Desire No. 1

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Kapitel 3

Sie wollte gerade das Licht ausschalten, da klopfte es. Einen Moment war Julie versucht, das Geräusch zu ignorieren. Schließlich begann ihre Arbeit offiziell erst morgen. Außerdem lag sie lediglich in T-Shirt und Slip im Bett.

Aber sie war neugierig!

»Einen Moment bitte!«, rief sie und suchte hastig nach ihrem seidenen Morgenmantel. Er steckte ganz unten im Koffer. Ein herzhafter Ruck an ihm beförderte zusätzlich auch mehrere Jeans, Pullover und Shirts auf den Boden. Egal, darum konnte sie sich später kümmern!

Julie schlüpfte in den nachtblauen Seidenstoff, schlang den passenden Gürtel um ihre Taille und öffnete die Tür.

Braune Augen blickten ihr aus einem markanten Gesicht entgegen. Der Blick nahm jede Kleinigkeit an ihr wahr, ohne dabei abschätzig zu wirken. »Habe ich Sie etwa geweckt?« Seine samtige Stimme klang besorgt und der Blick wurde noch prüfender.

Jeder Mann der so aussah, hätte sie liebend gern jederzeit wecken können. »Nein, ich hab noch gelesen. Mach ich am liebsten im Bett.«

»Ah ja …«

Hitze durchflutete sie. Na toll! Nun dachte er wahrscheinlich, dass sie zu den Frauen gehörte, deren einzige Tätigkeiten im Bett lesen und schlafen waren.

»Ich bin James Sherwood.« Er lehnte sich entspannt an den Türrahmen, ein Bild männlicher Selbstsicherheit.

Und der Leiter dieses Filiale von Sherwood Enterprises hatte wahrlich keinen Grund, sich zu verstecken. Bislang hatte Julie nur per Email und postalisch mit ihm kommuniziert. Und sich dabei einen nicht besonders großen, schon älteren Mann mit schütterem Haar, blasser Haut und Bauchansatz vorgestellt.

Der wahre James Sherwood war ganz sicher noch keine Vierzig, über 1,85 m groß, mit vollen dunklen Haaren, gebräunter Haut und einem Körper, der so durch trainiert aussah, dass Julie am liebsten die Hand ausgestreckt und über seine Brust und den flachen Bauch gestrichen hätte. Mit Abstand war er der bestaussehende Wissenschaftler, der ihr je begegnet war. Solche Männer kannte sie nur aus Filmen!

»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte sie rasch und zwang sich, ihn nicht anzustarren. Doch allein seine Gegenwart bewirkte, dass sich ihre Brustwarzen zusammenzogen. Und sie trug keinen BH … Das dünne T-Shirt unter dem Morgenmantel nützte da auch nichts. Ein rascher Blick abwärts zeigte ihr, dass sich die Spitzen ihrer Brüste frech unter dem Seidenstoff abzeichneten.

»Ich wollte auch nicht lange stören.« Er sah sie an, blickte von ihren Augen über ihr Gesicht und dann weiter südlich. Hitze durchströmte Julie. Bemerkte er, wie erregt sie war? Ihre Brustwarzen ließen sich ja kaum übersehen. Doch entweder, er dachte sie fror oder er war zu höflich, einen Kommentar dazu abzugeben.

»Sie stören doch nicht«, beeilte Julie sich ihm zu versichern. Wie sollte er auch? Sie hätte rein gar nichts dagegen, sich ausführlich mit ihm zu unterhalten. Und ihn näher kennenzulernen … Nein!, rief sie sich zur Ordnung. In erster Linie sollte sie James Sherwood als Leiter dieser Firma ansehen, für erotische Fantasien gab es da keinen Platz. Und in zweiter Linie …

Ein Lächeln ließ sein Gesicht noch attraktiver erscheinen. Es änderte nichts an der markanten Härte seiner Züge, verlieh ihm aber etwas Menschlicheres. Bis eben hatte er auf Julie ein bisschen wie ein Schauspieler gewirkt. Schön anzusehen, aber nicht echt.

»Ich weiß doch, wie das ist, wenn man neu irgendwo hinkommt, man will sich erst mal in Ruhe umsehen und einrichten. Auch wenn wir natürlich hoffen, dass alles zu Ihrer Zufriedenheit ist, Miss Singer.« Er sah an ihr vorbei.

