NEW PASSION

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Will ich das? Will ich sein Sperma in meinem Mund? Ein leichter Anflug von Panik überkommt mich, dass mir vielleicht schlecht werden wird und ich würgen muss. Du kannst es doch ausspucken gehen. Dieser Gedanke lässt mich entspannen. Ich fürchte, dass ihn das vielleicht kränken würde. Immerhin hat er auch meine Körperflüssigkeit in sich aufgenommen.

Meine eine Hand packt seine Eier. Auf einmal will ich, dass er mir tief in den Mund spritzt. Es macht mich an. Ich möchte ihm zeigen, dass ich ihn will und ich alles an ihm mag und er sich nicht unwohl fühlen braucht.

„Oh jaaa. Pack meine Eier fester zu.“ Noch fester? Nun zerquetsche ich seine Hoden gefühlt beinahe und ihm entgleitet ein lautes Stöhnen. Hätte nicht erwartet, dass ihm das gefällt. Ich festige meinen Griff noch ein wenig, worauf er in meinem Mund explodiert. Ich schlucke brav die ganze Masse herunter und lecke dann noch seinen Schwanz mit meiner Zunge sauber, um ihm meine Zuneigung ihm gegenüber zu zeigen.

„Ich muss gleich weg. Wenn du willst, kannst du hier bleiben oder ich nehme dich mit und werfe dich am Hauptbahnhof raus“, zerstört er die erotische Atmosphäre. Er packt seinen sauber geleckten Penis wieder in seiner Hose ein.

„Ich komme mit.“

„Gut, dann ziehe dir deine Sachen an.“ Warum sollte ich alleine in der Wohnung bleiben? Er hat nicht mal einen Fernseher. Irgendwie bin ich traurig. Ich hätte gerne noch den Tag mit ihm verbracht. Vor allem fühle ich mich leicht benutzt nach dieser Nummer eben. Dennoch hat es mir gefallen.

„Was hast du noch vor?“, platzt die Frage aus mir heraus.

„Ich treffe mich mit Amber“, antwortet er trocken. Was??? Wieso???

„Oh. Okay.“ Mehr bringe ich nicht hervor.

„Bock hab ich auch nicht darauf. Sie will nur mit mir Mittagessen gehen. Das war’s.“

„Sie will dich ausfragen! Sie will wissen, ob ich mit dir die Nacht verbracht habe.“ Typisch Amb. Anstatt sich bei mir zu melden, zieht sie jetzt so eine Nummer ab. Mrs. Dramaqueen in Aktion.

„Das kann sie doch gerne wissen.“

„Sag ihr bitte nichts. Ich will es ihr selbst sagen.“

„Ich soll also für dich lügen?“

„Bitte!“

„Ja, geht klar.“

„Danke.“ Verstehen tue ich nicht, wieso er sich mit ihr trifft, obwohl er nicht mal Lust auf sie hat. Braucht er dringend Aufmerksamkeit? Schade, dass er lieber zu diesem überflüssigen Treffen geht, als mit mir Zeit zu verbringen. Das bestärkt mich in dem Gefühl, dass es wirklich nur ein One-Night-Stand war. Auch wenn ich tief in mir drin die Hoffnung hege, dass es irgendwie doch mehr als das war. Andererseits muss ich meine Gedanken eh erst einmal sammeln. Diese Erfahrung überfordert mich leicht und ich weiß nicht, ob ich es nun gut fand, was letzte Nacht passiert ist, oder nicht.

Als wir die Wohnung verlassen, checke ich die Umgebung ab. Die Gegend ist mir fremd, hier bin ich zuvor noch nie gewesen.

Es ist auf jeden Fall kein schlechter Stadtteil. So viel kann ich sagen.

Liam öffnet das Dach des Smarts. Perfektes Cabriowetter, obwohl es noch etwas kühl ist. Aber man spürt, dass der Duft, der in der Luft liegt, beginnt, nach Frühling zu riechen. Der Wind umspielt meine Haare, als Liam viel zu schnell die Schnellstraße Richtung Hauptbahnhof entlang fährt. Ich war doch schon bei ihm in der Gegend. Zwei Autominuten von seiner Wohnung entfernt liegt eine S-Bahn Station. In diesem Stadtteil gibt es ein cooles Restaurant, in dem das Essen per Mini-Achterbahn an den Tisch geliefert wird. Dort war ich vor zwei Jahren mit ein paar Freunden.

Die Sonne blendet mich, dennoch genieße ich die warmen Strahlen auf meiner Haut. Trotz seines rasanten Fahrstils macht es mir Spaß, mit ihm mitzufahren. Man spürt, dass er mit seinem kleinen Smart eins ist.

