Free

Winnetou 3

Text
Author:
iOSAndroidWindows Phone
Where should the link to the app be sent?
Do not close this window until you have entered the code on your mobile device
RetryLink sent

At the request of the copyright holder, this book is not available to be downloaded as a file.

However, you can read it in our mobile apps (even offline) and online on the LitRes website

Mark as finished
Font:Smaller АаLarger Aa

»Wenn Ihr die Sache so darstellt, so wird sie allerdings ein wenig einleuchtender. Aber die Straße ist doch so befahren, beritten und auch begangen, daß zu jeder Zeit Leute in der Nähe sind, von denen Hilfe zu erwarten ist!«



»Meint Ihr! Was hindert die Schelme, grad einen Augenblick abzuwarten, an dem dies nicht der Fall ist?«



»So erzählt das Ding nur richtig der Reihe nach, damit man daraus klug werden kann!«



»Ganz, wie es Euch beliebt, Mann! Also wir hatten da droben am Pyramidensee ein Plazer gefunden, wie es kein besseres und reichhaltigeres geben kann, und Ihr müßt es eben einmal glauben, daß nach acht Wochen ein jeder von uns Vieren seinen Zentner Staub und Nuggets beisammen hatte. Weiter ging es nicht, denn der Platz war ausgewaschen, und zwei von uns hatten die Kälte in die Gelenke bekommen. Es ist eben kein Leichtes, von früh bis Abend bis über die Hüften im Wasser zu stehen, um die Batea zu schütteln. Wir packten also zusammen und gingen zurück bis in den Yellow-water-ground, wo wir unsere Ausbeute an einen Yankee verkauften, der ein Beträchtliches mehr bezahlte, als die Schurken von Tauschhändler, bei denen man für eine Unze reines Gold ein Pfund schlechtes Mehl oder ein halbes Pfund noch schlechteren Tabak bekommt. Aber der Mann hat dennoch Geschäfte gemacht; ich glaube, er hieß Marshall und war in Kentucky oder da herum zu Hause.«



Schnell drehte sich Bernard um.



»Ist er noch dort an diesem Platze?« fragte er.



»Weiß es nicht, geht mich auch nichts an. Aber laßt mich in Ruhe mit unnützen Fragen; denn wenn ich das Ding wirklich so der Reihe nach erzählen soll, wie es dieser Mann hier verlangt hat, so darf ich nicht gestört werden! Also dieser Marshall, Allan Marshall hieß er wohl, kaufte uns ab, was wir hatten. Wären wir nun klug gewesen, so hätten wir uns auf die Beine gemacht. Aber erstens wollten wir uns zunächst von den gehabten Strapazen ausruhen – denn unsere Kranken bedurften der Pflege – und zweitens war auch nicht gerade eine passende Reisegelegenheit da. Man munkelte so mancherlei von Raubanfällen und nannte sogar die Namen verschiedener Männer, welche die Diggins verlassen hatten und niemals in Sacramento oder San Francisco angekommen sind.«



»War dies wahr?«



»Werdet es hören! So warteten wir einige Wochen; aber das Leben da oben ist ganz verteufelt teuer, und da man wußte, daß wir keine leeren Taschen hatten, so bestand unser ganzes Vergnügen in einer immerwährenden Retirade vor falschen Spielern und ähnlichem Ungeziefer, welches uns stündlich umschwärmte. Auch war es mit den Gelenken der beiden Kameraden ein wenig besser geworden, und so beschlossen wir, nicht länger zu warten, sondern schlossen uns fünf Männern an, welche ebenso wie wir nicht mehr bleiben wollten. Wir waren also neun Personen und mieteten uns die nötigen Maultiere, wodurch unsere Anzahl um sechs Tropeiros vermehrt wurde. Bewaffnet waren wir Alle vorzüglich, auch die Tropeiros, von denen übrigens jeder Einzelne das Aussehen hatte, als ob er es recht gut mit zehn Gegnern aufnehmen werde. Die Reise wurde angetreten und ging im ganzen auch recht gut von statten; aber es begann so anhaltend zu regnen, daß sich das Fieber wieder einstellte. Übrigens weichte das Wasser den Weg in der Weise auf, daß nur außerordentlich schwer fortzukommen war. Wir legten an einem vollen Tage kaum acht Meilen zurück und waren des Nachts selbst in unseren Zelten nicht sicher vor der Flut, die vom Himmel stürzte, als ob jemand da oben eine Wolke umgeworfen hätte. Dadurch wurde das Fieber immer schlimmer, so daß wir die Kranken während des Rittes auf die Maultiere binden mußten.«



