Human Punk For Real

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Auch auf diesen beiden Konzerten gab’s jede Menge Glatzenstress ohne Ende. Es war einfach zum Kotzen, dass immer wieder ein kleiner Mob von Glatzen auftauchte und die Konzerte versaute. Die Hamburger brauchten sehr lange dafür, bis sie endlich bei ‘nem Toy Dolls-Konzert in der Markthalle den Glatzen den Garaus machten.

In Bremen gab’s ja mittlerweile die ASL (Anti Skin Liga), welche bundesweit von sich reden machte. Es gab keine Chance, auch nur für einen Skinhead, auf unseren Konzerten aufzutauchen.

So galt es auch an jedem zweiten Werder Bremen-Heimspiel, das Sielwalleck gegen heimische oder auswärtige Skinheads zu verteidigen. Mir war dabei immer sehr mulmig zumute, da wir dort teilweise nur mit 15 Mann standen, was zu der Zeit glücklicherweise gegen einen Übermob komplett ausreichte. Heut zu Tage ist das wohl eher ‘ne andere Geschichte!

Aber unser schlechter Ruf hatte sich überall rumgesprochen und die meisten Glatzmaten hatten echt ‘ne Mordsschiss vor der ASL.

Teilweise hatten wir zu der Zeit auch Unterstützung von der Sippe, einem Mob, der zu 99% aus Ausländern südlicher Herkunft bestand. Brasilianer, Türken, Libanesen...

Die Sippe war ‘ne coole Gang, die Woche für Woche Jagd gegen Glatzen machte. Drei von denen, gegen 25 oder mehr von der anderen Seite, haben gereicht. Alles kampferprobte Kamikazetypen, die einen Höllenspaß am Glatzen umnieten hatten. Etliche Skins entgingen zu der Zeit nur knapp dem sogenannten „Zettel am Zeh“.

Vom gleichen Kaliber wie die Sippen-Mitglieder waren auch GG, oder Sven Dröhnung (RIP), ebenfalls griechischer Abstammung, der manchmal auch ziemlich schnell mit dem Messer dabei war.

1981 hatte es wirklich in sich. Umso merkwürdiger klingt es, dass ich dann mit ‘nem Skinhead und seiner bekloppten, nervigen Punkperle nach London gefahren bin.

Stefan S. (RIP) aus Bremen-Nord war ein äußerst netter Mensch. Er ging mit meinem Bruder in eine Klasse, und ab und zu hingen wir im Elvis of London (Vegesacks erstem und letztem Punkmode-Laden) zusammen ab. Er war eigentlich nie mit anderen Skinheads zusammen, war aber schwer zu durchschauen. Da er alleine war und mit mir rumhing, wurde er zähneknirschend akzeptiert.

England und speziell London war damals das begehrteste Ziel eines jeden Punk Rockers. Mein Freund Henry aus Hamburg war dort Ende der 70er auf ‘nen Schüleraustausch. Sein Lehrer lud die Klasse später auf ein Konzert in einer alten Kirche ein. Dort spielten dann die Sex Pistols - … der Traum eines jeden Punks.

Auf so was in der Art hoffte ich natürlich auch. Richtig oldschoolmäßig ging‘s dann mit der Fähre von Hamburg rüber nach Harwich in England. Dann weiter mit dem Zug in die Punk Rock-Wunderstadt London.

Als wir endlich in London ankamen, bot sich uns ein Bild wie in einem Edgar Wallace-Film. Ein richtig heruntergerockter Bahnhof, alles düster, mit gemauertem Backstein. Nix buntes, kaum Werbeplakate oder sonstige aufheiternde Darstellungen. Aus den U-Bahn Schächten kamen uns riesige Nebelschwaden entgegen, wie im Horrorfilm.

Dann tauchte auf einmal ‘ne Punkette aus dem düsteren Nebel auf, mit Haaren wie ein Pfau. Wow, dachte ich. Das Zweite, was ich dann aus dem Nebel kommen sah, war wieder ein Punk. Ich war im Himmel. Das war der absolute Hammer für mich!

Stefan und ich kauften uns das Time Out-Magazin oder die Sounds und fanden dann schnell heraus, wo die nächsten Konzerte stattfanden.

Zu unserem Glück war einiges los und wir gingen oft in den 100 Club in der Oxford Street. Dort sahen wir dann UK Subs, Angelic Upstarts und viele andere Bands.

