Ein Sommer als Hure

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Ein Sommer als Hure
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Lilly Lassings

Ein Sommer als Hure

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Inhalt

1

2

3

4

Impressum neobooks

Inhalt

Diesen Sommer sucht sie das wahre Abenteuer und findet es am Ende der Welt. Sie lernt sogar einen Mann kennen, der ihre Sprache spricht und sie durch gefährliche Gebiete führt. Allerdings muss sie ihm dafür „zur Verfügung“ stehen – und anderen auch bald.

1

Es war jetzt schon ziemlich heiß, und die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Doch der Windhauch, ein wenig mehr als ein Hauch, ließ die Sache auf ihrer Haut wieder ganz anders aussehen. Sollte sie wirklich in diesen Zug steigen? Ja. Vielleicht war er in einem besseren Zustand als der Bahnhof dort drüben. Da und dort bröckelte das Mauerwerk ab, und an der Decke gab es immerhin einen Ventilator. Die Landkarte war längst von der Sonne ausgebleicht. Aber ihr nächstes Ziel, von dem sie so viel gelesen hatte, konnte sie noch gut darauf erkennen. Also betrat sie die Halle und fand etwas, das wie ein Fahrkartenschalter aussah.

„Boleto a …“, kratzte sie gegenüber der zu ihr aufblickenden schwarzhaarigen Frau mit dunkelrotem, kurzem Höschen ihr Spanisch zusammen. Ihre eigene Kleidung fühlte sich dagegen fast zu lang an. Da war noch ein kleinerer Plan. Als die Verkäuferin Lillys Finger über dem eingezeichneten Ort am Ende der Bahnstrecke bemerkte, suchte sie herum und zog Sekunden später ein Stück Papier aus einem ratternden Gerät. Ihr freundlich lächelnder Gesichtsausdruck forderte weniger Geld als erwartet ein.

In ein paar Minuten auf Gleis 2, wenn der Fahrplan stimmte. Sie schritt durch den Durchgang gleich links neben dem Schalter, wo ein paar Bahngleise zu sehen waren, und es zu einigen beschrifteten Bahnsteigen ging. Manche bestanden aus Holzbrettern, andere aus alten Bodenfliesen. Ein paar Leute, die meisten so, als ob sie auf dem Weg zu einem Badestrand oder einer Wandertour wären, standen herum oder gingen auf und ab. Immerhin, alles, das sie vor ihrer Reise recherchiert hatte, schien sich zu bewahrheiten. Der Zug sah einerseits fast museumsreif aus, andererseits passte die grelle gelbe und orangen Farbe nicht ganz dazu. Ob die dicken Farbschichten alles zusammenhielten? Drei Waggons waren angehängt, und eine Tür stand offen, also stieg sie schon einmal ein.

Nach und nach füllte sich alles einigermaßen, auch wenn immer noch genug Platz war. Noch einige Minuten und eine Durchsage in drei Sprachen später setzte sich der Zug wirklich in Bewegung. Zwar beschleunigte er einigermaßen rasch, aber ein Schnellzug war es nicht gerade. Sie hatte keine Ahnung, wie weit es genau war, und wie lange sie brauchen würde. Ob es sich bis zum Abend ausging?

Sie fuhr an Ausläufern der Stadt vorbei, konnte grüne Hügel erkennen, Obstbäume, ein paar kleine Felder, felsige Hänge – und ein kühlender Luftzug wehte aus einem Fenster herein. Nach einer kurzen Weile war nur noch eine endlose grüne Weite zu sehen, bewaldete Hügel, und ein paar Lichtungen mit hohem Gras. Das Geräusch des Zuges schwankte zwischen beinahe leisem Surren und ständigem Rattern. Je länger sie ihre Blicke schweifen ließ, desto schwerer fiel es ihr, die Augen offenzuhalten. Ob diese ganzen anderen Geschichten ebenso wahr waren? Sie handelten nicht direkt von Orten, wo auf mysteriöse Weise Leute verschwanden, aber so ähnlich. Wenn die Bar wirklich wie auf den Bildern aussah, konnte wahrscheinlich dieser Eindruck entstehen. Oder gab es tatsächlich noch touristische Geheimtipps am Ende der Welt? Wahrscheinlich war jedoch erst einmal, dass sie zu wenig geschlafen hatte.