Er legt seine rechte Hand auf meinen Oberschenkel. Sofort breitet sich ein angenehmes Gefühl in mir aus, jedoch verdrängt es nicht das mulmige, welches tief in meiner Magengegend liegt. Diesen Moment genieße ich ausgiebig. Solche kleinen, liebevollen Gesten, habe ich bei David immer vermisst. Liam dreht seinen Kopf zu mir und schenkt mir ein süßes Lächeln. Ich erwidere es.

„Ich hätte gerne den Tag mit dir verbracht. Mir hat die letzte Nacht wirklich sehr gefallen“, unterbricht er das Schweigen zwischen uns. Warum tust du es dann nicht und setzt falsche Prioritäten?!

„Ich fand es auch cool“, antworte ich stattdessen.

„Auch cool. Das klingt nach purer Begeisterung.“

„Was hast du für eine Antwort erwartet? Möchtest du hören, dass du ein Sexgott bist und mich vollkommen vom Hocker gehauen hast?“, antworte ich leicht zickig, in der Hoffnung, dass er nicht merkt, dass ich wegen des Treffens mit Amber angepisst bin.

„Haha. Ne, alles gut.“ Tolle Antwort. Ich schweige und erfreue mich weiterhin an der Cabriofahrt. Solch ein Freiheitsgefühl hab ich nicht alle Tage.

Wir nähern uns dem Hauptbahnhof und das mulmige Gefühl nimmt an Intensität zu. Er hält an einer Bushaltestelle an.

„So, da wären wir.“

„Jup. Danke fürs Herbringen und natürlich auch für die Nacht.“

„Gerne und die Freude lag ganz auf meiner Seite.“ Unsere Blicke treffen sich und wieder tritt ein Schweigen ein. Mel, steig aus! Meine Hand ergreift den Türgriff, als Liam doch noch das Wort ergreift.

„Warte! Hier.“ Er reicht mir einen kleinen weißen Zettel.

„Da steht meine Handynummer drauf. Ich würde mich freuen, wenn du dich bei mir meldest. Vielleicht ist SM ja etwas für dich.“ Das mulmige Gefühl hat sich von einer auf die andere Sekunde aufgelöst.

Aber dennoch schaltet sich bei meiner Antwort mein Verstand ein.

„Danke, ich weiß allerdings noch nicht, ob das, was letzte Nacht zwischen uns passiert ist, etwas ist, was mir gefällt. Also nicht, dass es mir nicht gefallen hat! Verstehe das bitte nicht falsch. Aber ich weiß eben nicht, ob das wirklich meine Welt ist oder ob es eben nur für eine Nacht interessant war. Ich brauche Bedenkzeit.“ Ich glaube, mit dieser Antwort hat Liam nicht gerechnet. Ich sehe plötzlich leichte Unsicherheit in seinen Augen aufblitzen.

„Okay, das verstehe ich natürlich. Dann gib mir bitte trotzdem Bescheid, wie du dich entscheidest, anstatt dich gar nicht zu melden“, entgegnet er mir mit einer etwas kühleren Art als eben.

„Selbstverständlich.“ Dann beugt er sich zu mir und küsst mich mit voller Leidenschaft. Wahrscheinlich, um mir noch einmal klarzumachen, was mir entgehen würde.

Der Kuss hatte es in sich und verwirrt mich nur noch mehr.

„Viel Spaß mit Amber und bis dann. Vielleicht.“

„Werde ich wohl eher nicht haben. Ich hoffe auf ein Wiedersehen.“ Ich steige aus und gehe Richtung U-Bahn. Im letzten Moment drehe ich mich doch noch um, da ist er jedoch schon weg.

Meine Bahn kommt erst in zehn Minuten. Da ich noch nichts im Magen habe, außer Wasser und Liams Sperma, kaufe ich mir einen Donut und eine Flasche stilles Wasser bei einem Bäcker. Mein Kreislauf ist noch nicht wieder auf dem Damm.

Ich muss mir auf die Lippe beißen, als ich mich auf einen Sitzplatz in der U-Bahn setze. Mein Po tut nicht nur außen weh, sondern auch innen. Nicht nur der Schmerz an sich ist unangenehm, sondern auch die Erinnerung, die in dem Moment in mir hochkommt. Ich nehme mein ungesundes Frühstück zu mir, um meine Gedanken auf die Nahrungsaufnahme zu fokussieren. Der Zucker tut mir gut und gibt mir Energie. Trotzdem fühle ich mich noch zittrig. Die Flasche Wasser wollte ich mir eigentlich einteilen, aber ich habe sie in einem Zug geleert und spüre nun nicht nur meinen Arsch, auf dem ich sitze, sondern auch meine Blase. Ich werde erst in circa vierzig Minuten zu Hause sein. Um mich von dem Pipigefühl abzulenken, nehme ich den kleinen Zettel mit Liams Handynummer aus meiner Jackentasche und speichere seine Nummer in mein Handy ein. Sicher ist sicher.