Die Stimmung in London war unglaublich. Beki Bondage, von Vice Squad, war auch dort und ich hatte mich gleich in sie verknallt.

Im 100 Club hingen viele Punk Rock-Persönlichkeiten ab und tummelten sich irgendwo im Mob herum. Manchmal verbinde ich diese Zeit sogar mit ‘nem bestimmten Geruch. Ich kann nur nicht erklären mit welchem...

Wir pennten irgendwo in ‘nem runtergekommenen Hotel, in dem man sich mit anderen Leuten das Zimmer teilen musste.

Stefan hatte dann die Idee, Leute nach Pennplätzen auf irgendwelchen Konzerten anzuhauen. Wir hingen zwischendurch auch auf der Kings Road ab, wo sich am Wochenende bis zu 200 Punks aufhielten. Selbst die gute alte Liz Hurley soll sich mit ihren Mega-Spikes dort rumgetrieben haben. Die Kings Road wurde zum Treffpunkt erklärt, weil dort die Pistols bzw. Vivien Westwood ihren Laden hatte. Das habe ich aber eigentlich erst Jahre später gepeilt.

Einmal bin ich über die Straße gegangen, um Bier zu holen. Mitten auf der Straße stolperte dann ‘ne kleine Oma, und fiel mir direkt in die Arme. Da stand ich nun und wusste nicht, wohin mit der Oma. Alles war am Grölen. Dann sah ich nur noch, wie ein Bobby seinen Knüppel aus der Tasche holte und auf mich zu lief. Ich wusste immer noch nicht, wohin mit der Oma... Im letzten Augenblick sprang dann ‘ne Schuhverkäuferin dem Bobby entgegen und konnte ihm zum Glück die Situation erklären.

Durch die vielen Unterhaltungen mit Punks die von überall her kamen, bekam man aber auch mit, dass fremde Punks von Arschlochpunks in London ausgeraubt wurden. Meistens, wenn man auf der Suche nach ‘nem Pennplatz war. Besonders am Piccadilly Circus hingen äußerst fragwürdige Punkgestalten herum, die ständig gegen Kohle für Fotos posierten.

Im 100 Club trafen wir dann Charly Harper von UK Subs und Knox von den Vibrators. Knox hatte gerade den Vibratorssong „Troops of Tomorrow“ an Exploited verkauft und einige Runden Bier an uns ausgegeben. Das war cool. Punk Rock zum Anfassen.

Alle sind gleich, kein Rockstar-Gehabe und kein Backstage-Gehocke. Wir erfuhren dann, dass The Adicts und eine Band namens Chaos in Putney Bridge, im White Lion spielen sollten.


London 100 Club 1981: Charly Harper, Knox, Stefan Schmidt (RIP), Kutter.

Am nächsten Tag sind wir hin, und Stefan haute gleich die allerhärtesten Punks auf ‘nen Pennplatz an. Mir war wegen der Schauergeschichten ehrlich nicht ganz gut zumute, zumal die Jungs wirklich hardcore aussahen. Jeder von ihnen hatte mindestens zwei bis drei Iros auf ‘m Schädel. Der größte von ihnen war Franzose. Er hatte eine Gesichtshälfte verbrannt und war ständig Glue am sniffen.

Die vier Schergen hatten uns sofort zugesagt und uns den nächsten Tag nach Hammersmith zu ihrem Squat (besetztes Haus) eingeladen. Mir wurde noch mulmiger, da es auf dem Weg nach Hammersmith immer düsterer und abgefuckter wurde. Schließlich angekommen, traute ich meinen Augen nicht. Razor, einer der Haupttypen aus dem Squat, fegte gerade unser Zimmer aus und machte alles sauber für uns. Da stand nun der Typ mit den drei Iros vor uns und war am Reinemachen.

Ein unglaubliches, aber beruhigendes Bild.

Dann sagte er zu uns, „Von jetzt an braucht ihr nicht mehr für die Underground-Bahn zu bezahlen.“. „Hä? Wie jetzt?“, fragten wir. „Bleibt einfach immer hinter uns“ entgegnete er. Und echt: jedes Mal wenn wir den Kontrolleuren entgegentraten, sagten unsere Jungs: Wir sind zu siebt, ihr seid nur zwei. Also Fuck Off!

Die Kontroletties waren jedes Mal verwirrt, aber recht hilflos uns gegenüber. Aber es klappte immer, was heute eher ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Diese Jungs waren wirklich unser großes Ass im Ärmel.