*

Ein lautes Quietschen riss sie aus dem Halbschlaf. Ihr war auch so, als ob sie Donner gehört hätte, jedenfalls zeigte sich der zuvor makellos blaue Himmel nun ein wenig trüb. Der Zug stand mitten auf der Strecke, und sie konnte aus dem Fenster den Grund erahnen – ein großer, abgebrochener Ast lag quer über den Schienen. Oder doch nur sehr knapp am Rad?

Einige Passagiere waren ebenfalls aufgestanden, unterhielten sich laut und lehnten sich immer wieder hinaus. Die Sonne brannte nun doch wieder herunter. Eigentlich konnte sie das T-Shirt im Moment ruhig ausziehen, so wie es auch der Mann neben ihr machte. Ihr Badeanzug darunter schien durchaus angemessen zu sein, wenn sie sich umsah. Der Typ war einen Hauch größer als sie und hatte dunkle Haare mit hellen Strähnen darin. Seine Oberarme sahen so aus, als ob er mit dem riesigen Ast keine Probleme hätte. Bei ihr zuhause wäre wohl das Aussteigen streng verboten gewesen und Hilfe erst nach zwei Stunden da, hier mussten womöglich alle anpacken. Aber es ging sich doch aus, oder? Fuhren sie nicht bereits sehr langsam weiter?

Er wirkte dennoch eher niedlich und süß – und schien aus der Gegend zu sein. Lächelte er ihr zu? War er mit dieser Frau dort drüben unterwegs oder ebenfalls allein? War es reiner Zufall, dass sie kurz seine schwitzende Haut streifte? Er drehte sich plötzlich um und drückte kurz und sehr kräftig ihre Hand. Die Zeit reichte für ihn, den Körperbau von Lilly anzustarren. Sie glaubte selbst, dass sie nicht so schlecht aussah, doch zuhause hatte das stets die falschen Männer angelockt. Sie wollte doch immer einen, der was konnte, genau wusste, was er wollte, und nicht nur herumredete. Bei dieser Reise hatte sie meistens die Landschaft im Kopf gehabt und weniger ein Urlaubs-Abenteuer – bis zu diesem Zeitpunkt? Toll, flirtete er mit dieser Frau herum? Ja, es ging vorwärts, sie fand erneut ihren Platz, und verlor ihn aus den Augen.

Die sanften, grünen Hügel wurden zu größeren Bergen, manche mit kaum bewachsenen, felsigen Gipfeln. Auch die vorhin oft gerade Strecke machte nun ein paar Biegungen, bis der Zug langsamer wurde. Er näherte sich etwas, das wie ein mittelgroßer Landbahnhof aussah, und blieb zischend und ziemlich ruckartig stehen. Keine zwanzig Meter entfernt endete das Gleis zwischen Sand und Geröll. Vielleicht zwei Kilometer vor ihr erstreckte sich eine Bergkette. Für ihren weiteren Weg musste sie sich wohl durchfragen, und wollte sich einmal in diesem Ort umsehen. Die Straßen waren eher aus hellem Sand und Kies als aus Stein oder gar Asphalt. Sie bemerkte erneut diesen Mann, als er zu einer Art Bar gleich gegenüber des Bahnhofs ging. Zur Hälfte überdacht und sonst zur Straße hin offen.

Das Angebot des Tages waren vier verschiedene Fruchtsäfte, von denen sie noch nie wirklich gehört hatte. Alles zusammen mit ein wenig Sodawasser, und wenn es jemand wollte mit diesem Schnaps, den es hier überall gab. Sie wollte heute lieber vernünftig bleiben und einen klaren Kopf bewahren. Zumindest bemerkte sie seine Bestellung mit einem Fingerzeig auf die Karte. Nachdem er Lilly ebenso wieder erkannt hatte, begrüßte er sie mit einem Händedruck und Lächeln, diesmal sanfter. Fast gleichzeitig mit ihm bekam sie ein großes, ziemlich altmodisch aussehendes Glas, und prostete ihm zu. Nicht übel – aber was da doch was drin?