Amber hat mir immer noch nicht geschrieben. Ich frage mich, was die beiden nun gerade tun. Essen sie wirklich nur Mittag zusammen? Flirtet Liam vielleicht sogar mit ihr und versucht sie zu verführen, wie es ihm gestern bei mir gelungen ist? All diese Frage brauche ich mir nicht stellen, da ich jetzt eh keine Antwort auf sie bekommen werde.

Ich schaue aus dem Fenster und beobachte, wie alles an mir vorbeirauscht. Ich atme tief ein und beim Ausatmen entgleitet mir ein Seufzer. Ich sehe gerade nur mich, nehme die anderen Fahrgäste nicht wahr. Gleich werde ich Rede und Antwort stehen müssen. Das Problem ist, dass ich meine Familie nicht anlügen kann. Des Weiteren gehe ich einmal die Woche mit meiner Mom in die Sauna. Mit den Spuren auf meinem Hintern möchte ich nicht in die Sauna gehen, nicht mal ins Fitnessstudio. Ich müsste mir schon zu Hause die Sportkleidung anziehen und in den verschwitzten Klamotten wieder nach Hause gehen, damit niemand meinen entstellten Po zu Gesicht bekommt und mich womöglich noch darauf anspricht.

„Nächster Halt: Sengelmannstraße.“ Puh, bald daheim. Mich einzunässen, würde mir jetzt noch fehlen. Meine Gedanken schweifen wieder zu letzter Nacht ab. Wenn David das wüsste, was du da letzte Nacht erlebt hast … mit einem Stripper und Gogo-Tänzer. Dieser Gedanke entlockt mir ein Lächeln. Jahrelang langweiliger Sex. Ich hatte dennoch nie den Impuls, ihm fremdzugehen, weil ich nicht der Meinung war, dass es an ihm lag, dass mir der Sex nicht gefällt. Ich dachte, dass es an mir liegt.

Dabei hatte ich mich damals sehr auf mein erstes Mal gefreut. Unterbewusst hatte ich wohl eine zu hohe Erwartungshaltung aufgebaut. Mein erstes Mal war schön, aber eben nicht so geil, wie erwartet. Mit der Zeit wurde es besser. Aber die Gefühle, die ich erwartet habe zu empfinden, sind ausgeblieben. Und letzte Nacht waren sie auf einmal da! Pure Leidenschaft! Nur der Schmerz hat mich abgeschreckt. Vielleicht muss ich das eben in Kauf nehmen. Ich werde noch einige Tage und Nächte brauchen, bis ich mir darüber im Klaren bin, ob ich das mit Liam wiederholen möchte, oder nicht.

 

Noch zwei Stationen, dann muss ich in den Bus umsteigen. Ich werde erst meinen Eltern von dieser Story erzählen und danach entscheiden, ob ich Liam überhaupt anschreiben werde. Kann gut möglich sein, dass sie es schaffen, mir die ganze Sache auszureden. Die Nummer mit Amber liegt mir auch schwer im Magen. Vor allem finde ich es echt total uncool, dass Liam mit ihr Zeit verbringt anstatt mit mir.

Wenn ich jetzt schon derartig empfinde, dann sollte ich es besser bleiben lassen. Eine emotionale Bindung mit einem Mann einzugehen, passt mir momentan eigentlich gar nicht. Ich bin super zufrieden mit mir alleine. Bin glücklich, dass ich keine emotionalen Probleme habe und wenn ich eine Beziehung, in welcher Form auch immer, zu einem Menschen eingehe, sind Emotionen damit verknüpft. Natürlich kann es eine Bereicherung sein, aber ein Risiko, dass auch negative Gefühle durch diese Beziehung ausgelöst werden, ist immer vorhanden. Warum mein jetziges Glück zerstören? Nur, weil da noch mehr geht?

Ich habe fast meine Station verpasst, in der ich aussteigen muss, weil ich so mit meinen Gedanken beschäftigt bin.

