien vorhanden. Herr Grünzweil, der auf seinen Wanderwegen als Händler einiges verdient hatte, nahm diese Gelegenheit wahr, kaufte ein paar Kühe, vergaß die Familie und lebte dort sein neues Leben mit der neuen Frau. Diese hatte eine Nachbarin, mit der sie sehr vertraut war. Die eine wusste alles von der anderen, bis auf das, was eben jeder Mensch in sich verschließt. Und jede behielt das Anvertraute solange für sich, bis sie meinte, aus Wut ein scharfes Geschoss zu brauchen. Anvertraute Geheimnisse können zu einer vernichtenden Waffe mutieren.
Mit sechzehn Jahren wechselte Heinrich zu einem größeren Bauern nach St. Veit, zum Staffenberger in Keppling, der sich einen Knecht leisten konnte. Ein Aufstieg. Er war nicht mehr Hüterbub. Dort gab es bereits drei Pferde für die Arbeit anstelle von Ochsen und es gab Lohn, der aber eher klein ausfiel, Wohnen und Essen gehörten zum Verdienst. Den zwölfjährigen Bruder Adolf, der 1940 auf die Welt gekommen war, holte er zu sich, damit auch dieser genug zu essen hatte, das er sich natürlich verdienen musste, ähnlich wie Heinrich seinerzeit. So ein Kleiner arbeitete schon recht vielseitig, wie helfen beim Ausmisten im Stall, Mist und das verschmutzte Stroh in den Schubkarren laden, auf den Misthaufen vor dem Stall schieben, drei Mal die Woche auf dem Heuboden mit einer dieselbetriebenen Schneidmaschine Heu und Stroh schneiden, dieses durch die Futterlücke in den Stall hinunter werfen, Tiere putzen, Wasser und Holz ins Haus bringen, den Hof kehren, dieses da hintragen und jenes dort und natürlich das Vieh hüten. Mähen mit der Sense musste er nicht mehr, wie damals Heinrich. Der Bauer besaß bereits eine Mähmaschine mit einem seitlichen Balken, die von Pferden gezogen wurde. Auch der Knecht musste nicht mehr übers Feld laufen, er saß auf der Maschine und lenkte von dort die Pferde.
Die Pferde beim Bauern Staffenberger empfand Heinrich als wirklichen Fortschritt gegenüber den Ochsen. Weniger störrisch waren sie und bewegten sich schneller. Anstelliger verhielten sie sich, ob auf Wiesen, Feldern oder im Wald. Für Einkauf und Verkauf zogen sie flott den Wagen. Heinrich, der gut sechzehnjährige Knecht, bekam die Aufgabe übertragen, mit Kornsäcken zur Schwentmühle zu fahren, unterwegs beim Hufschmied Halt zu machen, eines der beiden angespannten Pferde brauchte neue Hufeisen. Eine dreiteilige eiserne Egge hievte er auch noch auf die Säcke, der Schiefermühlner Schmied möge sie reparieren.
Die erste Station war die für das Pferd. Dieser Pferdeschuhmacher war bekannt für sein Geschrei und Geschimpfe mit den Knechten. Keiner konnte den Fuß des Pferdes während des Hufeisen Wechsels so hochhalten, dass es ihm gepasst hätte. Noch dazu lehnte er sich selber abwechselnd gegen Pferd und Knecht. Dabei das Gleichgewicht zu halten wurde schwierig. Heinrich kannte diese Vorgehensweise schon und war jedes Mal froh, wenn die Arbeit bei diesem Schreihals beendet war. Wäre, was dieser Mann ausspuckte, Wasser gewesen, pudelnass müsste er weiterfahren –, Richtung Waxenberg zur Mühle. Wenn er dachte, das Schlimmste hätte er für heute hinter sich gebracht, hatte er sich getäuscht. Ausgerechnet in der sogenannten, sehr engen, sehr unübersichtlichen Kematner Kurve, kam, wie plötzlich, ein großer LKW entgegen. Die beiden Pferde, die an solche Undinger wenig gewöhnt waren, schreckten sich derartig, sie sprangen über die Böschung hinunter. Heinrich, Egge und Kornsäcke schleuderte es vom Wagen, dieser stürzte um, die Pferde schleiften ihn noch, bis sie sich ein wenig beruhigten und Halt machten. Als Heinrich wieder auf den Füßen war, die Prellungen bemerkte er vor Schreck erst einmal nicht, sah er die Säcke den Hang hinunterrollen, hinein in ein Kornfeld. Gut, dass Heinrich ein kräftiger junger Mann war. Er tätschelte die Pferde, schaffte es mit großer Mühe, den Wagen wieder aufzustellen, mit der Hand am Halfter wies er die Pferde in die Nähe der verlorenen Fracht, lud die schweren Säcke auf, dazu die Egge. Das Scheuen der Pferde saß ihm noch in den Gliedern, als er bei der Mühle ankam. Die Säcke lud er ab, mit der Egge ging’s noch weiter zum Schiefermühlner, welcher die baldige Reparatur versprach. Von dort kehrte er zur Mühle zurück, von wo er Säcke gemahlenen Mehles, einer vorigen Kornlieferung, mit nach Hause nahm.
Die Monate liefen dahin. Heinrich dachte viel über seine Zukunft nach.
„Mit den dreihundertfünfzig Schillingen Lohn komme ich nicht weit“, sinnierte Heinrich beim Bauern in St. Veit vor sich hin. „Ich habe keinen Beruf erlernt. Ich will mein Leben nicht als Bauernknecht verbringen. Ich muss etwas finden, von dem ich besser leben kann.“
Anfang der fünfziger Jahre besaßen die Leute, die auf dem Land arbeiteten, immer noch so gut wie nichts. Bei dem einen oder anderen gab es doch Neuerungen, ein Motorrad zum Beispiel. Das Landleben ging entfernt von Zentren seinen Lauf, alle Wege waren weit. Als er wieder einmal einen Reisigbesen für den Bauern band, fiel ihm ein, es gibt Gegenden, da wachsen nur wenige Birken und damit ist kein Reisig für Besen vorhanden. Das war’s! Schnell entschlossen band er einen solchen an sein Fahrrad und machte sich auf nach Eferding. Mutig besuchte er Firmen und Bauernhöfe und zeigte seinen Besen. Da es damals die heute industriell gefertigten Besen nicht gab, radelte er, glücklich, mit einigen Aufträgen im Hosensack, den weiten Weg hügelauf zurück. Frohen Mutes machte sich der Siebzehnjährige in seiner Freizeit an die Arbeit.
