"Reiche mir deine Hand!"
"Hier ist sie! Aber werden auch meine Gefährten sicher sein?"
"Ein jeder, der zu dir gehört. Du hast kein Lösegeld von mir
gefordert; du hast mir erst das Leben und dann die Ehre gerettet;
dir und den Deinen soll niemand ein Haar krümmen!"
So waren wir denn auf einmal aller Sorgen ledig! Ich hatte keine
Ahnung gehabt, daß dieser Mann auch Arabisch verstand; doch
war ich ganz glücklich, diesem Umstande einen solchen Sieg zu
verdanken. Zur Feier desselben holte ich den letzten Rest von
Tabak hervor, den meine Satteltasche barg; es war nicht viel,
aber der duftende Rauch bewirkte dennoch eine Stimmung,
welche ganz anders war als die, mit der wir unsere »Jury«
begonnen hatten.
Mit frohem Mute legten wir uns schlafen und hatten dabei sogar
die Kühnheit, keine Wachen auszustellen.
Des andern Morgens sah die Sache etwas weniger romantisch
aus als gestern Abend bei der poetischen Beleuchtung des
flackernden Lagerfeuers; aber ich beschloß dennoch, dem
Bebbeh ein offenes Vertrauen zu zeigen.
"Du bist nun frei," sagte ich zu ihm. "Dort steht dein Pferd, und
deine Waffen wirst du auf dem Rückwege finden."
"Die Meinigen werden sie finden; ich bleibe hier," antwortete er.
"Wenn sie nun nicht kommen?"
"Sie kommen!" antwortete er in sehr bestimmtem Tone, "und ich
werde dafür sorgen, daß sie nicht vorüber reiten."
Wir hatten nämlich die Nacht in einem kleinen Seitentale
Wir hatten nämlich die Nacht in einem kleinen Seitentale
zugebracht, welches eine solche Krümmung besaß und dessen
Eingang so schmal war, daß wir selbst am Tage vom Haupttale
aus nicht bemerkt werden konnten. Der Bebbeh schritt diesem
Ausgange zu und nahm hier eine solche Stellung, daß er weit
nach rückwärts blicken konnte. Wir anderen warteten mit
Neugierde der Dinge, die da kommen sollten.
"Und wenn er uns abermals betrügt?" fragte Mohammed.
"Ich vertraue ihm. Er wußte ja, daß er seine Freiheit
wiederbekommen solle, und brauchte mir also gar nicht zu
gestehen, daß er jedes Wort unserer Unterredung verstanden
habe. Ich glaube sicher, daß er es redlich meint."
"Aber wenn er uns doch hintergeht, Emir, so schwöre ich bei
Allah, daß er der erste ist, den meine Kugel trifft!"
"Dann verdient er es nicht anders."
Auch David Lindsay schien nicht mit sich einig zu sein.
"Master, dort sitzt er am Eingange," sagte er; "und wenn er uns
abermals belügen wird, so befinden wir uns in dem
schauderhaftesten Loche, das es nur geben kann. Nehmt es nicht
übel, wenn ich nach meinen Waffen und nach meinem neuen
Pferde sehe!"
Ich hatte allerdings eine außerordentliche Verantwortlichkeit auf
mich geladen, und ich gestehe gern, daß mir selbst dabei nicht
ganz wohl zu Mute war; doch sollte zum Glück die Entscheidung
nicht lange auf sich warten lassen.
Wir bemerkten, daß der Bebbeh sich erhob und, das Auge mit
der Hand beschattend, aufmerksam in die Ferne blickte; dann
suchte er sein Pferd auf, um dasselbe schleunigst zu besteigen.
"Wohin?" fragte ich.
"Den Bebbeh entgegen," antwortete er; "sie kommen. Erlaube,
daß ich sie vorbereite, Herr!"
"Tue es!"
Er ritt ab. Mohammed Emin aber meinte:
"Emir, wirst du nicht einen Fehler begangen haben?"
"Ich hoffe, daß mein Verhalten das richtige ist. Wir haben
Frieden geschlossen, und wenn ich ihm Mißtrauen zeigte, so
wäre dies grad das rechte Mittel, ihn wieder zu unserem Feinde
zu machen."
"Aber er war in unserer Hand und sollte uns als Geisel dienen!"
"Er wird auf alle Fälle wiederkehren. Unsere Pferde stehen so,
daß wir mit einem Sprunge im Sattel sein können. Haltet die
Waffen bereit, aber so, daß es nicht auffällig ist."
Waffen bereit, aber so, daß es nicht auffällig ist."
"Was soll das nützen, Emir? Es werden ihrer viele sein, und du
willst ja, daß wir nur auf die Pferde und nicht auf die Reiter
schießen."