Zwei Jahre später konnte ich dieselben Gestalten dann auf dem „Punk und Disorderly - Vol. 2” Plattencover bewundern. Ab jetzt war England mein ständiges Reiseziel.


Kutter, Francois, Razor, Badger, Devil, Spit (unten)

In Bremen gab’s dann irgendwann ‘ne neue Punkkneipe namens Kirmes. Eine komplett runtergekommene Kaschemme, mit der armen Wirtin Renate.

Renate konnte einem wirklich leidtun, wir hatten den Laden wie ein paar Parasiten einfach in Beschlag genommen. Ab und zu gingen mal ein paar Gläser auf der Toilette zu Bruch, und wenn Renate dann schreiend rüber lief, stand auch schon die halbe Mannschaft zur Selbstbedienung hinter der Theke.

Ab und zu hielt auch die Straßenbahn direkt vor der Kneipe an, obwohl es dort gar keine Haltestelle gab. Das war dann immer der Auftritt von Schaschlik, der als Neueinsteiger in der Szene von sich reden machen wollte.

In Bremen-Nord waren mittlerweile die ersten Häuser besetzt.

Das Nawatzki-Haus, das Gaswerk und später der Thiele-Speicher sowie andere kurzweilige Objekte.

In Bremen-Vegesack gab’s zu dieser Zeit eine unglaublich starke linke Szene. Die meisten kannte ich natürlich. Einmal bin ich zu spät zu ‘ner Demo in die Innenstadt gekommen und hab den Norder Mob gesucht. Dabei brauchte ich nur darauf zu achten, wo es am meisten kracht und wo die meisten Vermummten sind.

Zu dieser Zeit hing ich viel mit M. Krusewitz (RIP) herum. Er war eine Klasse über mir, als ich noch auf der Realschule war.

Krusewitz war so was wie ein Mentor für mich. Er hat meinen Horizont extrem erweitert und mir echt viel musikalisches Wissen beschert.

Wir beide hatten dann auch irgendwann zusammen das Fanzine Kindertorso rausgebracht wo wir nur Lügengeschichten niedergeschrieben haben. Wie zum Beispiel, dass wir beide in London waren, wo nur Auserwählte zu ‘nem Konzert von The Fall und Flying Bricks aus Brixton (die Band hat übrigens nie existiert!) eingeladen waren. Ein bestimmter UK Subs-Fan aus Bremen kannte natürlich diese Band und hatte alle Platten – selbstverständlich!

 

Zu den Zeiten der Einstürzende Neubauten hatten wir im Keller vom besetzten Thiele-Speicher so was wie ‘ne Art Proberaum. Wir gründeten unsere „Band“ Junge Union und trommelten dann wie die Irren auf Einkaufswagen oder Regentonnen herum. Wie gesagt, ein Instrument konnte ich ja nie spielen.

Wir gingen dann ab und zu auf Konzerte und verteilten Flugblätter mit der Aufschrift: Auftrittsverbot für Junge Union. Davon war natürlich kein Wort wahr. Niemand hatte uns geladen und wir hatten auch kein Interesse jemals zu spielen. Es ging nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen und Leute zu verarschen. Aber wir brachten es sogar zu ‘nem Tape namens „Robbenfänger“.

Krusewitz hatte Kunst auf ‘ner Waller Hochschule studiert und konnte seinen Rektor irgendwie davon überzeugen, dass wir als Kunstprojekt dort spielen durften.

Ich hatte natürlich keine Ahnung, was mich erwartete, als ich irgendwann ankam. Die etwa 500 Zuschauer natürlich auch nicht.

Krusewitz und M. Glomb, seine damalige Freundin, hatten sowas wie ein Gerüst und ein paar Tonnen in der Aula aufgebaut. In einigen Einkaufswagen befanden sich ein paar Plastiktüten mit Schweinspfoten und anderem Gedärm.

Als es dann losging, zertrümmerten wir alles um uns herum und bewarfen die Zuschauer mit den Schweinspfoten. Das ganze hatte ungefähr zwei Minuten gedauert und der Saal war innerhalb einer Minute leer, abgesehen von ein paar Hippies, die sich eisern wehrten und nicht gehen wollten.

Wir liefen dann nach hinten, traten eine Scheibe ein und verschwanden, uns halbtot lachend, vom Schulgelände. Was für ein Spaß.