Der Winter kam. Früher konnte das Mühlviertel mit Sibirien verglichen werden, was Schnee und Wind anlangte. Auf dem Bauernhof war die Arbeit zu dieser Zeit weniger. Auch der Lohn. Ließ das Wetter es zu, wurde im Wald Holz gefällt, zum Verkauf und für die warme Stube in kommenden kalten Zeiten. „Bauer, wär’s Euch recht, wenn ich keinen Lohn verlange, aber morgens und abends im Stall arbeite, für’s Wohnen und Essen?“ Der Bauer war einverstanden, so machte sich Heinrich ans Besenbinden. Diese Arbeit machte ihn zum Philosophen. Stunde um Stunde die gleichen Handriffe, ein Bündel Reisig, Draht, ein Bündel Reisig und so weiter. Zeit, um über das Leben nach zu denken. Seine Schlussfolgerungen über das Dasein und den Umgang damit, kamen nicht von Gelesenem, sie kamen aus eigenem Nachdenken, Fühlen, Tun und Sein. Außer einem Schullesebuch gab es keine Bücher in Heinrichs Welt.
Von Anfang November bis Ende April band Heinrich beim Bauern unzählige Besen. Das hatte ihm mehr eingebracht, als der Lohn. Reisig gab es genug. Umliegende Bauern, die er angesprochen hatte, belieferten ihn reichlich, nachdem sie gehört hatten, er zahle sofort: da Ware, da Geld. So konnte er sich kostbare Zeit sparen. Im Frühjahr ließ er eine stolze Fuhr per Lastwagen nach Linz und Eferding befördern, zu Lagerplätzen, welche er per Rad organisiert hatte, auch direkt zu geworbenen Großkunden. Kleinere Partien erledigte er wieder mit seinem Fahrrad von den Lagerplätzen aus. „Siebzehn Jahr, dunkles Haar, nicht verwöhnt, erfolgsgekrönt.“
Etwas besonders Erfreuliches erlebte Heinrich auf diesem Bauernhof. Ein Mädel, aus der weiteren Umgebung, half oft auf dem Bauernhof und nächtigte während dieser Zeit in einer Kammer, zu der Heinrich, dessen Schlafraum sich an den Stall anschloss, über das Schredl gelangte. Die Altbäuerin entdeckte was da vorging. Besuchte Heinrich sonntags nicht die Kirche, hielt sich in der gemeinschaftlichen Stube auf, und hörte Radio, drehte sie dieses erbost ab. Wenn er nicht zur Kirche gehe, brauche er auch keine Radiomusik. Und beichten gehen müsse er ja auch. Heinrich tat, was er für gut hielt. Diese Jugendliebe heiratete später auf eine große Gärtnerei, die sich entlang der Mühlkreisbahn befindet.
Heinrich war also Knecht mit Lohn und auch sein Nebengeschäft, brachte ihm Geld ein. Ein Motorrad hatte der sparsame junge Mann erworben. Dass es sechstausend Schillinge gekostet hat, betont er besonders gern. Sein Jahresgehalt, wenn er auch im Winter voll arbeite, betrug viertausendzweihundert Schillinge, also eine tolle Leistung für den inzwischen Siebzehnjährigen. Einen Führerschein besaß er noch nicht. Weil er zu jung war, brauchte er die Unterschrift des Vaters um die Fahrschule besuchen zu dürfen. Kurz entschlossen fuhr er mit dem Motorrad von St. Veit zum neuen Wohnort des Vaters. Diesen fand er arbeitend auf dem Feld, ein zwei- bis dreijähriges Mädchen daneben. Als der Vater den Sohn kommen sah, hob er das Kind auf seinen Rücken und ging auf diesen zu. „I brauchat a Unterschrift von dir“, sagte Heinrich. Schon damals war er ein Meister darin, Dinge nicht peinlich werden zu lassen. Auf dem Weg zum Haus kämpfte der Vater gegen die Tränen. Berührt von Heinrich, der war wie immer, dazu eine große Enttäuschung. Weinend erzählte er, das Kind sei nicht von ihm. Zwischen den Nachbarinnen und Freundinnen habe es in seiner Gegenwart Streit gegeben, da habe er es erfahren. „Und dös Kind is ah net von dir“, hatte die Freundin ihn aufgebracht angeschrien, heftig mit den Armen gestikulierend, den Zeigefinger auf ihn gerichtet. Leugnen war nun nicht mehr möglich, die rasende Nachbarin und Freundin packte aus. „Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nie von daheim weggegangen“, sagte er weinend. Aber er blieb noch einige Jahre mit dieser Frau zusammen.
Mit dem Motorrad fühlte Heinrich sich sehr selbstbewusst. Er, der Häuslerbub, der um zu essen zum Bauern zog und viel arbeitete, einer der Wenigen war er, der sich in viele Kehren legte, auf schmalen Wegen und Straßen, die sich von Petersberg aus ins Tal der Steinernen Mühl winden, ebenso nach der anderen Seite über den Ederhügel nach St. Johann, St. Peter, weiter ins Tal der großen Mühl, nach Neufelden, den Ort, zu dem er vierzehnjährig damals zu Fuß laufen musste. Lustvoll setzte er sich an Sonntagen, nachdem die Stallarbeit getan war, auf sein Motorrad, fuhr durch die Gegend, auch zur Kirche, danach zum Frühschoppen, zu Tanzereien, Kirtagen, Zeltfesten, überall dort hin, wo etwas los war. An Werktagen traf er sich abends mit Freunden zum Fensterln, natürlich nicht mehr mit dem Fahrrad. Das machte doch was her! Was werden die Mädchen sagen? Sicher werden sie beeindruckt sein! Nur, so ein Motorrad kann seinen Fahrer auch ganz schön ärgern, wenn es nicht anspringt. Der Bauer Staffenberger in St. Veit liegt auf einer Anhöhe. „Es wird kein Problem sein“, dachte Heinrich, „den Weg hinunter springt es schon an.“ So war es aber nicht. Also den Vorgang wiederholen. Wieder nichts. Nach mehrmaligem Hinaufschieben und Hinunterrollen war es bereits zu spät für’s Fensterln. Verärgert ließ er sein Vorhaben fallen und ging schlafen. Einen Mechaniker in der Nähe gab es noch nicht, er musste jemand finden, der in dieser Sache kundig war. Für die Besen-Geschäfte verwendete er es nicht, das Fahrrad war dafür besser geeignet. Mit der Bahn und für andere Fahrgelegenheiten konnte er es mitnehmen, viele Besen ließen sich darauf mit Seilen befestigen.