"Mohammed Emin, ich sage dir: Wenn dieser Bebbeh einen
Verrat beabsichtigt, so können wir uns durch den Tod der
Pferde nicht retten, und ich bin der erste, welcher sein Gewehr
auf die Reiter richtet. Bleibt ihr ruhig sitzen; ich aber werde mich
an dem Eingang postieren. Ihr könnt euch dann nach dem
richten, was ich tue."
Ich schritt mit meinem Pferde der Enge zu, durch welche man in
das Tal gelangte, stieg dann auf und nahm den Stutzen zur Hand.
Mich nur wenig vorbeugend, konnte ich das Blachfeld übersehen
und erblickte in nicht gar zu bedeutender Entfernung einen
dichten Reitertrupp, der still hielt, um auf die Rede eines einzigen
zu hören. Dieser war der Bruder des Scheik. Nach einer Weile
lösten sich zwei Reiter von dem Trupp ab und ritten auf das Tal
zu, während die andern auf der Stelle, die sie inne hatten, halten
blieben.
Ich erkannte Scheik Gasahl Gaboya mit seinem Bruder und
wußte nun, daß wir nichts mehr zu fürchten hatten.
Als er herangekommen war und mich erblickte, parierte er sein
Pferd. Der Ausdruck seines sonnverbrannten Angesichts war
noch immer kein freundlicher, und seine Stimme klang fast
noch immer kein freundlicher, und seine Stimme klang fast
drohend, als er fragte:
"Was willst du hier?"
"Dich empfangen," antwortete ich kurz.
"Aber dein Empfang ist nicht sehr höflich, Fremder!"
"Verlangst du von einem Emir aus dem Abendlande etwa, dich
freundlicher zu behandeln, als du ihm entgegenkommst?"
"Mann, du bist sehr stolz! Warum sitzest du zu Pferde?"
"Weil auch du beritten bist."
"Komm mit zu deinen Gefährten! Dieser Mann, der der Sohn
meines Vaters ist, wünscht, daß ich sehe, ob wir euch verzeihen
können."
"So komm; denn auch meine Männer wollen sich beraten, ob ihr
bestraft oder begnadigt werden sollt!"
Das war ihm denn doch zu viel.
"Mensch," rief er mir zu, "bedenke, wer ihr seid, und wer wir
sind!"
"Ich bedenke es," antwortete ich ruhig.
"Ihr seid nur sechs Männer!"
Ich nickte lächelnd.
"Und wir sind ein ganzes Heer!"
Ich nickte noch einmal.
"So gehorche, und laß uns ein!"
Ich nickte zum dritten Male und drängte mein Pferd zur Seite, so
daß der Scheik und sein Bruder den schmalen Eingang passieren
konnten. Jetzt hatten wir gewonnen; denn wenn der Scheik
gegen den Willen seines Bruders die Feindseligkeit fortsetzen
wollte, so war er gänzlich in unsere Hand gegeben.
Beide ritten auf die Gruppe meiner Gefährten zu, stiegen ab und
setzten sich nieder. Ich tat dasselbe.
"Ist's freundlich oder feindlich, Master?" fragte mich Lindsay.
"Weiß noch nicht. Wollt Ihr etwas dabei tun?"
"Versteht sich! Yes!"
"Nach einer Minute erhebt Ihr Euch mit der gleichgültigsten
Miene -"
"Well! Fürchterlich gleichgültig!"
"Well! Fürchterlich gleichgültig!"
"Ihr geht zum Eingange, um Wache zu halten -"
"Watchman? Sehr schön! Prächtig!"
"Wenn Ihr seht, daß die Bebbeh da draußen sich in Bewegung
setzen, um hierher zu kommen, so ruft Ihr -"
"Yes! Werde sehr laut schreien!"
"Und wenn einer von diesen beiden hinaus will, ohne daß ich es
ihm erlaubt habe, so schießt Ihr ihn nieder."
"Well! Werde meinen alten shoot-stick mitnehmen. All right! Bin
David Lindsay! Mache keinen Spaß!
Yes!"
Die beiden Bebbeh hatten diese Unterhaltung natürlich auch
gehört.
"Warum redet Ihr in einer fremden Sprache?" fragte mißtrauisch
der Scheik.
"Weil dieser tapfere Emir aus dem Abendlande nur die Sprache
seines Volkes redet," antwortete ich, indem ich auf Lindsay
deutete.
"Tapfer? Meinst du wirklich, daß einer von euch tapfer sei?" Und
"Tapfer? Meinst du wirklich, daß einer von euch tapfer sei?" Und
mit einer sehr geringschätzenden Handbewegung fügte er hinzu:
"Ihr seid vor uns geflohen!"
"Du redest die Wahrheit, o Scheik," erwiderte ich lachend. "Wir
sind euch zweimal entkommen, weil wir kühner und tapferer
sind, als ihr. Kein Bebbeh ist imstande, es mit einem
Abendländer aufzunehmen."