Der besetzte Thiele-Speicher brachte dann auch eine eigene Zeitung raus, den Urknall, für den ich dann auch ab und zu ein paar Comics zeichnete. Wenn ich dann bei Charly am drucken war, hatten wir ständig die Zivis vor dem Haus. War schon ein komisches Gefühl, aber zum Glück gab’s nie ‘ne Hausdurchsuchung.


Wanne, Voller, Krusewitz und Thiede am Utkiek in Vegesack

Bremen-Vegesack war damals ein relativ guter Standort, im Gegensatz zu heute. Dort gab es kaum Stress mit Glatzen oder sonstigen Prolls. Zum Glück kannte ich durch meinen Bruder immer alle üblen Typen und hatte wenig zu befürchten. Außer einmal, als ich beim Autoscooter mit ‘ner Freundin stand und ein Mädel mit zwei Typen vorbeizog. Ich hörte nur das übliche „Scheiß Punker“, und das Mädel hatte arge Schwierigkeiten, die Typen zurück zu halten. Ich wusste, dass die Typen auf dem Rückweg wieder vorbeikommen würden und ich dann „ne Reise“, bekommen würde. Zum Glück gingen dann ein paar von den ortsansässigen „Stadtgarten“-Schlägern und -Zechern, an mir vorbei und ich rief Panther zu: „Ey Panther, ich glaub ich krieg gleich Ärger!“. „Alles klar, wir gehen eben mal Bier holen“, entgegnete er.

Panther sah aus wie der Typ von der Faxe-Reklame und hatte ‘ne Stimme wie 100 Rasierklingen. Von seinem Vorstrafenregister wollen wir mal gar nicht sprechen. Und dann kam‘s, wie es kommen sollte. Von rechts die beiden Asi Prolls und von links Panther und seine Freizeitkiller-Gang.

Ich sagte nur: „Die da“, und zeigte auf die dämlich verdutzten Asis. Danach wurde dann direkt zwischen Eisdiele und Mandelstübchen ein kleines Blutbad angerichtet. Das Blut spritzte sogar so hoch, dass sich die Zuckerwatte rot verfärbte. Bis dann irgendwann ein paar Sanis bei mir ankamen und um Gnade für die Windelweichen flehten. „Panther, lass man gut sein“, und danach war auch gut. Ich hatte einen der Vögel ein paar Tage später nochmal getroffen und er hat mich dann auch freundlichst gegrüßt. Geht doch!

Derweil trieben sich die Oslebs, ein paar Marßeler und die Norder in einer Disco namens Break Out, in Bremen-Lesum, herum. Der Besitzer hasste uns, aber wir waren eisenharte Parasiten. Der Laden war komplett unser! Nebenan, über den Parkplatz ging‘s dann immer zum Futterpeter. Billiges Bier und Hamburger Koteletts. Sogar bis heute noch ein Krachermenü.

Vereinzelt gab’s dann auch Hauereien mit irgendwelchen Disco-Asis, aber in unserem Mob befanden sich schließlich GG und andere, teils brutale Gestalten. R. Blanke knackte des Öfteren mal ein Auto und fuhr damit durch die Gegend. Und das, obwohl er keinen Führerschein hatte. Einmal sprach ich ihn an, als er gerade ein Auto geknackt und kurzgeschlossen hatte. „Thiede, komm rein“, sagte er. Wir schafften es gerade mal fünf Meter weit und fuhren direkt in ein vor uns parkendes Auto. Dann gingen wir wieder ins BO und tranken weiter.

In der Gärdestraße hagelte es eine Party nach der anderen. Oft machten wir uns hinterher noch auf in die Dörfer, nach Kuhstedt ins Circus Circus, nach Merschendorf ins Circus Musikus oder nach Ahlhorn, zu ‘ner Punkkomune. Wir waren schon ein relativ mobiler Mob. Ständig auf Tour nach Hamburg, Holland, nach Groningen zu Thermo und Robbie ins WNC, nach Winterswijk in den Chi Chi Club, nach Hengelo ins Babylon, nach Amsterdam zu unseren holländischen Freunden Dick, Ed und Klaas in Hoogeveen. Berlin war auch immer ein schönes Reiseziel. Uns war nichts zu weit.

Im Dezember 1981 organisierte ich dann mein erstes Punk-Konzert im Jugend-Freizeitheim Alt-Aumund, in HB-Nord. Ich weiß zum Teil gar nicht mehr wie ich an die Bands gekommen bin. Es spielten Aspirin aus Düsseldorf, GGs Band Volksabstimmung, Niveau Null, Dorfjugend und Schweine im Weltall aus Oldenburg. Über dieses Line Up scheiden sich die Geister. Das Konzert war gut besucht und ein voller Erfolg.


