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Waldröschen I. Die Tochter des Granden

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Sie stockte errötend und fuhr nicht weiter fort, denn es klopfte soeben an die Tür, und es trat der Diener herein, den sie bereits zweimal gesehen hatte. Er verbeugte sich vor den beiden mit ausgesuchter Höflichkeit und meldete:

»Señorita, ich werde von Señor Cortejo, dem Haushofmeister des Herzogs von Olsunna, gesandt, Ihnen dieses Kuvert zu übergeben.« – »Warten Sie auf Antwort?« – »Nein. Leben Sie wohl.«

Er ging. Die Gouvernante erwartete, daß das Kuvert eine schriftliche Mitteilung enthalte, als sie es jedoch öffnete, fiel ihr eine Anzahl Banknoten in die Hand.

»Vierhundert Duros«, sagte Sternau, der mit den Augen auch gezählt hatte. – »Dreihundertfünfundzwanzig erwartete ich bloß«, meinte sie. »Ach, ich bin ja unendlich glücklich, meiner Mutter eine Summe schicken zu können!«

Er preßte die Lippen zusammen.

»Ich wünsche Ihnen von ganzen Herzen, daß Sie so glücklich bleiben. Hätte ich ein Recht dazu, so würde ich Sie bitten, dieses Geld einfach zurückzusenden.« – »Sie sehen zu schwarz, ich fürchte nichts!« – »So werden Sie also morgen dieses Haus verlassen und Ihren Ansprüchen an Salmonno entsagen?« – Ja.« – »Sie haben noch Gehalt bei ihm zu stehen?« – »Gerade fünfzig Duros, außer dem, was ich für das angetretene Vierteljahr zu erhalten habe.« – »Wollen Sie mir erlauben, an Ihrer Stelle mit dem Bankier zu sprechen?« – »Ich bitte Sie darum, Herr Sternau! Ich scheue mich vor dieser Art Verhandlungen.« – »Ich werde sogleich zu ihm gehen.«

Sternau verließ das Zimmer. Draußen blieb er stehen und legte die Hand auf das Herz, er fühlte das erregte Klopfen desselben durch die Kleidung hindurch.

»Mein Gott, sie geht; sie ist verloren!« murmelte er. »Das Geld hat sie verblendet, und ich habe nicht genug Einfluß auf sie, um sie zu retten! Welch ein Jammer, welch eine Qual!«

»Nun, was haben Sie erreicht?« fragte die Gouvernante, als Sternau nach kurzer Zeit zurückkehrte. – »Mehr, als ich dachte. Hier haben Sie!«

Er legte ihr das Geld vor.

»Hundertfünfzig Duros!« rief sie staunend. »Wie haben Sie ihn dazu bringen können?« – »Er hat sich überlisten lassen«, lächelte er. »Bitte, unterzeichnen Sie diese beiden Reverse.« – »Wozu?« – »Wenn er hört, daß Sie sofort in eine neue Stellung gegangen sind, ist er imstande, das vorausbezahlte Gehalt wieder zurückzuverlangen. Hier aber erklärt er, daß er keinerlei Forderungen an Sie zu machen hat.«

Sie unterschrieb.

»Den einen Revers behalten Sie, und den anderen bekommt Salmonno. Ihn habe ich überlistet, gegen Sie jedoch will ich ehrlich sein. Wollen Sie mir eine sehr große Bitte erfüllen?« – »Wenn ich kann, herzlich gern.« – »Sie haben vorhin eine Summe erhalten, die für Ihre gegenwärtigen Bedürfnisse ausreicht?« – »Allerdings, Herr Sternau.« – »Geben Sie mir diese hundertfünfzig Duros! Ich brauche sie sehr nötig und zahle sie Ihnen zurück, sobald es mir möglich ist oder sobald Sie diese Summe notwendig brauchen!«

Sie blickte ihn überrascht an. Er war der Mann nicht, der von ihr Geld borgen kam.

