Der Reisebericht des Hieronymus Münzer

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4. Was ist aufzeichnenswert? Das Itinerarium

Eine Skizze der Kathedrale in Santiago de Compostela steht fast genau in der Mitte des Itinerariums, wie der Bericht sich nennt. Was fand von Münzers Eindrücken Eingang in den Bericht? Konnte Münzer alles angemessen in Worte fassen? Zuweilen greift er – wie in Compostela – zur Zeichnung, obwohl dies nicht sehr oft geschieht. Die Entstehung des Itinerariums ist eine eigene Geschichte, die hier nur kurz resümiert werden kann1.

Ohne Hartmann Schedel wüssten wir von Münzers Reise so gut wie nichts, denn fast alle Informationen entstammen dem Itinerarium, das uns nur in einer Abschrift Hartmann Schedels in der Münchener Handschrift (Clm 431) überliefert ist. Die Entstehung des Berichtes wird dort aber nicht explizit thematisiert, grundsätzlich folgt der Text dem Reiseverlauf. Trotzdem ist die gesamte Handschrift aufschlussreich, denn sie enthält neben dem Itinerarium weiteres Material, das zusätzliche Überlegungen zur Reise und zur Abfassung des Berichtes bereithält. So zeigen die weiteren Teile der Handschrift, dass Hartmann Schedel Materialien Münzers als Beilagen aufgenommen hat, die teilweise eine Grundlage zur Abfassung des Berichtes geboten haben dürften2. Einzelne Schriften wurden aber nicht wie der Liber Sancti Jacobi in den Text integriert, sondern ausgelagert, zum heiligen Mamertus in Vienne, zur Lobesrede des Alfons de Ortiz auf die Katholischen Könige oder zu den Entdeckungsfahrten nach Afrika. Weitere Ergänzungen betreffen die Epigramme des in Portugal von Münzer aufgesuchten Humanisten Cataldus und einige andere kleine Notizen, wie auf Folio 303. Dort wird die Situation in Freiburg im Üchtland beschrieben; dies zeigt, wie ein Notizzettel Münzers ausgesehen haben könnte3. Wer die Verschränkungen und die internen Verweise vornahm, Münzer oder Schedel, bleibt jedoch offen. Da Münzers Itinerarium aber nur über Schedels Abschrift greifbar ist, können Rückschlüsse auf die Eigenheiten im Einzelfall Hartmann Schedel und nicht Hieronymus Münzer selbst betreffen.

Trotzdem suggeriert das Itinerarium, dass Münzers persönliche Reiseeindrücke in die schriftliche Fassung eingingen. Die Struktur variiert: Schon beim schlichten Durchlesen werden unterschiedliche Schwerpunkte erkennbar. Dominieren noch in Frankreich vielfältige Notizen zur Hagiographie, zu den Heiligen, zu Gräbern und ihren Epitaphien, so erscheint der insgesamt sehr lange Teil zur Iberischen Halbinsel deutlich ethnographischer. Die Fremdheit führt auch zu „politischen“ Kommentaren: Judenpolitik, Krieg von Granada, dynastische Entwicklungen oder die sogenannten Entdeckungsfahrten treten in den Vordergrund. Beim Rückweg fällt auf, wie sehr die Universität und die Reliquienschätze das Bild von Paris bestimmten.

Tagesdaten und Distanzen werden in verschiedener Form notiert, Meilenangaben manchmal am Rand wiederholt. Bei längeren Aufenthalten gibt es aber zuweilen Unstimmigkeiten, zuweilen auch Irrtümer (so in Zaragoza). Besonders interessant ist Folio 129, denn an falscher Stelle sind hier Bemerkungen zum nördlichen Navarra in die Handschrift eingebunden. Zuweilen sollte vielleicht noch etwas ergänzt werden, dies zeigen zum Beispiel die halb leeren Folien vor und nach der Rede, die Münzer vor den Katholischen Königen in Madrid hielt. Manche allgemeine Betrachtungen werden bei längeren Aufenthalten eingeschoben, so zum Beispiel zu den „Marranen“, zum Krieg um Granada oder über das Reich Navarra, so als ob man einen passenden Ort im chronologischen Ablauf gesucht hätte. Ob Kirchen oder Institutionen ausführlich oder nur summarisch beschrieben werden, folgt keiner besonderen Systematik und hing vielleicht auch an den Bedingungen und Informationen während der Reise selbst.