»Verdammt schlechte Geschichte,« meinte einer der Umsitzenden. »Habe solche Staupen auch durchgemacht und weiß sehr genau, wie einem dabei zu Mute ist!«



»Well! Also hatten wir ungefähr zwei Dritteile des Weges zurückgelegt und des Abends einen Lagerplatz gesucht. Wir waren beschäftigt, die Zelte aufzuschlagen, und schürten ein Feuer, welches groß genug war, die Gegend tageshell zu erleuchten. Da plötzlich krachte eine Salve rundherum. Ich kniete eben im Schatten eines Zeltes am Boden und war daran, eine Leine an den Pflock zu binden, weswegen man mich nicht gesehen hatte. Schnell fuhr ich in die Höhe und zwar grad zur rechten Zeit, um unsere Tropeiros aufsitzen und die Flucht ergreifen zu sehen. Das geschah aber mit solcher Gelassenheit, daß sie von den Bravos zehnmal hätten niedergeschossen werden können. Ich war im Begriffe gewesen, die Büchse zu erheben; aber was ich sah, hielt mich davon ab. Die Kugeln der acht Räuber hatten ihr Ziel so sicher getroffen, daß die fünf Gesunden, welche beim Scheine der Flamme gearbeitet hatten, tot am Boden lagen, und grad in dem Augenblick, als ich nach der Büchse griff, wurden die drei Kranken niedergemacht. Ich war also ganz allein am Leben. Was hättet Ihr in dieser Lage getan, he?«



»Damn Ich hätte mich auf sie geworfen und getan, was in meinen Kräften stand!« meinte Einer.



»Nein, ich hätte einige von ihnen mit meiner Kugel weggeputzt,« versicherte ein Anderer.



»Sehr gut!« antwortete der Erzähler. »Das sagt ihr, getan aber hättet ihr Alle nur das, was ich auch tat. Mich auf sie zu stürzen, das wäre Wahnsinn gewesen; auf sie zu schießen, war ebensowenig geraten, denn dann wäre ich auch verloren gewesen. Es durfte kein Zeuge des Überfalles leben bleiben, das verstand sich ja ganz von selbst; darum hätten sie mich verfolgt, so weit ich nur laufen mochte, und getötet hätte ich doch nur einen oder zwei.«



»Nun, was tatet Ihr denn?«



»Mein Geld hatte ich in guten Papieren in der Tasche; mein Maultier war unweit der Zelte bei den übrigen Tieren angebunden. Ich schlich mich also, als die Schurken eben die Zelte untersuchten, hinzu und band es los. Da stieß einer von ihnen einen Pfiff aus; ich hörte ein Getrappel, und – was denkt ihr, was geschah?«



»Nun?«



»Die Tropeiros kehrten zurück. Sie hatten uns an die Halunken verraten und sollten nun ihren Teil von der Beute erhalten. Jetzt waren die Schufte vierzehn Mann stark. Ich setzte mich auf mein Tier und galoppierte davon, so schnell es laufen konnte. Zu meinem Glück war es ein sehr sanftmütiges Geschöpf und kein so obstinates Viehzeug, wie man sie unter dieser Gattung so häufig trifft. Ich hörte zwar laute Flüche und einen tüchtigen Lärm hinter mir; dann vernahm ich auch Hufschlag, aber es war dunkel, und ich entkam glücklich.«



»Und nachher?«



»Was nachher! Ich habe gemacht, daß ich nach San Francisco kam, und bin froh, mit heiler Haut hier zu sitzen und mein Glas Porter hinunter zu schlürfen.«