»Herr Sternau, brauchen Sie es wirklich?« – »Ja.« – »Ich will nicht fragen, wozu. Hier ist es. Fast ahne ich, warum Sie diese Bitte aussprechen!« – »Was wollen Sie, Fräulein Wilhelmi? Wir sind Landsleute und müssen einander helfen!«

Er gab sich alle Mühe, diese Worte in einem leichten Ton zu sprechen, aber es gelang ihm nicht, seine Stimme bebte, und in seinem Auge stieg ein dunkler, feuchter Schimmer auf. Sie fühlte sich doch ergriffen und streckte ihm die Hand entgegen.

»Ich weiß, daß Sie es gut meinen. Ich werde stets mit Achtung an Sie denken!« sagte sie. – »Wollen Sie sich meiner zuweilen erinnern?« – »Gern.« – »Und zu mir kommen, wenn Sie eines Freundes bedürfen?« – »Ich verspreche es Ihnen!« – »So lassen Sie uns gleich jetzt einander Lebewohl sagen!« – »Warum schon jetzt? Warum nicht erst morgen, wenn ich gehe, Herr Sternau?« – »Ich glaube nicht, daß ich morgen zu Hause sein werde. Nehmen Sie meine innigsten Wünsche mit in Ihr neues Wirken. Gott behüte Sie vor jeder Enttäuschung und wende das, was Sie mit so großem Vertrauen unternommen haben, zu Ihrem Besten. Leben Sie wohl!«

Er ergriff ihre Hände, zog dieselben an sein Herz und an seine Lippen und eilte rasch hinaus. Sie blieb zurück. Es war ein eigentümliches, banges Gefühl, das sie ergriff, fast wie Reue, daß sie zuerst ohne seinen Rat gehandelt und dann auch gegen seine Ansicht das viele Geld behalten hatte. Sie suchte dieses Gefühl zu beherrschen, aber es gelang ihr nicht, und der Abend, den sie als den letzten im Haus des Bankiers verlebte, war ein einsamer. Selbst die Nacht brachte ihr weder Schlaf noch Ruhe, und als sie sich am Morgen erhob, war es ihr, als ob ein großer Teil ihres Lebensmutes und Selbstvertrauens verlorengegangen sei.

Bereits am Vormittag kamen einige Bedienstete des Herzogs, um die Effekten der Gouvernante abzuholen, und kurze Zeit später hielt sogar ein Wagen vor der Tür, der für sie selbst bestimmt war. Sie hatte bereits vorher von Salmonno Abschied genommen und stieg ein. Dabei warf sie einen Blick nach oben, konnte aber von Sternau nichts bemerken. Aber als sie später sich noch einmal umdrehte, da sah sie ihn in gebrochener Haltung oben auf seinem Balkon stehen, auf demselben Balkon, von dem aus er sie gesehen hatte, als sie dem Perser die Busenschleife zuwarf. Dieser Wagen mit dem herzoglichen Wappen entführte ihm sein Lebensglück.

Als sie vor dem Palais ausstieg, wurde sie von dem Haushofmeister empfangen, der sie nach ihrer Wohnung geleitete und ihr eine weibliche Bedienung zuwies. Sie packte nun zunächst ihre Koffer aus und begab sich sodann in das Zimmer der kleinen Prinzessin, wo sie der dort anwesenden Bonne die Hand entgegenstreckte und sie bat:

»Lassen Sie uns Freunde sein, Señorita! Das Schicksal hat uns zusammengeführt, und nun gilt es, in Frieden und Eintracht nebeneinander zu wirken.«

Die Bonne war eine kleine, höchst erregbare Südfranzösin. Sie machte ein grimmiges Gesicht und tat, als ob sie die dargestreckte Hand gar nicht bemerke.