Julie wandte den Kopf, um seinem Blick zu folgen. Natürlich, die Fotos. Die silbernen Rahmen zogen alleine schon Aufmerksamkeit an. Oder hatte James Sherwood wissen wollen, ob sich darin das Bild eines liebenden Ehemanns verbarg? Erleichtert sah er nicht aus, Julie mit ihrer Mutter und Schwester zu sehen. Möglicherweise hielt er Laura ja für ihre Lebensgefährtin. Für einen Fremden und auf die Entfernung hin sahen sie einander nicht besonders ähnlich. »Alles ist bestens. Ich fühle mich jetzt schon sehr wohl hier. Und bitte nennen Sie mich doch Julie.«

»Julie«, wiederholte er und schien dabei jeden einzelnen Buchstaben mit seiner Zunge zu kosten. Eine Hitzewelle flutete durch ihren Körper, als Julie sich vorstellte, was er mit seiner Zunge sonst noch so anstellen konnte. Sie zwang sich, nicht mehr auf seinen sinnlichen Mund mit diesen weichen und doch stark ausgeprägten Lippen zu starren.

»Wir sind sehr froh, dass Sie sich für unsere Niederlassung entschieden haben. Es gibt nicht viele Wissenschaftler, die in diese Einöde kommen wollen.«

Julie grinste. Wenn ein Foto von James Sherwood auf der Webseite der Firma zu finden wäre, würde sicherlich so manche Chemikerinnen diesen Posten attraktiver finden.

Julie fielen gleich mehrere Ex-Kolleginnen ein, die begeistert gewesen wären, für einen Mann wie James Sherwood zu arbeiten. Egal in welcher Position …

Rasch konzentrierte sie sich wieder auf professionelle Gedanken.

»Mir gefällt es hier, die Landschaft ist traumhaft schön. Und Großstädte hatte ich genug! Ich komme aus Frankfurt, habe aber in New York studiert und eine Zeit lang in London gearbeitet.« Das stand auch in ihrer Vita, allerdings ging sie nicht davon aus, dass er jede Station ihres Lebenslaufs auswendig kannte.

»Sie sind ja eine wahre Kosmopolitin.«

»Ich bin dort zu Hause, wo ich mich wohl fühle. Und ich liebe neue Herausforderungen.«

»Ruhen Sie sich trotzdem für die Herausforderung morgen früh aus!« Sein Blick schien sie zu streicheln und löste ein Prickeln in ihrem Schoß aus. »Ich freue mich schon sehr auf Ihre Ideen und Vorschläge.«

»Ich bin froh, hier die Chance zu bekommen, meine eigene Idee vorzustellen.«

»Gut, dass Sie das ansprechen!« Julie wartete gespannt, während er tief durch atmete. »Denn ich muss Ihnen leider mitteilen, dass das große Projekt, für das wir Sie eigentlich engagiert haben, nicht zustande kommen wird. Jedenfalls nicht hier, es wird im Hauptsitz realisiert.«

Julie stutzte. Sein Tonfall klang verbittert. Warum hatte man ihm das Projekt entzogen? Sie wusste nur im Groben, worum es ging, doch fiel ihr kein logischer Grund ein, wieso man es nicht hier hätte bearbeiten können.

»Jedenfalls bin ich aus dem Grund sehr gespannt auf Ihre Ideen. Sie deuteten ja an, dass Sie gerne etwas Eigenes entwickeln wollen.«

»Das ist korrekt.« Sie zwang sich, ganz förmlich zu bleiben, auch wenn sie am liebsten laut gejubelt hätte. Denn durch das Wegfallen des anderen Vorhabens hatte sie nun freien Raum für ihr eigenes Projekt. Könnte es ganz offiziell und nicht zusätzlich in ihrer Freizeit bearbeiten. Zusammen mit der Unterstützung eines vermutlich erstklassigen Teams.

»Wunderbar. Ich bin schon wahnsinnig gespannt, was Sie uns morgen früh vorstellen werden.«

»Ich kann Ihnen auch jetzt schon davon erzählen«, bot Julie an. Sie hatte das Projekt so gut im Kopf, dass sie keine ihrer Aufzeichnungen benötigte.