Zum Bus muss ich laufen. Schnell atmend, suche ich mir einen Platz am Fenster. Durch das Laufen wurde die Flüssigkeit in meiner Blase hin und her geschüttelt, sodass ich das Gefühl habe, dass ich mich jeden Moment einnässen werde. Gott sei Dank, hält der Bus nicht an jeder Haltestelle. Die Fahrt dauert statt zehn Minuten nur fünf. Schnellen Fußes schreite ich über das Krankenhausgelände, durch den kleinen Park mit der Lücke im Zaun nach Hause.

Statt den Fahrstuhl zu nehmen, laufe ich die Treppen in den zweiten Stock hoch, reiße die Tür zum Laubengang auf, suche verzweifelt den Schlüssel in meiner Handtasche und bekomme die Haustür im letzten Moment geöffnet. Der Architekt der Wohnung ist ein Genie, denn direkt neben unserer Haustür befindet sich unser Gästeklo. Ich knalle die Haustür zu. Meine Familie weiß jetzt auf jeden Fall, dass ich zurück bin. Ich reiße die WC-Tür auf, schließe nicht mal ab. Rock hoch, Strumpfhose runter, Klodeckel auf und laufen lassen. Jesus Christus! Das ist noch einmal gut gegangen. Nach gefühlten Minuten verlässt der letzte Tropfen meine Blase.

Nach dem Händewaschen betrete ich das Wohnzimmer. Welche Überraschung! Dort sitzen meine Eltern und schauen mich erwartungsvoll und neugierig an. Mein Bruder scheint entweder noch in seinem Zimmer zu zocken oder er ist trainieren. Joshi – sein Name ist Josh, aber da er mein jüngerer, zwar größerer Bruder ist, musste ich seinen Namen verniedlichen, er kommt damit klar – würde das eh nicht wissen wollen. Ich setze mich zu ihnen an den Esstisch und versuche, dabei keine Miene zu verziehen. Immerhin schmücken Sitzkissen unsere Stühle, die den Schmerz ein wenig abdämpfen.

„Na, wo warst du letzte Nacht?“, beginnt meine Mom das Verhör.

Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich erzählen soll. Ich kann echt gut lügen, aber nicht vor meinen Eltern. Die kennen mich viel zu gut und außerdem sind es meine Eltern, die lügt man nicht an.

„Ich habe bei einem Kerl übernachtet.“

„Und?“, stochert meine Mom nach. Mein Dad schweigt und lauscht.

„Ja, was und?“

„Und noch weiter? Du warst doch mit Amber unterwegs.“

„Das ist richtig. Amber war ziemlich besoffen und da haben ihr Date und ich sie in ein Taxi gesteckt.“

„Und dann bist du mit zu Ambers Date?“

„Ja, ich bin dann mit zu Liam.“

„Hübscher Name. Ist er ein Aufreißertyp, der nimmt, was er kriegen kann?“

„Weiß ich nicht. Er hat sich jedenfalls von Anfang an eher für mich interessiert als für Amb. Ich denke, dass das auch der Grund war, weshalb sie sich abgeschossen hat. Anscheinend konnte sie das nicht gut wegstecken, dass sich ein Mann mal für mich interessiert und nicht für sie. Sie hat sich auch immer noch nicht bei mir gemeldet. Liam trifft sich gerade mit ihr zum Mittagessen.“

„Tatsächlich?“

Und dann erzähle ich die Geschichte von Anfang an, die Details lasse ich weg. Mein Dad schweigt immer noch, was mich langsam verunsichert.

„Okay. Mel, das ist wirklich krass. Muss ich mir Sorgen machen?“

„Nein, Mom! Es ist alles gut. Ich muss das selbst erst mal verarbeiten. Ich fand es total aufregend, aber ob dieses SM-Zeug etwas für mich ist … Ich glaube eher nicht.“

„Das ist nicht deine Welt und mit dieser Szene willst du besser auch nichts zu tun haben. Diese merkwürdigen Menschen, mit ihren fragwürdigen Latexklamotten. Lass die Finger davon“, meldet sich mein Vater zu Wort.

„Ich muss darüber nachdenken. Liam machte nun nicht den Eindruck, als wenn er irgendwelche komischen Latexoutfits trägt. Polizei- und Cowboykostüme sind dann wohl eher sein Ding.“ Meine Eltern lachen. Immerhin haben sie doch cooler reagiert, als ich erwartet habe.

Mein Vater geht hoch in unser kleines Dachterrassenzimmerbüro, um weiterzuarbeiten. Meine Mom halte ich auf.

„Ich will dir was zeigen.“

„Will ich es sehen?“, fragt sie besorgt.

