Polizeibeamte als Zeugen im Strafverfahren

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3. Schwächen des Zeugenbeweises

Der Zeugenbeweis ist dabei ein in der Praxis häufig vorkommendes Beweismittel, oftmals das einzige oder zumindest entscheidende Beweismittel. Jedoch ist der Zeugenbeweis auch ein für die Wahrheitsermittlung des Geschehenen unsicheres Beweismittel, da ein Zeuge seine vor Gericht zu bekundenden Wahrnehmungen nicht rein objektiv, sondern aus seiner eigenen Sicht und damit zwangsläufig subjektiv gemacht hat. Neben dieser unbewussten Einfärbung der Zeugenaussage kann der Zeuge auch ein persönliches Interesse am Verfahrensausgang haben und seine Aussage entsprechend ausrichten. Der großen praktischen Bedeutung der Zeugenaussage steht also ein zumindest skeptisch zu beurteilender Beweiswert gegenüber.

II. Der Begriff des Zeugen

Zeuge ist, wer seine Wahrnehmungen über Tatsachen durch Aussage kundgeben soll.16 Dabei ist niemand von vornherein untauglich, so dass beispielsweise auch Kinder und Geisteskranke als Zeugen in Betracht kommen.17 Ebenso ist es unerheblich, ob der Zeuge zufällig eine Beobachtung gemacht hat oder aber gezielt eingesetzt wurde, wie beispielsweise ein Verdeckter Ermittler oder ein V-Mann. Auch eine besondere Sachkunde schließt die Zeugeneigenschaft nicht aus (sachverständiger Zeuge gem. § 85 StPO).

1. Gegenstand der Zeugenaussage

Inhaltlich bezieht sich die Zeugenaussage stets auf innere oder äußere Wahrnehmungen durch Sehen, Hören, Fühlen, Lesen, Riechen, Schmecken etc. Da der Zeuge Wahrnehmungen bekunden soll, ist es gerade nicht seine Aufgabe, Rechtsfragen, Erfahrungsregeln, allgemeine Eindrücke, Schlussfolgerungen oder Vermutungen zu tätigen.18 Der Polizeibeamte als Zeuge sollte sich daher bei seiner Aussage auf seine Wahrnehmungen beschränken und eine Vermischung mit Schlussfolgerungen und Bewertungen vermeiden. Solche Schlussfolgerungen und Bewertungen werden nicht vom Zeugen, sondern vom Sachverständigen getroffen. Auch können reine Werturteile nicht Gegenstand des Zeugenbeweises sein.19 Über die Charaktereigenschaften eines anderen kann ein Zeuge daher nur aussagen, wenn er auch Tatsachen bekunden kann, die den Schluss auf diese Eigenschaften zulassen.20

2. Zeugen vom Hörensagen

Auch der Zeuge vom Hörensagen fällt unter den Zeugenbegriff. Er berichtet über das, was Dritte ihm gegenüber geäußert haben, er also von diesen gehört hat, nicht aber, ob das Gehörte auch wahr ist.21 So ist der Polizeibeamte, der vor Gericht über die von ihm durchgeführte Beschuldigtenvernehmung berichtet, Zeuge vom Hörensagen. Die Aussage eines solchen „mittelbaren Zeugen“ ist zwar vor Gericht verwertbar, hat allerdings einen geringeren Beweiswert, da der Zeuge vom Hörensagen das Bekundete eben selbst nur vom unmittelbaren Zeugen bzw. vom Beschuldigten gehört hat.22

Merke:

Der Zeuge vom Hörensagen bekundet somit nicht eine zum gesetzlichen Tatbestand gehörende Tatsache, sondern ein Beweisanzeichen, das auf eine solche Tatsache hindeutet.23 Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen muss daher regelmäßig durch weitere Indizien abgesichert werden.24

