Der Reisebericht des Hieronymus Münzer

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Über ihren Friedhof außerhalb des Elviratores

Am 24. Oktober verließen wir früh die Stadt durch das ElviratorGranada, OrtPuerta de Elvira, nahe bei unserem Hospiz, und gelangten zu jenem Friedhof1, der sehr groß und auf verschiedenen Ebenen liegt, so dass er Bewunderung hervorruft. Ein Teil war alt und mit Olivenbäumen bewachsen, ein anderer ohne Bäume. Die Gräber der Reichen waren von Mauerquadern umgeben, wie Gärten mit besten Steinen. Wir kamen sodann zu einem neuen Friedhof, wo wir sahen, wie ein Mann begraben wurde; es gab sieben weiß gekleidete Frauen, die in der Nähe des Grabes kauerten, sowie den Priester, der mit dem Kopf in Richtung Süden saß und kontinuierlich laute Schreie ausstieß, während die Frauen ununterbrochen duftende Myrtenzweige auf das Grab warfen2. Dieser Friedhof ist zweimal größer als der von NürnbergNürnberg, Ort. Ich übergehe die anderen Friedhöfe, auch jenen, der am Fuße der AlhambraGranada, OrtAlhambra liegt und ebenso sehr groß ist3. Größer, glaube ich sogar, als die Stadt NördlingenNördlingen, Ort. Ebenso wie sie Gott in Richtung Süden verehren, so begraben sie auch die Toten mit gen Süden4 geneigtem Kopf.

Auf dem höchsten Berg nach Norden hin, gegenüber der AlhambraGranada, OrtAlhambra, gibt es eine weitere Stadt, die an das große GranadaGranada, Ort anschließt, aber durch eine Mauer abgetrennt ist; sie heißt AlbaicínGranada, OrtAlbaicín5. Dort hatte der junge König6 seine Bleibe. Ebenso befindet sich dort, so sage ich euch, ein größerer Friedhof als jener, der zu Füßen der Alhambra liegt. Am selben Tag, als wir zur Stadt Albaicín hinaufgingen, hatte ich tatsächlich Gelegenheit, diesen Friedhof zu besuchen. Er nimmt einen großen Teil auf der einen Seite des Berges ein und ist in der Tat so ausgedehnt wie die Stadt UlmUlm, Ort. Auf der Höhe steht ein sehr hoher Turm, in dem sich die Gräber der Könige von Granada befinden7.

Über die Moschee im AlbaicínGranada, OrtAlbaicín, einem Teil der Stadt

Außerhalb der großen Stadt GranadaGranada, Ort und außerhalb der Mauern, aber nahe gelegen gibt es eine weitere große Stadt namens AlbaicínGranada, OrtAlbaicín mit mehr als vierzehntausend Häusern, die man von der AlhambraGranada, OrtAlhambra nicht sehen kann1. In dieser Stadt, oder eher in diesem Teil von Granada, steht, wie ich sage, eine sehr schöne MoscheeGranada, OrtNuestro Salvador, K. mit 86 freistehenden Säulen2; sie ist kleiner, aber sehr viel schöner als die große Moschee der Stadt, und sie besitzt einen wunderschönen Garten mit Zitronenbäumen. Vom Gipfel des Berges gegenüber der Alhambra sahen wir, als wir zur großen Stadt hinabstiegen, eine andere schöne MoscheeAlbaicínSan José, K., die nicht so groß ist. Diese nahm der Erzbischof auf Befehl des Königs den SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) ab, weihte sie zu Ehren des heiligen Joseph, des Mannes der seligen Maria3, und stattete sie mit Priestern aus. Wir sahen im Garten einen riesigen Olivenbaum, größer als eine Steineiche und voller Oliven. Als wir den Turm bestiegen, zählte ich eine so große Zahl von Moscheen, dass man es kaum glauben kann.

