Das Dorf Band 7

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Das Dorf Band 7
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Karl Olsberg

Das Dorf

Band 7: Primos Sohn

Copyright 2016 Karl Olsberg

ISBN 9783741811920

Published by by epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

www.karlolsberg.de

Minecraft ®/TM & © 2009-2016 Mojang / Notch. Dies ist kein offizielles Lizenzprodukt. Der Autor ist mit Mojang nicht verbunden.

Für die Mutter

meiner drei Söhne

Minecraft Seed für das Dorf: 100200300400500

Erkunde selbst das kleine Dorf am Rand der Schlucht und die Welt darum herum! Das ist ganz einfach (Anleitung für die PC-Version):

1 Starte Minecraft

2 Wähle „Einzelspieler“

3 Klicke auf „Neue Welt erstellen“

4 Wähle einen Namen für deine Welt, z.B. „Das Dorf“

5 Klicke auf „Weitere Weltoptionen …“

6 Gib in das Fenster „Startwert für den Weltgenerator“ den Wert 100200300400500 ein.

7 Klicke auf „Neue Welt erstellen“.

Du spawnst am Hang eines Bergs. Steige hinab in die Ebene zu deinen Füßen und wende dich nach links, dann kommst du bald an ein Dorf, das an einer Schlucht liegt. Dies ist das Dorf, in dem die vorliegende Geschichte spielt. Natürlich verhalten sich nicht alle Bewohner im Spiel genauso wie in meiner Geschichte, aber die Welt, die ich beschreibe, ist genau die, durch die du wanderst. Am Ende dieses Buches findest du weitere Hinweise, wie du die Schauplätze dieser Geschichte erkunden kannst. Viel Spaß dabei!

Hinweis: Dieser Seed generiert die Welt von „Das Dorf“ leider nur in der PC-Version. Als ich diese Geschichte schrieb, war die aktuelle Minecraft-Version 1.8.8. Es ist möglich, dass in späteren Minecraft-Versionen der Seed 100200300400500 auch auf dem PC eine andere Welt generiert als die beschriebene. In diesem Fall musst du eine frühere Version (z.B. 1.8.8) installieren, wenn du die Welt des Dorfs erkunden willst.

1. Schlaflose Nächte

„Nur ein einziges Mal noch, ja?“, fragt Ruuna, die Hexe. Sie versucht, Augen zu machen, die so groß und rund und süß sind wie die der Katze Mina, was sie dennoch nicht ganz so niedlich erscheinen lässt. „Nur ganz kurz. Zwei drei Runden, dann lass ich wieder den Enderman fahren, ja?“

„Nein“, sagt Primo energisch. „Nein, nein, nein! Ich hab’s dir doch schon erklärt! Wenn wir die Kreisbahn jemals abschalten, hält die Lore an, und Artrax teleportiert sich weg.“

„Na und? Der durfte doch schon die ganze Zeit fahren. Jetzt bin ich auch mal dran!“

„Ruuna, die Kreisbahn ist nicht zum Spaß da, sondern um den Enderman gefangenzuhalten“, ruft Primo entnervt. „Sie bleibt eingeschaltet und niemand darf damit fahren, Schluss aus basta!“

„Das ist gemein!“, sagt Ruuna und zieht schmollend ab.

Er seufzt. Eine Woche ist es jetzt her, seit der böse Enderman gefangen wurde, als er versucht hat, das kleine Dorf am Rand der Schlucht ein zweites Mal zu zerstören. Seitdem hat Primo kaum richtig geschlafen.

Nach ihrem großartigen Sieg über die Mächte der Finsternis gingen die Dorfbewohner schnell wieder zur Tagesordnung über: Priester Magolus überlegte, wie er gegenüber seinem Erzrivalen Wumpus aus dem Wüstendorf mit dem gefangenen Dämon angeben könnte, seine Assistentin Birta tat so, als sei sie die Chefin im Dorf, und kommandierte jeden herum, Kolles Vater Nimrod steckte zusammen mit dem alten Lausius seine Nase in die Bücherstapel der Bibliothek auf der Suche nach alten Geheimnissen, die anderen gingen ihrem Tagesgeschäft als Bauern, Fischer, Schäfer oder Fleischer nach. Sie ignorierten die Kreisbahn einfach, so als sei damit das Problem des Endermans für alle Zeiten gelöst und er werde von nun an auf der Wiese neben der Schlucht so zuverlässig seine Kreise drehen, wie die Sonne morgens auf- und abends unterging.

