Von geilen, aber nicht allzu aufdringlichen Vampiren, Ehemännern mit Sixpack und Schokolade, die nicht dick macht

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Von geilen, aber nicht allzu aufdringlichen Vampiren, Ehemännern mit Sixpack und Schokolade, die nicht dick macht
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Leon Skip

Von geilen, aber nicht allzu aufdringlichen Vampiren, Ehemännern mit Sixpack und Schokolade, die nicht dick macht

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Letztzeit

Lady Gaga – 2012

Seelenlos – 2012

Der Grashüpfer - 1965

Pullover auf nackter Haut - 1977

Trinity - 2012

Zombies - 2012

Lyristik - 1979

Panzer für Chile - 1980

Netzstrumpfhosen - 2012

Scheinbesetzungen - 1981

Artgerechte Haltung - 2012

Züri brännt - 1982

Pussy Riot - 2012

Bedeutende Träume - 2012

Keramikenten - 2012

Kreuzsee - 1985

Energieverlust - 2012

Sauger und Stecher - 1986

Acht Quadratmeter - 2012

Gewissenskommission - 1987

Konstruiertes Leben – 2012

Ethnobotanik - 1997

Mairiris - 1998

Ausreden 1 - 2012

Kikeriki -1999

Jack, Henry, Ernest & Co. - 2014

Sex-Schule - 2000

911 -2001

Leichtes Hungergefühl - 2012

Killer - 2002

Pilzlabor - 2003

Fly the Moon - 2012

Asylantrag - 2014

No money, no honey - 2006

Ausreden 2 - 2014

150 Tage - 2009

Das Licht der Sterne - 2014

Techniken, wenn einem nichts einfällt - 2014

Worteschmied - 2011

Impressum neobooks

Letztzeit

Leon Skip

Von geilen, aber nicht allzu aufdringlichen Vampiren, Ehemännern mit Sixpack und Schokolade, die nicht dick macht

Autobiographie / Essays

Ich überlege gerade, was da jetzt für ein Titel vorne drauf soll. Der muss doch den Zeitgeist treffen, will man was damit verdienen, und vor dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, da muss man schon in die Knie gehen wie jene marktorientierten Gesellen, die jetzt locker in tropischem Gefilde vor ihrem Laptop sitzen, ab und zu mal ein paar Zeilen für das siebzehnte Buch ihrer erfolgreichen Krimi/Softerotik/Vampir-Serie in die von Piña Colada verklebte Tastatur hämmern und sich denken: Meine Güte, was für Idioten, haben glatt meinen Schund gekauft all die Jahre. Die wollen Schund - na bitte, da können sie mehr davon haben!

Also: Scharf nachgedacht, was die Verpackung dieses Druckwerks anlangt. Es gilt zu recherchieren, was ankommt beim Kunden. Was liegt denn da auf den Büchertischen, vor denen Silke steht und überlegt, was sie Petra schenken soll, weil die grad mit blau angelaufenem Gesicht in der plastischen Chirurgie liegt wegen ihrer Nasenkorrektur und aufbauende Lektüre braucht? Man sieht schon, dass ich am richtigen Weg bin mit meinen Überlegungen - so hat man doch schließlich als erfolgsorientierter Mensch der Neuzeit zu denken. Oder sagt man da jetzt schon Letztzeit?

Aber zurück zu Silke: Die hat die Auswahl, das muss man schon sagen und die stünde da auch nicht so lange rum, wenn sie schon vorher wüsste, was sie kaufen will. Aber sie hat ihre Vorlieben. Das macht die Sache leichter und sie schlendert rüber zum Büchertisch mit den historischen Romanen.

Die Prinzessin von Vermont. Da ist ein abgewracktes Schloss vorne drauf und es ranken sich auf verwunschene Art und Weise Kletterrosen über die Fassade. Der erste Hinweis darauf, dass es sich um eine Geschichte der guten alten Zeit handelt, als Prinzessinnen - oder besser, ihre Väter - noch bedenkenlos ihre Steuereintreiber zum einfachen Volk raus schicken und den armen Leuten unter Androhung der Knute das Vieh oder die Tochter oder die Ernte oder das Vieh, die Tochter und die Ernte wegnehmen konnten, ohne dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen abfälligen Artikel über die Maßnahme veröffentlichte. Aber das Schloss auf dem Cover ist nicht neu, was ja eigentlich verwundern sollte, denn damals waren die Drecksdinger doch neu. Aber soweit denkt Silke nicht - das wäre unromantisch - und da blättert sie ja auch schon im Buch; den Köder hat sie schon geschluckt.