Die jeweilige Länge der Schilderungen lässt Unterschiede erkennen: Die Aufenthaltsdauer, die Vermittler und deren Informationsfreude, aber auch das persönliche Interesse und/oder die schon vorher (oder während der Reise) erhaltenen oder im Zuge der Verschriftlichung hinzugekommenen Informationen könnten eine Rolle gespielt haben.

Neue Informationen, besonders hinsichtlich der Größe, der Anordnung und Lage von Städten erschloss Münzer im Vergleich mit Nürnberger oder süddeutschen Verhältnissen. Diente dies nur der Selbstvergewisserung oder betraf das auch Informationen, die zum Beispiel für die Schedelsche Weltchronik relevant waren? Es bleibt auffällig, dass Zeichnungen erst ab seinen Erläuterungen im Reich Granada in nennenswertem Maße erscheinen. Lagepläne, Wappen, Kirchen gehören dazu.

Viel trugen die (deutschen) Personen im Ausland bei, Dolmetscher und Begleiter halfen zudem. Es wird deutlich, wie sich im Laufe der Reise und auch des Berichtes zunehmend ein Netzwerk an Personen etablierte, die mündliche Informationen des Reisenden geradezu legitimierten. Dazu trat klassisches Wissen, das Münzer einstreut, zum Beispiel mit Zitaten aus den Werken des Plinius.

Die Gestaltung des Itinerariums selbst ergibt sich auch aus den vielen Binnenverweisen. Rück- und Vorgriffe, Hinweise auf Früheres und Späteres, also Vor- und Rückverweise kennzeichnen den Bericht und belegen eine grundsätzlich chronologische Anlage der Aufzeichnungen. Die Notizen, die Münzer wahrscheinlich von seiner Reise mitbrachte, mögen dennoch disparat strukturiert gewesen sein.

Natürlich verarbeitete Münzers Itinerarium auch Vorlagen, aber insgesamt eingeschränkt. Neben der resümierenden Abschrift aus dem Liber Sancti Jacobi in Compostela, die darauf hindeutet, dass vielleicht ein anderes und von der heutigen Fassung verschiedenes Exemplar in Compostela vorhanden war, sind es kurze Abschnitte, die übernommen wurden. Inschriften (ein besonderes Interesse Schedels), Epigramme, Reliquienzettel oder Schatzverzeichnisse seien hervorgehoben.

Damit ist die Abfassungsweise des Itinerariums angesprochen. Neben Münzers und Schedels schon vorhandenen Wissensbeständen wurden manche Texte in kondensierter Form aufgenommen, dies gilt zum Beispiel für die hagiographischen Traditionen um Mamertus oder die Auszüge aus dem Liber Sancti Jacobi. In beiden Fällen wurde in humanistischer Manier gekürzt und zugespitzt. Notizen in der Handschrift wie zu den Reliquien und Ablässen in Toulouse entlasteten den Text, es wird im Itinerarium sogar darauf verwiesen. Bücher oder Hefte, die Münzer in Orléans zur Gallia (Anthonius Astensis4) oder in Sevilla (Rede des Alfonso Ortiz an die Katholischen Könige5) gezeigt oder gegeben wurden, boten Material zur Darstellung von Zusammenhängen (wie dem Hundertjährigen Krieg oder dem Krieg gegen Granada), ohne dass diese Materialien zu wörtlichen Vorlagen wurden. Zusätzliche Erläuterungen boten die verschiedenen Schriften des in Portugal getroffenen Humanisten Cataldus oder die eigenständige Schrift zu den portugiesischen Fahrten der Europäischen Expansion.