Als Heinrich neunzehn Jahre alt war, verließ er den zweiten Bauern, bei dem er drei Jahre gearbeitet hatte. Er hatte Geld gespart und übernahm das Elternhaus an Stelle seiner Schwester Maria, die als Erbin vorgesehen war, das Erbe auch bereits angetreten hatte. Geld war nicht vorhanden, woher auch, sie hatte ein Kind, half der Mutter die Grundstücke zu bewirtschaften. Ihr Mann unterstützte sie nicht. Arbeit war nicht gerade ein Hobby für ihn, eher schon Alkohol und Raufereien, öfter das Gefängnis von innen. Maria hätte jedem der Geschwister zweitausend Schillinge als Erbe ausbezahlen sollen. Sie war daran, das Häusl mit dem Grundstück zu verkaufen und auszuhandeln, dass die Mutter weiterhin dort wohnen könne. Da griff Heinrich ein. Von ihm erhielten die Geschwister auch nicht alles auf einmal, aber nach und nach wurden alle ausbezahlt. An Maria zahlte er freiwillig das Doppelte, damit sie auf jeden Fall einverstanden war, als Erbin zurückzutreten. Heinrich wollte keinesfalls, dass die Mutter durch den Verkauf zu fremden Leuten käme. Im Übergabevertrag ließ er für sie lebenslanges Wohnrecht und Essen festschreiben. Die Mutter machte ihm gerne und fleißig alle häuslichen Arbeiten.
Mit Heinrichs Heimkehr fand Mutters Not ein Ende. Lebensmittel fanden sich wieder in ihrer Küche. Nicht nur, was das Sacherl hergab. Sie konnte gelegentlich beim Fleischhauer und Gemischtwarenhändler einkaufen. Heinrich erinnert sich besonders gerne an gebackene Speckknödel mit Sauerkraut, Leberschädl, manchmal Bratl, Geselchtes, davon die Suppe. Rahm- und Mehlsuppe mit Brot, Erdäpfelnudeln. Auch die Mehlspeisen hatten es ihm angetan. Wuchteln, Schifferl, Grießkoch, gebackene Mäuse, Zwetschgenknödel. Kraut und Erdäpfel standen nach wie vor auf dem Speiseplan, aber nicht nur. Kraut und Erdäpfel machten satt und hielten die Menschen gesund.
Auch wenn wir heute unsere Kost geändert haben, greifen wir mit wässrigem Mund manchmal auf diese geschmackigen Gerichte zurück.
Die beiden bewirtschafteten also das Sacherl. Heinrich, der daneben immer wieder, zusammen mit einem Freund, als Taglöhner bei großen Bauern in Eferding arbeitete, – allein auf die Besen vertraute er noch nicht –, versuchte in Linz Arbeit zu finden. In St. Magdalena bei der Firma Rella konnte er schließlich anfangen. Genächtigt hatte er im Gasthof Haunschmied in Urfahr, mit dem Motorrad pendelte er zwischen den beiden Orten. Zu dieser Zeit gab es ein Gesetz, Landarbeiter durften nicht fix angestellt werden, sondern nur als Taglöhner. Ein Taglöhner wurde nicht angemeldet, hatte also keinerlei Versicherung, wurde jeden Tag ausbezahlt und der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses war unsicher. Daher beendete Heinrich diese Tätigkeit bald wieder und kehrte zu seinen Besen zurück. Einmal noch versuchte er es. Die Baufirma Mayreder errichtete in Neufelden das große Müller-Wipperfürt-Gebäude für Modeerzeugung. Wieder als Taglöhner durfte er Bagger schmieren, später das Baggerfahren erlernen. Dann kam die endgültige Wende. Die Lenzing-AG bestellte bei Heinrich fünfhundert Stück Besen. Somit ließ er den Nebenerwerb bei Firmen fallen und beschloss, immer selbstständig zu bleiben. „Das habe ich nie bereut“, beteuert er, „und immer daran denken: wenn man will, geht viel.“
Das Fahrrad war zu jener Zeit kein Sportgegenstand um fit und gesund zu bleiben, Geselligkeit und Natur zu erleben, wie das heute oft der Fall ist. Es diente einfach der schnelleren Fortbewegung. Heinrich nutzte es auf Rückwegen von Graz, Innsbruck und anderen Orten, zu denen er mit dem Zug gereist war. Um sein Geschäft auszuweiten, radelte er kreuz und quer, ohne Straßenkarte, gelenkt von seinem Gespür für Geschäfte. Manches Mal gab es Schwierigkeiten einen Schlafplatz zu finden. Konnte er bei Bauern nicht unterkommen, weil die Herberge schon voll war, suchte er einen Heustadel auf. Ermüdet fiel er ins Weiche und schlief ein. Vor Müdigkeit ruhte er einmal sogar auf einem harten Lager. In dem Bauernhaus, das er schon öfter aufgesucht hatte, gab es einen Trauerfall. In der großen Stube war Totenwache, Verwandte, Nachbarn und Freunde füllten das Haus. Die laute, klare Stimme des Vorbeters drang ans Ohr, dann das vielfältige, kaum verständliche, aber bekannte Gemurmel: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns, jetzt und in der Stunde des Todes.“ Heinrich setzte sich wieder auf’s Rad. In der aufkommenden Dunkelheit sah er etwas wie einen Stadel. Es war aber keiner. Es war eine Hütte, in der Bretter lagerten. „Ein wenig Schlaf werde ich schon finden“, überlegte er. Kaum hatte er sich zurecht gerichtet, kamen Trauergäste vorbei und sahen das Fahrrad. Sie blieben stehen, schwenkten von den Gesprächen über den Toten, dessen endlich beendetem Leiden, zu der harmlosen Entdeckung, hinter der alles Mögliche lauern konnte, Gefahr nicht ausgeschlossen. Lautstark tauschten sie ihre Vermutungen aus. „Wenn sie das Rad mitnehmen, schau ich dumm aus“, sorgte sich Heinrich. Endlich gingen sie weiter und ließen das Fahrrad zurück. Nochmals richtete er die Jacke, legte den Kopf darauf und schlief ein wenig. Sobald er genug sehen konnte, machte er sich auf den Weg um weitere Aufträge. Am Wochenende wollte er wieder zuhause sein, alles genau zusammenschreiben, besorgen, was er brauchte. Am Sonntag ging er zur Kirche, danach zum Frühschoppen.