„Ich glaube nicht, aber bevor du es zufällig siehst, wenn wir in die Sauna gehen wollen …“ Ich ziehe meinen Rock aus und schiebe die Strumpfhose nur ein bisschen herunter. Das gesamte Ausmaß muss ich ihr nun nicht zumuten.

„Ach du heiliger Himmel! Und das gefällt dir?“

„Ich weiß es nicht. Es sieht schlimmer aus, als es war.“

„Na, gut. Es ist dein Körper. Damit kannst du machen und machen lassen, was du willst. Gib trotzdem auf dich Acht.“

Sie gibt mir einen Kuss auf die Stirn und schließt sich meinem Dad an.

Meine Eltern sind selbstständig im Bereich Buchhaltung und seit einem Jahr unterstütze ich sie bei ihrer Arbeit. Es ist total angenehm, damit sein Geld zu verdienen. Man braucht nicht das Haus verlassen, um zu arbeiten und unser Verhältnis ist so gut, dass es keinen Stress zwischen uns gibt. Ich kann entscheiden, wann ich arbeite. Hauptsache, die Arbeit ist zum 10. eines Monats fertig. Nebenbei kann ich mich wunderbar um meine Fotografie kümmern. Besser geht es kaum.

Ich gehe hoch. Joshis Zimmertür steht offen. Er ist nicht zu Hause. In meinem Zimmer sammle ich mir frische Kleidung zusammen. Ich muss dringend unter die Dusche, um den nach Sex duftenden Schweiß von mir zu waschen.

Mit den frischen Klamotten im Gepäck gehe ich ins Badezimmer.

Ein heißes Bad würde meinem Körper jetzt auch guttun. Ich streife meine Kleidung von meinem Körper. Als ich nackt bin, nehme ich den kleinen Spiegel, der auf dem Vorsprung vor dem Waschbecken steht, in die Hand und versuche somit, einen Blick auf meinen Arsch zu werfen. Ich muss meinen Oberkörper ziemlich verrenken, um den passenden Winkel zu finden.

Vor Schreck lasse ich fast den Spiegel fallen! Mein Hintern sieht echt übel aus. Kein Wunder, dass meine Mom so reagiert hat.

Ein paar rote Striemen sind zu sehen und ansonsten sieht es aus, als wäre ich viel zu oft mit meinem Allerwertesten auf hartes Eis gefallen, beim vergeblichen Versuch eine kunstvolle Ausführung von Pirouetten und Sprüngen darzubieten. Die Farben Blau, Grün und Lila zieren meinen Arsch. Der Anblick sagt mir nicht sehr zu und deshalb stelle ich den Spiegel zurück. Danach schaue ich in den Spiegel, der direkt über dem Waschbecken an der Wand angebracht ist. Irgendwie sehe ich anders aus. Was im Grunde genommen nicht sein kann.

Nach meiner Entjungferung hatte ich mich auch im Spiegel angeschaut und gehofft, anders auszusehen, aber ich hatte mich nicht verändert. Nun habe ich das Gefühl, eine andere zu sein. Als hätte ich letzte Nacht meine Entjungferung erlebt. Da ist ja auch etwas dran. Anal wurde ich entjungfert und mit SM bin ich zuvor auch noch nie in Berührung gekommen. Nie im Leben bin ich davon ausgegangen, dass ich, Melina Stevens, die sechs Jahre komplett monogam war und ausschließlich Blümchensex mit ihrem Partner hatte, eine derartige Nacht, mit einem heißen, dominanten Typen, der auf den ersten Blick gar nicht heiß erschien, erleben werde. Der Gedanke daran, dass ich leibhaftig mit einem mir komplett fremden Kerl mitgegangen bin, um mit ihm die Nacht zu verbringen, lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Ich lasse von dem Blick in meine Augen ab und wende mich meinen Brüsten zu. Meine Nippel haben Spuren davon getragen. Da die Entfernung des Spiegelbildes zu weit entfernt ist, senke ich den Kopf und werfe live einen Blick auf meine geschundenen Nippel. Es hat sich Kruste gebildet. Mit meinem Zeigefinger fahre ich darüber. Schön fühlt sich das nicht an. Da mir die ganze Zeit ein müffelnder Duft in der Nase hängt, der wahrscheinlich von meinen Achselhöhlen entstammt, beschließe ich, endlich unter die Dusche zu gehen. Die Uhr zeigt an, dass ich mindestens zwanzig Minuten damit verbracht habe, mich einfach nur anzugucken.