"Mann, willst du mich beleidigen?"
"Gasahl Gaboya, laß deine Seele ruhig bleiben, damit du dein
Auge klar erhältst! Du kommst zu uns, um über den Frieden zu
verhandeln. Willst du ihn wirklich haben, so bitte ich dich,
höflicher als bisher zu sein.
Wir sind nur wenige Männer und du selbst sagst, daß ihr ein
ganzes Heer seid; aber dieses Heer hat nicht vermocht, uns
festzuhalten. Ist dies eine Schande oder eine Ehre für uns? Nicht
aus Feigheit vermieden wir den Kampf mit euch, sondern weil
wir euer Leben schonen wollten."
"Fremdling, du redest irre!" fiel er ein.
"Meinest du? Ich habe einen Mann von euch vor mir auf meinem
Pferde gehabt; dein Bruder hier ist unser Gefangener gewesen,
und als wir mitten in eurem Lager waren, um unsere beiden
Gefährten zu befreien, da war sogar auch dein eigenes Leben in
unsere Hand gegeben. Wir haben euch geschont und wollen
euch jetzt noch schonen; aber wir verlangen nun auch, daß du
klug genug sein sollst, die Lage zu erkennen, in der du dich
befindest."
"Ich erkenne sie. Es ist die Lage des Siegers. Ich erwarte, daß
ihr mich um Verzeihung bittet und alles herausgebt, was ihr uns
gestohlen habt!"
"Scheik, du irrst, denn du befindest dich in der Lage des
Besiegten. Nicht wir sind es, sondern du selbst bist es, der um
Verzeihung zu bitten hat, und ich erwarte, daß du es
augenblicklich tust!"
Der Bebbeh starrte mich vor Erstaunen wortlos an; dann aber
brach er in ein lautes Gelächter aus.
"Fremdling, hältst du die Bebbeh für Hunde und mich, ihren
Scheik, für den Bastard einer Hündin? Ich habe den Bitten
dieses meines Bruders nachgegeben und bin zu euch gekommen
[gekommen], um die Größe eurer Schuld mit den
Augen der Gnade zu untersuchen. Eure Strafe sollte milde sein.
Da ihr jedoch nicht erkennen wollt, was zu eurem Heile dient, so
mag der Ruf der Feindschaft zwischen uns weiter klingen, und ihr
sollt erkennen, daß es nur meines Befehles bedarf, um euch zu
zermalmen."
"Gib diesen Befehl, Scheik Gasahl Gaboya!" antwortete ich kalt.
"Gib diesen Befehl, Scheik Gasahl Gaboya!" antwortete ich kalt.
Da aber nahm sein Bruder zum ersten Male das Wort:
"Dieser Fremdling aus dem Abendland ist mein Freund; er hat
mich von der Schande und von dem Tode errettet; ich habe ihm
mein Wort gegeben, daß Frieden sein soll zwischen uns und ihm,
und ich werde mein Wort halten!"
"Halte es, wenn du es ohne mich vermagst!" antwortete der
Scheik.
"Ein Bebbeh bricht niemals sein Versprechen. Ich werde an der
Seite meines Beschützers bleiben, solange er sich in Gefahr
befindet, und ich will doch sehen, ob die Krieger unseres
Stammes es wagen, Männer anzugreifen, die sich unter meinen
Schutz begeben haben."
"Dein Schutz ist nicht der Schutz des Stammes. Deine Torheit
wird dein Unglück sein, denn du wirst mit diesen Leuten fallen."
Der Scheik erhob sich und trat zu seinem Pferde.
"Ist dies dein Beschluß?" fragte der Bruder.
"Ja. Bleibst du hier, so kann ich nichts weiter für dich tun, als daß
ich den Befehl gebe, nicht auf dich zu schießen."
"Dieser Befehl wird nutzlos sein. Ich werde jeden töten, der
meinen Freund bedroht, selbst wenn du es wärest, und dann
meinen Freund bedroht, selbst wenn du es wärest, und dann
wird man auch mich nicht schonen."
"Tue was du willst! Allah hat zugegeben, daß du den Verstand
verlierst; er mag seine Hand über dich halten, wenn ich dich nicht
mehr zu schützen vermag. Ich gehe!"
Während sein Bruder bei uns sitzen blieb, stieg er zu Pferde, um
das Tal zu verlassen. Da aber erhob Lindsay seine Büchse und
hielt die Mündung auf die Brust des Scheik gerichtet.
"Stop, old boy - halt, alter Junge!" gebot er. "Steige ab, sonst
schieße ich dich ein wenig tot! Well!"
Der Scheik wandte den Kopf zu mir zurück und fragte:
"Was will dieser Mann?"