»Habt Ihr keinen von den Bravos erkannt?«



»Sie trugen schwarze Masken. Nur als der Eine, welcher der Anführer zu sein schien, den Finger in den Mund steckte, um zu pfeifen, nahm er den Lappen herunter, und ich konnte also seine Physiognomie sehen. Ich würde den Kerl sicher sofort wieder erkennen, wenn er mir einmal vor die Augen käme. Es war ein Mulatte, und er hatte über die rechte Wange eine Wunde, die von einem Messerschnitt herrühren mußte.«



»Und die Tropeiros?«



»Würde ich alle wieder erkennen, aber ich komme ja nicht wieder hinauf in jene Hölle, in welcher der Teufel sein Gold siedet und schmilzt, um die Seelen in Tod und Verderben zu locken.«



»Wie heißt der Mulero? Es ist oft gut, wenn man den Namen eines solchen Ehrenmannes kennt!«



»Er nennt sich Sanchez, wird aber wohl früher schon einen oder einige andere Namen gehabt haben. Ich schätze, daß die meisten dieser Schurken zu den HoundsSo wurden die Diebe und Mörder genannt, welche zu San Francisco in den berüchtigten Sidney-Coves eine förmliche Gewaltherrschaft errichtet hatten und nur durch das Zusammentreten der Einwohner selbst vertrieben werden konnten. gehören, welche Francisco über die sämtlichen Minendistrikte ausgespieen hat, und die nun als Agenten, Tropeiros, Muleros und Räuber einander in die Hände arbeiten. Es wäre am besten, die Miners bildeten, wie damals in San Francisco, ein Vigilance-Comité, welches die Verfolgung und Ausrottung dieser Banden übernehmen könnte, bis in den Plazers bessere Zustände zu herrschen beginnen. So, jetzt habe ich alles der Reihe nach erzählt, und ich bin fertig.«



»Wenn das ist,« meinte Bernard, »so erlaubt Ihr mir wohl, mich noch einmal nach jenem Allan Marshall zu erkundigen, von dem Ihr vorhin gesprochen habt; er ist mein Bruder.«



»Euer Bruder? Wahrhaftig, mir scheint, daß Ihr ihm ähnlich seht! Da sagt also, was Ihr von ihm wissen wollt!«



»Alles, was Ihr selbst von ihm wißt. Wie lange ist es her, daß Ihr ihn zum letztenmal gesehen habt?«



»Nun wohl an die fünf Wochen!«



»Meint Ihr, daß er sich noch im Yellow-water-ground befinden wird?«



»Weiß es nicht. Da oben in den Minen ist man heut da und morgen dort, obgleich man sich heut vorgenommen hat, gewißlich nicht fortzugehen.«



»Er hat mir nie geschrieben, obgleich er meine Briefe erhalten hat.«



»Das dürft Ihr nicht für so sicher annehmen. Denkt nur an das, was ich jetzt erzählt habe! Gibt es eine Post von hier hinauf in die Minen? Ja; aber was Ihr so nennt, das ist keine Post. Ich sage Euch, es wird mancher Brief hinauf und herunter geschickt und kommt nie in die Hand, die ihn öffnen soll. Ihr kommt dort oben in eine Taverne, und der Wirt gehört zu den Hounds; Ihr geht in einen Store, und der Krämer ist ein Hound; Ihr spielt mit drei Männern Monte, und einer, vielleicht auch zwei oder gar alle drei sind Hounds; Ihr arbeitet mit Einem gemeinschaftlich an Eurem Plazer, und er ist ein Hound, der Euch entweder abnimmt, was Ihr ausbeutet, oder wenn Ihr ihm zu stark und wachsam seid, Euch an die Bravos verraten wird, um wenigstens einen Teil Eures Eigentums zu erhalten; bei der Platzdeputation sind Hounds, überall sind Hounds; warum sollten nicht auch bei der Post Hounds sein, denen daran liegt, Verschiedenes nicht an die Adresse gelangen zu lassen!«

 



Das war nun allerdings keine reizende Auseinandersetzung für die an den Minen herrschenden Verhältnisse.