Ein anderes Mal, als er auch einen Heustadel aufsuchte, und ein paar Schritte im Dunkeln tat, trat er auf etwas Festes, keineswegs Heu. Schnellstens jagte die Furcht ihn hinaus, er radelte davon, so schnell er konnte. „Wahrscheinlich war es auch nur ein Müder, so wie ich selbst“, überlegte er, nachdem er wieder zur Ruhe gekommen war. Für diesen Tag blieb jeder Heustadel unheimlich, gibt es doch im Salzburgischen und auch in Tirol, – kein Wunder wär’s, ebenso in der Steiermark –, viele gespenstische Heustadel-Geschichten. Von Erhängten und deren Geistern handeln sie, von Selbstmördern, von versteckten Verbrechern, von alten Frauen, denen die Geister sich zeigen und Botschaften vermitteln, arme Seelen, die Hilfe in Form von Gebet suchen, die Hände immer wieder bittend aneinander legen. Eine alte Frau erhielt die Nachricht, beide Töchter des Nachbar-Bauern werden ins Kloster gehen, was sich tatsächlich erfüllte. Sie hatte gesehen, wie zuerst die ältere Tochter im Kreis ging, mit beiden Händen eine Obstschale über den Kopf hob, als ob sie diese opfern wolle, danach die jüngere. Kinder auf ihren Schulwegen liefen damals so schnell als möglich an den Stadeln vorbei, den Blick zu Boden gesenkt, in der Furcht ein solch armes Geschöpf zu sehen.
Einmal passierte es, Heinrichs Zug nach Innsbruck hatte Verspätung. Die Quartiere, die er normalerweise aufsuchte, waren alle schon ausgebucht. Mit dem Rad fuhr er zum Bahnhof, wo er zu übernachten gedachte, kam dort mit Leuten ins Gespräch und erzählte von seinem Verhängnis. „Kannst bei mir schlafen“, meinte einer ganz unumwunden. Seine Wohnung bestehe aus zwei Zimmern mit je einem Bett. Heinrich nahm an. Er freute sich über die Gastfreundschaft. Selbst war er ja auch hilfsbereit und gastfreundlich. Doch mitten in der Nacht kam der freundliche Mensch ins Zimmer, legte sich zu Heinrich ins Bett und fing an, an ihm herum zu nesteln. Dieser, schlaftrunken, wusste nicht, wie ihm geschah. „Lass mich in Ruh!“, wehrte er sich heftig. Schließlich sah der andere von dem Übergriff ab und beschwor sein Opfer, niemandem etwas davon zu sagen. Nachdem sich beide beruhigt hatten, der Gastgeber ein Versprechen abgeben hatte Heinrich in Ruhe zu lassen, und dieser eines, nichts zu sagen, schliefen sie, jeder in seinem Bett, wieder ein. Am nächsten Morgen, als sie das Stiegenhaus hinunter gingen, schien es Heinrich, eine Frau, die gerade putzte, schaue neugierig und recht eigenartig, mit einem schiefen Lächeln. Der Gastgeber lud Heinrich noch zu einem ordentlichen Frühstück bei einem Imbissstand ein und beschwor ihn abermals zu schweigen.
Ein anderes Mal ging es etwas erfreulicher zu. Heinrich nächtigte oft in Timmelkam, immer im gleichen Gasthof. Den Abend verbrachte er regelmäßig in der Gaststube, wo mehr oder weniger immer die gleichen Gäste zukehrten, auch Handelstreibende. Es wurde geplaudert über dieses und jenes –, Smalltalk, wie wir heute sagen –, und Erfahrungen wurden ausgetauscht. Dort kehrte häufig eine Dame zu, auch eine Händlerin. Der junge Heinrich, ein kraftvoller Bursche von Arbeit und Rad fahren, fesch, beliebt seiner angenehmen Art wegen, gefiel ihr. Eines solchen Tages wünschte sie früher als alle anderen eine gute Nacht. Als Heinrich zu seinem Zimmer aufbrach fand er sie auf dem Gang vor den Fremdenzimmern auf und ab gehen. Was sie da tue, meinte er. Sie griff das Thema, das in der Gaststube aufgekommen war, erneut auf, sie diskutierten es noch ein wenig weiter. Heinrich war müde, wollte nicht weiter auf dem Gang stehen und meinte, ob sie nicht in einem der Zimmer weiterreden könnten. Das geschah im Zimmer der Dame. Sie erzählte ihm, sie vertrete Unterwäsche, „und ich Besen“, so Heinrich. Ob sein Chef zuhause sei, fragte sie. Er lachte und sagte: „Ja.“ Was weiter geschah bleibt ein Geheimnis.
Eines der Gasthäuser –, der Wirt besaß auch eine Fleischhauerei, es steht in Stegen Gosau –, in dem Heinrich auch immer wieder zukehrte, Besen verkaufte, war, als er ankam, voll mit Festgästen. Alles war belegt, auch das Zimmer der alten Wirtin. Kurz entschlossen ließ der Wirt im Saal, den die Gäste bereits verlassen hatten, anstelle von einem, zwei Betten aufstellen, eines für seine alte Mutter, eines für Heinrich, den der Wirt gut kannte, dem er nicht zumuten wollte weiterfahren zu müssen. So konnte er sein Fahrrad an der Hauswand lehnen lassen, musste sich nicht erneut aufmachen und nach einer Schlafgelegenheit suchen. Die Alte störte es nicht viel, Heinrichs Peinlichkeit wich dem Schlaf.
Sein erstes Auto erwarb Heinrich im Alter von neunzehn Jahren. Das war damals eine Besonderheit. Niemand hätte sich vorstellen können, dass eine Zeit kommt in der jedes Familienmitglied ein eigenes Auto fährt. 1950 gab es in Österreich 48.453 registrierte PKWs. 1958 schon ungefähr sieben Mal mehr, was trotz diesem Aufschwung bedeutete, kaum jeder Zwanzigste konnte sich einen motorisierten Personenwagen leisten. Heinrich war ab 1955 stolzer Autobesitzer. Von da an konnte er selber hinfahren, wo er wollte, war auch nicht mehr angewiesen auf den Holzvergaser-Lastwagen, der zwischen Helfenberg und Rohrbach verkehrte.