III. Begriff und Funktion der Beweisverbote

Der Begriff Beweisverbote umfasst Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote.25 Erstere verbieten, sich Beweise über ein bestimmtes Thema mit gewissen Beweismitteln oder Beweismethoden zu verschaffen, beispielsweise den Einsatz verbotener Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO. Beweiserhebungsverbote untersagen die Verwertung von Erkenntnissen, die man durch eine Beweiserhebung oder auf andere Weise erhalten hat. Dabei ist zu beachten, dass ein Beweiserhebungsverbot immer dann ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht, wenn eine entsprechende gesetzliche Verbotsregelung besteht. So hat eine Wohnraumüberwachung, die unzulässigerweise in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingreift, zur Folge, dass die dadurch gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertbar sind (§ 100c V 3 StPO). Existiert ein gesetzliches Beweisverwertungsverbot nicht, folgt aus einem gesetzlichen Beweiserhebungsverbot, wie beispielsweise den Beschlagnahmeverboten nach § 97 StPO, keineswegs zwingend ein Beweisverwertungsverbot. Die Frage wird dann von der obergerichtlichen Rechtsprechung durch Auslegung im Sinne einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen beantwortet (sog. Abwägungslehre).26 Andererseits muss einem Beweisverwertungsverbot nicht zwingend ein Beweiserhebungsverbot vorausgehen. So hat der BGH in einem Strafverfahren wegen Meineids die Verwertbarkeit des durch einen Dritten den Strafverfolgungsbehörden übersandten Tagebuchs der Angeklagten abgelehnt.27

Merke:

Aus dem beschriebenen Strengbeweisverfahren folgt, dass nur die zugelassenen Beweismittel, die in der zugelassenen Art und Weise eingesetzt wurden, die Grundlage der Entscheidung des Gerichts bilden. Insofern bedeuten die Beweisverbote eine Einschränkung der Wahrheitsfindung des Gerichts. Die Wahrheit soll zwar erforscht werden, aber nicht um jeden Preis.28

Somit schränken die Beweiserhebungsverbote die Aufklärungspflicht des Gerichts ein, während die Beweisverwertungsverbote die Verarbeitung aller dem Gericht bekannten Informationen begrenzen. Der Richter darf daher sein vorhandenes Wissen nicht für die Entscheidungsfindung berücksichtigen, wenn dieses Wissen einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Im Extremfall kann das zu einem Freispruch führen, obwohl dem Richter die für eine Verurteilung notwendigen Tatsachen bekannt sind. Wurden beispielsweise bei einer aufgrund fehlender richterlicher Anordnung rechtswidrigen Wohnungsdurchsuchung Betäubungsmittel gefunden und liegen keine weiteren eine Verurteilung tragenden Beweise vor, muss der Angeklagte freigesprochen werden.29 Daher können Fehler in der polizeilichen Ermittlungsarbeit gravierende Folgen für den Ausgang des Hauptverfahrens haben.

2. Kapitel Hauptverhandlung und Verfahrensbeteiligte

Für den Polizeibeamten als Zeugen in der Hauptverhandlung ist es unerlässlich, die Stellung und Aufgaben des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten sowie die Grundsätze und den Ablauf der Hauptverhandlung in wesentlichen Grundzügen zu kennen. Dies ermöglicht dem Polizeibeamten, das Agieren der wichtigsten Verfahrensbeteiligten zu verstehen, seine eigene Rolle als Zeuge in der Hauptverhandlung besser einordnen und in der Folge sicherer auftreten zu können. Letztlich trägt dies auch dazu bei, durch bessere Rechtskenntnisse mögliche Vorbehalte gegenüber der Justiz nach dem Motto „Die Polizei fängt die Täter, die Justiz lässt sie laufen“30 abzubauen.

I. Das Gericht

Als Träger des Verfahrens nimmt das Gericht gegenüber den anderen am Verfahren Beteiligten eine Sonderstellung ein. Während Verteidiger, Nebenkläger und in der Praxis zumeist auch der Staatsanwalt für bzw. gegen den Beschuldigten Stellung beziehen, tritt der Richter demgegenüber als „Nichtbeteiligter“ auf.31 Das Gericht, dessen Richter gem. Art. 97 I GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind, agiert als Träger des Verfahrens insoweit „unbeteiligt“ und gewährt den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör (§ 33 StPO).32

1. Aufklärungspflicht des Gerichts

Es ist Aufgabe des Gerichts, von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen, d. h. den Sachverhalt umfassend aufzuklären und alle dafür notwendigen Beweise zu erheben. Ziel des Strafverfahrens ist, herauszufinden, wie es wirklich gewesen ist (sog. materielle Wahrheit). Im Unterschied hierzu gelten beispielsweise im Zivilprozess alle von den Parteien (Kläger und Beklagter) als unstreitig behandelten oder zugestandenen Tatsachen als wahr (§ 138 III ZPO; sog. formelle Wahrheit). Hingegen muss die strafrechtliche Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren auf materiell wahrer Tatsachenfeststellung beruhen. Es gilt, die Tatsachen, die verfahrensrechtlich oder für die Schuldfrage sowie die Rechtsfolgenentscheidung erheblich sind, festzustellen. Das Gericht versucht insofern ein zeitlich zurückliegendes Geschehen mit Hilfe der zugelassenen Beweismittel zu rekonstruieren. Ob dies gelingt, hängt von der Qualität der Beweismittel ab.