Diese Hinweise zur Abfassungsweise müssen mit weiteren Informationen verbunden werden, die dem Itinerarium selbst zu entnehmen sind. Ob Inschriften, Epigramme und anderes nur am jeweiligen Ort kopiert wurden, bleibt fraglich, manchmal ist das Itinerarium aber der einzige Überlieferungsträger. Offensichtlich wurden auch die Spuren der Abfassungsweise verwischt, denn dass Münzer den Text des Alfonso Ortiz in Sevilla erhielt, berichtet nicht das Itinerarium, sondern ein späterer Abschnitt der Handschrift6. Neben schriftlichen Vorlagen, Erweiterungen und Hinweisen ist der Beitrag der mündlichen Informanten nicht zu unterschätzen, denn woher kannte Münzer zum Beispiel die Zahlen zu Einwohnern oder zu den Klerikern und Pfründen einer Kirche?

Insgesamt wird deutlich, dass der Reisebericht vielleicht auf Tagebuchnotizen basierte, dann aber in verschiedener Weise „angereichert“ und weiter entwickelt wurde. Wer dies in welchem Maße tat, bleibt wie gesagt offen. Manches deutet darauf hin, dass Münzer vielleicht größere Verantwortung für den spanischen, Schedel für die restlichen Abschnitte besaß. Die Beobachtungen zur Verschriftlichung treffen sich durchaus mit Überlegungen zu den zahlreichen auch neu gefundenen Notizzetteln Hartmann Schedels7 und damit zur Arbeitsweise der Nürnberger Humanisten.

In der Sprache des Itinerariums dominiert ein eher einfaches, umgangssprachliches, zuweilen sogar parataktisches Latein mit grammatischen Eigenheiten. Zahlreiche Floskeln bestimmen den Text, so etwa, dass man etwas – um kurz zu bleiben – nicht weiter ausführen könne. Neologismen (auch aus romanischen Sprachen) finden sich zuweilen, insbesondere ist das Vokabular zu den Südfrüchten bemerkenswert. Dazu treten einzelne deutsche Wörter oder lautmalerische Transkriptionen des muslimischen Gebetsrufes.

5. Zur vorliegenden übersetzten Ausgabe

Gerade die Ausführlichkeit dieses in einem einfachen Humanistenlatein verfassten Berichts sowie das breite Interesse des Verfassers machen den Bericht Münzers über fremde Länder, fremde Menschen und fremde Sitten zu einer Fundgrube für den heutigen Leser, der neben kulturgeschichtlichen Details auch die Weltsicht, die Neugier und das geistige Klima im Zeitalter des Humanismus und der „Entdeckungsreisen“ aus einer persönlichen und zugleich für einen gewissen Personenkreis repräsentativen Perspektive kennenlernen möchte. Das Itinerarium wurde lange Zeit nur in seinen spanischen Teilabschnitten ediert, danach folgten einzelne Ergänzungen1. Gleichzeitig mit dieser Übersetzung lege ich erstmals eine Gesamtausgabe des lateinischen Textes vor, die mit einer Kommentierung und ausführlichen Literaturangaben den Text in den verschiedenen Facetten erschließt. Deshalb ist für jegliche nähere Auseinandersetzung mit Einzelfragen des Itinerariums auf die Edition des lateinischen Textes zu verweisen; hier finden sich auch einige der erwähnten zusätzlichen Texte der Handschrift ediert2.