Das heiße Wasser tut gut. Ich halte die Luft an und schiebe mein Gesicht unter den heißen Strahl. Dann wasche ich mir ordentlich die Haare. Der Duft von Vanille erfüllt die Luft. Ich lasse das Wasser laufen. Normalerweise bin ich sehr sparsam und stelle das Wasser ab, während ich mich einseife. Aber irgendwie tut diese Wärme gerade unendlich gut. Ich klatsche mir eine große Portion Duschgel auf die Hand und seife meinen Körper ein. Bei den empfindlichen Stellen bin ich vorsichtig. Ich habe Angst, dass es anfängt, zu brennen und ich möchte nicht, dass die Kruste an meinen Brustwarzen aufweicht. Nachdem ich den ganzen Schmutz und die moralische Schande von mir gespült habe, steige ich aus der Dusche, die eigentlich eine Badewanne ist, und wickle mich in ein großes, weiches Handtuch ein. Ich schlinge die Arme um mich, schließe die Augen, atme den Duft von Vanille ein und verharre einige Minuten so.

Die Ruhe in meinem Kopf tut gut.

Ich ziehe mich an, föhne meine Haare und lege ein wenig Make-up auf, um die Spuren der schlaflosen Nacht zu verstecken.

Mein Magen meldet sich mit einem lautstarken Knurren zu Wort. Ich muss dringend etwas essen, mein Kreislauf ist immer noch nicht stabil.

Die Treppenstufen schreite ich einen Schritt nach dem anderen hinunter, da meine Beine total zittrig sind und schwanken.

Heil in der Küche angekommen, durchsuche ich die Schränke und den Kühlschrank nach etwas Essbarem, was schnell zuzubereiten ist.

Ich habe solch einen Hunger, dass mir schlecht ist und ich eigentlich gar keinen Appetit habe. Aber ich muss essen. Mein Körper schreit förmlich nach Nährstoffen.

Im Kühlschrank werde ich fündig, ein Pott lactosefreier Joghurt. Ganz hinten in einem der Schränke befindet sich eine halb volle Packung zarte Haferflocken. Perfekt. Die 500 Gramm Joghurt kommen in eine kleine Schüssel, dann streue ich einen fetten Haufen Haferflocken auf die weiße Masse und vermische das Ganze mit einem Löffel. Lecker sieht das nicht aus, aber es wird seinen Zweck erfüllen.

Ich pflanze mich aufs Sofa und lege meine Beine auf dem Couchtisch ab.

Dabei frage ich mich, wie bescheuert ich gewesen sein muss, es zuzulassen, mir den Arsch versohlen zu lassen. Das Drücken im Arschloch ist schon schlimm genug.

Mir graut es schon davor, aufzustehen. Und in dem Moment fällt mir ein, dass ich mein Handy oben in meinem Zimmer habe liegen lassen.

Ich wollte nach der Dusche nachsehen, ob Amb sich bei mir gemeldet hat. Das muss jetzt warten. Mein leerer Magen hat Vorrang und ich bin auch nicht heiß darauf, wieder den Schmerz ertragen zu müssen, der gerade etwas abgeklungen ist.

Einen Löffel nach dem anderen schiebe ich in meinen Mund. Mentale Hochkonzentration wird mir abverlangt. Lasse ich mich gedanklich auf die Übelkeit ein, muss ich würgen. Mhh … Das schmeckt lecker. Ich atme tief ein und schlucke dann. So geht es irgendwie und die Übelkeit verschwindet mit jeder kleinen Portion, die in meinem Magen landet. Als ich aufgegessen habe, stehe ich sehr vorsichtig auf und bringe meine leere Schüssel in die Küche und weil ich eine brave Tochter bin, stelle ich das dreckige Geschirr und Besteck auch noch in den Geschirrspüler.

Danach schreite ich die Treppenstufen in mein Zimmer hinauf. Mein Kreislauf ist endlich wieder stabil. Ich sehe, dass mein Handy, welches auf meinem Bett liegt, blinkt.

Und siehe da. Amber hat mir bei WhatsApp geschrieben.

Ich merke, wie meine Hände leicht anfangen zu zittern, als ich unseren Chatverlauf öffne.

 

Irgendwie ist mir gerade gar nicht danach, mich in irgendeiner Weise rechtfertigen zu müssen. Und ich weiß, dass jetzt ein schlimmer Vorwurf ihrerseits auf mich wartet. Es ist besser, es sofort hinter mich zu bringen.

Ich pflanze mich auf mein Bett und lese ihre Zeilen.

Hey Mel!

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Wie du sicherlich weißt, habe ich mich gerade mit Liam getroffen.