»Wollt Ihr hinauf zu dem Bruder?«



»Allerdings.«



»Well, so will ich Euch einen guten Rat geben. Ob Ihr ihn befolgen werdet, das ist Eure Sache. Von hier aus führen nämlich zwei Wege nach den verschiedenen Minendistrikten; der eine geht ganz südlich nach einem Bergstriche, den man Neu-Almaden nennt, wo man eine große Masse von Quecksilber und natürlichem Zinnober findet; der andere aber geht fast genau nach Norden und nur mit einer geringen Neigung gegen Ost zu den noch viel berühmteren Goldgegenden von Sacramento. Wißt Ihr, wo in dieser letzteren Gegend der Yellow-water-ground liegt?«



»Ich weiß bisher nur, daß er ein Seitental des Sacramento bildet; weiter nichts.«



»Der Weg geht drei Vierteile um die Bai von Francisco herum und dann über den Rio San Joaquin hinüber oder hinauf nach dem Sacramento-Tale. Hier braucht Ihr nur immer aufwärts zu gehen und könnt von jedem Begegnenden oder an jedem Plazer erfahren, wo Euer Ziel zu finden ist. Wenn Ihr nicht viel Gepäck bei Euch habt, mögt Ihr in fünf Tagen hingelangen. Von diesem Wege aber rate ich Euch ab.«



»Warum?«



»Erstens ist es zwar der bequemere, aber nicht der kürzere. Zweitens wird grad er durch diese Hounds ganz außerordentlich unsicher gemacht. Allerdings fallen sie lieber die von den Minen Kommenden als die dorthin Gehenden an, aber man weiß doch nicht, ob sie nicht vielleicht einmal das Gegenteil tun. Und endlich drittens ist dieser Weg gepflastert, und zwar mit Dollars, welche man den Reisenden förmlich aus der Tasche zieht. In den Gasthäusern ist man bereits in der Kultur so weit vorgeschritten, daß man Rechnungen schreibt. Aber ein solches Ding ist leichter zu lesen, als zu bezahlen. Ihr zahlt da: für das Zimmer einen Dollar – und schlaft im Hofe; für das Bett einen Dollar – und bekommt zwei Hände voll altes Stroh; für Licht einen Dollar – und habt den Mond zur Laterne; für Bedienung einen Dollar – und habt keinen Help zu sehen bekommen; für das Waschbecken einen Dollar – und müßt Euch im Sacramento waschen; für ein Handtuch einen Dollar – und wischt Euch an Euern eigenen Jagdrock. Der einzige Posten, den man bezahlt und wirklich auch bekommt, ist: für die Rechnung einen Dollar. Wie gefällt Euch das, Master Marshall?«



»Nicht übel!«



»Meine es auch. Darum werde ich Euch einen anderen und besseren Weg sagen, auf dem Ihr, wenn Ihr gut beritten seid, den Yellow-water-ground in vier Tagen erreichen könnt. Ihr setzt mit der Fähre über die Bai und haltet von da aus grad nach San John, wendet Euch dann nach Osten, und wenn Ihr den Sacramento erreicht, seid Ihr auch am Ziele, wenigstens ganz in der Nähe desselben. Wasserläufe, die Euch in dieser Richtung führen, gibt es genug.«



»Danke, Sir! Ich werde Euern Rat befolgen.«



»Well! Und wenn Ihr dann am Sacramento oder irgendwo einen Mulatten trefft, der einen Schnitt über die rechte Wange hat, so gebt ihm Euer Messer oder Eure Kugel zu kosten, denn ich sage Euch, daß Ihr ein gutes Werk tut!«



Mittlerweile war die Zeit des Abendessens herangerückt, und Gustel kam, um uns zu benachrichtigen. Sie führte uns in ein Nebenzimmer, wo gedeckt war, als ob eine Gesellschaft spanischer Granden gespeist werden sollte. Donna Elvira erwartete uns bereits. Der Wirt war nicht zu sehen. Sie empfing ihre Gäste, welche ich ihr natürlich mit der nötigen Grandezza vorstellte, ganz mit der Miene einer Herrscherin, die eine Gnadenaudienz erteilt, und machte die Honneurs mit einer Würde, wie sie ein indischer Fürst nicht besser zuwege gebracht hätte.