"Dich erschießen," antwortete ich sehr ruhig, "weil ich dir noch
nicht erlaubt habe, diesen Ort zu verlassen."
Er sah aus meiner kalten, unbeweglichen Miene, daß es mir ernst
war; er sah auch, daß der Engländer den Finger bereits am
Drücker hatte - er drehte sein Pferd wieder zurück und rief
zornig:
"Fremdling, du bist ein Schurke!"
"Scheik, sage dieses Wort noch einmal, so gebe ich unserem
"Scheik, sage dieses Wort noch einmal, so gebe ich unserem
Wächter ein Zeichen, und du bist eine Leiche!"
"Aber dein Verhalten ist Verrat! Ich kam als der Abgesandte
meines Stammes und habe freie Rückkehr zu fordern!"
"Du bist nicht der Abgesandte, sondern der Anführer deines
Stammes; das Recht der Unterhändler gilt nicht für dich."
"Weißt du, was das Recht der Völker ist?"
"Ich weiß es, aber dir ist es nicht bekannt. Du hast vielleicht
einmal davon sprechen hören, aber dein Geist ist nicht reif genug
gewesen, es zu verstehen. Das Recht, von dem du redest,
befiehlt Ehrlichkeit im Kampfe; es befiehlt, den Feind zu
benachrichtigen, daß man ihn anzugreifen beabsichtigt. Hast du
dies getan? Nein. Du bist über uns hergefallen wie ein Räuber,
wie ein Geier, der die Taube zerreißt. Nun willst du dich
wundern, daß du als Räuber behandelt wirst. Du bist zu uns
gekommen, weil du uns für Memmen hältst, die sich vor deiner
Begleitung fürchten; du sollst jedoch das Gegenteil erfahren. Du
wirst diesen Ort nur dann verlassen, wenn es mir gefällig ist.
Willst du den Ausgang erzwingen, so kostet es dich das Leben.
Steige also ab, und setze dich wieder zu uns. Aber vergiß nicht,
daß ich Höflichkeit von dir erwarte, und daß dein Tod ganz
unvermeidlich ist, wenn deine Bebbeh es wagen sollten, uns hier
anzugreifen!"
Er folgte zögernd meinem Befehle, konnte es aber nicht
unterlassen, drohend zu bemerken:
"Meine Leute würden mich furchtbar rächen!"
"Wir fürchten ihre Rache nicht, das hast du bereits gesehen und
wirst es auch noch weiter erfahren! Nun aber laß uns mit
Besonnenheit reden über die Angelegenheit, welche dich zu uns
geführt hat. Sprich, Scheik Gasahl Gaboya; aber vermeide jede
Beleidigung!"
"Ihr seid unsere Feinde, denn ihr habt euch den Bejat
angeschlossen, um uns zu berauben - - -"
"Das ist ein Irrtum. Die Bejat trafen uns während eines
Nachtlagers, und ihr Scheik Heider Mirlam lud uns ein, seine
Gäste zu sein. Er sagte uns, daß er zu einem Feste der Dschiaf
wolle, und wir glaubten es. Hätten wir gewußt, daß es seine
Absicht sei, euch zu überfallen, so hätten wir uns ihm nicht
angeschlossen. Er nahm eure Herden, während wir schliefen, und
als ich die Wahrheit bemerkte, habe ich ihm meinen Zorn zu
erkennen gegeben. Du überfielst uns und ließest uns verfolgen;
wir fürchteten uns nicht; wir schonten euch und entkamen,
nachdem ich euch bewiesen hatte, daß wir unschuldig seien. Du
ließest uns dennoch nicht ruhig ziehen. Du legtest uns einen
Hinterhalt. Wir nahmen deinen Spion gefangen und ließen Gnade
walten. Du griffst uns an, und wir schonten euer Leben. Ich kam
in euer Lager; ich holte meine gefangenen Gefährten; ihr waret in
in euer Lager; ich holte meine gefangenen Gefährten; ihr waret in
meine Hand gegeben, ich aber ließ nicht einen Tropfen Blutes
fließen. Ihr jagtet uns nach; wir fingen deinen Bruder, doch
wurde ihm kein Haar gekrümmt. Strenge deine Gedanken an, o
Scheik, und begreife, daß wir nicht als Feinde, sondern als
Freunde an euch gehandelt haben! Zum Dank dafür kommst du
mit bösen Worten und Beleidigungen, und statt uns um
Verzeihung zu bitten, verlangst du, daß wir dies tun sollen. Allah
sei Richter zwischen uns und euch! Wir fürchten euch nicht;
suche ja nicht zu erfahren, daß ihr uns zu fürchten habt!"
Er hatte mir nur mit halber Aufmerksamkeit zugehört und
entgegnete jetzt ziemlich höhnisch:
"Deine Rede ist sehr lang, Fremdling, aber alles, was du sagst, ist
unrichtig und falsch."