 

Merke:

Da das Gericht, wie erläutert, an bestimmte Beweismittel gebunden ist, stellt dies stets nur einen Versuch dar, der Wahrheit möglichst nahezukommen. Insoweit ist sein Urteil auch nur „ein Wurf nach der Gerechtigkeit“.33

2. Organisation der Strafgerichtsbarkeit

Insbesondere im Hinblick auf das später zu erörternde Verteidigerverhalten in der Hauptverhandlung sind einige kurze Ausführungen zur Besetzung und sachlichen Zuständigkeit der Strafgerichte sowie zum Instanzenzug in Strafsachen erforderlich. Zu beachten ist dabei auch das Prinzip des gesetzlichen Richters.

a) Gesetzlicher Richter und Geschäftsverteilungsplan

Das Prinzip des gesetzlichen Richters (Art. 101 I 2 GG; § 16 Satz 2 GVG) bedeutet, dass ausschließlich durch Gesetz bestimmt werden darf und aufgrund eines Gesetzes von vornherein festgelegt werden muss, wer für zukünftige Strafrechtsfälle der zuständige Richter ist.34 Hierzu verteilt das Präsidium des Gerichts nach einem Geschäftsverteilungsplan (§§ 21a ff. GVG) für das jeweils kommende Geschäftsjahr die Richter auf die einzelnen Spruchkörper und weist nach generellen Kriterien wie Anfangsbuchstaben der Angeklagten, Gerichtsbezirken oder Straftaten die Sachen zu (§ 21e I GVG).35 Daran kann grundsätzlich nichts mehr geändert werden,36 so dass für einen Straftäter schon bei Begehung seiner Tat feststeht, wer der zuständige Richter sein wird.

b) Zuständigkeit und Besetzung in erster Instanz

In Strafsachen sind Eingangsgericht das Amtsgericht, Landgericht oder Oberlandesgericht, während der Bundesgerichtshof keine erstinstanzliche Zuständigkeit innehat.

aa) Amtsgericht

Die amtsgerichtliche Zuständigkeit (§§ 24 ff. GVG) umfasst den Strafrichter und das Schöffengericht. Der Strafrichter ist als Einzelrichter für Privatklagedelikte (§ 374 I StPO) und Vergehen, bei denen die Straferwartung zwei Jahre nicht übersteigt, zuständig (§ 25 GVG). Bei Vergehen, die nicht in die Zuständigkeit des Strafrichters fallen, und bei Verbrechen, die nicht in die Zuständigkeit des Land- oder Oberlandesgerichts fallen oder im Einzelfall keine höhere Straferwartung als vier Jahre haben (§ 24 I Nr. 1 u. 2 GVG), ist das Schöffengericht zuständig. Dies besteht aus einem Berufs- und zwei ehrenamtlichen Laienrichtern (vgl. § 31 GVG), den sog. Schöffen (§ 29 I 1 GVG). Hieraus wird deutlich, dass die Alltagskriminalität vom Diebstahl über die gefährliche Körperverletzung bis zum (einfachen) Raub in der Regel vor dem Amtsgericht verhandelt wird.

bb) Landgericht

Am Landgericht fällt die erstinstanzliche Zuständigkeit den großen Strafkammern zu, die mit zwei oder drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt sind (§§ 74–76 GVG). Die großen Strafkammern sind bei Verbrechen und Vergehen zuständig, bei denen die Straferwartung vier Jahre übersteigt (§ 74 I GVG) oder die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Umstände des Falles Anklage beim Landgericht erhoben hat (§ 74 I 2 i. V. m. § 24 I Nr. 3 GVG). Als sog. Schwurgericht ist die große Strafkammer für einzelne im Gesetz aufgezählte Straftatbestände zuständig, bei denen es sich fast ausschließlich um Kapitaldelikte handelt, wie Mord, Totschlag und Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 74 II GVG).