Da ihr daran lag, möglichst zu imponieren, so bewegte sich die Unterhaltung zunächst in allerdings höchst drastischer Weise auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft, später aber, als wir mit der gehörigen Hochachtung erfüllt schienen, gab sie dem Interesse für unsere Persönlichkeiten und Verhältnisse Raum, und wir mußten ihr unsere Erlebnisse erzählen.



Als sie die Tafel aufhob, sagte sie:



»Sennores, ich hoffe, euch bewiesen zu haben, daß ich euch meinen andern Gästen vorziehe, und denke, daß es euch bei mir recht lange gefallen soll!«



»Donna Elvira de Gonzalez, wir danken Euch für Eure Güte,« antwortete ich. »Wir werden allerdings längere Zeit in Eurem gastlichen Hause verweilen, aber nicht jetzt, denn wir müssen schon morgen in der Frühe zunächst noch einen kleinen Abstecher machen.«



»Wohin, Sennor?«



»Nach dem Sacramento, um Allan aufzusuchen, den wir Euch bringen werden.«



»Recht so, Sennores! Nehmt euch von mir Alles mit, was ihr braucht; berechnen werde ich es später; und wenn ihr einen Wunsch noch habt, so wendet euch nur an Augusta. Natürlich hoffe ich, daß ihr mir a dios sagen werdet, ehe ihr morgen fortgeht!«



Sie rauschte hinaus, und wir folgten ihr, um nach unsern Pferden zu sehen und uns dann zur Ruhe zu begeben. Am andern Morgen schwammen wir bereits mit der Fähre über die Bai und stiegen an der San Francisco gegenüberliegenden Landzunge aus.



Wir folgten ganz der Richtung, welche uns der Goldsucher angedeutet hatte, erreichten am Abend des dritten Tages die Höhen von San John und wandten uns dann gegen Sonnenaufgang. Am andern Mittag ritten wir in das Tal des Sacramento nieder und fanden nun auf jedem Schritt zahlreiche Spuren jener fieberhaften Tätigkeit, welche überall die Erde aufgewühlt hatte, um nach dem deadly dust zu suchen, dessen Glanz das Auge blendet, die Sinne verwirrt und das Herz betört.



Es ist so viel über diese Arbeit geschrieben und gesprochen worden, daß ich mich einer Bemerkung über sie enthalte; aber ich muß gestehen, das Goldfieber ergreift auch den nüchternsten Mann, sobald er jene Gegend betritt und sich von den Männern umgeben sieht, die – oft mit hohlen Wangen und meist mit Lumpen umhüllt – ihre Gesundheit und vielleicht auch ihr Leben opfern, um – schnell reich zu werden, und diesen Reichtum, wenn sie ja so ›glücklich‹ sein sollten, ihn zu erlangen, oft ebenso schnell wieder verlieren. Sie arbeiten häufig monatelang mit Aufbietung aller ihrer Kräfte, ohne einen nennenswerten Erfolg zu sehen; Flüche und Verwünschungen begleiten jeden Griff, den sie tun; das blasse Gespenst des Hungers, der Not, der Verzweiflung tritt an sie heran, und schon wollen sie die ermattete, zitternde Hand abziehen, da verbreitet sich das Gerücht von einem außerordentlichen Fund, den irgend jemand irgendwo gemacht hat oder gemacht haben soll, und sie legen wieder Hand an die Batea, um der gewaltigen Epidemie von neuem zum Opfer zu werden.



Am Abend erreichten wir den Yellow-water-ground. Es war ein langes, schmales Tal, welches einen dünnen Wasserlauf dem Sacramento zuführte. Von seinem obersten bis zum untersten Punkte aufgewühlt, ließ es die einzelnen Plazers deutlich erkennen. Erdhütten und Zelte gab es genug, und dennoch sah man auf den ersten Blick, daß die Glanzperiode dieses Teiles der Minen vorüber war.



Ungefähr in der Mitte des Tales stand eine niedrige, aber breite und tiefe Bretterbude, über deren Eingang mit Kreide die Worte › Store and boarding-house of yellow-water-ground‹ geschrieben waren. Der Wirt dieses Wohn-, Kauf- und Trinkladens war wohl am besten imstande, uns Auskunft zu erteilen. Wir stiegen also ab, ließen Bob bei den Pferden und traten ein.