 

Für die vorliegende Übersetzung wurden Kommentare vor allem auf Zusatzinformationen beschränkt und der Text möglichst wortgetreu in Übersetzung geboten. Die teilweise sehr spezifische und simple Ausdrucksweise des Lateinischen (oft fehlen Verben oder werden Dinge mit einem fast stereotypen habet eingeführt) sollte stilistisch nicht grundsätzlich übertroffen werden, jedoch wird durch Klammern und Anmerkungen der Sinn zuweilen verdeutlicht. Allerdings ließ sich der parataktische Rhythmus auch im Deutschen nicht ganz vermeiden und spiegelt damit teilweise Münzers spezifische Ausdrucksweise. Bisherige Übersetzungen haben bis auf eine Ausnahme immer nur Teile vorgelegt, ins Deutsche übertragen wurden nur zwei kurze Auszüge3, vom ganzen Itinerarium liegt nur eine französische Übersetzung vor4. Die römisch bezeichneten Kapiteleinteilungen stammen von mir, um die Reiseabschnitte besser zu gliedern. Die beigegebenen Abbildungen mögen einen Eindruck von der Handschrift und von einigen Zeichnungen verschaffen. Ortsnamen wurden – zuweilen mit den Varianten in Klammern – in moderner Form in die Übersetzung integriert. Das Itinerarium gibt Zahlen recht willkürlich mal in Ziffern, mal ausgeschrieben an, dies wurde übernommen. Zu vielen Begriffen der Fachsprache ist auch das Wortregister in der lateinischen Edition zu vergleichen5.

Das Orts- und Personenregister dieser Ausgabe erschließt die jeweiligen Orte und Personen des Haupttextes. Bibelzitate werden nach der für mittelalterliche Texte üblichen Form der Vulgata nachgewiesen. Die zahlreichen Maße, Münzen und Gewichte, die Münzer verwendet, bleiben ein Problem: Dazu gehören leuca und milia für Meile, aber auch die verschiedenen Gewichte und Münzen, die von Mark, Gulden, Dukaten, Schillingen und Denaren (Pfennigen) über Écus/Escudos bis zum Real, zum Maravedi und zur Dobla reichen. Manchmal gibt das Itinerarium selbst einen Gegenwert an, wenn es z. B. mit rheinischen Gulden vergleicht oder 66.000 Reales mit 600 Dukaten gleichsetzt. Ladungen rechnete Münzer manchmal in Nürnberger Zentner um, bei Schiffen scheint er mit verschiedenen Termini an Tonnen zu denken, aber wie spezifisch er die Gewichte sonst bemaß, offensichtlich auch nach regionalen Traditionen, bleibt offen.

Eine Übersetzung bedeutet immer eine Interpretation des Textes. Zwar hoffe ich, dass meine Sichtweisen Zustimmung finden, aber neue Diskussionen dürften die weitere Beschäftigung mit diesem einzigartigen Reisebericht von 1494/1495 beleben.

Abb. 1:

Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 96r

Beginn des Itinerariums in der Münchener Handschrift.

Itinerarium oder (Pilger-)Reise des hervorragenden Doktors der Artes und der Medizin, Hieronymus Münzer Münzer, Hieronymus (†1508) Nürnberger Humanist aus Feldkirch Feldkirch, Ort , Bürger von Nürnberg Nürnberg, Ort

Der Herr sei mein Helfer

Jesus Christus Jesus Christus

I. Von NürnbergNürnberg, Ort nach PerpignanPerpignan, Ort


Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 97r

Vorwort des Doktors Hieronymus MünzerMünzer, Hieronymus (†1508) Nürnberger Humanist aus NürnbergNürnberg, Ort zu seinem Itinerarium und seiner Pilgerfahrt, die er zur Zeit der Pest 1 im Jahre des Heils 1494 nach SpanienSpanien, L., GallienFrankreich, L. und ganz Westeuropa unternahm.