Nicht schlecht, denkt sie, als da der romantische Held die Prinzessin nach altem Brauch aufs Gaul hievt, den Feind im Rücken und die Not der armen ländlichen Bevölkerung im Sinn. Da steckt doch edles Streben nach Gerechtigkeit und Lechzen nach blaublütigen Titten drin. Keine schlechte Mischung. Und historisch ist´s auch, da kann man was lernen.

Aber man kauft nicht das erste Buch, das man zur Hand nimmt. So einfach gestrickt und manipulierbar will doch keiner sein. Da könnte man ja gleich mit der Hand vor den Augen in die Buchhandlung rein, mit den Fingern auf ein Werk tippen und sagen: »Das und kein anderes soll´s sein.« Was eigentlich lustig wäre, denn die Wahrscheinlichkeit, ein außerordentlich lustiges, spannendes und/oder informatives Buch auf den Büchertischen zu finden, hält sich ohnehin in Grenzen und Silke hätte nachher auch mehr Zeit für den Kaffee mit Harald, wenn sie den Aufenthalt in der Buchhandlung auf diese gewitzte Art verkürzen würde.

Doch Silke gehört nicht zu den gewitzten Zeitgenossen. Das weiß sie aber nicht und deshalb kommt sie im Leben alles in allem gut zurecht mit Studium und Harald und ihrer mistigen Romantik. Das schafft Selbstbewusstsein, wenn man nicht viel denkt und auch nicht aus der Reihe tanzt. Aber auch das weiß sie nicht; sie denkt: Ich bin eine Frau, die weiß, was sie will und manipulierbar bin ich nicht und das erste Buch, das will ich nicht kaufen. Ich geh mal rüber zur Fantasy.

Der Herr der Dinge. Da bleibt Silke mit verträumtem Blick stehen und besinnt sich der schönen Momente, als sie mit Harald und Sonntagsfrühstück im Bett gelegen hat und mit Croissantkrümeln in den Mundwinkeln an den Abenteuern der lieben blonden kleinen pausbackigen arglosen Zwerge Anteil nahm, die gegen die ungerecht große Übermacht von dunkelhäutigen Scheusalen mit verfilzten Haaren und Akne und verkrumpelten Füßen ins Feld ziehen mussten. Mensch, schade, dass ich das schon kenne, das würd´ ich so GERNE nochmal lesen; ich meine, OHNE es schon zu kennen, träumt sie da und denkt weiter: Ob das Petra schon gelesen hat?

»Na klar, jeder hat´s schon gelesen, dumme Kuh!«, würde der für Fantasy zuständige Kundenberater jetzt antworten, hätte sie den gefragt. Hat sie aber nicht und sie entscheidet selbstständig, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, von Petra ein gutgemeintes, aber verkniffenes Danke zu bekommen, weil die das klarer Weise schon in ihrem Beistelltisch neben dem Krankenbett liegen hat.

Nein, da muss schon was Gewagtes, Neues her, um die Rekonvaleszente zu erfreuen. Man will ja den Puls der Zeit spüren als Beschenkte, man will sich ja abheben vom lesenden Fußvolk. Jetzt wird sie vom größten Büchertisch angezogen. Den nimmt sie sich extra zum Schluss vor.

 

Wie würde das denn aussehen, wenn man sich wie ein dummes Schaf gleich als erstes dahin durchdrängelt, wo Hausfrau, Sekretärin und romantisch veranlagte Studentin Schulter an Schulter stehen, um sich das neueste, das Must-Have reinzuziehen, ohne dessen Kenntnis man einfach total out sein Leben fristet?

Vampire!

Glück für Silke, dass Twilight Phone und Biss mit aller Macht in hohen Stapeln aufliegen und die Anwesenden sich nicht darum streiten müssen. Biss mit aller Macht! Oh-mein-Gott, davon hab ich doch letztens gehört. Der Knaller, denkt sie und weiß schon, selbstbewusst wie sie ist: Petra wird sich was freuen, die hat doch letztens Vampire forever gelesen und sowas von geschwärmt davon. Die Katze im Sack kauft sie aber nicht. Da will schon der Klappentext gelesen werden:

Der junge, gutaussehende, hochgewachsene Harvard-Student Noé begegnet während einer Studienpause im Starbucks einer Servierkraft, die sich nicht in der verchromten Untertasse seines Caffè Latte spiegelt und ihn mit ihrem ersten Blick aus dem geregelten Gang seines Lebens hinauskatapultiert. Ist´s Traum, ist´s Wirklichkeit? Schon bald verliert sich Noé in den Tiefen der Schattenwelt, der Welt der Unsterblichen und dem Verlangen, dieses Mädchen zu besitzen. Doch Morgold, der Fürst der Dämmerung, will nicht zulassen, dass Noé sie in seine Welt rettet und setzt seine Schergen, die Varuns, auf ihn an. Also entscheidet sich Noé, als Vampir des Lichts in ihrer Welt zu bleiben und damit das größte Opfer zu bringen, zu dem ein Mann fähig ist...