Gegen Ende des Krieges und auch danach wurden viele Lastwagen, auch PKWs, auf Holzvergaser umgerüstet. Der Krieg fraß nicht nur Menschen, Nahrungsmittel, er fraß fast alles, was gebraucht wurde, natürlich auch das Benzin. Auf der Ladefläche der LKWs wurde ein Ofen, ein Holzvergaser, aufgebaut, mit Hartholz beschickt, aus dem sich durch die bestimmte Art des Heizens Gas löste und das Fahrzeug antrieb. An PKWs war das Ungetüm hinten angeschweißt. Während der LKW-Fahrt besorgte eine Person auf der Ladefläche das Nachlegen und Absperren des Ofens. Das aus drei Kilogramm Buchenholz gewonnene Gas, ersetzte einen Liter Benzin. Hartholz, für die Holzvergasung getrocknet und auf die richtige Größe zerkleinert, wurde als Tankholz bezeichnet, in Tankholzwerken produziert und auf Vorrat angelegt. Waldbesitzer auf dem Land verwendeten auch ihr eigenes Hartholz.
Für Zusteigende wurde eine Leiter über die rückwärtige Bordwand auf die Straße hinuntergehoben, an der Bordwand eingehängt. War das Einsteigen geschafft, fanden sich Bänke, wie heute in Bierzelten, aber ohne Überdachung. Das Aussteigen war keinesfalls bequemer. War die rückwärtige Bordwand auch nicht so hoch, wie die seitlichen, die zum Schutz in der Höhe eines Balkon-Geländers angebracht waren, musste doch ein großer Schritt gewagt werden, hinaus auf die Leiter. Nicht alle Mitfahrenden waren von jugendlicher Beweglichkeit. Im Winter wurden die Muskeln kalt und unbeweglich, die Nase rot, die Hände gefroren, die Kittel und Hosen nass und steif, die Leiter eisig. Genagelte Schuhe waren von Vorteil. An Spaß fehlte es nicht. Scherze flogen hin und her, es wurde viel gelacht.
Bequem, schweigend und humorlos sitzen wir heute in geheizten Bussen, das Handy parat, und denken nicht daran, wie schwer es für Menschen damals war. Frieden macht vieles möglich, Krieg alles unmöglich. Menschen sind stark. Im größten Elend vergessen sie nicht, immer wieder auch zu lachen. Heute starren wir eher belanglos vor uns hin, der Nächste interessiert uns wenig, die Fahrt dauert uns zu lang.
Mit Bahn und Fahrrad war Heinrich wegen seiner Besen viel herumgekommen, unter anderem auch zu einem Fahrzeughändler in Hallein. Dort stand ein VW Jeep zum Verkauf, der noch aus dem Krieg stammte. Einen PKW-Führerschein besaß er schon. Das Fahrschul-Auto war ein Fiat 1400 mit Lenkradschaltung gewesen. In seinem Bekanntenkreis besaß niemand einen Traktor oder ein Auto mit H-Schaltung, wo er für sein geplantes Auto hätte üben können. „Es wird schon klappen“, dachte er, kaufte das Auto, meldete es auf der BH in Rohrbach an und machte sich mit den Nummerntafeln und Papieren per Zug auf nach Hallein um das Auto abzuholen. Der Händler fuhr übungsmäßig ein wenig mit ihm, riet ihm danach, mit dem dritten Gang nach Hause zu fahren, was Heinrich anfangs auch tat. An Straßenkenntnissen fehlte es ihm nicht, diese hatte er schon mit dem Fahrrad erworben.
Auf der Bundesstraße fuhr er nach Salzburg. Von dort gab es schon die neue Autobahn bis Mondsee. Weiter ging’s nach Frankenmarkt. Da es dunkel wurde, stellte er das Fahrzeug vor einem Gasthof ab, wo er geschäftlich zu tun hatte und auch übernachtete. Als er am nächsten Morgen wegfahren wollte, war das Fahrzeug vorne zugeparkt. Er hätte unbedingt den Rückwärtsgang gebraucht, fand ihn aber nicht. Rückwärts üben, daran hatten sie nicht gedacht, nicht der Händler, nicht Heinrich. Er musste also abwarten und das hatte gedauert, bis ein anderer PKW wegfuhr, damit er vorwärts weiterfahren konnte.
Nach Wels und Eferding zur Donaufähre Aschach fuhr er schon recht gut. Auf den vierten Gang schaltete er. Das war zu jener Zeit der höchste. Weiter ging’s über Gerling und Herzogsdorf. Dann geschah es. In der Gesselreib, wo Herr Gessel, ein Uhrmachermeister, sein Haus stehen hatte, in einer Linkskurve, schlitterte Heinrich mit seinem Jeep auf die Böschung, wieder zurück auf die Straße, darüber hinab in einen Erdäpfelacker. Dort blieb das Fahrzeug stehen. Wieder hätte Heinrich den Rückwärtsgang gebraucht, den fand er aber erst zuhause.
Zum Glück waren zwei Wegmacher unterwegs, die er kannte. Mit deren Hilfe drehte und schob er das Fahrzeug so weit in die richtige Richtung um vorwärts weiter fahren zu können. Die beschädigten Kotflügel seines gerade gekauften Autos, das ihn so freute, auf das er stolz war, taten ihm bitter weh. Weit war es nicht mehr nach Hause. Dort angekommen, klopfte er sofort die Dellen aus. „Da Greazweil hat sei Auto scho beim Hoambringa ruiniert“, wollte er nicht so gerne hören. Weiter war Gott sei Dank nichts passiert.
„Das war für mich die große Lehre, vor der Kurve das Tempo zu verringern“, sagt er heute lachend. „In meiner fünfzigjährigen gewerblichen Geschäftszeit habe ich verschiedene große LKWs gehabt, mit Kipper, Kran, direkt aufgebauter Waage zum Eiseneinkauf, bin damit bestimmt fünfzig Mal um die Erde gefahren, ohne einen einzigen von mir verschuldeten Unfall“, fügt er gerne hinzu. Er habe aber sehr viele grauenhafte Unfälle, auch mit tödlichem Ausgang gesehen, das habe ihn zur Vorsicht bewogen.
In Steinbruch bei Neufelden gab es eine Schmiede, Hermann Stürmer, und eine Wagnerei, Rudolf Ott. Die beiden Unternehmen sind Nachbarn und Heinrich ließ sich von diesem Gespann eine Ladefläche auf den Jeep aufbauen, war somit nicht mehr auf Zug, Fahrrad oder Fuhrunternehmen angewiesen. Mit Freude lieferte er seine Besen selber. Nicht einmal eine Typisierung war von Nöten. „Besentransporter“ wäre doch ein passender Name gewesen.