"Beweise dies!"
"Dieser Beweis fällt mir leicht. Die Bejat sind unsere Feinde; ihr
wart bei ihnen, folglich seid ihr unsere Feinde. Als meine Leute
euch verfolgten, schosset ihr ihnen die Pferde tot. Ist dies
Freundschaft?"
"War es etwa Freundschaft, daß ihr uns verfolgt habt?"
"Du hast mich an den Kopf geschlagen, daß ich die Besinnung
verlor. Du schlugst dann den tapfersten meiner Krieger in das
Gesicht und schleudertest ihn vom Pferde wie einen verächtlichen
Wurm. Ist dies etwa Freundschaft?"
"Du griffst mich an, folglich schlug ich dich nieder; dein tapferster
Krieger verhöhnte mich, darum zeigte ich ihm, daß er ein Wurm
gegen mich sei."
"Deine Schläge waren die größte Beleidigung, die es gibt; der
Beleidigte fordert dein Blut!"
"Meine Schläge müssen keine Beleidigung, sondern eine Ehre für
ihn gewesen sein, da du ihm dann doch noch erlaubt hast, an
deiner Seite zu kämpfen. Wenn er mein Blut verlangt, so mag er
kommen, um es sich zu nehmen!"
"Endlich hast du uns gestern die besten unserer Pferde gestohlen.
Ist dies Freundschaft?"
"Ich nahm euch diese Pferde, weil ihr die unserigen erschossen
habt. Alle deine Vorwürfe sind falsch und grundlos. Wir haben
weder Zeit noch Lust, unsere Geduld noch länger mißbrauchen
zu lassen. Sage uns kurz, was du verlangst, und dann werde ich
dir eine eben solche Antwort geben!"
Nun rückte der Scheik mit seinen Bedingungen heraus, indem er
begann:
"Ich verlange, daß ihr zu uns kommt - - -"
"Weiter!" sagte ich.
"Ihr übergebt uns eure Pferde, eure Waffen und alles, was ihr bei
euch tragt."
"Weiter!"
"Du gibst dem Manne, den du geschlagen hast, Rechenschaft!"
"Weiter!"
"Dann könnt ihr ziehen, wohin ihr wollt."
"Ist dies alles?"
"Ja. Du siehst, daß ich sehr gnädig bin!"
"Worin soll die Rechenschaft bestehen, welche ich zu geben
habe?"
"In einer Entschädigung, deren Höhe wir bestimmen werden. Ich
hoffe, daß du zu meinem Verlangen Ja sagen wirst!"
"Ich sage nicht Ja, sondern Nein. Nicht ihr seid es, sondern wir
sind es, die zu fordern haben. Und übrigens ist dein Verlangen
unsinnig. Wie könnte ich eine Entschädigung zahlen, wenn ihr uns
bereits alles genommen hättet! Wir raten euch, uns
unangefochten ziehen zu lassen; das ist das beste für euch!
Bedenke, daß du dich in meiner Hand befindest!"
"Willst du mich ermorden lassen?"
"Nicht ermorden, sondern töten, sobald die Bebbeh die geringste
Feindseligkeit gegen uns begehen."
"Sie würden mich rächen; das habe ich dir bereits gesagt!"
"Sie würden dich nicht rächen, sondern nur sich verderben.
Blicke her, Scheik Gasahl Gaboya! In diesem Gewehr habe ich
fünfundzwanzig Kugeln und in dieser Büchse zwei; jeder dieser
zwei Revolver hat sechs Kugeln, und jede deiner Pistolen, die du
hier in meinem Gürtel siehst, zwei; ich kann also
dreiundvierzigmal schießen, ohne zu laden. Meine Gefährten sind
nicht weniger gut bewaffnet, und wir befinden uns hier an einem
Orte, dessen Eingang nur je ein einzelner Feind passieren könnte.
Deine Leute würden daher fallen, ohne Gelegenheit zu finden,
auch nur einen einzigen von uns zu verwunden oder gar zu töten.
Folge mir und der Stimme deines Bruders: laß uns in Frieden
ziehen!"
"Soll ich mich von den Meinigen verlachen und verhöhnen
lassen? Wie kannst du so viele Kugeln in deinem Gewehre
haben! Deine Worte klingen nicht, als ob du die Wahrheit
redest."
"Ich lüge nicht. Die Silahdar (* Waffenschmiede.) des
"Ich lüge nicht. Die Silahdar (* Waffenschmiede.) des
Abendlandes sind geschickter als die eurigen. Blicke genau her;
ich will dir diese Gewehre erklären!"
Ich zeigte ihm die Einrichtung des Repetierstutzens und der
Revolver, und seine besorgter werdende Miene bewies mir, daß
meine Taktik die richtige sei.