Nur Primo ließ die Sache keine Ruhe. Schon in der ersten Nacht schlief er schlecht, immer wieder geweckt von Alpträumen, in denen der Enderman es irgendwie geschafft hatte, sich aus der Bahn fort zu teleportieren. Schweißgebadet lief er dann jedes Mal mitten in der Nacht zur Kreisbahn, um sich zu vergewissern, dass Artrax immer noch dort war.

Am nächsten Tag erwischte er eines von Jargas Schafen beim Grasen in dem Oval aus Gleisen. Er versuchte, es zu verscheuchen, wobei das dumme Vieh beinahe den Hebel berührt hätte, mit dem die Bahn abgeschaltet werden konnte. Irgendwann schaffte er es, das Tier aus dem Oval zu befördern, ohne dabei von der rasend schnell im Kreis herumfahrenden Lore mit dem wütenden Enderman gerammt zu werden. Zum Dank machte ihm Jarga Vorwürfe, er habe ihrem Schaf einen Riesenschreck eingejagt.

Tags darauf spielten Hakun, Olum, Bendo und Kaus auf der Wiese neben der Schlucht Fußschädel. Es dauerte nicht lange, da flog der Schädel in hohem Bogen genau auf den Hebel zu. Er traf ihn nur deshalb nicht, weil im letzten Moment die Kreisbahn dazwischen fuhr, so dass der Schädel vom Kopf des Endermans abprallte und ins Tor von Hakun und Kaus rollte. Es folgte eine mehrstündige Diskussion darüber, ob das Tor galt oder nicht, aber niemand hörte auf Primos Appelle, doch bitte auf der anderen Seite der Schlucht weiterzuspielen.

Die Vorfälle machten Primo endgültig klar, dass es nicht reichte, den Enderman zu fangen – man musste auch dafür sorgen, dass er nicht wieder entkommen konnte. Er schlug vor, eine große Pyramide aus Steinblöcken über dem Gleisoval zu errichten, oder wenigstens eine hohe Mauer darum herum zu bauen, um Schafe, Hühner und herumfliegende Schädel fernzuhalten. Doch Magolus verwahrte sich dagegen, den Blick auf „unsere neuste Dorfattraktion“ zu verbauen, und die anderen Dorfbewohner waren der Ansicht, so etwas verschandele die Landschaft.

Auch die Idee, Asimov mit dem Schutz der Kreisbahn zu beauftragen, scheiterte, denn der Golem behauptete, der Aufenthalt in der Nähe der starken, von der Bahn ausgehenden Magnetfelder sei schlecht für seine Schaltkreise, was immer das bedeuten mochte.

In seiner Verzweiflung wandte sich Primo an Lausius, von dem der Plan für die Kreisbahn stammte, doch der Alte hörte ihm wie üblich nicht zu und gab ihm keinen brauchbaren Rat. Selbst sein sonst so kluger Vater Porgo empfahl ihm nur, sich keine Sorgen zu machen. Der hatte gut reden! Er hatte ja nicht ins Ende und auf eine entlegene Insel voller Riesenpilze reisen müssen, um den bösen Enderman unschädlich zu machen. Auch seine Freundin Golina, sein bester Freund Kolle und dessen Freundin Marga hatten keinen besseren Vorschlag als „die Augen offenzuhalten“. Genau diese Aufgabe blieb am Ende bei ihm, Primo, hängen.

Also verbrachte er seitdem etliche Stunden jeden Tag und jede Nacht in der Nähe der Kreisbahn und achtete darauf, dass sich niemand dem Gleisoval auf weniger als zehn Schritte näherte – kein Dorfbewohner, kein Monster, keines der zahllosen Hühner, die im Dorf herumflatterten, keine von Hakuns Kühen, Jargas Schafen oder Olums Fischen (nicht, dass er schon einmal einen Fisch auf der Wiese hätte herumplatschen sehen, aber man konnte ja nie wissen). Kurz, er hatte alle Hände voll damit zu tun, eine Katastrophe zu verhindern, von der die Frage nicht war, ob sie passieren würde, sondern nur, wann.

Und jetzt auch noch Ruuna! Primo mag die Hexe, wobei er nicht ganz sicher ist, ob trotz oder wegen ihrer oft seltsamen Einfälle. Deshalb hat er sich gefreut, dass sie mal wieder mit Willert aus ihrer Hütte im Wald zu Besuch kam. Aber nun geht sie ihm mit ihrem Genörgel auf die Nerven. Ist denn wirklich keiner außer ihm in der Lage, zu sehen, welche Gefahr nach wie vor von dem Enderman ausgeht?