»Aber bitte, was habe ich Ihnen getan?« fragte die Gouvernante. – »Ich mag Sie nicht!« lautete die trotzige Antwort. »Ich soll es nicht sagen, aber ich sage es doch! Sie haben meine Freundin verdrängt!« – »Wer ist diese Freundin?« – »Mademoiselle Charoy, die vorige Gouvernante.« – »Aber die habe ich ja nicht verdrängt!« – »Doch! Sie hat Ihnen weichen müssen!« – »Das ist nicht wahr! Sie ist eines plötzlichen Todesfalles wegen auf ihre eigene Bitte entlassen worden.« – »Ah, wer sagte das?« – »Der Herr Haushofmeister.« – »Dieser Lügner und Gleisner, dieser Cortejo? Hahaha! Und mir hat er streng verboten, Ihnen zu sagen, wie es eigentlich ist.« – »Nun, wie ist es eigentlich?« – »Er kam zu Mademoiselle Charoy und sagte ihr, daß man für kurze Zeit eine andere Dame als Gouvernante hier placieren werde; sie solle ihr Gehalt fortbeziehen und einstweilen zu ihren Eltern auf Urlaub gehen. Dann kamen Sie und erhielten sofort die Gemächer, die die verstorbene Herzogin bewohnt hat. Ihre Zimmer stoßen direkt an diejenigen des Herzogs. Warum quartierte man Sie nicht in die Gouvernantenwohnung ein? Oh, man weiß, was dies zu bedeuten hat!«

Die Gouvernante erbleichte. Es war ihr, als ob sie mit eiskaltem Wasser begossen werde. Sollte Sternau das Richtige geahnt haben? Sie nahm sich möglichst zusammen und antwortete:

»Bitte, sagen Sie mir Ihren Namen.« – »Man nennt mich hier Jeanette. Sagen Sie nicht Señorita zu mir. Ich bin eine Französin.« – »Nun wohl, Mademoiselle Jeanette, ich bitte Sie, mich einen Augenblick lang ruhig und ohne Bitterkeit anzuhören. Es tut mir leid, daß ich Ihr freundschaftliches Zusammensein mit Mademoiselle Charoy gestört habe, aber ich trage wirklich die Schuld nicht daran. Ich las im Blatt, daß eine Gouvernante gesucht werde; ich meldete mich und wurde engagiert, das ist alles.« – »Sie wußten nicht, wo die Stelle war?« – »Nein. Seien Sie aufrichtig gegen mich, damit ich mich so verhalten kann, daß ich mir Ihre Zufriedenheit und Freundschaft erwerbe. Können Sie mir sagen, wann der Herzog von seiner Reise zurückgekehrt ist?« – »Der Herzog? Von seiner Reise? Er war ja gar nicht verreist.« – »Nicht gestern, als ich hier war?« – »Nein, um diese Zeit hatte er sich in seine Gemächer zurückgezogen.« – »Mein Gott, so hat man mich belogen! Und noch eine Frage: Wo ist der Herzog am ersten Tag des Karnevals gewesen?« – »Das wissen wir nicht. Er ging als Maske fort.« – »Welche Maske trug er?« – »Er war als Perser gekleidet.« – »Ich danke Ihnen, Mademoiselle. Ich bin überzeugt, daß wir noch recht gute Freundinnen werden, denn Sie werden bald einsehen, daß Sie mich falsch beurteilt haben. Wo befindet sich unsere Prinzeß?« – »Sie ist um diese Zeit stets bei ihrem Papa.« – »Wann wird man sie sehen können?« – »In kurzer Zeit bereits.« – »So werde ich wiederkommen.«

Die Gouvernante begab sich in ihre Wohnung zurück. Alle ihre Begeisterung war verschwunden, von der Höhe des geträumten Glücks war sie gleich am ersten Tag heruntergestürzt. Was sollte sie tun? Das Palais verlassen? Das Geld zurückgeben, dessen größter Teil bereits unterwegs nach Deutschland war? Zu Sternau gehen und ihm eingestehen, daß er recht gehabt habe? Nein, und abermals nein. Noch konnte sie nichts beweisen. Sie wollte ihre Vorkehrungen treffen und dann das Weitere abwarten.

Zunächst untersuchte sie ihr Schlafzimmer und überzeugte sich durch Klopfen, daß die eine Seite desjenigen Zimmers, in dem sie gestern mit Cortejo gesessen hatte, aus einer dünnen Bretterwand bestand, die mit Tapete überkleidet war. Wie leicht war es, sie durch irgendeine Öffnung zu beobachten oder gar zu überfallen! Ihr Entschluß stand fest.

40. Kapitel

Noch in Grübeln versunken, wurde die Gouvernante von einem der Diener gestört, der ihr meldete, daß der Herzog Señorita Wilhelmi zu sprechen wünsche. Sie wurde von ihm nach dem Vorzimmer geleitet und trat in den eigentlichen Empfangsraum.