Ich glaube mit AristotelesAristoteles († 322 v. Chr.), griechischer Philosoph, dass der Mensch die Intelligenz und eine natürliche Fähigkeit besitzt, sich der Suche nach der Wahrheit zu widmen. Ich glaube auch, dass, wenn sein Geist frei von allen häuslichen Sorgen und allen verpflichtenden Aufgaben ist, er alle Dinge hören und lernen kann; durch die Kenntnis der verborgenen Wahrheiten und der Wunder der Natur wird er zu einem würdigen und glücklichen Leben geführt werden. Und mit diesem Verlangen danach, die Wahrheit zu erkennen, ist die Größe des Geistes verbunden: Durch sie (die Größe) konnte er, so weit wie möglich, Unsterblichkeit erlangen. Deshalb wollten so viele Menschen Geschichte schreiben, Reisen zu Land und zu Wasser unternehmen, die Lage der Orte untersuchen und, was das eigene einer edlen und erhobenen Seele ist, die Menschen verschiedener Nationen kennenlernen, ihre Sitten sehen und dies im Gedächtnis behalten. Ähnliche Forschungen haben PlatonPlaton († 348/47 v. Chr.), griechischer Philosoph, PythagorasPythagoras von Samos († 497/96v. Chr.) griechischer Philosoph, die Pompeii, die Fabricii, die Cäsaren, SertoriusQ. Sertorius († 73 v. Chr), röm. Politiker und Feldherr und die Christen HieronymusHieronymus (†419/20) Hl., Kirchenvater, AugustinusAurelius Augustinus Hl., Kirchenvater, Bf. von Hippo (395–430), AntoniusAntonius der Große (†356), Hl., Mönch, AegidiusAegidius von Saint-Gilles/Egidius aus Athen († 720/26), Hl. aus AthenAthen, Ort und andere in unzähliger Zahl vorgenommen2.

So haben mich alle diese hochbekannten Männer eingeladen, meinen Vorsatz auszuführen. Schon im sechsten Jahr meines Doktorates an der medizinischen Fakultät zu PaviaPavia, Ort kam es dazu, als in der schönen Handelsstadt NürnbergNürnberg, Ort in Oberdeutschland eine Epidemie ausbrach. Ich verdanke es meinem Glück und meinen medizinischen Kenntnissen, die Gesundheit bewahrt zu haben. Es war im Jahr des Heiles 14843. Ich fürchtete die Ansteckung und begriff schnell, dass, wer nicht ihre Nähe sucht, weder im Krieg noch durch die Pest stirbt. So beschloss ich zu fliehen, um nicht durch Nachlässigkeit das Leben zu verlieren; im September desselben Jahres verließ ich NürnbergNürnberg, Ort und erreichte das schwäbische GebietSchwaben, L. DeutschlandsDeutschland, L.. Nachdem ich die AlpenAlpen, Gebirge überquert hatte, durch die ItalienItalien, L. von DeutschlandDeutschland, L. getrennt wird, kam ich in die Ebene von MailandMailand, Ort. Von dort ging es nach GenuaGenua, Ort, dem edlen Hafen LiguriensLigurien, L., ich machte einen Umweg über Pavia, PiacenzaPiacenza, Ort, ParmaParma, Ort, CremonaCremona, Ort, ModenaModena, Ort, BolognaBologna, Ort, FlorenzFlorenz, Ort, SienaSiena, Ort, ViterboViterbo, Ort und gelangte nach RomRom, Ort, der Herrin des ganzen Erdkreises. Dort blieb ich einige Tage und sah VelletriVelletri, Ort, TerracinaTerracina, Ort, die Grafschaft FondiFondi, Ort, GaetaGaeta, Ort, CapuaCapua, Ort; schließlich kam ich nach NeapelNeapel, Ort. Wieviel Freude bereitete es mir, im Verlauf dieser Reise hochgelehrte Menschen zu treffen und zu hören, zudem die Orte der Heiligen zu besichtigen! Mich begeisterten die Umgänglichkeit der Leute, die Monumente der Väter, die Fruchtbarkeit des Bodens, der Glanz der Städte, um es mit einem Wort zu sagen, der Anblick des Paradieses, aber es ist jetzt nicht an der Zeit, davon zu erzählen. Auf dem Rückweg schlug ich einen anderen Weg ein, über die Marken, AnconaAncona, Ort, PesaroPesaro, Ort, RiminiRimini, Ort, RavennaRavenna, Ort, FaenzaFaenza, Ort, ImolaImola, Ort, FerraraFerrara, Ort, PaduaPadua, Ort, VenedigVenedig, Ort; dann kehrte ich über VicenzaVincenza, Ort, VeronaVerona, Ort, BrixenBrixen, Ort, BergamoBergamo, Ort und ComoComo, Ort zurück. Nach Überquerung des dort gelegenen Sees ging ich über Alpenpässe und die Quellen des RheinesRhein, Fluß bis nach DeutschlandDeutschland, L. zurück, wo ich am 24. Januar im Jahre des Heils 1485 NürnbergNürnberg, Ort erreichte, gesund und unbeschadet, und meine Frau, meine Familie und mein ganzes Haus wohlbehalten vorfand.