Als wir uns am selben Tag4 um die Mittagszeit der großen Moschee näherten, sahen wir, weil es Freitag und einer ihrer Festtage war, viele Priester auf dem Turm schreien, und es kam eine so große Menge von SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) zusammen, dass viele draußen stehen mussten, nachdem die Kirche gefüllt war. Ich glaube, es waren dort mehr als zwei- oder dreitausend Männer. Wir verfolgten, an einer Tür stehend, ihre Zeremonien und sahen den Hauptpriester von ihnen, der auf einem hohen Sitz saß und fast eine halbe Stunde lang predigte. Dann, nach einem Ruf von ihm und der anderen Priester, beugten alle die Köpfe und beteten; anschließend, nach neuerlicher Aufforderung, warfen sie sich massenweise zu Boden und küssten, wie unsere Mönche in den Kapiteln, die Erde. Dann wiederum, bei einem anderen Zeichen, erhoben sie sich und beteten mit der größten Ehrfurcht, stehend und mit nackten Füßen. Und so erhoben sie sich dreimal und warfen sich wieder zu Boden; schließlich erhoben sie sich, und nach beendetem Gebet ging jeder wieder an seine Arbeit. An der Tür bettelten viele Sarazenen um ein Almosen; sie waren Gefangene der Christen gewesen und inzwischen freigelassen worden. Es kam auch zu einer Beisetzung. Der Priester sprach über den Leichnam ein langes Gebet, und schließlich trugen sie diesen aus der Stadt, um ihn zu bestatten. An eben jenem Festtag waren die anderen Moscheen so voll mit Sarazenen wie jene. Die Moscheen sind in GranadaGranada, Ort und an anderen Orten so etwas wie die Pfarreien bei uns5.

Über die Lage der Stadt GranadaGranada, Ort

Beim Beschreiben von GranadaGranada, Ort, der größten Stadt des Reiches von Granada, könnte ich sie eher als ein Reich denn als eine Stadt bezeichnen. Sie ist im Osten von vielen und hohen Bergen umgeben, einige davon reichen gleichsam bis zu den Wolken. Ich glaube, sie sind höher als die AlpenAlpen, Gebirge in ItalienItalien, L.1. Aber obwohl die Gegend warm und mediterran ist, sieht man trotzdem während des ganzen Sommers auf den höchsten Bergjochen reichlich Schnee. Gegen Süden, Norden und Westen liegt eine sehr große und sehr schöne Ebene, die weitgehend von kleineren Hügeln umgeben ist. Diese große Ebene lässt sich überall bewässern und hat einen so fruchtbaren und üppigen Boden, dass dieser zweimal jährlich Getreide hervorbringt. Ich verschweige weitere Pflanzen wie Rüben, Möhren, verschiedene Hirsearten, Linsen, Bohnen und weitere Früchte. Und weil es in jener Ebene nicht schneit, gedeihen verschiedene Arten von Bäumen, vor allem Oliven, Quitten, Feigen, Mandeln, Granatäpfel, Apfelsinen, Zitronen usw. Es gibt fast das ganze Jahr über Früchte. Im April reifen die Kirschen, Disteln, die sie Artischocken nennen, und andere Früchte; im Mai verschiedene Arten von Äpfeln und Birnen; schon bald im Juni bis zum November Trauben verschiedener Art. Ende Oktober, als wir dort waren, sahen wir noch viele Trauben an den Weinstöcken hängen. An den Stellen der Ebene, die von der Sonne verwöhnt werden, reifen die Früchte sehr schnell. Aber auch in den Bergtälern und an schattigen, etwas kühlen Orten, wo es immer Tau gibt, wachsen Früchte, jedoch ein bisschen später2.