Doch James hob abwehrend die Hand. »Sehr freundlich, aber ich gedulde mich gerne bis morgen zur Konferenz.«

»Wie Sie wünschen.« Mist! Zu gerne hätte sie noch ein bisschen mit ihm geplaudert. Und nicht nur über ihre Idee …

Er zwinkerte ihr zu, als könne er ihre Gedanken lesen, und wandte sich zum Gehen.

Julie starrte ihm nach, bis er um die Ecke des Flurs verschwunden war. Einen Moment verharrte sie, immer noch ganz gebannt von der Begegnung. Dann endlich gelang es ihr auf ihren weich gewordenen Beinen in die Wohnung zurückzugehen. Mit wild klopfendem Herzen schloss sie die Tür und lehnte sich dagegen.

Was für ein faszinierender Mann! Hoffentlich würde das gut gehen! Normalerweise ließ sich Julie nicht von ihrer Forschung ablenken. Aber sie hatte auch noch nie mit jemandem zusammengearbeitet, der so aussah wie James Sherwood und der sie auf den ersten Blick schon dermaßen faszinierte.

Kapitel 4

Die Firmenräume erwiesen sich als ausgesprochen weitläufig. Julie kam sich fast verloren vor, während sie alleine den langen Flur entlangschritt. Sie hatte bisher in großen Konzernen gearbeitet, in denen von früh morgens Gewusel mit entsprechender Geräuschkulisse herrschte. Hier klingelten keine Telefone, niemand lief geschäftig hin und her. Es wirkte fast wie ausgestorben.

Bereits zweimal hatte sie auf die Uhr geschaut, um sich zu versichern, dass sie sich nicht in der Zeit geirrt hatte.

Hatte sie nicht!

Denn kaum hatte sie die Tür zum Konferenzraum geöffnet, kam ihr James Sherwood entgegen. Er sah noch besser aus als gestern Abend, und ihr Herz machte bei seinem Anblick einen Satz. Himmel, was war der Mann attraktiv! Die engen Hosen betonten seine langen Beine, und auch wenn sie ihn jetzt nur von vorne sehen konnte, war sie doch überzeugt, dass er ein knackiges Hinterteil sein eigen nannte.

»Sie sind früh dran, schön!« Er deutete auf den Mann, der ihm gefolgt war.

»Sie sind früh dran, schön.« Er deutete auf den Mann, der ihm gefolgt war. »Darf ich Ihnen Anthony Brolin vorstellen? Er ist ebenfalls Chemiker.«

Ein ausgesprochen attraktiver Schwarzhaarige neigte höflich den Kopf und reichte ihr die Hand. »Freut mich sehr, dass Sie unser Team fortan unterstützen werden.«

»Ich bin schon sehr gespannt!« Dieser Mann sah ja ebenfalls fantastisch aus. Nicht, dass das irgendeine Rolle spielte …

Anthony deutete ihr, ihm zu folgen und führte sie an den großen Tisch. Eine hübsche Frau mit langen goldbraunen Haaren lächelte ihnen entgegen. »Das ist Caroline Summer, meine Assistentin.«

Julie begrüßte sie, ebenso wie die Sekretärin Sarah Kistler.

 

Die kleine Gruppe ging sehr zwanglos miteinander um. Alle redeten sich mit dem Vornamen an und schienen sich schon länger zu kennen. Das würde es ihr nicht leicht machen! Als Neue in ein aufeinander eingespieltes Team zu kommen, war für sich schon nicht einfach, aber Julie würde eine leitende Stellung übernehmen.

Als die Besprechung begann, konnte Julie förmlich fühlen, wie die anderen zu einer Mauer verschmolzen. Selbst Sarah, die sich nur Notizen machte und nicht mitdiskutierte, blickte sie skeptisch an.

Julie zwang sich zur Ruhe. Sie durfte nicht unsicher sein, wenn sie ihre Idee durchsetzen wollte! Sie hatte diese Situation bestimmt schon hundert Mal im Kopf durchgespielt, sich dabei auch alle möglichen Szenarien ausgedacht und entsprechende Argumente zurechtgelegt.

