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Im Reiche des silbernen Löwen III

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»Nicht nur ruhig!« sagte der Ustad; »sondern sogar glücklich! Komm, Effendi; geh mit mir!«

Er nahm mich bei der Hand und führte mich hinaus nach der Stelle, wo ich abends immer gesessen hatte. Er legte mir seine Rechte aufs Haupt und sprach:

»Hier war es, wo, grad so wie jetzt, diese meine Hand auf dir ruhte. Kannst du dich noch besinnen, mit welchen Worten ich dich willkommen hieß?«

»Ja,« erwiderte ich.

»Sage sie!«

»Ich heiße dich zum zweitenmal willkommen und bitte dich, bei mir zu bleiben, so lange es dir und deinem höheren Ich, welches ihr Seele zu nennen pflegt, bei mir und meiner Seele gefällt. Ich habe auf dich gewartet!«

»Ja; so sagte ich. Du hast es dir gemerkt. Und heute wiederhole ich diese meine Worte. Ich heiße dich zum drittenmale willkommen! Bis jetzt warst du bei mir. Heut aber hat es sich herausgestellt, daß auch deine Seele bei der meinen ist. Effendi, weiß du, was das heißt? Noch nicht!«

Er ließ seine Hand von mir herabgleiten, deutete nach dem Tempel, der drüben hell im Sternenlichte stand, und fuhr fort:

»Es giebt Welten, von denen du keine Ahnung hast. Wie die Sterne immer weiter und weiter entfernt von der Erde liegen, so erheben sich diese Welten in unirdischen Entfernungen über einander. Keine niedere kann die höher liegende stören. Wer sich in eine höhere emporgerungen hat, der bleibt für die niedere unerreicht; es sei denn, daß er freiwillig zu ihr niedersteige. In allen diesen Welten giebt es Bewohner, welche die höhere entweder hassen oder sich nach ihr sehnen. Die Hassenden sind für sie unschädlich. Die sich Sehnenden werden emporgehoben. Es liegt eine unermeßliche Macht in diesem Sehnen. Sie ist wie die Gewalt des gläubigen Gebetes, welchem Chodeh nicht widerstehen kann, wenn es selbstlos ist! Diese Welten sind vor deinem Auge unsichtbar, deiner Seele aber wohlbekannt. Aber daß sie vorhanden sind, das kannst du fühlen, wenn sich in deiner Seele Sehnsucht nach einer höheren regt. Diese Sehnsucht ist eine schmerzliche, weil der Geist, von dem sie sich nicht trennen darf, nicht folgen will. Er ist das Selbst; sie aber ist die Liebe. Er will nicht auf das verzichten, was er jetzt besitzt, weil er nicht an das glaubt, was wohl ihr Auge sieht, aber nicht das seine. – Wie unendlich glücklich bist du da, Effendi! Du besitzest diesen Glauben; ja, er ist sogar doppelt dein: Was deine Seele glaubt, glaubt auch dein Geist. Was sie erstrebt, wird auch von ihm ersehnt. Du wirst es erreichen!«

Er senkte den Kopf und schwieg eine kleine Weile. Dann sprach er mit leiserer Stimme weiter:

»So war es nicht bei mir! Mein Wesen war nicht ein vereintes wie das deinige; es war geteilt. Der Zwiespalt wohnte zwischen meiner Stirn und meinem Herzen. Ahnst du wohl, wie er hieß?«

»Ahriman Mirza?« wagte ich zu raten.

»Ja; er war es! Er ist‘s zu jeder Zeit, der sich zwischen Geist und Seele drängt, um wo möglich beide zu vernichten. Du kennst ihn nicht in dieser fürchterlichen Thätigkeit, weil bei dir Geist und Seele einig sind. Er konnte nicht zwischen sie treten. Und aber dennoch solltest du ihn kennen. Er griff bei dir an anderer Stelle zerstörend ein. Er drängte sich zwischen sie beide und den Körper! Dein leibliches, dein äußeres Leben war es, welches er vernichten wollte, um dadurch auch sie bis auf den Tod zu treffen! Nicht innerlich, denn das vermochte er nicht, sondern in diesem äußeren, leiblichen Leben rang er dich nieder, und du hattest es nur dem unantastbaren Frieden und der unbesieglichen Kraft deines Innern zu verdanken, daß es dir gelang, dich aufzuschnellen und nach langem, schweren Kampfe endlich für immer obzusiegen! Niemand, kein Mensch hat das gesehen! Doch einer sah es, und der vergißt es nicht. Er hörte auch, was du da drüben zum Pedehr gesagt. Ich weiß, du wirst es thun; du wirst es halten! Und noch eines weiß ich darum auch, nämlich daß du der wirklich bist, als den ich dich bei mir erwartet habe. Bis jetzt stand dir der Raum der Dschemma offen, weil du der kranke Gast des ganzen Stammes warst. Von heute an wohnst du bei mir, in meinem stillen, lieben Heim, wo du, vom Alltag nicht gestört, dem Klange der Glocken näher bist als hier. Du sahst wohl schon, daß deine Lagerstätte hier in der Halle fehlt. Es ist bei mir schon alles für dich vorbereitet. Gieb mir die Hand!«