In einer schönen Ebene am Fuß der Berge gibt es Gärten fast zu Tausenden sowie liebliche Plätzchen, die alle durch Kanäle bewässert werden. Es sind Gärten, wie ich wiederhole, voll mit Häusern und Türmen, die während des Sommers bewohnt werden; wenn du sie zusammen von ferne siehst, glaubst du, eine sehr große und phantastische Stadt zu sehen. Hauptsächlich nach Nordwesten, etwa eine große Meile oder etwas mehr entfernt, sahen wir diese Gärten, es gibt nichts Bewundernswerteres. Den SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) gefallen die Gärten sehr, und sie sind so geschickt, wenn sie sie anlegen und bewässern, dass man sich nichts Besseres vorstellen kann. Es ist außerdem ein Volk, das sich mit wenig begnügt und größtenteils von den Früchten lebt, die ihnen das ganze Jahr hindurch nicht fehlen. Sie trinken keinen Wein, bereiten jedoch große Mengen an Rosinen, die sie „bautzas“3 nennen. Für ihr Vieh wie für Pferde und Esel finden sie leicht Weiden. GranadaGranada, Ort hat auch hohe Berge, Ebenen und Täler, die wegen des Wassermangels nicht bewässert und nicht von Menschen bewohnt werden können. Dort grasen unendlich viele Viehherden: Ziegen, Schafe, sehr große und dicke Ochsen. In den Bergen gibt es auch unglaublich viele Hirsche, Bären, Damwild, Kaninchen und hauptsächlich Wildschweine. Das Fleisch des Hirsches ist äußerst günstig. Auch ist man über so viele Rebhühner sehr erstaunt. Es sind große Rebhühner mit roten Schnäbeln und Krallen. Als wir durch die Berge von VeraVera de Levante, Ort nach AlmeríaAlmería, Ort ritten, scheuchten wir in einer Stunde 4 oder sechs Schwärme von Rebhühnern auf. In Vera kauften wir eines für 5 Denare, von denen fünfzig einen rheinischen Gulden ausmachen, in Granada kann man hingegen vierzig für einen Dukaten kaufen, weil es dort so viele Esser gibt4. Auch wachsen viele Zwergpalmen5, deren Strunk schon im Oktober, wenn sie jung sind, ausgeschnitten werden kann und mit Salz eine milde Speise liefert.

Von den höchsten Bergen fließen durch zwei Täler, in deren Mitte der Berg der AlhambraGranada, OrtAlhambra liegt, zwei ziemlich große Flüsse und einige andere kleinere durch andere Täler; mit ihrem Wasser wird ganz GranadaGranada, Ort durch ein phantastisch ausgeklügeltes System von Wasserläufen bewässert6. Der größte Teil der Ebene wird sehr gut mit Wasser versorgt. Schließlich vereinigen sich diese Flüsse nach 8 Meilen in einem Tal der bewehrten Stadt LojaLoja, Fluß, dort ist die Grenze Granadas gegen Westen mit der Provinz von KastilienKastilien, L., die AndalusienAndalusien, L. heißt. Sie werden vom Fluss GuadalquivirGuadalquivir (Betis), Fluß aufgenommen7. Oh, wie fruchtbar ist das Land an aller Art von Früchten, mit denen jedermann sein Leben bestreiten kann! Die Ebene ist ebenso voll von kleinen Orten, die wir villae nennen; dort widmen sich SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) der Bearbeitung des Landes.

Über die Größe der Stadt

Die Stadt GranadaGranada, Ort hat 7 Hügel und Berge mit den entsprechenden Tälern, die alle bewohnt sind. Der Hang gegenüber der AlhambraGranada, OrtAlhambra ist jedoch der größte. Südlich der Alhambra gibt es am Fuße eines Berges eine andere Stadt, die sie AntequeruelaGranada, OrtAntequeruela1 nennen; diese erbauten vor etwa 80 Jahren nach Granada gekommene Flüchtlinge, nachdem die sarazenische Stadt AntequeraAntequera, Ort von Christen erobert worden war. Auch in der Umgebung der Ebene gibt es viele Berge. Gegen Norden liegt AlfakarAlfakar, Ort, eine weitere Stadt außerhalb der alten Mauern der eigentlichen Stadt Granada. Dort sind die Straßen so eng und schmal, dass die Häuser sich weitgehend im oberen Teil berühren. Meist kann ein Esel einem anderen Esel nicht ausweichen, außer in den wichtigeren und bekannteren Straßen, die vielleicht eine Breite von 4 oder 5 Ellen haben, so dass ein Pferd ein anderes vorbeilassen kann. Man kann es kaum glauben: Die Häuser der SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) sind größtenteils ausgesprochen klein mit winzigen Räumen, die außen schmutzig, innen aber sehr sauber sind. Fast alle besitzen Wasserzuläufe und Zisternen. Sie haben in der Regel zwei Wasserkanäle, einen für das klare Trinkwasser, einen anderen, um Schmutz, Kot usw. abzutransportieren. Die Sarazenen verstehen sich perfekt darauf, so zu bauen. In allen Straßen gibt es offene Kanäle für das Abwasser, so dass jedes Haus, falls es wegen der schlechten Lage keine Leitung besitzen sollte, während der Nacht alle Abfälle in diese Kanäle werfen kann. Kloaken gibt es nicht im Übermaß, aber die Menschen sind sehr sauber.