 

Dort saß der Herzog in einem kostbar geschnitzten Sessel, ein offenes Zeitungsblatt in der Hand.

Ja, das war die Gestalt des Persers!

Die Gouvernante verbeugte sich. Die Befangenheit, die man sonst wohl in Gegenwart so hochgestellter Persönlichkeiten empfindet, gab es bei ihr nicht. Sie fühlte, daß ein fester Mut ihr Herz erfüllte.

»Señorita Wilhelmi?« fragte der Herzog.

Sie verneigte sich bejahend.

»Mein Haushofmeister sagte mir bei meiner Rückkehr von einer Reise, daß er Sie als Erzieherin meiner Tochter engagiert habe …«

Der Herzog hielt inne, als erwartete er von ihr eine untertänige Bemerkung. Er sollte allerdings eine Bemerkung hören, aber keine Untertänigkeit.

»Darf Ich fragen, wohin Serenissimus verreist waren?«

Er blickte im höchsten Grad überrascht empor. Das hatte noch kein Mensch gewagt.

»Warum?« fragte er scharf. – »Weil ich annehme, daß diese Reise nur bis in Ihre Gemächer gegangen ist.« – »Ah, mira! – Ah, siehe!« rief er. »Was soll das heißen?« – »Daß ich in Serenissimus jetzt jenen Perser wiedererkenne, der mir auf dem Karneval seine Huldigung darbrachte.«

Er war ganz starr vor Erstaunen. Er, ein Herzog, und sie, eine kleine, arme Gouvernante! Wie schrecklich, wie horribel, wie geradezu unmöglich! Sollte er leugnen? Nein!

»Señorita«, sagte er mit einem Blick, so hoheitsvoll, als ob er aus dem Himmel herabkomme, »haben Sie einmal gehört, daß Harun al Raschid durch Bagdad gegangen ist?« – »Ja.« – »Daß Friedrich der Große dasselbe getan hat?« – »Ja, aber nicht in Bagdad.«

Er überhörte die Berichtigung und fuhr fort:

»Ebenso Joseph der Zweite, Napoleon und alle bedeutenden Fürsten. Auch ich tat es am Tag des Karnevals. An einem solchen Tag fallen die Schranken.«

Sie verneigte sich. Ihr Gesicht war kalt und ruhig, es verriet nicht im geringsten den Gedanken, den sie hegte.

»Sie haben«, fuhr er fort, »die Ihnen angebotene Stellung angenommen, und ich bin überzeugt, daß Sie mein Vertrauen rechtfertigen werden. Den Lehr- und Stundenplan besprechen wir später. Für jetzt wollte ich Ihnen nur mein Vokation erteilen und Sie fragen, ob Sie mir vielleicht einen Wunsch vorzutragen haben.« – »Es gibt allerdings eine Bitte, die ich mir gestatten möchte.« – »Sprechen Sie!« – »Ich ersuche Durchlaucht um die Erlaubnis, die Zimmer, welche Mademoiselle Charoy bewohnt hat, beziehen zu können.« – »Warum?« – »Ich glaube, daß sowohl die Lage als auch die Ausstattung dieser Wohnung meiner Stellung angemessener ist.« – »So gefallen Ihnen Ihre jetzigen Zimmer nicht?« – »Ich bin solchen Glanz nicht gewöhnt. Die Eleganz dieser Wohnung blendet, und ihre Lage beängstigt mich.«

Der Herzog nagte an der Unterlippe, und seine Augen funkelten, aber er bezwang sich und sagte:

»Das ist Sache des Haushofmeisters. Wenden Sie sich an ihn. Haben Sie ein Weiteres?« – »Ich fühle mich gedrungen, Durchlaucht meinen Dank abzustatten dafür, daß ich in den Stand gesetzt worden bin, den Meinen eine Unterstützung in die Heimat zu senden. Ich werde mich eifrig bemühen, durch Treue im Amt mich dieser Gnade würdig zu machen.«

Seine Faust knitterte die Zeitung zu einem Ball zusammen, aber er beherrschte sich abermals und sagte möglichst gleichmütig:

»Ich hoffe es. Sie sind entlassen.«

Sie verbeugte sich und ging. Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, so sprang der Herzog mit wutverzerrten Zügen empor und ballte beide Fäuste.