"Allah ist allmächtig!" murmelte er. "Warum gibt er nicht seinen
Gläubigen die Weisheit, solche Gewehre zu verfertigen?"
"Weil sie solche Gewehre mißbrauchen würden. Allah ist allgütig
und allweise; er schenkt diese Gewehre nur dem Christen, der
sich ihrer erst dann bedient, wenn seine Langmut nichts mehr
fruchten will. Sage, was du beschlossen hast!"
"Herr, ich habe eure Waffen gesehen; sie sind vorzüglich, aber
wir fürchten sie dennoch nicht. Trotzdem will ich Gnade über
euch ergehen lassen, wenn ihr mir gebt, was ich jetzt fordern
werde."
"Was forderst du?"
"Die sechs Pferde, die ihr uns genommen habt, und den Rappen,
den du reitest. Außerdem gibst du mir dieses Gewehr mit
fünfundzwanzig Kugeln und die beiden Pistolen mit sechs Kugeln
nebst den Waffen, die du aus meinem Zelte genommen hast.
Sonst nichts!"
"Du wirst keines deiner Pferde erhalten, da ihr die unserigen
erschossen habt; du wirst auch den Hengst nicht bekommen,
denn er ist mehr wert, als tausend Pferde der Bebbeh. Auch
meine Waffen brauche ich selbst. Um dir jedoch zu zeigen, daß
ich gütig bin, sollst du deine Flinte und deine Pistolen wieder
erhalten, sobald ich die Ueberzeugung besitze, daß ihr uns in
Frieden ziehen laßt."
"Bedenke wohl, Fremdling, was du - - -"
Er hielt inne, denn draußen fiel ein Schuß, noch einer und noch
mehrere. Ich wandte mich zu dem Engländer:
"Was gibt's, Sir?"
"Dojan!" antwortete er.
Dieses Wort elektrisierte mich so, daß ich in der nächsten
Sekunde am Eingange stand. Wirklich, es war der Windhund.
Die Kurden machten Jagd auf ihn; er aber war so klug, einen
Bogen zu schlagen, um sie zu umgehen; doch schien diese List
keinen Erfolg zu haben. Er war so angegriffen und ermüdet, daß
die kleinen, struppigen Pferde der Bebbeh eine größere
Schnelligkeit entwickelten, als er. Ich bemerkte, daß er sich in
der größten Gefahr befand, erschossen zu werden. Ich sprang zu
meinem Pferde.
"Scheik Gasahl Gaboya, jetzt kannst du sehen, was ein Emir aus
"Scheik Gasahl Gaboya, jetzt kannst du sehen, was ein Emir aus
dem Abendlande für Waffen hat. Aber hüte dich, den Eingang zu
überschreiten. Du bist mein Gefangener, bis ich wiederkehre!"
Ich bestieg das Pferd.
"Wohin, Sihdi?" fragte Halef.
"Den Hund beschützen."
"Ich reite mit!"
"Du bleibst. Sorge dafür, daß die beiden Bebbeh nicht
entkommen!"
Ich ritt hinaus auf das Blachfeld und gab mit dem ausgestreckten
Arme den Kurden ein Zeichen, von dem Hunde abzulassen. Sie
sahen es wohl, befolgten es aber nicht. Auch der Hund erblickte
mich und kam, anstatt den eingeschlagenen Bogen weiter zu
verfolgen, auf mich zugerannt. Diese Richtung führte ihn ganz
nahe an seinen Verfolgern vorüber. Es kam mir gar nicht in den
Sinn, mir das brave Tier, welches ich bereits verloren geglaubt
hatte, erschießen zu lassen. Darum hielt ich, in Schußweite
angekommen, mein Pferd an und zeigte ihm den Lauf meiner
Büchse. Auf dieses Zeichen stand es vollständig bewegungslos.
Ich legte an und warf mit zwei Schüssen die Pferde der beiden
Kurden, die dem Hunde am nächsten waren, in das Gras. Dojan
kam unbeschädigt vorüber, aber die Bebbeh erhoben ein
Geschrei des Zornes und kamen auf mich losgesprengt.
Vor Freuden, mich wiedergefunden zu haben, war der Hund mit
einem einzigen Satze bei mir auf dem Pferde; ich aber stieß ihn
sofort hinab, da er verderblich werden konnte.
"Buraja, buraja - herbei, hierher!" hörte ich es am Eingange des
Tales rufen. Es war der Scheik, der diese Gelegenheit benutzen
wollte, aus seiner nichts weniger als angenehmen Lage zu
entkommen. Die Kurden vernahmen diesen Ruf, spornten ihre
Pferde an und schwangen die Waffen. Ich kam ihnen natürlich
zuvor und sah, als ich den Eingang erreichte, den Scheik am
Boden liegen, während Halef und der Engländer beschäftigt
waren, ihn zu binden. Sein Bruder stand frei daneben, und seine
ganze Haltung zeigte, daß er neutral bleiben wolle.