Doch nun klopfte ihr das Herz bis zum Hals, die Knie fühlten sich wackelig an und nur mit Mühe konnte sie dem Drang widerstehen, ihre feuchten Handflächen an ihrem Kostümrock abzutrocknen.

Es war sehr still, während sie von dem geplanten Parfüm und seine Wirkungsweise erzählte. Über einen Projektor warf sie Schaubilder an die Wand, die die Zusammensetzung und Wirkung bildlich unterstrichen.

Mit jedem Wort fühlte Julie, wie sie sicherer wurde. Nun bewegte sie sich auf vertrautem Terrain. Das war ihr Fachgebiet! Hier konnte sie argumentieren und lange Vorträge halten, ohne ins Stocken zu geraten.

»Verstehe ich das richtig«, hakte Anthony nach, »ein Parfüm, das den freien Willen beeinflusst?«

»Ich fürchte, so etwas wird nicht legal sein«, gab Caroline zu bedenken. »Auch wenn das natürlich klasse wäre. Einmal sprühen und schon gibt die Bank mir jeden Kredit, den ich will. Ich bekomme die Wohnung, die mir so gut gefällt mit einer Superniedrig-Miete, muss nie mehr Sorge haben, beim Autokauf übers Ohr gehauen zu werden …« Sie ließ den Satz offen und grinste.

»Mir würden da auch zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten einfallen«, sagte Sarah und schaute in Anthonys Richtung. Er bemerkte es nicht.

»Ganz so einfach wird es wohl nicht sein.« James nickte Julie zu. »Aber es klingt faszinierend. Bitte, erzählen Sie mehr darüber.«

»Es ist keinesfalls so, dass es komplett den freien Willen ausschaltet. Es beeinflusst ihn nur ein wenig.« Julie lächelte Caroline an. »Nehmen wir einmal an, Sie würden das Parfüm auftragen, wenn Sie vorhaben, in eine Bar zu gehen, weil Sie dort ein wenig flirten und vielleicht einen netten Mann kennenlernen wollen.«

»Hab ich schon öfter gemacht. Nur war der jeweilige Mann bislang immer ein Flop.« Sie strich ihr langes goldbraunes Haar nach hinten.

Alle lachten, und auch Julie musste schmunzeln.

»Nun, dass kann das Parfüm leider auch nicht verhindern. Aber zurück zu folgendem Szenario: Sie sind mit diesem Parfüm in der Bar. Die Männer werden auf Sie aufmerksam. Das werden sie zwar ohnehin, weil Sie eine attraktive Frau sind, aber durch das Parfüm werden ihre Instinkte stimuliert. Sie wollen Sie!«

»Meinen Sie damit, dass ich mich dann vor lauter liebeshungrigen Männern kaum mehr retten könnte? Und auch die fünfzehnjährigen, pickligen Jungs anziehen würde?« Caroline klang gespielt entsetzt.

»Diese Jungs schwärmen doch sowieso schon für dich«, warf Anthony ein. Und zwinkerte ihr zu.

Julie lächelte ob dieses charmanten Flirts. Sie konnte sich gut vorstellen, dass so mancher Teenager von einer Frau wie Caroline träumte; attraktiv und erfahren, aber dabei immer noch jung genug, um nicht gänzlich außerhalb seiner Möglichkeiten zu liegen.

»Sie müssen nicht befürchten, dass sich die Männer durch den Duftstoff in Neandertaler verwandeln, die nur auf eine Gelegenheit warten, Sie über ihre Schulter zu werfen und in ihre Höhle zu schleppen. Sie wirken nur noch anziehender auf die Männer. Und diese werden alles versuchen, Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie umwerben, sich von ihrer besten Seite zeigen. Mit dem Parfüm müssten Sie nie wieder einen Drink selbst bezahlen.«

»Gilt das auch für Männer? Also würden mir alle Frauen Drinks spendieren wollen, wenn ich dieses Parfüm vor dem Ausgehen benutze?«, wollte Anthony wissen und erntete damit Gelächter.

Auch Julie lachte. Ein wenig fiel die Anspannung von ihr ab. »Nun, Frauen neigen eher nicht dazu, Männer zu Drinks einzuladen. Aber die Frauen würden Ihnen natürlich mehr Aufmerksamkeit als sonst schenken«, tröstete sie mit einem Grinsen.