 

Im Gebiet der Christen ist ein Haus 4 oder 5mal so groß wie bei den SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime). Innen sind sie so verwinkelt und verschachtelt, dass man sich in Schwalbennestern wähnt. Das ist wohl der Grund dafür, dass man sagt, in GranadaGranada, Ort gebe es mehr als hunderttausend Häuser; dies glaube ich gern2. Die Geschäfte und Häuser werden mit schmalen Holzflügeln geschlossen sowie mit hölzernen Schlössern und Stiften, wie man es in Ägypten und AfrikaAfrika, L. zu tun pflegt. Alle Sarazenen stimmen untereinander nicht nur in den Gebräuchen des Ritus überein, sondern ebenso in Lebensgewohnheiten, bei Verwendung von Gerätschaften, in der Art ihrer Häuser und anderen Dingen. Der König FerdinandFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) hat schon bestimmt, dass viele Straßen verbreitert und Verkaufshäuser erbaut werden sollten, dabei mussten einige Häuser abgerissen werden3.

Er befahl auch, das Judenviertel zu zerstören, wo etwa zwanzigtausend Juden lebten, und ließ auf seine Kosten ein großes Hospital und eine KathedraleGranada, OrtKathedrale zu Ehren der seligen Jungfrau MariaMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi errichten4; wir sahen sie fast schon vollendet bis zum Dach und der oberen Abdeckung, sie wird der Bischofssitz sein5. Oh, wie wunderbar und vielgestaltig sind die Gebäude, die mit königlichen Mitteln gebaut werden! Auch die adligen und reichen SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) besitzen in GranadaGranada, Ort wunderbare und sehr repräsentative Häuser mit Höfen, Gärtlein, fließendem Wasser und anderen Dingen. Der König schickte mehr als hundert auf seine Kosten gegossene Glocken – einige sahen wir im Garten des Klosters des heiligen HieronymusGranada, OrtNuestra Senora de la Concepción, Kl.Hieronymus (†419/20) Hl., Kirchenvater –, die er in ganz Granada verteilte6. Oh, wie wunderbar und besorgt nimmt der König seine Aufgaben gegenüber der respublica Christiana wahr.

Wie ich schon sagte, ist das Volk in GranadaGranada, Ort unzählbar. In den Zeiten der Belagerung, als die anderen Städte der Umgebung erobert wurden, gab es in der Stadt mit den Flüchtlingen der anderen Orte mehr als zweihunderttausend Männer, die zum Krieg gerüstet waren. Sie waren allerdings von solcher Furcht gelähmt, dass sie nichts gegen den (christlichen) König unternahmen. Man ist erstaunt über die Lebensmittel, mit denen sie sich ernähren. Es gibt das ganze Jahr hindurch ein Übermaß an Früchten, von denen dieses bescheidene Volk lebt, das ebenso wenig Wein trinkt; die Menge (der Lebensmittel) wäre schon ausreichend für ein größeres Volk. Sie stellen Brot aus verschiedenen Zutaten her, so zum Beispiel aus Weizen, Hirse oder Mais.