„Er lässt mich nicht mit der Kreisbahn fahren!“, mault Ruuna, als Willert, Kolle, Margi und Golina zur Kreisbahn kommen.

„Ich hab’s dir doch schon erklärt, meine Fledermaus“, sagt Willert. „Das geht nun mal nicht, solange der Enderman da drin sitzt.“

„Aber das ist es ja: Ich finde, der hat langsam genug.“

„Das können wir nicht riskieren. Primo hat recht: Niemand darf mit der Bahn fahren.“

„Das ist gemein!“

„Ach, hier bist du schon wieder“, sagt Golina. Sie wirkt angespannt, als sei sie wegen irgendetwas unzufrieden. „Wir warten alle auf dich. Wir wollten doch den Kuchen essen, den ich gebacken habe.“

„Du siehst ja, was hier los ist“, erwidert Primo.

„Findest du nicht, dass deine Faszination für diese Kreisbahn ein bisschen übertrieben ist? Ich kann ja verstehen, dass ihr Jungs euch für Technik begeistert, aber den ganzen Tag nur vor diesem Ding zu stehen und ihm dabei zuzugucken, wie es im Kreis herum fährt, muss doch sterbenslangweilig sein.“

Primo schüttelt nur traurig den Kopf. Es hat einfach keinen Sinn. Niemand versteht seine Sorgen – nicht einmal Golina.

„Na, wenigstens bist du beschäftigt, während du hier spielst, und kommst nicht wieder auf dumme Gedanken“, sagt sie.

„Dumme Gedanken? Was für dumme Gedanken? Und außerdem spiele ich nicht! Ich versuche lediglich, eine schreckliche ...“

„Du weißt genau, was ich meine. Sobald man dich mal für fünf Minuten aus den Augen lässt, fängst du irgendein Abenteuer an und bringst dich in tödliche Gefahr.“

„Aber das ist es ja gerade. Ich versuche doch, zu verhindern, dass ...“

„Schwöre mir, dass du das nie wieder tust!“, verlangt sie.

„Dass ich was nie wieder tue?“

„Abenteuer erleben!“

„Wie soll ich das denn schwören?“

Golina zieht eine Schnute. „Dachte ich‘s mir doch! Du stehst hier rum und glotzt dieses blöde Kreisding an, statt dich um mich zu kümmern, und insgeheim planst du wahrscheinlich schon wieder einen Ausflug an irgendeinen unerreichbaren Ort voller schrecklicher Monster!“

„Tu ich überhaupt nicht!“

 

„Dann schwöre es!“

„Aber Golina, man kann doch nicht schwören, dass man keine Abenteuer erleben wird!“

„Aber andere können es doch auch! Guck dir Hakun an, oder Olum. Die sind noch nie losgezogen, um ein Abenteuer zu erleben.“

„Haben sie das denn geschworen?“

„Was? Weiß ich nicht. Ist mir doch egal, ob sie es geschworen haben. Ich will, dass du es mir schwörst!“ Plötzlich glänzen Tränen in ihren Augen. „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht, als du auf dieser Pilzinsel warst. Niemand wusste, ob du noch lebst. Ich will das nie wieder erleben, nie wieder! Also entweder, du schwörst, dass du so etwas nie mehr machst, oder ...“

„Können wir jetzt endlich Kuchen essen, oder quatscht ihr beide da, bis die Sonne untergeht?“, unterbricht Ruuna sie.

Golina wirft der Hexe einen giftigen Blick zu, aber dann seufzt sie und sagt: „Na gut, komm!“

Primo blickt noch einmal sorgenvoll zu der Kreisbahn, bevor er ihr zum Haus ihrer Eltern folgt.

2. Ein Schwur mit Folgen

Der Kuchen, den Golina gebacken hat, ist ein wenig angebrannt und trocken, außerdem fehlt für Primos Geschmack etwas Zucker. Er hütet sich jedoch, zu meckern, sondern kaut brav auf seinem Stück herum, wobei er immer wieder flüchtige Blicke zur Haustür wirft, als könne er von hier aus sehen, ob sich jemand an der Kreisbahn zu schaffen macht. Nicht auszudenken, wenn irgendwer da draußen Unsinn treibt, während er hier sitzt und Kuchen isst ...

„Primo!“, klingt Golinas Stimme scharf. „Ich hab dich was gefragt!“

Er zuckt zusammen. „Was?“

„Ob es dir schmeckt!“

„Äh, ja.“

„‚Äh, ja?‘ Was soll denn das heißen?“

„Gut. Er schmeckt mir gut, dein Kuchen. Wirklich sehr lecker.“

Golina sieht ihn finster an, als wäre das die größte Beleidigung. „Das sagst du nur so!“, behauptet sie.