cc) Oberlandesgericht

Die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, sind in erster Instanz für Staatsschutzdelikte (§ 120 I GVG) sowie für alle in § 74a I GVG aufgezählten Delikte, für bestimmte Mordtaten und gemeingefährliche Delikte, die sich gegen den Bestand, die Sicherheit oder die Verfassung der Bundesrepublik richten (§ 120 II GVG), zuständig, sofern der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt.37 Sie sind bei erstinstanzlicher Zuständigkeit mit drei bzw. fünf Berufsrichtern besetzt (§ 122 II GVG).

c) Instanzenzug und Zuständigkeit in Rechtsmittelsachen

Ist Eingangsgericht der Strafrichter oder das Schöffengericht, so kann gegen diese Entscheidung stets Berufung zur kleinen Strafkammer des Landgerichts eingelegt werden (§ 312 StPO; § 74 III GVG), die wie das Schöffengericht mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen (§ 76 I GVG) besetzt ist. Gegen dessen Entscheidung besteht dann noch die Möglichkeit, das Rechtsmittel der Revision einzulegen (§ 333 StPO), über die dann ein Senat des jeweils zuständigen Oberlandesgerichts (§ 121 I Nr. 1 b GVG) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern (§ 122 I GVG) entscheidet. Ist hingegen das Landgericht erste Instanz, so gibt es gegen dieses Urteil nur die Revision, über die dann ein Senat des Bundesgerichtshofs mit fünf Berufsrichtern (§§ 135 I, 139 I GVG) entscheidet.

Berufung (§§ 312 ff. StPO) bedeutet, dass eine weitere Tatsacheninstanz mit Hauptverhandlung und Beweisaufnahme durchgeführt wird. Die Revision (§§ 333 ff. StPO) führt hingegen nicht zu einer neuen Verhandlung der Sache. Sie beinhaltet nur eine Überprüfung des Urteils auf formelle und materielle Rechtsfehler. Es findet also keine neue Beweisaufnahme mehr statt. In einer möglichen Hauptverhandlung erfolgt zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung lediglich ein Rechtsgespräch darüber, ob das Urteil der Vorinstanz Fehler aufweist. Auch werden die meisten Revisionen durch Beschluss – ohne Hauptverhandlung – entschieden.

Merke:

Damit gibt es bei Kapitaldelikten wie Mord keine zweite Tatsacheninstanz. Das Urteil des Landgerichts kann mit dem Rechtsmittel der Revision lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden. Die dem Urteil zugrunde liegende Tatsachenfeststellung wird in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht festgeschrieben und entzieht sich weitestgehend einer revisionsrechtlichen Überprüfung.38 Bei einer erstinstanzlichen Zuständigkeit des Strafrichters hingegen kann zunächst das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Es findet dann vor dem Landgericht eine neue Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme statt.

d) Praktische Auswirkungen des Instanzenzugs

Diese rechtliche Ausgestaltung des Instanzenzugs hat zur Folge, dass in der Praxis eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht oftmals vom Gericht und insbesondere von der Verteidigung anders geführt wird, als vor einer großen Strafkammer des Landgerichts. Die exakte Einhaltung der Verfahrensregeln hat am Amtsgericht eine eher untergeordnete Bedeutung, da als Rechtsmittel mit der Berufung letztlich noch eine weitere Tatsacheninstanz zur Verfügung steht. In der Praxis wird auch regelmäßig das Rechtsmittel der Berufung gewählt,39 so dass Rechtsfehler des erstinstanzlichen Gerichts kaum ins Gewicht fallen. Anders stellt sich die Situation hingegen bei der Verhandlung einer großen Strafkammer des Landgerichts dar. Mangels zweiter Tatsacheninstanz kommt gerade der Beweisaufnahme eine oftmals die Sache endgültig entscheidende Bedeutung zu. In der Konsequenz wird die Hauptverhandlung vor einer großen Kammer des Landgerichts weitaus sorgfältiger und von den Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Verteidigung, viel intensiver geführt als am Amtsgericht. Im Hinblick auf mögliche Rechtsfehler, die im Falle der Verurteilung einen Revisionsgrund schaffen können, der möglicherweise zur Aufhebung des Urteils führt, gewinnt hier das Verfahrensrecht wesentlich an Bedeutung. Das hat entsprechende Verteidigungskonzepte zur Folge, die sich in vermehrten Protokollanträgen, Vorhalten, Prozesserklärungen anlässlich von Zeugenvernehmungen etc. niederschlagen, was unten bei der Darstellung der Verteidigung näher erläutert wird.