Nachdem GranadaGranada, Ort erobert und der christlichen Herrschaft unterworfen worden war, flohen mehrere tausend Menschen – mehr als vierzigtausend Männer7 – mit ihren beiden Königen nach AfrikaAfrika, L.8. Viele starben während der Belagerungszeit auch an Hunger, andere verließen das Reich. Dennoch blieb bisher eine große Zahl von SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) in der Stadt. Es ist kaum 4 Monate her, dass im Juni etwa fünfzigtausend heimlich gegen die Christen konspirierten, mit der Absicht, diese, die inzwischen kaum zehntausend Einwohner erreicht hatten, bis auf den letzten zu töten. Die Verschwörung wurde entdeckt, weil ein Sarazene vorzeitig gewisse Drohungen einem Christen gegenüber aussprach und gefangengenommen wurde. Im Haus eines Sarazenen wurden Waffen für vierhundert Männer entdeckt. So konnte diese Konspiration beigelegt werden. Und obwohl die Sarazenen die Erlaubnis haben, frei zu leben und ihre religiösen Kulte noch drei Jahre lang praktizieren dürfen, ein Zeitraum, der im Monat Januar endet9, zerbricht langsam ihre Standhaftigkeit und ihr Widerstand, weil ihnen alle Meerhäfen abgenommen wurden und die größten Städte der Umgebung schon von Christen bewohnt werden, so dass es sehr schwierig sein dürfte sich aufzulehnen.

Über die Lage des Reiches von GranadaGranada, Ort

Das Reich von GranadaGranada, Ort, das bei den Alten Hispania BaeticaBaetica (Hispania Betica), röm. Provinz genannt wurde, hat die Form eines Halbkreises, dessen Durchmesser gegen Süden das Meer ist1. Es ist rundum von sehr hohen Bergen umgeben, und auch das Innere ist größtenteils bergig. Die Breite von Norden nach Süden beträgt drei Tagesreisen, die Länge entspricht etwa 7 oder 8. Die bekanntesten Meeresstädte sind, wenn man vom Osten anfängt, AlmeríaAlmería, Ort, worüber ich schon weiter oben geschrieben habe, AlmuñécarAlmuñécar, Ort, das für den Zucker bekannt ist, denn dort wachsen Zuckerrohre von 6 oder 7 Ellen Länge und von der Dicke eines Armes am Anfang der Hand, Velez-MálagaVélez-Málaga, Ort, eine große Stadt mit einem sehr schönen Schloss, MálagaMálaga, Ort, ein bekannter Meerhafen. Die bekanntesten mediterranen Städte sind BazaBaza, Ort, GuadixGuadix, Ort, Granada, LojaLoja, Fluß, AlhamaAlhama de Granada, Ort, RondaRonda, Ort und MarbellaMarbella, Ort. Weiterhin gibt es unzählige Kastelle und Ortschaften. Nirgendwo wird das Land bearbeitet, wenn es nicht bewässert werden kann. Ich glaube, die Stadt Granada liegt an der höchsten Stelle des Reiches, denn zu jener Zeit sahen wir auf keinem der Berge Schnee, nur oberhalb der Stadt Granada auf dem Bergzug, der Sierra (Nevada)Sierra Nevada, Gebirge heißt.

Dort fließen weiterhin Flüsse mit gutem und gesundem Wasser, in denen Forellen und andere Fische schwimmen, die des frischen und sprudelnden Wassers bedürfen. Die Städte des Reiches sind in der Regel auf Bergen oder am Fuße von Bergen gelegen. Sie sind stark befestigt mit Türmen, Wehrtürmen, Mauern, Zinnen und Gräben, so wie nirgendwo sonst. Es ist ein sehr wohlhabendes Reich. Seide, wie es keine bessere auf der Welt gibt, ist dort im Überfluss; außerdem ebensoviel Safran, vor allen Dingen in Baza. Ihre Feigen haben einen sehr süßen Geschmack und sind nicht sehr groß. Es wird auch Öl produziert, außerdem Mandeln, Espartogras, Aspeln zum Färben, von denen sie jedes Pfund für eineinhalb Dukaten verkaufen, und viele andere Dinge. Alle Flüsse entspringen aus Quellen mit vorzüglichem und weichem Wasser. Im Sommer mangelt es wegen der Schneeschmelze niemals oder nur ganz selten daran. In keiner anderen Gegend SpaniensSpanien, L. regnet es so häufig – dies wegen der Höhe der Berge und der aufsteigenden Dämpfe –, wie es in „Meteora“ und SalzburgSalzburg, Ort ebenso der Fall ist2.