„Nein, nein, echt jetzt!“, widerspricht Primo. Kolle und Margi kommen ihm zu Hilfe, indem sie den Kuchen ebenfalls lautstark loben.

„Fast so gut wie mein streng geheimes Spezialrezept“, meint Ruuna.

Doch Golina ist offensichtlich noch nicht zufrieden. „Ich bin einfach eine schlechte Köchin“, seufzt sie.

„Überhaupt nicht!“, widersprechen alle.

„Außerdem, dass der Kuchen ein bisschen angebrannt ist, gibt ihm ein ganz besonderes Aroma!“, sagt Primo in dem etwas ungeschickten Versuch, sie aufzumuntern.

Golina macht große Augen. „Angebrannt? Der Kuchen ist angebrannt? Gerade hast du noch gesagt, er schmeckt dir!“

„Nur ... nur ein ganz kleines bisschen an den Ecken vielleicht“, stammelt Primo. „Das ist ja gerade das Gute daran!“

Jetzt sammeln sich Tränen in ihren Augen. „Das Gute daran ist, dass er verbrannt ist?“, ruft sie entgeistert. „Das ist doch wohl die Höhe! Ständig rennst du nur in der Welt herum und riskierst Kopf und Kragen oder spielst mit deiner Kreisbahn, und jetzt meckerst du auch noch über meinen Kuchen! Und wenn ich dich um einen kleinen Gefallen bitte, dann ist dir selbst das zu viel! Manchmal glaube ich, du liebst mich gar nicht wirklich!“ Sie springt auf und rennt aus dem Haus.

Alle sehen ihr betreten nach.

„Aber, ich ...“, beginnt Primo.

„Geh besser zu ihr, mein Sohn!“, rät ihm Porgo.

Verdattert folgt Primo dem Rat. Golina geht mit hängenden Schultern langsam die Dorfstraße entlang Richtung Kirche.

„Golina, warte doch!“

„Lass mich. Du willst mich bloß trösten.“

Primo weiß nicht, was er darauf antworten soll. Also sagt er einfach: „Es tut mir leid.“ Damit ist man meistens auf der sicheren Seite.

„Schon gut.“

„Was meintest du denn gerade mit dem Gefallen, den ich dir nicht tun will?“

„Das weißt du ganz genau.“

„Wenn ich es wüsste, würde ich dich doch nicht fragen.“

„Da sieht man mal wieder, wie du mir zuhörst.“

„Kannst du mir bitte noch einmal sagen, was das für ein Gefallen war, den ich dir tun sollte?“

Golina seufzt lange und laut. „Na gut. Ich hatte dich gebeten, mir zu schwören, dass du nie wieder ein Abenteuer haben wirst.“

„Das würde ich ja gerne“, sagt Primo. „Aber was, wenn ich das gar nicht selbst entscheiden kann? Was, wenn andere mir ein Abenteuer aufzwingen?“

„Wer sollte das denn tun?“

„Ich weiß es nicht. Aber ich hab mir die Abenteuer, die ich bisher erlebt habe, doch auch nicht ausgesucht. Die sind einfach passiert.“

„Dann hör eben auf damit, solche Sachen passieren zu lassen.“

„Na schön. Also gut, ich mach’s.“

Golina bleibt stehen und wendet sich zu ihm um. „Das würdest du für mich tun? Du würdest es mir wirklich schwören?“

„Ja, na gut, von mir aus. Ich schwöre dir ... He! Olum! Kaus! Was macht ihr denn da!“

Primo lässt die verdutzte Golina auf der Straße stehen und rennt, so schnell er kann, zur Kreisbahn. Dort stehen der Fischer und der Bauer im Kreisoval links und rechts neben dem Hebel und gestikulieren wild mit den Händen.

„Und ich sage dir, sie kann es nicht“, sagt Olum gerade.

„Kann sie doch!“, widerspricht Kaus.

„Hände weg von dem Hebel!“, brüllt Primo außer sich. „Was zum Nether macht ihr beide hier?“

„Der da behauptet, die Kreisbahn könne nicht andersherum fahren“, sagt Kaus.

„Das stimmt ja auch“, sagt Olum.

„Verschwindet, alle beide!“, brüllt Primo. „Oder ich werfe euch eigenhändig in die Schlucht!“ Um seiner Drohung mehr Gewicht zu verleihen, zieht er sein Eisenschwert.