Volksabstimmung: Staffi, Fickfrosch, ?, ?

Nachts, wenn wir dann aus der Stadt, aus ‘m B.O. oder sonst wo herkamen, ging‘s dann immer ab zu einem der zwei Außer-Hausverkäufe die wir hatten. So was gab’s nur in Bremen-Nord. Privatleute, die Alkohol verkaufen durften. Egal ob fünf Uhr morgens oder später, wir kriegten Opa Pezel aus der Pezelstrasse immer aus dem Bett. Im Winter Schneebälle an die Scheibe, im Sommer alte Schuhe oder Kieselsteine.

Neben dem B.O hingen wir auch öfters bei unserem Freund Riedl (RIP) in seinem Keller in Oslebs ab. Dort ging es immer ziemlich hoch her. Und all die harten Jungs zuckten immer zusammen, wenn seine Mutter, „die Krabbe“ Erna, stampfend die Treppe herunterkam. Riedl hat ihr dann immer ein „Halts Maul Krabbe!“ entgegen geworfen. Bei Riedl im Keller stand nie das Huka still und es wurde gefeiert bis die Krähen kotzten.

Derweil fing die Szene in Bremen an, sich zu ändern. Sie wurde eigentlich noch härter, da nun auch vermehrt härtere Drogen im Spiel waren. Als ich noch meinen kopfschüttelnden Eltern voller Stolz erzählt hatte, wie ich sah, dass sich Dröhnung ‘ne Nadel in den Arm haute, wusste eigentlich niemand, dass sich das Sielwalleck bald in Zombieland umwandeln würde.

Das ging rasend schnell, und auf einmal musste man aufpassen, wen man auf seine Partys einlud. Das war echt ‘n Scheiß Thema. Schnell sind dann einige an Überdosen Koks oder Heroin vor die Hunde gegangen. Hacki, Manni, Emilio... Somit hatte sich die Gangart auf den Konzerten auch sehr verändert. Immer wieder bekamen dann auch auswärtige Punks was auf die Mütze, was ich ziemlich Scheiße fand.

Unterdessen hingen wir Punks jetzt neuerdings auch auf dem Marktplatz ab.

1982 sollten dann die UK Subs bei Radio Bremen live spielen. Die Deppen von Radio Bremen (muss man leider sagen) verteilten, wie schon zuvor bei den Ramones, zehn Freikarten. Und was machen Deppen? Sie verteilen Schwarzweiß-Tickets. Ab ging‘s zum Kopierer und circa 80-100 Punks machten sich auf den Weg gen Radio Bremen. Die zwei kleinen dicken Ticketheinis konnten gegen die Übermacht natürlich nichts ausrichten. Somit schwirrte der Mob dann gen Bühne und bescherte den Subs ein feines Publikum. Nix bestuhlte Hippiescheiße, wie damals bei den Ramones. Ich wette, dass das die letzten Schwarzweiß-Tickets bei Radio Bremen waren.

Im Aladin, einer Riesendisco in Bremen-Hemelingen, gab’s nun auch das eine oder andere Konzert. Das erste dieser Art müsste um 1980, mit Hansaplast, den grauenvollen Bärchen und den Milchbubis, und 39 Clocks, alle aus Hannover, gewesen sein. Es war ‘ne ziemlich aggressive Stimmung. So, dass man die Milchbubis schnell zum Teufel jagte und die 39 Clocks von der Bühne bottelte. Bei Hansaplast ging‘s dann wieder einigermaßen.

Ich war nun von Zuhause ausgezogen, machte ‘ne Lehre als Maler und Lackierer und zog mit meiner Schwester Pedy Pengpeng zusammen.

Meine Schwester ist vier Jahre älter als ich. Bei ihr dauerte es aber noch bis Ende der 80er, bevor sie sich der Szene anschloss.

Unser Hauptdomizil war und blieb der Schlachthof, wo sich auch Anfang der 80er Change Musik aus ‘ner Gruppe von aktiven Punks gründete.



... vor dem Schlachthof

Im Schlachthof selber gab’s dann auch ab und zu den Kampf der Giganten. Lohse und Schachti beide zwei Riesentypen, über zwei Meter groß. Schachti saß dann immer in der Kneipe und fing an sich zu besaufen, und irgendwann hieß es, Lohse ich bin gleich wieder soweit... Eigentlich hatte Lohse darauf überhaupt keinen Bock.