Vom Sieg über das Reich von GranadaGranada, Ort

Als der ehrwürdigste und unbesiegbare König FerdinandFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) mit seiner keuschesten und ehrwürdigsten Königin IsabellaIsabella I., Kg. von Kastilien und León (1474–1504), Gemahlin Kg. Ferdinands II. von Aragón die Reiche ihrer Väter und Großväter als Erbe in Besitz nahmen, gab es so viele Zwistigkeiten zwischen den Adligen, den Städten und den Erzbischöfen, gab es so viele kleinere innere Kriegshandlungen, gab es so viel Streben um das eigene Wohl, belästigten die Juden und MarranenMarranen, jüdisch- christliche Konvertiten das Volk so sehr, dass der König viele Jahre lang äußerst damit beschäftigt war, alle diese Angelegenheiten friedlich zu regeln und alles in einen guten Zustand zu überführen. Es hatten sich die Fälle von Raub und Diebstahl so gehäuft, dass es kaum mehr werden konnten. Nachdem er alle seine Reiche befriedet hatte, richtete er seinen edlen Sinn darauf, die SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) aus GranadaGranada, Ort, der Blume SpaniensSpanien, L., zu vertreiben1. Granada war nämlich ein schrecklicher Kerker für die Christen, wo normalerweise zehn- oder zwanzigtausend Christen jedes Jahr zu härtester Sklavenarbeit und dem Tragen von Ketten gezwungen wurden, wie Tiere zur Bestellung von Feldern und zu den schmutzigsten Arbeiten2. Außerdem flohen die Adligen des Königs von Spanien, die vor ihm wegen ihrer Verbrechen Angst hatten, nach Granada als einem sicheren Unterschlupf und konnten dort ihre unzähligen und schändlichen Intrigen weiterspinnen. Der König überraschte sie aber, weil nur er, die Königin und der Marquis von CádizRodrigo Ponce de León († 1492), Marquez de Cádiz, Historiograph3 die untereinander getroffenen Absprachen kannten, so dass kein Verräter stören konnte. Bald hatte er mehr als sechzigtausend Esel und Maultiere zu seiner Verfügung, um die verschiedensten Arten von Gütern heranzuschaffen. Ich schweige zu den Ochsen und Wagen, welche die verschiedenen Kriegsgüter herantransportierten. Aber der gütige Herr gab von oben unserem siegreichen FerdinandFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) den Geist des Rates und der Klugheit sowie einen starken Arm, so dass FerdinandFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) in zehn Jahren ganz Granada besiegte, teilweise mit Gewalt, teilweise durch Unterwerfung, teilweise mit Vorsicht, teilweise mit Gold und Silber, welches er vielen Kastellanen gab, damit sie nach Übergabe der Befestigungen nach AfrikaAfrika, L. flöhen. FerdinandFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) schnitt vor allen Dingen die Versorgung ab, so dass die Betroffenen bis zum Schluss großen Hunger leiden mussten4.

Der (muslimische) König von GranadaGranada, Ort war, wie man berichtet, überzeugt, dass sich unser unbesiegbarster König mit Rat und Vorsicht dazu anschickte, über die Grenzen in das Reich einzufallen; er rief die Adligen und Vornehmen des Reiches zusammen, legte einen großen Teppich auf den Boden, auf dem er in der Mitte einen silbernen, mit Gold gefüllten Pokal stellte, und sagte: „Wer den Pokal heben wird, ohne den Teppich zu verletzen, dem gehöre das Gold.“ Aber niemand war in der Lage, dies zu tun, und der König rollte daraufhin den Teppich zusammen, so ließ sich das Gold leicht aufheben, und er sagte: „Die Städte der Umgebung bedeuten den ausgebreiteten Teppich, und die Stadt Granada ist das Gold, das in der Mitte liegt. Der König der spanischen Reiche Ferdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516)wird nun dem Reich eine Stadt nach der anderen wegnehmen, und zum Schluss wird er sich dieses goldenen Granadas bemächtigen.“ Die vollständige Eroberung des Reiches ist in einem speziellen Bericht aufgezeichnet worden; aus Gründen der Kürze schreibe ich hierüber nichts weiter5.