3. Ausschließung und Ablehnung von Richtern

Die Richter des erkennenden Gerichts müssen der zu entscheidenden Rechtssache und den Beteiligten des Verfahrens mit der notwendigen Distanz eines Unbeteiligten und am Ausgang des Verfahrens uninteressiertem Dritten entgegentreten. Daher ist das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 I 2 GG) nicht gegeben, wenn der Rechtsuchende vor einem Richter steht, der die erforderliche Unvoreingenommenheit vermissen lässt.40 Bestehen konkrete Bedenken gegen die notwendige Unvoreingenommenheit bzw. Unparteilichkeit eines Richters, dann darf er keine Entscheidung treffen. Diesem Zweck dienen die Vorschriften zur Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen (§§ 22 ff. StPO). In § 22 StPO werden abschließend Fälle aufgelistet, in denen die Gefahr der Voreingenommenheit des Richters besteht. So beispielsweise, wenn er selbst durch die Straftat verletzt wurde oder aber sein Ehegatte der Beschuldigte ist. Liegt ein solcher Fall vor, so ist der Richter gesetzlich von der Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen und hat dies von Amts wegen zu beachten. Geschieht dies nicht, so kann ein entsprechender Antrag gestellt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§ 24 StPO). Hierüber wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Beschuldigten oder des Privatklägers in einem Ablehnungsverfahren (§§ 26 ff. StPO) entschieden. Dies ist die in der Praxis häufiger vorkommende Variante. Wird einem solchen Antrag stattgegeben, so hat dies regelmäßig zur Folge, dass das Verfahren unter neuer Besetzung des Gerichts von vorne beginnt. Wird der Antrag – was in der Praxis zumeist der Fall ist – abgelehnt, so kann sich daraus für die Verteidigung zumindest ein sog. absoluter Revisionsgrund ergeben (§ 338 Nr. 3 StPO), der bei Erfolg zur Aufhebung des Urteils führt. In diesem Fall wird die Sache vom Revisionsgericht an die Tatsacheninstanz zurückverwiesen und muss nunmehr erneut verhandelt werden. Das Stellen von Befangenheitsanträgen gegenüber dem Gericht gehört daher aus prozesstaktischen Gründen mittlerweile bei vielen Strafverfahren vor einer großen Strafkammer des Landgerichts zum Standardrepertoire der Strafverteidigung.

4. Aufgaben des Gerichts in der Hauptverhandlung

Die Leitung der Hauptverhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Beweisaufnahme obliegen dem Vorsitzenden des Gericht (§ 238 StPO). Dieser hat den beisitzenden Richtern, den Schöffen sowie den Verfahrensbeteiligten bei der Vernehmung des Angeklagten, der Zeugen und Sachverständigen ein Fragerecht einzuräumen (§ 239 StPO) und kann dies unter später noch näher zu erläuternden Voraussetzungen auch entziehen (§ 241 I StPO) bzw. einzelne Fragen zurückweisen (§ 241 II StPO). Einige Anordnungen sind jedoch dem Gericht vorbehalten, wie beispielsweise die Entscheidung bei Zweifeln über die Zulässigkeit von Fragen (§ 242 StPO), die Auferlegung der Kosten sowie die zwangsweise Vorführung eines trotz ordnungsgemäßer Ladung ausgebliebenen Zeugen (§ 51 I StPO) oder das Verhängen von Ordnungsgeld bzw. -haft sowie Beugehaft gegenüber einem das Zeugnis oder den Eid verweigernden Zeugen (§ 70 I, II StPO).

a) Fürsorgepflicht

Neben diesen unter anderen im Gesetz genannten Pflichten hat das Gericht eine umfassende Fürsorgepflicht. Diese entspringt aus dem Grundsatz des fairen Strafverfahrens und betrifft insbesondere Fürsorge- und auch Hinweispflichten gegenüber dem rechtsunkundigen Angeklagten.41 Aber auch dem Zeugen gilt die Fürsorgepflicht des Gerichts, beispielsweise beim Schutz der Persönlichkeit, worauf bei den Rechten und Pflichten des Zeugen noch näher eingegangen wird.