Ende der ersten Fahrt.

Es folgt das zweite Itinerarium.

Später, im Jahre des Heils 1494, als eine neue Pestwelle ausbrach, wollte ich zum alten Heilmittel der Flucht greifen; erneut dachte ich daran, mir ein paar aufrichtige junge Männer auszuwählen, Söhne wohlhabender Kaufleute, welche in der italischen und gallischen Sprache bewandert waren: Antonius HerwartHerwart, Anton (Antonius) (†1504), Augsburger Kaufmann, Ritter des Hl. Grabes aus AugsburgAugsburg, Ort, Kaspar FischerFischer, Kaspar († 1517), Nürnberger Kaufmann und Nikolaus WolkensteinWolkenstein, Nikolaus I. (Niklas) (†1513/15), Nürnberger Kaufmann, sie wählte ich zu meinen Reisebegleitern4.

Am zweiten August des genannten Jahres verließ ich NürnbergNürnberg, Ort und durchquerte in SchwabenSchwaben, L. die großartigen Städte NördlingenNördlingen, Ort, UlmUlm, Ort, BiberachBiberach, Ort, RavensburgRavensburg, Ort sowie KonstanzKonstanz, Ort, das wegen des Konzils Martins V.Martin V. / Oddo Colonna, Papst (1417–1431) und Kaiser SigismundsSigismund, Kg. von Ungarn (1387–1437), Kg. von Böhmen (1419–1437), röm.-dt. Kg. (1410/11–1437), Ks. (1433–1437) bekannt ist5. Sodann kam ich durch die Gegend der Schweizer und Orte wie Duregum, heute ZürichZürich, Ort, bei einer Eremitensiedlung an die Schwellen der Jungfrau MariaMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi6. Dann ging es über die heißen Quellen in BadenBaden, Ort zu den Ufern des LimatflussesLimmat, Fluß, dort wuschen wir uns, danach richteten wir unsere Schritte zur uralten Stadt SoloturnSolothurn, Ort und nach BernBern, Ort, den wichtigsten Städten der Schweizer. Nachdem wir die Schweizer Republik des Volkes in Augenschein genommen hatten, verließen wir deutsches Gebiet und nahmen Kurs auf ein Städtchen namens MurtenMurten, Ort, das durch die Niederlage des Herzogs Karl von BurgundKarl der Kühne, Hzg. von Burgund (1467–1477) bekannt ist7. Welches Morden an Menschen dort vollzogen wurde! Mehr als 24 tausend Menschen aus dem Heer des burgundischen HerzogesKarl der Kühne, Hzg. von Burgund (1467–1477) und seiner Anhänger starben durch die Niederlage gegen die Liga der Schweizer und das aufgebrachte Volk. Es wäre unglaublich, von diesem Ereignis zu erzählen, denn man müsste sich die vielen Knochen getöteter Gegner anschauen, was ich weiter unten ein wenig geschildert habe8.