Irgendwann hatte J. Kahrs dann das Zepter übernommen und sich regelmäßig mit dem eigentlich körperlich überlegenden Andrew gebeult. Andrew hatte da eigentlich auch keinen Bock drauf. Ich erinnere mich noch, als sich Andrew bei einer Schlägerei hinter dem Tresen verschanzte und Kahrs alle Barhocker ins Flaschenregal geworfen hatte.“Geil, das hab ich mal im Fernsehen gesehen“, meinte Kahrs später zu mir. Kahrs liebte es, sich zu beulen. Eigentlich hatte er voll die „Alete Arme“, aber das war kein Thema für ihn. Einmal nahm er mich überglücklich in die Arme und erzählte mir voller Stolz, dass sein 15-jähriger Bruder seinen Vater, der auch „nicht ohne“ war, zusammengeschlagen hatte. – Ooookaay dachte ich. Grohner Dühne 3 halt...

Bei irgendeiner Glatzenbeulerei hatte Kahrs dann ‘ne Leuchtkugel an die Stirn bekommen, was ihn eigentlich Null interessierte. Als er dann am Ende des alten Lloyd-Tunnels angelangt war, brauchten die Cops nur noch die Türen vom Mannschaftswagen aufzuhalten, um ihn gleich einzusacken.

In Nord hingen wir dann auch ab und an auf dem Sedanplatz ab. Digger hatte seine Band Nebenwirkung gegründet, die jahrelang Bestandteil unserer Szene war. Schumann, der Gitarrist, hatte irgendwann beim Schlachthof ‘nen Hippie vermöbelt. Nicht die Treppe runter, wie üblich, sondern rauf. Der Hippie hatte Haare bis zum Arsch und Schumann hat ihm immer wieder ‘ne rechts-links Kombination gegeben, mit den Worten: „Du scheiß Skinhead!“... Schumann war auch nicht ohne - besonders, wenn er sein eigenes Blut geleckt hatte.

Ich hatte schon seit einiger Zeit damit angefangen, die Kutten von einigen Punks zu bemalen. Manchmal saß ich bis zu 12 Stunden an einer Jacke, für ungefähr 25-35 D-Mark. Jeder wusste, dass ich einigermaßen zeichnen konnte, und ich hatte mir damit einen Namen gemacht.

In den 90ern gab’s dann allerdings noch einen Tede in Bremen-Nord, der um einiges besser zeichnen konnte, als ich. Ich hab dann aber trotzdem von seiner Arbeit profitiert, weil die Leute fragten: „Boa, wer hat die Kutte denn gemacht? Tede... ach ja cool, Thiede, hätte ich mir ja gleich schon denken können.“

Anyway. Um ‘82 herum fing ich dann auch an, ein Punk-Comic namens Sabberblatt zu zeichnen. Man konnte das dann in Bier oder D-Mark bezahlen. War immer ganz angenehm. Besonders auf den Marktplatz verkaufte sich das Sabberblatt ganz gut.

Eines Tages saß ich mit GG auf ‘m Marktplatz und wir tranken ein paar Bier. Auf einmal kam ein Typ angeradelt und meinte, „Ein paar Typen von euch haben Stress in der Sögestrasse“. St... äh GG und ich sind dann nix wie hin. Als wir ankamen, sahen wir Schaschlik und Gockel die Stress mit einem Türken hatten. Gockel und Schaschlik hatten sich einen Spaß erlaubt, sich beide ‘ne Glatze geschnitten, Domestos-Hosen angezogen und sich als Glatzen verkleidet! Als sie im Kino waren, schlug der türkische Landsmann urplötzlich auf die Beiden ein. Eigentlich war es eher ein Geschäftsmann, als einer von den typischen Gangtürken. Er war im Anzug mit Aktenkoffer...