Die roh gezimmerten Bänke und Tische waren teils von elend, teils von verwegen aussehenden Gestalten besetzt, welche uns neugierig betrachteten.



»Neue Miners!« lachte Einer. »Werden vielleicht mehr finden als wir. Komm her, Rothaut, und tu‘ einen ›Drink‹ mit mir!«



Winnetou tat, als ob er die Aufforderung gar nicht gehört habe. Da erhob sich der Mann von seinem Sitze, nahm das Schnapsglas zur Hand und trat mit herausfordernder Miene auf ihn zu.



»Schuft, weißt du nicht, daß es die größte Beleidigung für einen Miner ist, wenn man ihm den Drink ausschlägt? Ich frage dich, ob du trinken willst und auch ›einen‹ zum besten geben wirst?«



»Der rote Krieger trinkt kein Feuerwasser, doch will er den weißen Mann nicht beleidigen!«



»So fahre zum Teufel!«



Der Miner schleuderte das Glas samt dem Branntwein dem Apachen in das Gesicht, riß das Messer heraus und tat einen Sprung, um es Winnetou in das Herz zu stoßen; er taumelte aber mit einem lauten Schrei zurück und stürzte röchelnd zu Boden. Der Apache besaß auch ein Messer – er hielt es noch in der Hand – die Klinge blank wie zuvor; es war nur den zehnten Teil einer Sekunde im Leibe des Miners gewesen; dieser aber lag mit zerstochenem Herzen am Boden.



Sofort erhoben sich die Andern. In ihren Fäusten funkelten die Messer. Aber auch unsere Büchsen lagen schon an den Wangen, und sogar Bob, der zufällig zur Tür hereingesehen hatte, stand unter derselben und hatte sein Gewehr schußfertig.



»Stopp!« rief da der Wirt. »Setzt euch, ihr Leute; die Sache war nicht die eure; sie geht euch nichts an; sie war nur zwischen Jim und dem Indianer auszumachen, und sie ist ausgemacht. Nell, schaffe den Toten fort!«



Die Miners setzten sich; unsere drohende Haltung schien ebensoviel Einfluß auf sie auszuüben, wie die Worte des Wirtes. Hinter dem Büffet aber trat der Barkeeper hervor, nahm den Toten auf die Achsel und trug ihn hinaus, um ihn, wie wir dann bemerkten, in eine verlassene Grube zu legen und ein wenig Erde darauf zu werfen. Dieser Jim war auch hierher gekommen, um Gold zu suchen, und hatte, durch seine eigene Schuld, den Tod gefunden – deadly dust! Wie oft mochten sich ähnliche Auftritte in den Minen wiederholen!



Wir nahmen, abgesondert von den Übrigen, Platz.



»Was trinkt ihr, Mesch‘schurs?« fragte der Wirt.



»Bier,« antwortete Bernard.



»Porter oder Ale?«



»Was besser ist!«



»Dann nehmt Ale, Mesch‘schurs! Es ist echtes Burton-Ale aus Burton in Staffordshire.«



Ich war ein wenig neugierig auf diesen Trank, der aus England und dazu von dem Orte, welcher wegen des besten Bieres weltberühmt ist, nach dem Sacramento gekommen sein sollte. Wir bekamen fünf Flaschen, von denen ich gleich eine nahm, um sie Bob hinauszutragen. Er steckte den Hals der Bottle in den Mund, daß ich dachte, derselbe müsse ihm bis hinab in den Magen reichen, und leerte sie auf einen Zug. Kaum aber hatte er das Gefäß wieder herausgezogen, so verdrehte er die Augen, riß den Mund auf, daß derselbe drei Vierteile des Gesichtes einnahm, und stieß einen Laut aus, wie ein Schiffbrüchiger, der zum letzten Male über das Wasser kommt.



»Was ist‘s?« fragte ich, in der Meinung, er habe sich mit dem Halse der Flasche den Gaumen verletzt.