Da denkt Silke: Mensch, das will ich selbst lesen, greift sich den Schmöker und flitzt zurück zu den historischen Romanen, um für Petra die Prinzessin von Vermont zu holen.

Man merkt deutlich, worauf ich hinauswill. Sie können mich nicht sehen - ich sitze grad mit den Händen auf meinem Kopf und raufe mir die Haare. Wie stell ich´s nur an? Eine Fledermaus muss aufs Cover. Klar, das auf jeden Fall, aber der Titel, der Titel? Ich muss ruhig bleiben, das Ganze logisch angehen! Jung muss er sein, der Held. Heldin kommt nicht so gut, denn soll die denn einen Typ auf ihr Pferd heben? Also Held und jung, ist doch schon ein Anfang. Ah, schön hat er zu sein, das muss man jetzt nicht extra erwähnen. Abgehakt. Dann muss da noch Sex rein, hätte ich fast vergessen. Und Eckzähne muss der haben. Aber sind die immer da oder fahren die nur aus, wenn´s Nacht wird? Das kann ich aber offenlassen, ein bisschen was zusammenreimen können die Leser sich schon selbst. Aber wie herausheben aus der inflationären Flut von Vampirromanen? Klar, es muss der letzte Vampir sein, danach darf nichts mehr kommen. So hol ich da doch den ultimativen Kick raus. Lass noch mal denken:

Der endgültig allerletzte, bildschöne, junge, verfickte Vampir. Nein, kommt nicht gut, aber ich bin nah dran. Da wird mir doch was einfallen, einfach intuitiv:

Vampire in Harvard? Nein, zu intellektuell. Außerdem gibt´s schon Vampire in Brooklyn.

Twilight Night; olala, könnte rechtliche Probleme geben.

The last mighty bite. Na bitte! Jung und schön und sexy fehlt zwar, aber da kann man doch getrost auf die Phantasie der Leser setzen, dass die sich nicht vorstellen, ein alter tattriger Typ, der keinen mehr hochkriegt, würde es mit den Übermächten der Schattenwelt aufnehmen wollen.

Abgewracktes Schloss vorne drauf - ich nehme aber statt den Kletterrosen Glyzinien - und da fliegt eine Fledermaus raus. Ich meine, aus dem Schloss. Soweit alles klar, aber soll ich das Pferd ins Spiel bringen und muss das ein Vampirpferd sein? Nein, die sollen mal schön was zu Fuß gehen.

Oder doch nicht? Denken wir das alles noch mal von vorne durch: 4,2 Prozent der Männer lesen noch, die sind als Kunden zu vergessen. Bei den Frauen greifen noch 8 von 100 zu Büchern, also muss mein Buch Frauen ansprechen. Nächster logischer Gedankengang: Was möchten Frauen? Am liebsten werden Vampirromane gekauft, das haben wir schon geklärt und das ist ja auch keine Erfindung von mir, sondern reine Statistik, also sollte was mit Vampiren im Titel vorkommen. Aber das dürfen keine alten Stink-Vampire sein, jung ist wichtig, oder, noch besser: Geil!

Das wäre mal geklärt. Am besten zur Erotik-Verstärkung noch was hinzugefügt: Wie wäre es mit Waschbrettbauch, nein Sixpack. Sixpack, so weit, so gut. Aber aller guten Dinge sind drei. Wovon träumen Frauen sonst noch? Familie? Naja, die, die Vampirromane kaufen, haben schon Familie und die haben den Traum auch schon ausgeträumt – vom Sixpack beim Alten keine Spur und die Kids, die überfallen schon Tankstellen, Familie lockt keine erwachsene Frau hinterm Ofen vor. Aber was ist ein wirklicher Magnet für Frauen? Schokolade! Schokolade, wieso bin ich da nicht früher draufgekommen?

Von geilen, aber nicht allzu aufdringlichen Vampiren, Ehemännern mit Sixpacks und Schokolade, die nicht dick macht! Brittanic Bold macht sich gut als Schrifttyp. Das kann schon was, das Word.

Lady Gaga – 2012

Warum Leon Skip?