Der König von SpanienFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516)Spanien, L. ließ, bevor er im Triumphzug in GranadaGranada, Ort einzog, ein besonderes TorGranada, OrtPuerta del Hierro bauen6 und ließ ebenfalls einen Weg an der Befestigung der AlhambraGranada, OrtAlhambra vorbei anlegen, um dort das Kriegsgerät zu transportieren. Zuerst gewann er alle Christen in Ketten für sich, die schon seit vielen Jahren in schrecklichen Kerkern gehalten wurden und die schrien: „Gelobt sei der Gott Israels, der uns besuchte und der sein Volk befreite.“7 In einer großen Prozession zog zunächst der ganze Klerus ein, mit heiligen Gewändern bekleidet, dann die Krieger mit ihren Waffen, mit einem erhobenen Kreuz, damit sie von allen gesehen würden. Oh, wieviel Beifall, Tränen und Freude du damals gesehen hättest! Es ist unmöglich, dies alles zu beschreiben. Sie stiegen zur Alhambra empor, und auf dem höchsten Turm zur Stadt hin hissten sie zunächst die Fahne unseres gekreuzigten Herrn, dann die Fahne des heiligen JakobusJakobus der Ältere († um 44), Apostel, Hl. (als Iacobus auch mittelalterlicher Buchtitel des Liber Sancti Jacobi), schließlich diejenige KastiliensKastilien, L. und intonierten mit lauter Stimme das Vexilla regis prodeunt8. Eine dort aufgehängte Glocke begann zu läuten. Als die SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) dies hörten, beweinten einige ihr Unglück, andere blieben vor Verwunderung stehen, weil sie niemals den Klang und den Schlag einer Glocke gehört hatten9. Auf diese Weise erlangte der ruhmreiche König das Reich, dessen Schritte nach seinem Willen der Gott Jakobs gelenkt hatte.

 

Während alle Kastelle und Städte erobert wurden, beschäftigte sich der KönigFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) verstärkt damit, die Einnahme von GranadaGranada, Ort zu planen. Zunächst ließ er in einer fruchtbaren Ebene eine kleine Stadt erbauen, etwa eine gute Meile von Granada entfernt in Richtung Westen. Sie wurde mit Mauern, Gräben und anderem Verteidigungswerk befestigt. Er gab diesem Ort den Namen Santa FéSanta Fe, Ort10. Er existiert noch heute und ist gut besiedelt. Der KönigFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) schwor bei seiner Krone, die Gegend von Granada nicht zu verlassen, bevor er als Sieger in die Stadt einzöge. Vor den Toren von Santa Fé gab es ein Feld für das Heer. Von diesem Ort aus verhinderte er jeglichen Nachschub für die Belagerten. So vernichtete er mit Sensen und Schwertern die Ernte in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Er stieg sogar selbst vom Pferd und schnitt das Getreide mit eigener Hand, damit die Krieger williger gehorchten. Und im dritten Jahr belagerte er die Stadt vom Monat Mai bis zu den Kalenden des Januars. Er sorgte selbst für eine so große Hungersnot, dass die Belagerten Maultiere, Hunde, Pferde, Ratten und andere Tiere aßen. Schließlich, am 6. Januar, im Jahre des Heils 1491 (1492)11 zog der KönigFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) als Sieger im Triumphzug in die Stadt ein und wurde als König von GranadaMohammed XIII. ibn Saʿd / al- Zagal, Herrscher von Granada (1485–1486) begrüßt. Zur Morgendämmerung erschien eine Menge von mehr als zweihunderttausend SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) und wollte das königliche Heer schlagen, das damals etwa vierzigtausend Menschen zählte. Plötzlich aber bemerkten sie, dass sich der Mond verfinsterte, und sahen darin ein schlechtes Omen: Sie kehrten um und ergaben sich, weil ihnen – wie ich schon sagte – die Kräfte fehlten12.