 

Gockel war blutüberströmt und schlug immer wieder mit seinem Gürtel auf den Mann ein. Aber der Koffer schien ‘ne gute Abwehr zu sein. Schaschlik zückte dann ‘ne Gaswumme, die noch nicht einmal geladen war. Er stürzte auf den türkischen Mitbewohner zu und es machte nur klick, klick, klick... Ein Meer von alten Rentnern und anderen Anwesenden, schmiss sich schreiend zu Boden. Was für ein Schauspiel! Schaschlik und GG drängten den Türken Richtung Schuhladen, wo dieser auf einmal den Koffer öffnete und ‘ne Knarre zog. Als er dann auf die beiden zielte, gab GG ihm einen gezielten Tritt unter die Hände, so dass er in die Decke schoss. (Ich weiß bis heute nicht, ob es ‘ne scharfe Knarre war. Nach Gas hat es aber auf jeden Fall nicht gerochen!) Danach schickte GG seinen Kontrahenten mit einem gezielten Faustschlag direkt durch die Schaufensterscheibe. Nun hieß es das Weite suchen.

Schaschlik und ich kamen aber nicht weit. Am Marktplatz hatte uns schon ‘ne Streife gestellt.

Mit den Händen auf ‘m Autodach filzte uns der Beamte. Er fand dann auch schnell eine Dose CS-Gas in meiner Jackentasche, die er dem meuchelnden Mob dann voller Stolz präsentierte. Die Passanten hätten uns am liebsten gelyncht.

Wir wurden dann festgenommen und aufs 6. Polizeirevier gebracht. Bei der Personengegenüberstellung kamen ein paar Hippies die für uns aussagten, und meinten „Die waren es nicht“. So mussten uns die Herren Beamten dann doch gehen lassen.

Beim Herausgehen meinte Schaschlik auf einmal, „Ich war‘s!“. Was für ‘n Honk, dachte ich, aber so was war nun mal Teil seiner Show...

Ein paar Wochen später war ‘ne Party bei Lohse in der Gertrudenstraße. Es waren jede Menge Leute dort. Irgendwann kam Schmanuel die Treppe hoch und meinte, draußen stehen ein paar Leute von uns und haben Stress mit zwei Faschos. Er erklärte mir dann, wer alles unten sei, dass sich aber irgendwie keiner traute.

Waaas...? Sieben von uns gegen zwei und alle haben Schiss? Das ging absolut nicht in meinen Schädel und ich rannte wütend hinunter auf die Straße. Sofort ergriff ich das Wort und hatte die allergrößte Fresse. Einer der Hools namens Fisch kam dann auch gleich auf mich zu und machte den Breiten. Ich konnte es gar nicht fassen, Schaschlik, Koma, Gockel, alles gute Hauer, und keiner wollte so richtig. Irgendwann standen Fisch und ich uns dann gegenüber und pöbelten uns verbal an. (Fuck, dachte ich, jetzt wird’s ernst und ich hatte mich bis dahin nie so richtig gehauen) Ich zitterte am ganzen Körper und sagte ihm „Du hast den ersten Schlag“. „Ne du.“ Das ging dann ein wenig hin und her, bis ich dann dachte, tick ihn lieber eine, bevor er dir welche langt. Also schmetterte ich ihm eine mitten ins Gesicht. Als er dann völlig überrascht herumtaumelte, schnappte ich ihn mir und drückte seinen Kopf gegen den Kantstein. Ich drückte so lange, bis er aufgab und danach desillusioniert abzischte. Alle klopften mir danach auf die Schulter und gaben mir den ganzen Abend Getränke aus. Besonders Koma schien ziemlich beeindruckt gewesen zu sein.

Weitere Überfälle auf Punks, die auf den Weg zum Schlachthof waren, sollten folgen.

So erwischte es dann auch Zulu, der alleine durch den Findorff-Tunnel ging und von circa 40 Skinheads abgefangen wurde. Einer der Wortführer, K. Panzer, dessen Vater ein stadtbekannter Wehrsportbulle war, drückte Zulu seine Gasknarre an den Kopf und drückte ab. Zulu musste für einige Tage ins Krankenhaus und erstattete Anzeige.

Irgendwann kam es zur Verhandlung und wie der Zufall es wollte, hatte ich am selben Tag einen Gerichtstermin wegen eines kleinen Verkehrsdeliktes. Ich machte mich schlau und ging eine Stunde früher zum Gerichtsgebäude, um bei Panzers Verhandlung reinzuschauen. Als ich ankam, schloss der Richter gerade den Gerichtssaal ab und es stand „Tötet alle Punks!“ mit Blut an die Wand geschrieben! „Was war hier denn los?“ fragte ich. Der Richter erklärte mir die Situation und meinte, Zulus Vater wäre in den Gerichtssaal gekommen und hatte Panzer ein Messer in den Nacken gerammt. Irgendwelche Punks haben sich dann um die restlichen Glatzen gekümmert.