»Klar, welcher Mann trägt schon Damenparfüm. Da wird jede Frau aufmerksam«, meinte Caroline und grinste Anthony an.

»Also ich kenne welche«, konterte der schwarzhaarige Chemiker. »Aber die wollen dann gar keine Aufmerksamkeit von Frauen.«

Julie verkniff sich das Lachen. Sarah hingegen prustete ungeniert.

Auch auf James’ attraktiven Zügen stand ein Lächeln. Er sah Julie an. »Aber ich glaube einfach nicht, dass sich Frauen dadurch so gut beeinflussen lassen wie Männer. Wir sind da einfach empfänglicher, während Frauen auch dann kritisch hinschauen, wenn etwas sehr gut riecht.« Anthony nickte.

»Das stimmt.« Julie fing seinen Blick auf und fühlte, wie etwas in ihr vibrierte.

Himmel, dieser Mann hatte ganz sicher keine zusätzlichen Hilfsmittel nötig, um anziehend auf eine Frau zu wirken! Wenn er noch anziehender wäre, würde sie doch zur Neandertalerin werden. Sie zwang sich, sich wieder ganz auf ihren Vorschlag zu konzentrieren und den Gedanken an eine Höhle aus ihrem Kopf zu verbannen.

Sie befeuchtete sich die Lippen, ehe sie weiter sprach. »Daher richtet sich das Parfüm auch an eine weibliche Zielgruppe. Vor allem an Frauen, die unsicher über ihre Wirkung sind. Die sich nicht trauen, Männer anzusprechen, aber gerne auch mal im Fokus männlicher Aufmerksamkeit stehen würden. Das Parfüm ist ein Hilfsmittel dafür. Ebenso wie Make-up. Frauen schminken sich, um die Augen noch mehr strahlen zu lassen oder damit die Lippen voller wirken.« Bei ihren letzten Worten schaute Julie Sarah an. Der hübsche Mund der jungen Sekretärin wurde durch roséfarbenen Lippenstift betont. Farbe und Form sandten ein deutliches Signal.

Sarah grinste als sie die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich spürte, wodurch ihre perfekten, weißen Zähne sichtbar wurden. »Ja, es stimmt, ich benutze Lippenstift, der meine Lippen voller wirken lässt. Aber das machen doch sehr viele Frauen.«

»Eben! Sarah, Sie wissen, dass Ihr Mund durch den Lippenstift noch verführerischer aussieht. Ein ganz legales und sehr gängiges Mittel im Spiel mit den Reizen. Mein Parfüm jedoch wird nicht sichtbar sein.«

»Sie meinen, ich bräuchte kein Make-up, solange ich nur diesen besonderen Duft trage?«

»Ganz genau! Sie könnten in Ihren ältesten Jogginghosen und einem zwei Nummern zu großen, verwaschenen Pullover auftauchen und würden dennoch umschwärmt werden.«

»Cool!«

»Als ob du so etwas im Schrank hättest«, bemerkte Caroline Blick. Sie wirkte belustigt.

»Wobei das durchaus süß an dir aussehen könnte«, meinte Anthony und lächelte in Sarahs Richtung.

Röte zeigte sich auf ihren Wangen und sie ließ ihr dichtes dunkelbraunes Haar nach vorne fallen. Es umschmeichelte ihre schmalen Schultern. Doch obwohl sie verlegen schien, linste sie durch den Vorhang ihrer glänzenden Mähne in Anthonys Richtung.

Dieser allerdings schien das nicht zu bemerken und sah bereits wieder in Julies Richtung.

»Es gibt auch schüchterne Männer«, sagte James. »Oder jene, bei denen es auf den Charakter ankommt und nicht aufs Aussehen. Das sagen ja besonders Frauen gerne, aber ein weniger gutaussehender Mann hat nun mal auch weniger gute Chancen, eine Frau überhaupt erst mal näher kennen zu lernen. Ein Parfüm als Lockmittel wäre für solche Männer sicherlich ein Segen.«

»Heißt das, du willst ein genderloses Parfüm? Vielleicht sogar ganz ohne Geruch?«, hakte Caroline nach.

»Nein, nicht ohne Geruch. Und auch nicht genderlos.« James blickte in die Runde. »Zwei Parfums. Eines für Frauen, eines für Männer.«

»Das für Männer ist leicht!«, behauptete Caroline.