Er begann, etwas auf Spanisch zu sagen, und außer einzelner Wörter verstand sie nicht viel. Dabei sagte der Klang schon alles – aber wofür hatte sie sich auf der Anreise noch einmal mit dem Sprachführer beschäftigt?

„Äh, verstehe schon was, aber … pero no mucho”, antwortete sie zögerlich.

“Hablas … aleman?”

“Si – äh – ja!”

“Ok – auch gerade erst angekommen?”, entgegnete er in ziemlich gutem Deutsch.

“Ja, könnte sein.”

“Nicht so schüchtern, ich habs ja sowieso gleich geahnt. Ich war ein Jahr in Europa … habe schon was gelernt.“

„Oh, und … du bist auch hier wegen einer Expedition in die Berge?“

„Lieber nicht …. was da alles passieren könnte. Aber vielleicht liegt es nur am Feuerwasser.“

Er lächelte noch intensiver und ließ seine Blicke ebenso umherschweifen. Auf dem Gebäude war eine Zeichnung, oder doch verblasste Schrift? Ob er hier Zimmer gab?

„Ich – gehe mich etwas frisch machen“, bekundete er und stand auf, nachdem er das Getränk hinuntergekippt hatte. Dabei strich er sich mit der anderen Hand langsam durch die Haare.

„Oh, ich eigentlich auch“, sagte sie und folgte ihm, ohne dass er darauf reagierte. Wäre aber wirklich schön, wenn sie sich hier ein wenig waschen könnte.

Eine Schwingtür führte zu einem kurzen Gang. Auf der linken Seite tat sich nach einer Tür mit einem aufgemalten Zeichen für männlich eine Toilette mit glatten Wänden in einem neu wirkenden, mittelgrauen Farbton und ein paar Trennwänden in grell leuchtenden Farben auf. Er wollte sie wohl wirklich nur für das benutzen, wofür sie gedacht war, und sich vielleicht etwas kaltes Wasser ins Gesicht tun. Weil sie auf die Schnelle kein weibliches Symbol fand und ohnehin niemand sonst hier war, folgte sie ihm. Obwohl er es bemerkt haben musste, ließ er sich von nichts abhalten. Was sie bei einem vorsichtigen Blick seitlich nach unten sehen konnte, war recht beachtlich. Oder das, was bei der richtigen Stimmung daraus werden konnte.

 

Noch immer ignorierte er sie einfach, und spritzte sich bei einem Waschbecken etwas Wasser ins Gesicht. Sehr langsam spazierte er zurück in Richtung Ausgang. Sie stellte sich ihm in den Weg, und sah ihm kurz direkt in die Augen. Sekunden später kämpfte er auch schon mit ihr. Sie hatte ihn mit dem Rücken an die Wand gedrückt und sich direkt an ihn gepresst, auch wenn er sie beim Festhalten seiner ausgestreckten Arme an der Wand wahrscheinlich hatte gewinnen lassen. Erneut blickte er sie intensiv an. Sie näherte sich ihm mit ihrer Zungenspitze und spürte seine aufgerichteten feinen Haare und nicht nur die, als sie über ihn strich. Seine Zungenspitze berührte ihre, gleich darauf verloren sich ihre Lippen in einem langen Kuss.

Er sah sich kurz um, ob vielleicht jemand hier war, und schleppte sie an der Hand in einen anderen Raum. Es war eine versperrbare Duschkabine, mit einem kleinen Vorraum, wo sie so wie er hektisch alle Sachen abstreifte. Eine Wand der Dusche erinnerte an eine grobe Felswand. Das Wasser fühlte sich im ersten Moment kalt an, doch Sekunden später überraschend warm. Bereits diese Zeit reichte, um wirklich alle erlebten Strapazen zu vergessen.

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