"Emir, schone meine Brüder!" bat er.
"Wenn du den Scheik bewachest!" antwortete ich.
"Ich werde es tun, Herr!"
Ich sprang vom Pferde und gebot den Gefährten, sich hinter die
Felsen des Einganges zu legen.
"Schießt nur auf die Pferde!" bat ich.
"Hältst du so dein Wort, Emir?" zürnte Mohammed Emin.
"Der Bruder des Scheik meint es ehrlich. Die erste Salve also nur
auf die Pferde; dann werden wir weiter sehen!"
Dies alles war so schnell gegangen, daß die Bebbeh sich nun
grad in Schußweite befanden. Ich hatte die beiden Läufe der
Büchse abgeschossen und nahm den Stutzen zur Hand. Unsere
Schüsse krachten - einmal und noch einmal.
"Bounce - bardauz, da stürzen sie!" rief der Engländer. "Fünf,
acht, neun Pferde! Yes!"
Er erhob sich aus seiner knieenden Stellung, um, wie die andern,
während ich fort schoß, sein Gewehr wieder zu laden. Auch
Allo, der Köhler, hatte mit der Flinte des Scheiks einen Schuß
abgegeben. Er war schuld, daß einer der Bebbeh verwundet
wurde; die andern waren ihrer Kugel sicher.
Die erste Salve hielt den Anprall der Kurden so lange auf, bis
wieder geladen war; die zweite aber brachte ihn vollends zum
Stehen.
"Come on - vorwärts!" schrie Lindsay. "Hinaus! Totschlagen
diese Houndcatchers, diese Hundejäger!"
Er nahm die Büchse bei dem Laufe und wollte sich wirklich auf
die Kurden werfen. Ich faßte ihn aber und hielt ihn zurück.
"Seid Ihr des Teufels, Sir?" rief ich. "Wollt Ihr um Eure schöne
"Seid Ihr des Teufels, Sir?" rief ich. "Wollt Ihr um Eure schöne
Patent-Nase kommen? Bleibt doch, wo Ihr seid!"
"Warum? Der Augenblick ist gut. Drauf, Master, drauf!"
"Unsinn! Hier sind wir sicher, draußen aber nicht."
"Sicher? Hm! So legt Euch auf das Kanapee und haltet
Mittagsruhe, Master! Dummheit, die Kerle laufen zu lassen!
Well!"
"Nur ruhiges Blut! Seht Ihr, daß sie sich zurückziehen? Sie haben
eine gute Lehre erhalten, an die sie denken werden."
"Schöne Lehre! Kostet sie nur ein paar Pferde!"
Da legte mir der Bruder des Scheiks die Hand auf den Arm.
"Emir," sagte er, "ich danke dir! Du konntest so viele und noch
mehr von ihnen töten, als Pferde draußen liegen, und du hast es
nicht getan. Du bist ein Christ, aber Allah wird dich schützen!"
"Siehst du ein, daß unsere Waffen den euren überlegen sind?"
"Ich sehe es."
"So geh hinaus zu den Bebbeh und erzähle es ihnen!"
"Ich werde es tun. Was wird aber mit dem Scheik?"
"Er bleibt hier. Ich gebe dir eine ganze Viertelstunde Zeit. Bist du
dann noch nicht mit der Botschaft des Friedens zurückgekehrt,
so wird der Scheik an dieser Wurzel da oben aufgehängt.
Zweifle nicht daran! Ich bin es müde, mit einem unverständigen
Feinde zu kämpfen."
"Und wenn ich Frieden bringe?"
"So gebe ich den Scheik frei."
"Und was er von dir verlangte?"
"Gebe ich nicht."
"Auch nicht seine Flinte und seine Pistolen?"
"Nein. Er trägt die Schuld des Angriffes, den wir soeben
abgeschlagen haben; er hat nicht die geringste Nachsicht mehr zu
erwarten. Wir sind die Sieger. Tue, was du willst!"
Er ging, und ich hatte nur zunächst darauf Bedacht, meine
Gewehre wieder zu laden. Dabei lag mir der Hund zu Füßen und
winselte vor Freude, obgleich ihm vor Erschöpfung die Zunge
aus dem Maule hing.
"Was denkst du, Emir," fragte Amad el Ghandur; "hat er den
Wächter der Pferde erbissen, bei dem er zurückgeblieben ist?"
"Ich hoffe es nicht. Ich will annehmen, daß er den Mann
"Ich hoffe es nicht. Ich will annehmen, daß er den Mann
verlassen hat, weil ihm die Zeit zu lang geworden ist. Er hat den
ganzen Nachmittag und die ganze Nacht bei ihm gewacht; das
arme Tier ist fürchterlich ermattet. Halef, gib ihm zu fressen! Erst
später wird er Wasser lecken dürfen."