»Massa, oh, ah, Bob sterben! Bob haben getrunken Gift!«



»Gift? Es ist ja englisches Ale!«



»Ale? Nein, oh, nein! Bob kennen Ale. Bob haben getrunken Gift; Bob fühlen in Mund und Leib Arsen‘ und Tollkirsch‘!«



Unser guter Neger war kein Feinschmecker; wie also mußte dieses Ale erst einem raffinierten Gaumen munden! Ich trat wieder in den Store und kam grad recht, um die Frage des Wirtes zu hören:



»Könnt ihr auch zahlen, Mesch‘schurs?«



Bernard machte eine sehr beleidigte Miene und griff in die Tasche.



»Halt, Master Bernard!« meinte Sam. »Diese Rechnung werde ich abmachen. Was kostet das Bier?«



»Die Bottle drei Dollars, macht fünfzehn Dollars.«



»Das ist billig, Mann, zumal man die Bottle mitbekommt, nicht wahr?«



»Allerdings.«



»Wir werden sie Euch aber hier lassen, denn Leute, welche Plazers wissen, in denen das Gold sozusagen in schweren Stufen zutage tritt, brauchen sich um ein Stückchen Glas nicht zu kümmern. Holt Eure Wage!«



»Wollt Ihr in Gold bezahlen?«



»Ja.«



Sam öffnete seinen Kugelbeutel und zog einige Nuggets hervor, von denen eines die Größe eines Taubeneies hatte.



»Alle Wetter, Mann, wo habt Ihr diese Stücke gefunden?« fragte der Wirt.



»Auf meinem Plazer.«



»Und wo ist das?«



»In Amerika ungefähr. Ich habe zum Beispiel ein schlechtes Gedächtnis und besinne mich auf den Ort gewöhnlich nur dann, wenn ich selbst etwas Gold brauche.«



Der Wirt mußte diese Zurechtweisung einstecken; aber seine Augen funkelten vor Begierde, als er eines der Nuggets abwog und den Überschuß in Geld herausgab. Er nahm das Gold zu einem sehr niedrigen Preise, und seine Wage mochte auch wohl einige kleine Eigentümlichkeiten besitzen; Sam aber steckte das herausbekommene Geld mit der Miene eines Mannes ein, dem es auf eine Unze mehr oder weniger nicht ankommt. Er hatte, ohne daß die Andern etwas davon ahnten, zwischen seinen Kugeln ein ganz allerliebstes Sümmchen mit sich herumgetragen, und ich mußte jetzt an seine bei unserem ersten Zusammentreffen gemachte Bemerkung denken, daß er in den Bergen genug Gold wisse, um einen Freund damit reich zu machen.



Jetzt wurde das Bier gekostet. Wären wir direkt aus der Savanne hierher gekommen, so hätten wir es vielleicht genießen können; da wir unsere zerrütteten Gaumen aber im Hotel Valladolid bei der gastfreundlichen Donna Elvira bereits wieder hergestellt hatten, so war das Zeug auf keinen Fall hinunterzubringen. Es war klar, der Mann kochte sich sein Ale aus irgend welchen Kräutern und Zutaten selbst zusammen und verkaufte es – die Flasche zu drei Dollars. Dies ist eins von den vielen Beispielen, daß in den Minen nicht immer der Goldsucher auch der Goldfinder ist.

 



Übrigens schien sich der Wirt mit der ihm von Sam gewordenen Zurechtweisung keineswegs zufrieden zu geben. Er setzte sich vielmehr zu uns und erkundigte sich weiter:



»Ist das Plazer, welches Ihr wißt, sehr weit von hier, Sir?«



»Welches? Ich weiß deren vier oder fünf.«



»Vier oder fünf? Unmöglich! Denn sonst würdet Ihr nicht nach diesem traurigen Yellow-water-ground kommen, wo fast gar nichts mehr gefunden wird.«



»Ob Ihr‘s glaubt oder nicht, das ist zum Beispiel Eure Sache!«



»Und Ihr nehmt Euch bloß immer so viel hinweg, als Ihr braucht?«



»Ja.«



»Welcher Leichtsinn, welche Unvorsichtigkeit! Wenn nun Andere kommen und Euch wegnehmen, was Ihr Euch sichern könntet!«