»Cortejo!« rief er.

Die Tür zu dem Nebengemach war nur angelehnt gewesen; sie ließ jetzt den Haushofmeister ein, den der Herzog dort postiert hatte, als Zeugen seines Triumphes.

»Was sagst du dazu?« fragte der letztere. – »Exzellenz, ich bin ganz fassungslos!« – »Ich auch, bei allen Teufeln, ich auch!« – »So eine kleine Person.« – »Noch nie, nie, nie ist mir so etwas Tolles geboten worden!«

Der Herzog ging mit weiten, dröhnenden Schritten im Gemach hin und her.

»Das war ja eine förmliche Blamage, diese Frage, wohin ich verreist gewesen sei. Also diese Gouvernante fühlt sich durch die Lage ihrer Wohnung beängstigt. Deutlicher konnte sie allerdings nicht sein. Aber das ist‘s ja eben, was sie mir nun zehnfach mehr wert macht als erst. Ich muß ihre Liebe erringen, Cortejo. hörst du? Ich muß! Woher aber mag sie das alles wissen?« – »Daß Durchlaucht nicht verreist waren?« – »Daß ich der Perser bin. Sie muß es mir gestehen. Oh, diese Deutschen scheinen Haare auf den Zähnen zu haben. Cortejo, du wirst sie auf keinen Fall ausquartieren. Ich gebe meine Zustimmung nicht«

Da klopfte es draußen an der Tür.

»Herein!« befahl der Herzog.

Ein Diener trat ein.

»Verzeihung. Señorita Wilhelmi wünscht den Herrn Haushofmeister sofort zu sehen.«

Cortejo blickte den Herzog fragend an, und als dieser zustimmend nickte, sagte er:

»Führen Sie die Dame nach meiner Wohnung.« – »Sie läßt den Herrn Haushofmeister zu sich bitten«, bemerkte der Diener. – »Ah! Hm. Gut, ich komme.«

Der Diener ging.

Als er sich entfernt hatte, lachte der Herzog laut auf.

»Köstlich! Der Herr Haushofmeister ist gezwungen, zu ihr zu gehen, anstatt sie zu ihm. Oh, diese Deutschen! Eine Spanierin, und wenn sie eine Fürstin wäre, würde ganz glücklich sein, das Wohlgefallen des Herzogs von Olsunna zu besitzen. Siehe, was sie will. Ich erwarte dich wieder.«

Als Cortejo zu der Deutschen kam, war sie beschäftigt, ihre Sachen wieder in die Koffer zu verpacken. Sie erhob sich aus ihrer gebückten Stellung und bat höflich:

»Entschuldigung, Herr Haushofmeister, daß ich nicht zu Ihnen kam! Aber das, was ich mit Ihnen zu reden habe, muß hier gesprochen werden.« – »Warum?« – »Weil es sich auf diese Zimmer bezieht.« – »Ich höre, Sie waren beim Serenissimus?« – »Ja, und er hat mich an Sie gewiesen, Señor.« – »In welcher Angelegenheit?« – »Ich bat, diese Zimmer mit der früheren Wohnung der Gouvernante vertauschen zu dürfen.« – »Das wird wohl nicht gehen, Señorita.« – »Darf ich den Grund erfahren?« – »Es ist bereits anderweit darüber verfügt.« – »So wird sich wohl an einem anderen Ort Raum für mich finden. Hier kann ich unmöglich wohnen.« – »Aber der Grund, der Grund?« fragte er ärgerlich. – »Der Grund ist sehr einfach. Hören Sie diese Bretterwand, an welche ich klopfe? Sehen Sie dieses kleine Loch in der Rosette? Und da draußen gibt es gar eine Tapetentür! Hier kann unmöglich eine Dame wohnen. Ich weiß jetzt genau, daß wir beide gestern hier durch dieses Loch beobachtet worden sind.« – »Aber da drüben wohnt ja doch nur Serenissimus, kein Mensch weiter.« – »Das ist gleich. Eine Dame wird sich selbst von einem Herzog nicht beobachten lassen. Ich bitte wirklich mit aller Energie um eine andere Wohnung, Herr Haushofmeister.« – »Es ist keine da.« – »So tut es mir leid, auf meine Stellung verzichten zu müssen.«

Sie ließ ihn stehen, wo er war, drehte sich um und fuhr fort, ihre Sachen einzupacken.