Nachdem ich nun das Bild des Todes so vieler christlicher Menschen gesehen hatte, bewegten wir unsere Schritte in Richtung FreiburgFreiburg, Ort, der Stadt der Allobroger, dort wurde einstmals die gallische Sprache, nun jedoch größtenteils die deutsche benutzt9. Erneut ritten wir durch waldige Schluchten zur ersten Stadt der Allobroger, LausanneLausanne, Ort, das mit einem Bischofssitz geziert ist; und an den Ufern des Genfer SeesGenfer See kamen wir nach 9 weiteren Meilen zur uralten Stadt GenfGenf, Ort, bekannte Handelsstätte der Allobroger und ausgezeichnet durch die Wundertaten vieler Heiliger, einstmals von GenabusGenabus, einem Exilierten aus NumantiaNumantia, Ort in SpanienSpanien, L., gegründet, wie du im Folgenden genauer erkennen wirst. In diesem Herzogtum SavoyenSavoyen, L. hat nun ChristopherusChristopherus, laut Münzer Hzg. von Savoyen als Herzog SavoyensSavoyen, L. die Herrschaft inne, er ist mit AnnaAnna, Tochter des Königs Maximilian I., einer Tochter des Königs MaximilianMaximilian I., röm.- dt. Kg. (1486–1519), Ks. (1508– 1519), ehelich verbunden, die vorher vom Sohn des Königs von Spanien geheiratet wurde10.

Ich habe aber, soweit es die Gelegenheit erlaubte, über wichtigere Orte geschrieben und Sitten und Gebräuche der Völker: in der Gallia LugdunensisGallia Lugdunensis, röm. Provinz., der NarbonensisGallia Narbonensis, röm. Provinz und in ganz SpanienSpanien, L. wie in der Grafschaft BarcelonaBarcelona, Ort, im Reich ValenciaValencia, Ort, GranadaGranada, Ort, KastilienKastilien, L., AragonAragón, L., NavarraNavarra, L., GallienFrankreich, L., AquitanienAquitanien, L., BelgienBelgien, L., (Gallia Belgica) röm. Provinz, in der NormandieNormandie, L., der PicardiePicardie, L., und in Niederdeutschland bis zur Stadt am RheinRhein, Fluß in Oberdeutschland11, wie Du im Folgenden sehen wirst.

Jesus ChristusJesus Christus 1495 (1494), 21. August, Genf Genf, Ort

Es ist der Ort der Allobroger, früher nannte man ihn „Genf“; Genf, Ort

ihn schmückt ein See mit Wasser klarer als Kristall.

Diesen See durchbrechen in seiner Mitte die reinsten Wasser der Rhône,

Rhône, Flußder Sturzbach der Arve und die Berge von Leman.Genfer SeeBerge von Leman

G. Julius Caesar († 44 v. Chr.), röm. Staatsmann und DiktatorNumantia, OrtAls Cäsar die Helvetier angriff, und diejenigen Völker, die gegen die Römer rebellierten, P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus minor Numantinus († 129 v. Chr.), röm. Politiker und Feldherr da hielt er sich in dieser Stadt auf.

 

Dort ließ er eine Rhône-Brücke wiederherstellen und den Göttern ehrwürdige Tempel errichten.

Nach dem Sieg Scipios über Numantia gründete diese (Stadt) ein Spanier namens Genabus:

Jener hatte Numantia verlassen und ihr dann seinen eigenen Namen „Genf“ gegeben.

Dies schreibt Frontonius Frontonius in seinen Epigrammen über die Städte 12

Die am weitesten entfernte Stadt der Allobroger ist Genf.

Dort führt eine Brücke hinüber zu den Schweizern, unter der vom Genfer See her die Rhône fließt.

Dies schreibt CäsarG. Julius Caesar († 44 v. Chr.), röm. Staatsmann und Diktator in seinen Commentarii13.

Die Ruinen der Stadt der Helvetier scheinen heute jenseits des Schlosses von BielBiel, Ort zu liegen, wo sich drei sehr bekannte Seen treffen: der von NeuchâtelNeuenburger See / Lac de Neuchâtel, der von BielBieler See / Lac de Bienne und der von MurtenMurtensee / Lac de MoratMurten, Ort. Heute sind SolothurnSolothurn, Ort, BernBern, Ort und FreiburgFreiburg, Ort die Metropolen der Helvetier. Solothurn ist eine Stadt mit einem sehr alten Turm, und dort steht geschrieben, dass dieser 450 Jahre vor Christi Geburt errichtet wurde.