Panzer überlebte und brachte es zu Zeiten von Selbstjustiz à la Marianne Bachmeier sogar auf die Titelseite des Stern-Magazins. Derjenige, der „Tötet alle Punks“ an die Wand geschrieben hatte, ist heute ein guter Freund mir. Holger K., damals auf der anderen Seite, erzählte mir dieselbe Story aus seiner Sicht bei einem Essen vor ein paar Monaten. Was man circa dreißig Jahre später alles so rausfindet...

Wir hingen Woche für Woche am Sielwalleck herum und hatten jede Menge Spaß. Bei Wind und Wetter. Und bei jedem Werder Bremen-Heimspiel hieß es dann mal wieder die Stellung zu halten. Es kam immer wieder zu kleineren Zwischenfällen. Mittlerweile hatten die Glatzen auch ihren selbsternannten Möchtegern-Führer namens M. Privenau. Privenau hatte sich in Bremen einen Namen gemacht, da er bei einer seiner Wehrsportübungen einen Jäger erschossen hatte und dafür nur Bewährung bekam.

Unglaublich! Das hätte man mal als RAF-Sympathisant tun sollen, da hätte es mindestens lebenslänglich gegeben. Aber der deutsche Staat war und ist ja gerne auf dem „rechten Auge“ blind.

Privenau hielt seinen Mob gut zusammen und organisierte des Öfteren Übergriffe auf einzelne Punks. Aber auch er hat sein Fett mächtig wegbekommen.

Ich saß irgendwann mit meiner Schwester und Gockel im Auto an der St. Jürgenstraße, als ich Privenau auf seinem Fahrrad sah. Ich rief, „da ist Privenau, die Sau!“ Privenau wartete an der roten Ampel und hatte uns nicht bemerkt. Sofort machte ich ‘ne „Texas Wende“ und nix wie hinterher.

Was dann kam, musste wie in ‘nem schlechten Buster Keaton-Film ausgesehen haben. Gockel hangelte sich aus dem Seitenfenster, mit dem Baseballschläger im Anschlag. Ich fuhr dann mit einem Reifen auf dem Radweg, um näher an Privenau ranzukommen.

Dieser dumme Fascho hatte uns immer noch nicht bemerkt. Als Gockel dann ausholte und zuschlug, bog Privenau aber plötzlich nach rechts ab und hatte gar nichts davon bemerkt. Wie dusselig muss das denn ausgesehen haben? Egal, zweiter Versuch. Das Gleiche nochmal, als wir ihn auf der Kurfürstenallee aufspürten. Diesmal bemerkte er uns aber rechtzeitig und Gockel erwischte ihn nur an der Hand. Es gab ‘ne erneute „Texas Wende“ und eine kleine Verfolgungsjagd durch die Seitenstraßen.

Irgendwann in diesem Durcheinander stellte ich ihm ‘ne Falle und fing ihn dann in einer Sackgasse ab. Er fuhr mit seinem üblichen Kampfgeschrei auf mich zu und ich warf ihm mit aller Gewalt meinen Baseballschläger in den Körper. Unglaublich, dass der nicht vom Fahrrad gefallen ist!

Er machte dann noch ein paar Meter, entschied sich aber, ohne Fahrrad über die Parzellen zu flüchten. Am nächsten Tag ging dann „Neonazi bedrohte farbigen Doktor mit Axt“ durch die Presse. Was war geschehen?

Privenau war wohl doch etwas mehr angeschlagen, als gedacht. Auf seiner Flucht brach er in einer Parzelle ein und klaute eine Axt, um sich im Notfall verteidigen zu können. Als er dann im Krankenhaus eintraf und behandelt werden sollte, kam ihm ein farbiger Oberarzt entgegen, den er sofort mit seiner Axt bedrohte. Was für ein krankes Hirn!

Asi-Kneipen wie die Kogge in Gröpelingen, das Storyville und das Chateau gab es nun leider nicht mehr. Jetzt hingen wir vermehrt im Römer und im Kirmes ab.

Bei einer Samstagsschlägerei mit Fußballglatzen ging‘s einmal direkt vor dem Kirmes ab. Eigentlich hatten wir mit einer Handvoll Leute die Situation im Griff. Aber Kahrs konnte mal wieder nicht genug kriegen und lief zu weit nach vorne. Dummerweise schnitt ihm eine Straßenbahn den Rückweg zu uns ab und er musste dann Einiges einstecken, beim zahlenmäßig weit überlegenen Mob.