Ich werfe einen Blick in die obere rechte Ecke meines Handys. Sie haben mindestens drei Stunden miteinander verbracht. Ihre Nachricht bekam ich vor etwa zwanzig Minuten. Das war durchaus ein langes Mittagessen. Selbst mit Nachtisch …

Er ist wirklich ein Gentleman. Wir haben uns total gut verstanden. Ich habe ihn eingeladen als Entschuldigung für gestern Abend. Er hat die Hälfte seines Steaks liegen lassen, obwohl er mir geschrieben hatte, dass er großen Hunger mitbringt.

Aber das war wohl nicht auf das Essen bezogen. Er hat mir versichert, dass zwischen euch nichts lief. Und somit haben wir das Essen schnell hinter uns gebracht und den verpassten Spaß von gestern nachgeholt.

Wir haben uns ein Hotelzimmer genommen. Es war der Wahnsinn! Er ist eine Bombe im Bett. Das war der beste Sex, den ich je hatte.

Immerhin durftest du in den Genuss seiner Kusskünste kommen. Es tut mir echt Leid für dich, dass er doch nichts von dir wollte. Es machte ja erst den Eindruck, dass er sich für dich interessiert.

Aber deine mit Spinnweben bedeckte Vagina schreckt Männer eben ab. Macht dir nichts draus. Irgendwann findest du bestimmt jemanden, der auf unerfahrene Frauen steht. Wenn du Glück hast, dann schwängert er dich gleich. Ich wollte dir nur eben mitteilen, dass es mir gut geht und zwischen uns alles cool ist.

Mein Gesicht muss die Farbe einer Tomate tragen. Ich bin stinksauer! Was fällt ihr ein!? Und was fällt Liam ein!? So eine Bitch und so ein mieses Arschloch! Mir kommt die Joghurt-Haferflockenmasse fast wieder hoch.

Die passen zusammen wie die Faust aufs Auge. Ich hatte ihn wirklich anders eingeschätzt. Die Enttäuschung treibt mir Tränen in die Augen. Ich will deswegen aber nicht weinen; wische mir die Tränen sofort aus meinem Gesicht und schlucke meinen Schmerz herunter.

Der Schmerz wird durch rachsüchtige Gedanken ersetzt. Ich könnte ihn anzeigen! Könnte erzählen, dass er mich missbraucht hat. So, wie mein Körper aussieht, wird mir das jeder glauben. Ich erhebe mich von meinem Bett und laufe die zweieinhalb Meter freie Fläche meines Zimmers auf und ab. Ich würde meine Entrüstung gerne mit jemandem teilen, um mir Luft zu machen. Allerdings ist Amber meine einzige Freundin, mit der ich über Probleme spreche und jetzt ist sie selbst zu einem Problem geworden.

Meiner Mom kann ich auch alles erzählen, aber die jetzige Situation ist mir zu unangenehm. Eben noch habe ich meinen Eltern erzählt, dass Liam sich für mich interessiert und nicht für Amb und dann ergreift er die nächste Möglichkeit, um mit ihr in die Kiste zu steigen.

Ich schäme mich, dass ich mit ihm mitgegangen bin. Mein Stolz ist angeknackst.

In meiner Kehle bildet sich ein fetter Kloß, er nimmt mir die Luft zum Atmen. Ich muss diese angestaute Wut loswerden. David könnte ich anrufen. Aber wir haben noch nicht allzu lange wieder Kontakt. Und auch da meldet sich der Stolz meines Egos zu Wort. Willst du deinen Ex jetzt wirklich mit einer gescheiterten Männergeschichte volljammern, während vielleicht seine Neue daneben sitzt und womöglich auch noch mithört? Nein, das will ich ganz und gar nicht. Heute Mittag hätte ich ihm am liebsten von dieser Nacht erzählt und nun würde ich die ganze Sache gerne aus meinem Gedächtnis löschen. Mir ist nach Schreien zumute.

Ich könnte alleine in den Wald gehen, der bei uns um die Ecke liegt. Jedoch sind dort viele Menschen mit Hunden unterwegs und auch Jogger. Nicht, dass jemand die Polizei ruft, wenn ich alles aus mir herausbrülle.

Ich finde keine Lösung. Ich schmeiße mich auf mein Bett. Die körperlichen Schmerzen, die ich dabei empfinde, nehme ich nicht wahr. Im Moment überwiegt der seelische Schmerz. Da ich mit niemanden reden kann, nicht schreien kann, entscheide ich mich doch dazu, zu weinen. Es kostet mich echt Überwindung, loszulassen, doch dann läuft und läuft es. Ich schluchze so laut, dass ich befürchte, dass meine Eltern mich hören könnten.