»Ha!« Anthony, der eben noch derselben Meinung gewesen war, sich jetzt aber gezwungen war, sein Geschlecht zu verteidigen, schnaubte. »Das für Frauen ist auch nicht schwer.«

»Gerade hast du etwas anderes behauptet!« Sarah grinste süffisant.

»Gerade ging es auch nur um die Theorie …«

James hob beschwichtigend die Hände. »Dann machen wir doch einfach einen Wettbewerb. Das Frauen-Parfüm werden unsere Damen entwickeln. Und den Duft für die Herren übernehmen Anthony und ich.«

»Männer gegen Frauen?« Anthony runzelte die Stirn. »Ist das nicht ein wenig … archaisch?«

»Och, ist doch egal. Es klingt spannend.« Caroline strahlte und richtete den Blick ihrer grünblauen Augen auf Julie. »Was meinen Sie denn dazu?«

»Mir gefällt die Idee. So ein kleiner Wettkampf ist doch eine nette Motivation. Gibt es denn – außer Erfahrung – auch etwas zu gewinnen?«

»Zum einen werden wir ein noch nie da gewesenes Parfüm haben. Aber wer gewinnt, wird den Namen Desire No. 1 dafür bekommen«, erklärte James.

»Und der Verlierer kriegt Desire No. 2?«, hakte Anthony nach.

»Oh wie gemein«, lachte Caroline. »Aber die Vorstellung von den Männern als zweite Geige hat schon was …«

»Nein, das können wir nicht machen. Das kauf ja keiner«, meinte James. »Vielleicht überlegen wir uns einen anderen Namen, ohne Nummer.«

»Feigling!«, murmelte Sarah. Gerade laut genug, damit James und Anthony es hören konnten.

»Du hast gut reden, du bist als unser-aller-Sekretärin ja sowieso in der besten Position …«

»Wie meinst du das?« Sarah klang angriffslustig.

»Er meint, dass du Neutralität schwören musst, da du in beide Forschungsreihen Einblick haben wirst!«

»Geschworen!« Sarah winkte gönnerhaft und ihre Mine zeigte deutlich, dass sie ohnehin nicht glaubte, ihre Position zu ihrem Vorteil benutzen zu müssen.

»Und wie willst du feststellen, wer gewonnen hat?«, wollte Caroline von James wissen.

»Natürlich derjenige, bei dem das Parfüm am besten wirkt.«

»Ah, wenn wir Frauen also eines haben, dass die Männer geradezu verzaubert, haben wir gewonnen«, schloss sie und grinste, dass ihre ebenmäßigen Zähne blitzten. »Das wäre dann ja ein Doppelsieg.«

»Freu dich mal nicht zu früh.« Auch James grinste und schlug dem schwarzhaarigen Chemiker kameradschaftlich auf die Schulter. »Wir haben nicht vor, euch einfach so den Sieg zu überlassen, da müsst ihr euch schon mächtig anstrengen.«

»Da kannst du dich aber drauf verlassen, dass wir das werden«, sagte Caroline.

Julie nickte zustimmend. Ihr gefielen der familiäre Ton und ihre Einbeziehung in die liebevollen Neckereien.

»Also fassen wir das einmal zusammen«, ergriff wieder James das Wort. »Ein Parfüm, das den eigenen Willen zwar nicht übernimmt, aber doch beeinflusst. Oder beeinflussen kann. Das ist ganz wichtig, wir wollen keine berauschten Zombies aus den Verbrauchern machen.«

»Richtig!«, bestätigte Julie. »Ein verheirateter oder in einer Beziehung lebender Mann, der den festen Vorsatz hat, treu zu bleiben, wird sich dennoch nicht von einer Frau mit diesem Duft verführen lassen, auch wenn er auf sie aufmerksam werden wird. Bei einem ungebundenen – oder untreuen – Mann wird die Frau allerdings nichts weiter machen müssen als anwesend zu sein.«

»Auch wenn sie nicht sein Typ ist?«, hakte James skeptisch nach. »Angenommen, ich stehe nur auf schwarzhaarige Frauen, aber nun begegnet mir eine Blondine mit diesem Duft. Würde ich sie dann begehren, obwohl ich Blondinen ansonsten eher unattraktiv finde?«

»Sie würden! Weil Sie gerade gelogen haben, schließlich finden Sie Blondinen nämlich nicht unattraktiv«, antwortete Julie und lächelte ihm zu.