»Aber, Señorita, Sie werden doch nicht ernst machen?« fragte er ganz bestürzt. – »Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich in einer halben Stunde das Palais verlassen habe.« – »Sind Sie toll? Sie zwingen mich wahrhaftig, Ihretwegen Serenissimus um Rat zu fragen.« – »Tun Sie das, Señor. Aber wie gesagt, in einer halben Stunde würden Sie mich nicht mehr hier treffen.« – »Ich eile, ich werde Sie nicht so lange warten lassen.«

Er rannte fort. So energisch hatte er sich die Gouvernante denn doch nicht gedacht.

»Nun?« fragte der Herzog. – »Sie packt ein!« lautete die eilige Antwort. – »Sie packt ein? Was denn?« – »Ihre Sachen. Wenn sie keine andere Wohnung bekommt, hat sie in einer halben Stunde das Palais verlassen.« – »Ist das ihr Ernst?« – »Ihr völliger Ernst. Als ich ihr den Wunsch abschlug, sah sie mich gar nicht mehr an. Sie hat die Tapetentür bemerkt und auch das Loch in der Rosette, sie wird auf keinen Fall bleiben.« – »Was ist da zu tun?« – »Ich getraue mir da kaum einen Vorschlag zu machen, denn sie ist unberechenbar, wie es scheint« – »Es wird doch geraten sein, wir lassen ihr die gewöhnliche Wohnung der Gouvernanten.« – »Soll ich es ihr sagen?« – »Ja. Gehe schnell, denn sie ist wirklich imstande, das Palais zu verlassen, ehe du kommst.«

Der Haushofmeister kehrte zu ihr zurück; er fand sie beschäftigt einen der Koffer zu schließen.

»Señorita«, meldete er, »Serenissimus haben auf meine Vorstellung hin geruht Ihren Wunsch zu erfüllen. Sie werden also die Zimmer haben, die Demoiselle Charoy bewohnt hat« – »Ich danke. Kann ich sie sehen?« – »In fünf Minuten. Ich eile, den Schlüssel zu holen.«

In der angegebenen Zeit holte Cortejo sie ab, um ihr die Wohnung zu zeigen. Sie bestand aus drei kleinen Zimmern, die nach dem Garten hinaus lagen und zwar nicht fein, aber sehr wohnlich eingerichtet waren, und sie gefielen ihr besser als die Prachträume, in die man sie hatte einquartieren wollen.

»Ist Ihnen das gut genug?« fragte er. – »Ich bin vollkommen zufriedengestellt«, antwortete sie. »Darf ich erfahren, wer nebenan wohnt, Señor?« – »Rechts die Bonne, und links habe ich meine Räumlichkeiten.« – »Also ich kann diese Zimmer sofort beziehen?« – »Sofort« – »Haben Sie mir jetzt noch irgend etwas zu bemerken?« – »Für jetzt glaube ich nicht« – »Dann werde ich mich an Sie wenden, sobald ich Ihrer bedarf. Adieu, Herr Haushofmeister.«

Sie machte ihm eine Verbeugung, und er konnte nicht anders, er mußte sich verabschieden.

»Adieu, Señorita. Ich begreife in Ihrem Verhalten einiges nicht, hoffe aber, daß ich Sie späterhin besser verstehen werde als jetzt Wir werden uns nach und nach wohl kennenlernen.«

Sie antwortete ihm nicht. Er trat mit einer höflichen Verneigung seines Kopfes ab und begab sich wieder zum Herzog.