Auch die Mutter brauchte sich keine Gedanken mehr zu machen, wie sie es bewerkstelligen könnte, ihre Kinder und Enkel zu besuchen. Es war üblich, den Enkelkindern um Allerheiligen eine Ahnlsach zu geben. Der Allerheiligen-Striezel hat sich ja bis heute gehalten. Dazu gab es Nüsse, oder auch Obst aus der eigenen Ernte. „Im Jahre 1956, es war ein Sonntag“, so berichtet Heinrich, der damals gerade zwanzig Jahre zählte, „fuhren meine Mutter und ich mit der Großelterngabe nach Wildberg, wo Bruder Franz mit seiner Familie lebte. Während wir Malzkaffe tranken und plauderten, begann es zu schneien. Als wir uns, rechtzeitig für den Stall, wieder auf den Nachhause-Weg machten, trat nach kurzer Strecke am Jeep ein mechanischer Schaden auf. Ich konnte nicht mehr weiter fahren. Heftiger Schneefall kleidete uns weiß. Da ich in der Nähe eine Bushaltestelle wusste, machte ich mir weiter keine Sorgen. Öffentlichen Verkehr nach St. Johann gab es von dort nicht mehr, aber einen Bus nach Urfahr. Von dort kommen wir schon nach Hause“, meinte Heinrich, der Optimist. Das aber war weit gefehlt. Sturm setzte ein. Von Urfahr fuhr noch ein Bus ab. In Zwettl mussten alle aussteigen, das Weiterfahren war unmöglich geworden. So gingen sie, wie andere Fahrgäste auch, zu Fuß weiter, in Richtung Oberneukirchen. Auf dieser Strecke waren einige vom Stapfen im Schnee schon so müde geworden, sie klopften an Haustüren, baten um Herberge, die ihnen gewährt wurde. Heinrich und seine Mutter schafften es mit großer Mühe bis Waxenberg. In den Trittspuren ihres Sohnes, hatte die erschöpfte Frau einen Fuß vor den anderen gesetzt. Heinrich wusste einen Bekannten, Herrn Feichtl, der ein Haus besaß, klopfte und die Mutter wurde von der Familie freundlich aufgenommen. Allein kämpfte Heinrich, im dichten Schneegestöber, weiter. Niemand war zuhause, der die Tiere hätte versorgen können. Schweine und Kühe brauchten Futter, letztere mussten gemolken werden. Heinrich, der die Gegend gut kennt, suchte in der von Schnee eingeebneten Landschaft, – auch Straßen und Wege unter tiefem Weiß –, die kürzeste Strecke aus. Er nahm die Straße durch den Waxenberger Wald. „Der Schneefall und der Sturm waren so heftig, ich konnte kaum etwas sehen. Das Schlimmste waren die Bäume, die dem Schneedruck nicht mehr Stand hielten. Einmal krachte es vor mir, einmal hinter mir. Dass es mich nicht erschlagen hat, ist ein Wunder. Weglaufen hätte ich wegen des tiefen Schnees ja nicht können. Die umgestürzten Bäume, die ich umgehen oder überklettern musste, wurden immer mehr. Ich versank im Schnee. Ich rappelte mich wieder und wieder auf. Ich war voll von Schnee, im Nacken, in den Schuhen. Schnee türmte sich auf meinem Kopf wie ein spitzer Hut, die Hände schmerzten.“
Hatte er eine Haube oder eine Kappe, Schal und Handschuhe gehabt? Für die geplante Autofahrt? Eher nicht. Heinrich kämpfte sich vorwärts, es wurde Mitternacht, es wurde zwei Uhr, drei Uhr, fünf Uhr. Das Dunkel der Nacht, der heftige Wind, der dicht fallende Schnee, das Ächzen und Krachen der Bäume, dagegen sein unbeugsamer Wille. Endlich wich die Finsternis dem Morgengrauen. Heinrich war schweißgebadet, todmüde, der Kopf ohne Gefühl, schmerzhaft die Hände, kaum noch die Kraft, die Beine aus dem Schnee zu ziehen. Schritt für Schritt versanken sie erneut bis zum Rumpf in dieser unglaublichen Masse. Weiter, weiter. Stunde um Stunde rang er, Meter für Meter. Neun Uhr. Zwölf Uhr mittags. Kein Gefühl für Hunger. Nur vorwärts. Bein aus dem Schnee, Schritt setzen, Schnee bis über den Oberschenkel. Endlich das Zuhause in Sicht. Um drei Uhr nachmittags erreichte er sein Ziel und ging sofort in den Stall. Erstaunlich! Die Tiere wirkten zufrieden. Sie waren gefüttert, die Kühe gemolken. Wer hatte das getan? Die aufmerksame Hoferbäuerin hatte keinen Rauch aus dem Kamin des Schauflerhäusls kommen sehen. „Dort stimmt etwas nicht.“ Besorgt hielt sie Nachschau. Keine Öllampe flackerte hinter den Fenstern, ihr Rufen hörte niemand. Das Vieh war unruhig. Sie tat am Abend, was zu tun war, und kam wieder am frühen Morgen. Nie wird Heinrich die Hoferbäuerin vergessen. Die Mutter konnte er erst am dritten Tag, mit einem geliehenen Pferdegespann, heim holen.
Zusammen mit der Mutter machte Heinrich, der auf seinen Jeep stolz war, – eines der wenigen Fahrzeuge in der Gegend –, immer wieder einmal einen Ausflug. Sie liebte die Wallfahrtsorte. Sie besuchten den Pöstlingberg, Mariazell, Maria Pötsch und andere. „So habe ich meiner Mutter, nach ihrem harten Dasein, schöne Erlebnisse vermittelt, die sie sehr freuten und sie war so dankbar dafür.“ Auch andere Ziele strebten sie an, wie die Ruine Pürnstein, Orte, wie Bad Leonfelden, Freistadt, Plätze in der Umgebung. Plätze, die sie aus ihrer Jugend kannte. Mit Vater, Hund und beladenem Ziehwagen war sie damals fröhlich unterwegs gewesen.
Zweieinhalb Jahre erfreute er sich an diesem Fahrzeug. Bei einem nicht von ihm verschuldeten Unfall in Ebensee, verlor er es. Es war schrottreif. Ein schlimmer Tag für den zielstrebigen Heinrich. „Ich will aus der Armut heraus!“ Daran hielt er eisern fest.