Der Scheik lag gebunden am Boden und sprach kein Wort; aber
seine Augen folgten jeder unserer Bewegungen. Man sah es ihm
an, daß er niemals unser Freund sein könne.
Wir harrten mit Spannung auf den Bescheid, den wir von den
Bebbeh erhalten würden. Sie hielten eng beieinander, und wir
sahen aus der Lebhaftigkeit ihrer Gestikulationen, daß ihre
Beratung eine stürmische sei. Endlich kehrte unser Bote zurück.
"Ich bringe den Frieden, Herr," sagte er.
"Unter welcher Bedingung?"
"Unter keiner."
"Das hatte ich nicht erwartet. Du scheinst sehr eifrig für uns
gesprochen zu haben. Ich danke dir!"
"Verstehe mich wohl, ehe du mir dankest, Herr! Ich bringe dir
zwar den Frieden, aber auch die Bebbeh gehen auf keine
Bedingung ein."
"Ah! Und das nennen sie einen Frieden? Gut, so werde ich mich
"Ah! Und das nennen sie einen Frieden? Gut, so werde ich mich
sicher stellen. Sage ihnen, daß ich den Scheik, deinen Bruder, als
Geisel mit mir nehmen werde."
"Wie lange wirst du ihn behalten?"
"So lange als es mir gefällt; so lange, bis ich sicher bin, daß ich
nicht verfolgt werde. Dann wird er unbeschädigt entlassen."
"Ich glaube dir. Erlaube, daß ich es meinen Brüdern sage!"
"Gehe hin und gebiete ihnen, sich bis an die Berge
zurückzuziehen, welche die Ebene dort begrenzen.
Sobald ich merke, daß sie uns folgen, stirbt der Scheik."
Er ging, und bald sahen wir, daß alle Bebbeh, beritten und
unberitten, langsam nach Norden zogen. Er selbst aber kam
wieder, um sein Pferd zu holen.
"Emir," sagte er, "ich war dein Gefangener; gibst du mich frei?"
"Ja. Du bist mein Freund. Hier nimm die Pistolen deines Bruders.
Nicht ihm, sondern dir gebe ich sie zurück. Die Flinte aber bleibt
das Eigentum des Mannes, dem ich sie geschenkt habe."
Er blieb bei uns, bis man den Scheik auf sein Pferd gebunden
hatte und wir vollständig marschbereit waren.
Dann reichte er mir die Hand.
Dann reichte er mir die Hand.
"Lebe wohl, Herr! Allah segne deine Hände und deine Füße! Du
nimmst einen Mann mit dir, der dein Feind und nun auch der
meinige ist, und dennoch empfehle ich ihn deiner Güte; denn er
ist der Sohn meines Vaters."
Er sah uns lange nach, bis wir verschwunden waren; der Scheik
aber hatte keinen Blick für ihn gehabt; es war sicher, daß sie
Feinde geworden waren.
Wir behielten die südliche Richtung bei. Halef und Allo hatten
den Scheik zwischen sich genommen, und außer einigen kurzen
Bemerkungen, die zuweilen nötig waren, wurde der Weg mit
Schweigsamkeit verfolgt. Ich merkte es den Gefährten an, daß
mein Verhalten während der letzten Tage nicht ihren Beifall hatte.
Es fiel zwar keine Bemerkung darüber, aber es war aus ihren
Blicken, aus ihren Mienen und aus ihrem ganzen mürrischen
Wesen zu erkennen. Ein offenes Aussprechen wäre mir lieber als
diese Verschlossenheit gewesen. Auch die uns umgebende Natur
war keine freundliche. Wir ritten über öde Bergkuppen, nackte
Hänge, finstere Schluchten; es wurde am Abend so kalt und
zugig, wie im Winter, und die Nacht, welche wir zwischen zwei
gegeneinander geneigten Felsen zubrachten, vermochte es nicht,
eine andere Stimmung in uns zu erwecken.
Kurz vor Tagesgrauen nahm ich meine Büchse, um irgend ein
Wild zu beschleichen. Nach langem Suchen gelang es mir, einen
Wild zu beschleichen. Nach langem Suchen gelang es mir, einen
armen Dachs zu schießen, den ich als einzige Beute zum Lager
brachte. Die Gefährten waren bereits alle munter. Ein Blick, den
Halef mir unbeobachtet zuwarf, sagte mir, daß während meiner
Abwesenheit irgend etwas vorgegangen sei. Um zu erfahren, was
es sei, brauchte ich gar nicht lange zu warten; denn ich hatte mich
kaum niedergelassen, so fragte Mohammed Emin:
"Emir, wie lange sollen wir diesen Bebbeh noch mit uns