James hob abwehrend die Hände, doch um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch. »Ich habe ja auch nur von einem fiktiven Szenario gesprochen.«

»Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus, James.« Anthony grinste breit in seine Richtung.

»Also gut!« James hob ergeben die Hände. »Was, wenn es einen Mann gibt, der partout nicht auf Blondinen steht, dann aber einer blonden Frau begegnet, die diesen Duft trägt? Würde er sie begehren? Und auch dann von ihr hingerissen sein, wenn neben ihr eine wunderschöne Schwarzhaarige steht, die dieses Parfüm nicht trägt? Das ganze Szenario natürlich auch umgekehrt, falls ein Mann den Duft trägt, aber der Einfachheit halber lassen Sie uns das eben nur mit Frauen durchspielen.«

»Ja, er würde auf die Blondine aufmerksam werden. Und vielleicht eine Attraktivität an ihr bemerken, die ihm vorher entgangen ist. Aber es ist immer noch sein freier Wille.« Julie deutete auf das projizierte Schaubild. »Der Duft sollte lediglich seine Wahrnehmungsfähigkeit stimulieren. Und wirkt dabei besonders auf den Sexualtrieb.« Sie deutete mit dem Zeigestock an die entsprechenden Hirnregionen.

 

»Aber es wirkt nur, solange die Frau den Duft trägt, nicht wahr?«, erkundigte James sich. »Wenn sie das Parfüm bloß auf ihren Mantel sprüht, stellt ihr begeisterter Begleiter doch spätestens beim Ausziehen fest, dass die Frau doch nicht so aufregend ist?«

Julie lachte. »Nein, so ist es nicht! Die Wirkung entfaltet sich außerdem erst, wenn sie auf die Haut einer Frau trifft und sich so mit dem eigenen Geruch der Frau vermischt. An der Kleidung bewirkt es nicht viel, da riecht es einfach nur gut, wie ein ganz normales Parfüm auch. Aber der Mann wird stimuliert, sobald er das Parfum auf der Haut einer Frau riecht. Die Wirkung hält also länger an. Und wie gesagt, kein Mann wird dadurch völlig Sklave seiner Triebe. Das wäre auch viel zu gefährlich.«

»Mir gefällt Ihre Idee«, sagte James, stand auf und trat zu ihr, um den Projektor auszuschalten. »Wie sich das Parfüm dann im Einsatz bewährt, muss sich zeigen! Aber von der Theorie her haben Sie mich bereits voll und ganz überzeugt, Julie. Und unser kleiner Wettbewerb bringt die nötige Würze.«

Julie versuchte in seinem Gesicht zu lesen, was er wirklich dachte. Als Filialleiter gefiel ihm ihre Idee, das hatte sie schon gemerkt, aber was hielt er selbst davon und wie dachte er als Mann darüber? Mit den zugesetzten Pheromonen würde das Parfüm einem Lockmittel gleichen. Fürchtete er sich davor, in den Einfluss dieses Duftes zu geraten oder in ihren?

Beinahe schien es Letzteres zu sein, denn er ging einige Schritte weiter, als wolle er Distanz zwischen ihnen schaffen. Oder bildete sie sich das nur ein? James wirkte nach wie vor selbstsicher, seine Haltung war die eines Mannes, der um seine hohe Stellung wusste.

»Wann fangen wir an?«, erkundigte Julie sich.

Ihre Blicke trafen sich. Im Tageslicht wirkten seine Augen heller, ein warmes Braun mit goldenen Sprenkeln.

»Die Schlacht kann direkt beginnen. Sie dürfen sich mit Caroline und Sarah besprechen und natürlich das große Laboratorium nutzen. Antony und ich werden uns in das Kleine zurückziehen. Ich lasse Ihnen völlig freie Hand. Veranlassen Sie alles nach Ihrem Belieben.«

Da taten sich ja fantastische Möglichkeiten auf … Natürlich würde sie das Parfum testen müssen – und sie wusste auch schon, an wem.

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