Mein Kopfkissen ist durchnässt, so viele Tränen kullerten aus meinen Augen. Ich merke, wie der Kloß in meinem Hals kleiner wird.

Mel, jetzt ist aber gut! Reiß dich zusammen und sei keine Pussy! Ich löse mein Gesicht von dem Kissen und setze mich auf. Meine Nase läuft. Da ich keine Taschentücher in meinem Zimmer habe, muss der Ärmel meines Cardigans herhalten.

In mir kommt die Frage hoch, ob ich Liam überhaupt anschreiben soll. Amber antworte ich besser nicht. Der Vulkan ist zwar ausgebrochen, aber die Lava glüht noch vor sich hin.

Wahrscheinlich werde ich ihr gar nicht antworten und ihre dämliche Nachricht einfach ignorieren. Das wird die Bitch bestimmt richtig auf die Palme bringen. Der Gedanke zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.

Ich brauche Sauerstoff. Frische Luft, um klar denken zu können. Ich gehe ins Badezimmer und beseitige die Pandaspuren. Meine Augen sind zwar trotzdem noch geschwollen und rot, aber immerhin nicht mehr schwarz verschmiert.

Ich greife nach meiner Kunstlederjacke, die hinter meiner Zimmertür hängt und rufe ein „Ich bin mal eben weg“ zu meinen Eltern ins Büro hoch.

Sneakers schnell angezogen und raus in die Märzabendsonne. Als ein frischer Wind aufkommt, fällt mir auf, dass ich meinen Schal habe liegen lassen. Ohne Schal friere ich sofort.

Der einzige Grund, weshalb ich mich auf die kalte Jahreszeit freue, ist, dass ich meine heiß geliebte Mütze und kuschelige Schals tragen kann. Ansonsten bevorzuge ich definitiv den Sommer. Ich verschränke meine Arme und spanne die wenigen Muskeln, die ich besitze, an, damit mir etwas wärmer wird.

Die Sonne verschwindet schon hinter den Häusern und bietet somit kaum noch Wärme.

Ich entscheide mich, eine Runde um das große Feld spazieren zu gehen.

Der Frühling liegt in der Luft. Ich nehme einen tiefen Atemzug und beim Ausatmen versuche ich die ganze Anspannung in mir aufzulösen. Es funktioniert. Mein Körper entspannt sich und mein Gehirn wird mit frischem Sauerstoff versorgt, sodass ich wieder klar denken kann.

Ein paar Jogger kommen mir entgegen und wirbeln den sandigen Boden auf.

Sollten die Menschen an einem Sonntagabend nicht auf dem Sofa sitzen und Tatort schauen? Immerhin haben sie mich kaum wahrgenommen. Mich, die frierend mit verheulten Augen, alleine, ohne Hund, ein Feld entlang spaziert. Oder sind verheulte junge Mädchen gar keine Seltenheit mehr? Es tut gut, sich Fragen zu stellen, die keine Antworten benötigen. Trotzdem stelle ich mir die Frage, um die es bei diesem Spaziergang gehen sollte, bevor ich die Feldrunde mit unwichtigen Fragen beende.

Soll ich Liam anschreiben, oder nicht? Wenn ja, soll ich so tun, als hätte ich Ambers Nachricht nie erhalten, um zu sehen, wie er reagiert? Um zu testen, wie ehrlich er ist?

Oder soll ich ihm einfach sagen, wie scheiße ich ihn finde und wie sehr ich mich in ihm getäuscht habe? Hm … Wenn ich ihm schreibe, dann werde ich ihm auf jeden Fall nicht schreiben, dass ich verletzt und enttäuscht bin. Das ist peinlich. Ich selbst habe das Ganze doch als einen One-Night-Stand abgetan. Da kann ich nicht erwarten, dass Liam nicht mit anderen schläft. Warum hat mich das überhaupt verletzt? Wenn ich ihm nicht schreibe, dann werde ich nie wieder in den Genuss kommen, Nähe mit ihm zu teilen. Nur liebe ich meine emotionale Freiheit. Man sieht ja, wohin es mich jetzt schon geführt hat. Erst fühle ich mich saugut und hätte vor Freude heulen können und nun heule ich, weil ich so enttäuscht bin. Wofür eher Amber verantwortlich ist. Liam und ich kennen uns nicht. Bis auf eine kurzeitige, intime Bindung haben wir nichts miteinander zu tun gehabt. Also kann und darf ich keine Erwartungen an ihn stellen. Von Amb hätte ich mehr Feingefühl erwartet. Eine Freundin, die mit einem in den Konkurrenzkampf geht … Darauf kann ich getrost verzichten!