Ganz einfach. Sowohl mein Vor- als auch mein Nachname sind zu lang, zu verbreitet und deshalb auf dem Weg zu Ruhm und Kunst ungeeignet. Ein Star hat nun mal wenige Silben sowohl im Vor- als auch im Nachnamen aufzuweisen. Nehmt nur David Bowie oder Stevie Wonder. Noch wer: Helge Schneider! Oder glaubt hier allen Ernstes jemand, eine Josephine Schmalzbüttelgruber lockt irgendwen hinterm Ofen vor? Selbst wenn sie ein Kleid aus Schnitzeln trägt wie Lady Gaga - wen würd´s kümmern?

Ok, ok… Eine Silbe vorn und hinten ist auch fetzig. Gebe ich zu. Hat einen ganz anderen Drive. Also die Künstlernamen mit zwei mal zwei Silben klingen so nach Lalli Lalla, das merkt man sich echt leicht. Die mit einmal einer Silbe gehen dann eher in Richtung Ratz Fatz - auch sehr einprägsam - zugegeben. Ist Geschmackssache. Die hört man einmal und kann sie partout nicht vergessen. Denken Sie an Max Goldt, Brad Pitt, Ben Hur oder Jay C. Da ich jedoch nicht monatelang darüber nachdenken kann, habe ich mich - Schluss aus - für eine Kombination aus Lalli Lalla und Ratz Fatz entschieden. Weiß nicht warum.

Und ich weiß auch nicht, warum mir das jetzt wichtig ist, aber hier noch was Philosophisches zum Thema Schreibblockade, derowegen so viele leidend und ratlos vor der Tastatur sitzen und sich absichtlich und sinnlos das Leben vermiesen, wobei – Achtung! - es zu berücksichtigen gilt, dass es mindestens zwei Arten von Blockade gibt.

Erstens die Blockade derjenigen, die keine Geschichte auf Lager haben. Da kann man nur sagen: Bleibt am Ball, Leute! Vielleicht wird das noch was. Nehmt ab und zu – aber wirklich nur ab und zu – Drogen, führt keine festen Beziehungen und entfernt den Fernseher aus eurer Wohnstätte.

Und dann wäre da noch die Blockade der großen Geister. In diesem Fall mangelt´s wahrlich nicht an Wort und Zeil, ganz im Gegenteil. Der Kopf ist voll und alles drängt nach außen. Es schreit förmlich nach Arial 11 in all seiner Pracht.

Doch es kommt nicht.

Obwohl es könnte.

Es kommt nicht.

Klar! Denn unbewusst durchlebt der große Geist die Qual, etwas zu schaffen, das er selbst vielleicht nicht mehr wird übertreffen können. Was soll danach noch kommen? Welche Tat könnte das Niederschreiben der großartigen Geschichte dann noch in den Schatten stellen?

Das Leben?

Ist der große Geist nicht erhaben über die Niederungen unseres evolutionären Dahinschleichens? Man erlaube mir die gewagte Behauptung: Der große, blockierte Geist schweigt, weil er ahnt, dass nach Verraten seiner großen These nichts Vergleichbares mehr kommt.

Wäre ich zum Tod durch den Strang verurteilt, was durchwegs hätte passieren können, wenn ich mein Unwesen in Ländern mit strengerer Rechtsprechung getrieben hätte, und man mich fragen würde, ob letzte Worte auf meinen Lippen brennen, so würde ich plappern wie ein Gebirgsbach.

Nur um Zeit zu schinden.

Klar, irgendwann treten sie dir den Schemel unter den Füßen weg, denn sonst würde das ja nie klappen mit dem Hängen, aber man kann da doch etwas Zeit schinden. Genauso verhält es sich mit der Blockade. Der große Geist schindet Zeit, bevor die garstige Klappe ihn für alle Zeiten verschluckt, denn dann kommt nix mehr. Reißt mir die Nasenhaare aus, wenn´s anders ist.

Kann natürlich auch ganz anders sein. Narzissten wie ich stellen einfach gerne unhaltbare Behauptungen auf.

Jetzt hör ich wen rufen: »Mensch, hat doch keine Seele, was der da schreibt«, und da sag ich: »Kann ja auch keine haben, Seelen gibt´s ja gar nicht!«

Seelenlos – 2012

Man muss sich das nur mal durchrechnen, dann wird das doch alles klar:

Tiere haben natürlich keine Seelen - außer Delphine, wenn man Frauen mit Batik-Röcken und Keramik-Enten im Wohnzimmerregal Glauben schenken will. Aber die Delphine lasse ich jetzt mal außer Acht, das wird sonst alles zu kompliziert. Vereinfachen wir und unterwerfen wir uns der miesepetrigen Vorstellung, nur wir von der Spezies Homo Sapiens hätten Seelen. Ich meine, jeder nur eine, schließlich hat jeder von uns auch nur einen Reisepass, abgesehen von Drogenkurieren und Doppelagenten und Paris Hilton, aber auch die müssen wir hier vernachlässigen, sonst kommen wir nicht zu Rande mit dem Ganzen und wir wollen ja auch irgendwann mal ins Bett.