»Das geschieht nicht, Master Ale-man!«



»Ich will Euch eines von diesen Plazers abkaufen, Sir!«



»Könnt Ihr gar nicht bezahlen! Oder hättet Ihr genug, um fünfzig oder sechzig Zentner Gold mit Dollars oder Noten aufzuwiegen?«



»Alle Wetter! So viel? Man müßte sich einen Compagnon anschaffen oder auch zwei und drei; hm, so einen zum Beispiel, wie dieser Allan Marshall war, der mit einigen tausend Dollars hergekommen und mit einem wirklichen Reichtum fortgegangen ist. Der verstand sein Fach!«



»Wie?«



»Er hatte einen Gehilfen, den er zurückgelassen hat, weil er von ihm bestohlen wurde. Dieser hat alles erzählt. Den Staub und die kleineren Körner hat er in Sacramento zu Banknoten gemacht und die größten Nuggets in seinem Zelte vergraben. Dann war er plötzlich verschwunden, man weiß nicht wie und auch nicht wohin.«



»Hatte er Tiere in seinem Besitze?«



»Nur ein Pferd. Übrigens wurde er vorgestern gesucht.«



»Ah! Von wem?«



»Von drei Männern – zwei Weiße und ein Mulatte – die sich bei mir nach ihm erkundigten. Auch Ihr scheint ihn zu kennen?«



»Ein wenig, und darum wollten wir auch zu ihm. Wo gingen die Drei dann hin?«



»Sie suchten den Ort auf, wo sein Zelt gestanden hat; dann kamen sie zurück und saßen lange bei einem Stücke Papier, welches sie dort gefunden haben mußten. Ich sah einmal von ungefähr darauf und bemerkte, daß es eine Landkarte oder ein Plan sein müsse.«



»Und dann?«



»Fragten sie nach dem Short-Rivulet-Tale. Ich beschrieb es ihnen und den Weg dahin, und diesen haben sie auch eingeschlagen.«



»Den Short-Rivulet werden sie von hier aus nach einer bloßen Beschreibung schwerlich finden!«



»Kennt Ihr ihn?«



»Ich war einmal dort. Könnt Ihr uns den Platz nicht zeigen, wo das Zelt gestanden hat?«



»Ihr könnt ihn von hier aus sehen. Dort rechts am Hange bei den Dornsträuchern. Wenn Ihr hinkommt, bemerkt Ihr gleich die Feuerstelle und das Übrige.«



»Und wie heißt der Mann, der sein Diener gewesen ist?«



»Fred Buller. Er arbeitet im zweiten Plazer links, von oben herunter.«



Ich winkte Bernard. Wir verließen miteinander den Store und schritten den Bach hinauf. Bei dem angegebenen Plazer blieben wir halten. Es arbeiteten nur zwei Männer da.



»Good day, Mesch‘schurs! Ist hier bei euch ein Master Buller zu finden?« fragte ich.



»Yes, Sir; der bin ich!« antwortete der Eine.



»Habt Ihr Zeit, mir auf einige Fragen zu antworten?«



»Vielleicht, wenn es gut lohnt. Bei dieser Arbeit kostet jede Minute ihr Geld.«



»Wie viel Geld wollt Ihr für zehn Minuten?«



»Drei Dollars.«



»Hier habt Ihr sie!« sagte Marshall, ihm die Summe hinreichend.



»Danke, Sir; Ihr scheint mir generöse Gentlemen zu sein.«



»Vielleicht verspürt Ihr noch mehr von dieser Generosität, wenn Ihr unsere Fragen gut beantwortet!« suchte ich ihn zu ködern.



»‘ Well, Sir; so fragt einmal!«



Dem Menschen sah der Spitzbube aus den Augen, Wie sollte ich ihn packen? Ich entschloß mich schnell, auch einmal den Halunken zu spielen:



»Wollt Ihr nicht ein wenig abseits mit uns kommen?«



»Alle Teufel, Sir; Ihr scheint gute Waffen zu haben!«



Aha, der Kerl hat ein böses Gewissen!



»Gute Waffen für unsere Feinde und g