Nun war guter Rat teuer. Heinrich hatte das Elternhaus übernommen, die Geschwister ausbezahlt und zehntausend Schillinge Ersparnisse. Er brauchte wieder einen Lieferwagen, fand auch einen passenden in Gmunden, der achtzehntausend Schillinge kostete. Als Häusl- und Grundbesitzer ging er zur Raiffeisenkasse um achttausend Schillinge Kredit aufzunehmen. Ohne Bürgen gehe da nichts, erfuhr er. Mit dieser unerwarteten Absage kehrte er nach Hause zurück. „Mein Häusl, die Wiesen, die Kühe, das Schwein. Der Wert ist doch weit höher, als diese Achttausend. Warum vertraut man mir nicht? Betteln um Bürgschaft?“ Schlussendlich blieb ihm nach allem Hin- und Herüberlegen nichts anderes übrig, wollte er nicht einen Rückschritt erleiden. Zum Nachbarn, Bauer Heinrich Hofer, war gute Freundschaft vorhanden. Heinrich wagte sich daran, diesen zu fragen. Mit Geldsachen habe er nie was zu tun gehabt, meinte der junge Bauer, der Freund. Das mache nach wie vor sein Vater, den müsse er fragen. „Tu’s lieber nicht“, sagte dieser zu seinem Sohn. „Ich habe schon viel in Geldangelegenheiten erlebt, das nicht gut ausgegangen ist“. So blieb Heinrich nichts anderes, als unverrichteter Dinge heim zu gehen. Am nächsten Tag fasste er erneut Mut und ging auf den Ederhügel, zum Ederbauern. „Ich weiß“, meinte dieser, „wir sind sehr gut befreundet und du arbeitest fleißig, aber ich habe gerade den elterlichen Hof übernommen. Meine Geschwister bekommen Geld als Erbschaft, auch Grundstücke. Da tu ich mich nicht leicht. Alles ist im Grundbuch eingetragen, ich müsste alle fragen. Es tut mir sehr leid, Heinrich, aber ich mache das lieber nicht.“ Mit Verständnis für den Bauern und einer Enttäuschung mehr, ging Heinrich, schweren Herzens, den Hügel hinab.
Wieso die Bank ihm keinen Kredit geben wollte, war für ihn total unverständlich. Sein Besitz war doch weit mehr wert! Sein Einkommen höher als der Lohn der Arbeiter, die bei Firmen angestellt waren. „Wie soll ich vorwärts kommen, wenn ich kein Geld leihen kann? Das Misstrauen ist schmerzlich. Holt mich meine Vergangenheit ein? Lastet sie für immer auf mir? Warum glaubt man mir nicht? Ich kann zurückzahlen! Bekommen nur seit jeher Wohlhabende Geld zu leihen? Warum wirft man mir Prügel vor die Füße?“ Viele Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, vor allem der, aufgeben wolle er keinesfalls.
„Ich frage noch den Besl“, überlegte er. So querte er wieder die Wiesen, vorbei an dem Platz, wo er damals die Entscheidung von zuhause weg zu gehen getroffen hatte, stieg den Hang zum Bach hinab, auf der anderen Seite wieder bergauf, herum um das Gebäude zur vertrauten Haustüre.
Der Bauer hörte sich die Unfallgeschichte an, wunderte sich, wie Heinrich selber, warum die Bank ihm als Haus- und Grundbesitzer keinen Kredit gewährte, einen Bürgen verlangte. Auch von den Misserfolgen bei der Suche nach einem solchen, sprach er. „Bua“, sagte der Beslbauer dann, „weil du viereinhalb Jahre bei mir warst und so fleißig gearbeitet hast, mache ich das für dich. Für einen anderen würde ich es nicht tun.“ Am nächsten Tag schlugen die Beiden zu Fuß den langen Weg nach St. Peter ein, zur Raiffeisenkasse. Das benötigte Auto war sein.
Wie schwer es zu dieser Zeit war an Leihgeld zu kommen, hat Heinrich geprägt. Er investierte in seine Firma, wenn er Geld hatte, nahm keine Kredite mehr auf.
Heinrich war voll ausgelastet mit Arbeit. Das Heuen seiner landwirtschaftlichen Grundstücke nahm anfangs viel Zeit in Anspruch. Mit der Sense mähte er frühmorgens so viel, wie möglich. Wenden mit dem Holzrechen, später zusammenrechen und auf dem Rücken einbringen, forderte Zeit. Die Sonne lachte auch nicht jeden Tag, so konnte die mühsame Arbeit auf dem Sacherl bis zu sechs Wochen andauern. Heinrich freute sich über jeden gelungenen Tag. Besonders freute er sich, als er sich einen Motormäher leisten konnte. Was für ein Fortschritt! Wie viel Gras er nun von früh morgens bis in den Vormittag hinein auf der Wiese umlegen konnte. Keine körperlichen Drehbewegungen, kein Wetzen der Sense, nur hinterher gehen und lenken. Wie ein Spaziergang schien ihm diese Arbeit nun. Nicht so sehr schweißgebadet wie zuvor. Sein eigenes Fleckchen, auf dieser Erde, freute ihn noch mehr, noch mehr liebte er es. Heimat. Mit beiden Füßen stehst du dort fest auf der Erde. Die Wurzeln. Du spürst sie. Von dort gehst du deinen Geschäften nach, in der Gewissheit, du kannst wieder nach Hause kommen in deine eigene Geborgenheit. Du kannst erneut Mut schöpfen. Drehst du dich um und schaust in die Vergangenheit, siehst du die Ahnen, die tapfer vor dir ihr Leben meisterten und nun hinter dir stehen. Der Großvater. Welch eine Kraft!