Also eine Seele.

Gut.

Als Gott Adam und Eva erschaffen hat, gab´s also zwei Seelen. Nur zwei? Das erste Paradoxon. Aber ich werfe jetzt nicht die Flinte ins Korn, sondern drehe das Rad der Zeit zurück bis, sagen wir mal, hunderttausend vor Pilatus. Da zogen geschätzte zweihunderttausend Hominiden über den Erdball und hinterließen jede Menge Müll - im Gegensatz zu heute aber biologisch abbaubaren. Nehmen wir des Weiteren an, die hatten jetzt jeder plötzlich eine Seele, obwohl sie gar nichts davon wussten und wir eigentlich auch nicht wissen, wo die hergekommen sein sollen, immerhin gab´s ja von Anfang an nur zwei. Aber wir wollen nicht kleinlich sein und notieren: Zweihunderttausend Seelen. Da starb dann immer wieder mal der eine oder andere und die nunmehr herrenlose Seele stieg in den Himmel auf und kam dann irgendwie zurück, zuhause in einem neugeborenen Weltenkind. Jetzt müssen wir interpolieren, das kann man aber nur, wenn man Pflichtschulabschluss hat und nicht zu viele Drogen genommen hat die ganzen Jahre über.

Ein weiterer Hominide kam also jeweils hinzu. Sobald zweihunderttausendundein Hominiden sich die Bäuche mit unschuldigen Tieren vollschlugen, fehlt uns dann doch eine Seele in der ganzen Rechnung. Nehmen wir mal an, diese fehlende Seele stammt von einem Delphin. (Jetzt müssen wir doch die Delphine mit einbeziehen und ich hatte schon gehofft, uns das zu ersparen und ja, es gab schon Delphine. Die hat DER doch am zweiten oder dritten Tag gemacht.)

Aber noch stimmt die Rechnung. Zweihunderttausendundein der Sprache nicht mächtigen, dafür aber beseelten Hominiden bevölkern die Erde. Ist es wahrscheinlich, dass uns nun immer mehr Delphine ihre Seelen schenkten, um uns die Möglichkeit zu geben, diesen Planeten eines Tages mit Hochhäusern für Millionen von Menschen vollzustellen, achtspurige Autobahnen zu bauen und die Delphine mit unseren Thunfischfangflotten zu dezimieren? Hier ein klares Nein.

So blauäugig sind selbst Delphine nicht und: Die wollten sich ja selbst weiter vermehren, und das nicht seelenlos. Ein krasses Seelendefizit war die Folge. Hier trennen sich aber nun die Wege von Esoterikern und ehrlichen, rational denkenden Zeitgenossen. Von mir aus könnten wir uns drauf einigen, dass es nach wie vor nur zweihunderttausendundein Seelen gibt, die, ungerecht, wie die Welt nun mal ist, wie im Lotto verteilt werden. Eine schöne Vorstellung wäre auch, dass George Bush und Robert Mugabe gar keine Seelen besitzen, wohl aber Karl Heinz Böhm und Helge Schneider. Das wiederum geht aber den Esoterikern gegen den Strich. Also wie jetzt? Ich denke, hier liegt vieles im Argen und so Manches ist noch auszudiskutieren. Es bleibt nur zu sagen, dass hier etwas nicht stimmen kann. Bitte um entsprechende Leserbriefe zur Klärung des Sachverhaltes. Zusendungen mit Betreff <Seelendefizit> an den Autor.

 

Und los geht´s. Ich bemühe mich, die Geschichten kompakt zu gestalten, denn ich bin ein arbeitender Mensch und sitze täglich zweimal achtzehn Minuten in der U-Bahn und da lese ich knappe, flotte Sachen, die mir die Lippen erheiternd bis verschwörerisch kräuseln und es ist mir wichtig, dass ich nicht am Anfang einer langen Geschichte das Buch zuklappen muss, um bis zur Rückfahrt am Ende des trostlosen Arbeitstags warten zu müssen. Eine kompakte Episode hat einige wenige Seiten, für die U-Bahn grad richtig. Denn wer unterbricht schon gerne eine gute Geschichte, wenn´s heißt: »Nächste Station Berlin Tempelhof« oder »Wien Landstraße«?