„Jetzt reg dich mal nicht so auf!“, sagt Kaus. „Wir führen hier bloß eine gepflegte Diskussion.“

„Ja, und wir wollten nur gerade ein kleines Experiment machen.“

„Und dabei wolltet ihr bloß mal eben den Hebel umlegen, richtig?“

„Ja, aber nur ganz kurz“, gibt Olum zu. „Wir wollten bloß ausprobieren, ob die Bahn anders herum fährt, wenn man ihn in die andere Richtung klappt.“

„Ich sage dir, was passiert wäre, wenn ihr das getan hättet“, sagt Primo mit zitternder Stimme. „Die Bahn hätte angehalten, Artrax wäre befreit worden und hätte alle Knallschleicher und Nachtwandler in der ganzen Welt hierher beordert, um unser Dorf und alle Bewohner in die Luft zu sprengen.“

„Du musst ja nicht gleich übertreiben!“, sagt Olum, aber er macht doch sicherheitshalber einen Schritt weg von dem Hebel, was allerdings dazu führt, dass er beinahe von der rasenden Lore überfahren wird.

„Jetzt verschwindet von hier und wagt euch nie mehr auch nur in die Nähe der Kreisbahn!“

„Ja, ja, ist ja schon gut, beruhige dich, Primo!“, sagt Olum.

„Ts, die Jugend von heute, keinen Respekt mehr vor den Älteren!“, grummelt Kaus, während die beiden das Gleisoval verlassen.

Rasch kehrt Primo zu Golina zurück, die einsam auf der Dorfstraße steht und ihn entgeistert anblickt. Die Sonne steht inzwischen tief und lässt ihr Gesicht aufleuchten, als bestünde es aus purem Gold. Ihm stockt der Atem, so schön sieht sie in diesem Moment aus.

„Es tut mir leid, Golina. Ich musste bloß ...“

„Schon gut“, sagt sie. „Ich verstehe. Mit der Kreisbahn zu spielen ist nun mal wichtiger, als mir meine Herzenswünsche zu erfüllen.“

„Ist es überhaupt nicht. Aber wenn ich gerade nicht eingegriffen hätte, dann wäre das Dorf vielleicht ein zweites Mal zerstört worden. Willst du das etwa?“

„Siehst du, genau das ist das Problem“, sagt Golina, und Tränen kullern über ihre Wangen. „Immer denkst du, du musst das Dorf retten, und dann bringst du dich in Schwierigkeiten. Kannst du nicht endlich mal damit aufhören?“

Primo blickt sie geschockt an. Es ist doch nicht seine Schuld, wenn Olum und Kaus ... Doch dann begreift er, dass es im Grunde doch seine Schuld ist. Alles fing an, als er dem Fremden in den Wald gefolgt ist und Kolle und sich selbst in Lebensgefahr gebracht hat. Und dass Artrax dort in der Kreisbahn sitzt, ist auch nur dem Umstand zu verdanken, dass er das vermaledeite Drachenei ins Dorf brachte. Golina hat recht: Jedes Mal, wenn er versucht hat, alles gut zu machen, ist es bloß noch schlimmer geworden. Vielleicht sollte er wirklich damit aufhören. Vielleicht sollte es ihm einfach egal sein, ob Olum oder Kaus oder eines von Jargas Schafen oder ein Knallschleicher den Hebel umlegt und Artrax befreit. Wenn nur Golina aufhören würde, zu weinen!

Er legt einen Arm um sie. „Also gut, ich höre damit auf“, sagt er. „Ich schwöre es!“

Sie dreht sich zu ihm um und sieht ihn mit ihren strahlend blauen Augen an. „Du schwörst was?“

„Ich schwöre, dass ich nie wieder ein Abenteuer haben werde!“

Golinas Lippen heben sich zu einem wunderschönen, strahlenden Lächeln, gegen das die untergehende Sonne wie eine trübe Fackel wirkt. Dann küsst sie ihn, und die Welt scheint sich aufzulösen.

Plötzlich fühlt sich Primo schwerelos, so als durchschreite er ein Portal in eine andere Welt wie den Nether oder das Ende, nur dass diese Welt voller rosa Herzen zu sein scheint.

Nach einer Zeit, die eine Sekunde gewesen sein könnte oder ein ganzer Tag, löst sie sich von ihm.

„Das ... das war ... wunderschön!“, sagt er atemlos. „Ich liebe dich, Golina! Ich ...“

„Wääääh!“, macht es neben ihm.

Erschrocken fährt Primo herum. Dort steht ein winzig kleiner Dorfbewohner und blickt zu ihm auf. „Babba!“, sagt das Kind.

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