»Nun, ist sie zufrieden?« fragte dieser. – »Sie scheint es zu sein, Durchlaucht. Aber das ist ein ganz verteufeltes Frauenzimmer, Durchlaucht« – »Inwiefern?« – »Nun, Sie haben es ja selbst erfahren, und auch mich behandelte sie so von oben herab, als ob sie eine Königin sei und ich ihr geringster Diener. Ich glaube nicht, daß sie die Ehre anerkennen wird, von dem Herzog von Olsunna geliebt zu werden.« – »Das wird sich finden. Glaubst du an Liebestränke?« – »Nein.« – »Man spricht aber doch von Ärzten, Zigeunern, Hexen, Wahrsagern, die dergleichen Zaubertränke gegeben haben. Etwas muß doch daran sein.« – »Allerdings. Solche Tränke sind zu bekommen.« – »Bei wem?« – »Ich weiß das nicht. Soll ich mich vielleicht erkundigen?« – »Tue es, aber halte diese Angelegenheit geheim.«

Bereits am nächsten Tag trat Fräulein Wilhelmi ihren Beruf mit aller Energie an. Die Wünsche des Vaters wurden ihr durch den Haushofmeister übermittelt, die kleine Prinzessin fühlte eine innige, kindliche Zuneigung für sie, und auch die Bonne zeigte sich von Tag zu Tag freundlicher gestimmt.

So waren vierzehn Tage vergangen, als sie den Befehl erhielt, sich einer Spazierfahrt anzuschließen, die der Herzog mit der Prinzessin unternehmen wollte. Sie konnte nicht anders als gehorchen. Die Fahrt ging nur ein wenig hinaus vor die Stadt, der Herzog saß im Fond des Wagens, während sie mit der Prinzeß den Rücksitz eingenommen hatte. Als sie jedoch die Stadt hinter sich hatten, forderte er sie auf, sich neben ihn zu setzen. Es geschah dies mit einer Miene, die jeden Widerspruch abschnitt. Dann sagte er, als sie an seiner Seite saß:

»Señorita, ich ergreife die gegenwärtige Gelegenheit, Ihnen mitzuteilen, daß Sie sich meine vollständige Zufriedenheit erworben haben.« – »Das ist das Ziel, wonach ich strebe«, antwortete sie. – »Sie haben es verstanden, sich das Herz Ihrer Schülerin zu erobern«, fuhr er fort, »das ist bereits sehr viel. Vielleicht erringen Sie noch mehr, indem Sie machen, daß auch noch andere Herzen für Sie schlagen.«

Er wollte bei diesen Worten ihre Hand ergreifen und sie an seine Lippen drücken. Da rief die Gouvernante dem Kutscher zu und befahl ihm, sofort umzukehren.

Der Kutscher gehorchte, da er glaubte, daß die Gouvernante auf Befehl des Herzogs handle. Dieser letztere jedoch zog die Stirn in Falten, strich sich zornig den dichten Bart und meinte streng:

»Sie vergessen, was Sie sind!«

Sie lächelte ruhig und überlegen und antwortete:

»Ich glaube gerade im Gegenteil bewiesen zu haben, daß ich weiß, was ich bin. Aber, Exzellenz, ich sehe nicht ein, daß wir einen Wortwechsel nötig haben. Es ist mir die Erziehung von Prinzeß Flora übergeben worden, und ich werde meine Schuldigkeit tun, nicht weniger, aber auch nicht mehr.«

Sie schwieg, und auch er sagte kein Wort mehr. Aber als sie ausstiegen und dann auseinandergingen, traf sie aus seinem Auge ein Blick, der sie erbeben ließ.

Er war kaum auf seinem Zimmer angekommen, so ließ er den Haushofmeister rufen.

»Hast du dich nach dem Zaubertrank erkundigt?« fragte er erregt – »Ich habe allerdings Erkundigungen angestellt …« – »Nun?« – »Es wird möglich sein, das Mittel herbeizuschaffen, aber das ist sehr teuer.« – »Sein Preis?« – »Fünfzig Duros.« – »Spitzbube.« – »Ich bekomme es nicht anders.« – »Von wem?« – »Von einer alten Zigeunerin.« – »Kann ich es heute haben?« – »Nein, so schnell nicht. Morgen, eine Stunde nach Verlauf der Dämmerung.« – »Gut, so verlasse ich mich darauf. Die fünfzig Duros sollst du haben, obgleich ich weiß, daß du nicht fünf bezahlst.«