Soweit lief es gut im Schauflerhäusl, aber nicht immer verlief alles nach Wunsch. Zu der Zeit als Heinrich das elterliche Anwesen übernahm, gab es nur eine Kuh im Stall, Scheckö. Bald kaufte er eine zweite dazu, Uschi, damit immer Milch, Butter und Käse vorhanden waren, wenn eine der beiden tragend ging, was bei Scheckö gerade der Fall war. Begann eine Kuh zu kalben wurde immer wieder Nachschau gehalten, Nächte oft im Stall verbracht. So auch bei Scheckö. Als es so weit war, holte Heinrich noch einen Nachbarn dazu, den Baun Seppl, der viel Erfahrung in diesem Belang, und die entsprechenden Arbeiten gut im Griff hatte. Sobald die Beine des Kalbes sichtbar sind wird ein Strick darum gebunden und das Kalb vorsichtig herausgezogen um der Kuh nichts einzureißen. Es stellte sich bei Scheckö heraus, das Kalb lag nicht richtig, es musste umgedreht werden um es ziehen zu können. Der Baun Seppl versuchte das Kalb in die richtige Lage zu bringen, es gelang ihm aber nicht. Der Bauer Grundtaler aus St. Johann, auch Heinrich mit Vornamen, war bekannt für besondere Kenntnisse in solchen Fällen. Heinrich beeilte sich diesen mit seinem Fahrzeug zu holen. Er drehte das Kalb. Es war tot, als es endlich geboren war. Der Kuh schien es den Umständen gemäß zu gehen. Es war ihr nichts Besonderes anzumerken. So verließ Heinrich den Stall um den Helfer wieder nach St. Johann zu fahren. Unterwegs meinte dieser, sie hätten beide heute Namenstag, sie könnten sich noch eine Halbe beim Holy Wirt gönnen, was sie auch taten. „Der Kepplingerwirt heißt auch Heinrich“, wusste der Grundtaler, „dem gratulieren wir auch noch.“ Dieser freute sich, zu dritt kippten sie eine weitere Halbe, eingeladen vom Wirt. Als Heinrich endlich nach Hause kam sagte die Mutter: „Die Kuh ist tot. Wahrscheinlich hat sie beim Drehen des Kalbes innere Verletzungen erlitten und ist verblutet.“ Es war doch kein so fröhlicher Namenstag gewesen, sondern ein ordentlicher Schaden. Heinrich hat sich, lange Zeit, den Vorwurf gemacht: „Wär´ ich doch in keines der Gasthäuser gegangen, hätten wir die Kuh abstechen können und das Fleisch verkaufen. Wegen meiner Sorglosigkeit, hatte ich zwei Kadaver im Stall, die mühsam entsorgt werden mussten.“
Im Jahre 1962, er war sechsundzwanzig Jahre alt, erwarb er seinen ersten Gewerbeschein für die Erzeugung von Birkenbesen, sowie die Wandergewerbebewilligung, die ihn berechtigte zum Ein- und Verkauf von Gebrauchsgegenständen, Handel mit Häuten, auch zur Durchführung der Klauenpflege, was er aber nie tat.
Neben der täglich anfallenden Arbeit auf seinem kleinen Hof band er über den Winter, mit einem zeitweiligen Helfer, dreißigtausend Besen. Zehntausend kaufte er von Bauern dazu um die Aufträge bedienen zu können. Geredet wurde nicht viel. Die Beiden arbeiteten im Akkord. Keiner wollte zurückbleiben. Nächtelang saß Heinrich bei der Arbeit. Gegen Morgen schlief er ein paar Stunden, aß ein paar Bissen und schon fand er sich wieder auf dem Stuhl neben dem Reisighaufen und den Drahtspulen. Besenstiele, gedrechselt aus Buche, bezog er von einem holzverarbeitenden Betrieb in Gampern. Zuhause spitzte er diese mit der Kreissäge zu, steckte sie in die fertigen Besen, schlug einen Nagel durch Stiel und Bunddraht, so konnte sich der Besen nicht mehr verdrehen. Auch das Reisig der gebundenen Besen wurde mit der Kreissäge gekürzt. Der Verkauf dehnte sich mit der Zeit auf ganz Österreich aus. Mit Lastwagen und Bahn ließ er die Besen zu Lagerplätzen bringen, größere Mengen wurden vom Käufer selbst abgeholt, bis zu zwanzig Stück lieferte er von dort mit dem Fahrrad selbst aus.
Annoncen in Gewerbezeitungen machten sich bezahlt: „Grünzweil Birkenbesen überall gut bewährt. Schriftliche oder telefonische Anmeldung, bzw. Bestellung erwünscht.“ Ebenso warb er in der Bauernzeitung um Reisig, das sparte ihm viel Zeit.
Die Großabnehmer von Besen waren hauptsächlich verschiedene Erzeugerfirmen, wie Voest Linz, Voest Liezen, Papierfabriken in Nettingsdorf, Lenzing, Steyrermühl, Laakirchen, die Steyr-Werke in Steyr und Graz, Straßenmeistereien, Lagerhäuser, Brauereien wie Stiegl Salzburg, Kaltenhausen bei Hallein, Zipfer, OÖ BrauAG, Zementwerk Gmunden und Kirchdorf, das Eternitwerk in Vöcklabruck, Sägewerke, viele kleinere Betriebe und Gemischtwarenhandlungen. Große Firmen, wie die Voest zum Beispiel, bestellten gleich dreitausend Besen, oft ohne Stiel, dieser war vom verbrauchten Besen noch vorhanden. Bis Mitte, zum Teil Ende, der Sechzigerjahre kauften die Firmen und Händler, auch die Voest.
Einige Zeit nachdem Heinrich das Elternhaus übernommen hatte, kümmerte er sich um den Stromanschluss. Leitungen und Dachständer waren bereits vorhanden, Strom gab es aus Geldmangel nicht. Die Mutter und die Schwester Maria, die ursprünglich vorgesehene Erbin, konnten das Geld für den Anschluss nicht aufbringen. Als Heinrich wieder genug Besen erzeugt und verkauft hatte, konnte er, – wieder ohne Kredit –, die Anschlussgebühr von zwölftausend Schillingen und die weiteren Notwendigkeiten bezahlen. Die Petroleumlampe konnte in Teilpension gehen, wurde nur dort gebraucht, wo das Wunder Licht noch nicht hingekommen war.
Im Ort Bad Goisern sah Heinrich das erste Mal einen laufenden Fernseher. Ungewöhnlich viele Leute im Alltagsgewand strömten in ein Gasthaus. Also keine Hochzeit, kein Begräbnis. „Da muss was Besonderes los sein, das muss ich mir anschauen!“ Das noch recht kleine schwarz-weiß-Bild, das ein Schirennen zeigte, begeisterte die Leute und auch Heinrich. Früher horchten die Sportbegeisterten angespannt Radio. Und nun konnten sie sehen, wie Schifahrer über die steilen Hänge sausen, Fußballer laufen, dribbeln, Tore schießen. Hatte man allerdings den unvergesslichen, unerreichbaren Sportreporter Edi Finger mit seiner emotionalen Stimmgewalt im Radio gehört, brauchte man absolut kein Fernsehbild, man schnellte auch so vom Sitzen empor. Sein Lied „I wear narrisch“, zum Wunder von Cordoba, 1978, trällerte damals überall.
Als wieder genug Besen verkauft waren, gab es auch im Schauflerhäusl einen Fernseher, den einzigen weit und breit. Die Nachbarn und Bekannten versammelten sich dort im alten Häusl, in der Stube, in gemütlicher Atmosphäre bei Heinrich und seiner Mutter.
Die Einnahmen aus dem Besengeschäft erlaubten Heinrich das kleine Elternhaus zu vergrößern. Auf dem ebenerdigen Gebäude ließ er drei große Zimmer und ein Bad errichten. Zwei Zimmer fertigte er aus, eines blieb noch im Rohbau, in dem er von nun an die Besen band.


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