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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Zweites Buch

Erstes Capitel.
Coraims weitere Erzählung

Ring bat Coraim nunmehr, die Neugier nicht auf dem halben Wege der Geschichte stehn zu lassen. Der Türk theilte ihm also in kurzem mit, was ihm selbst weiter von der schönen Isabelle bekannt war.

Die Bestürzung in des Spaniers Hause ergriff alle. Der Vater raufte das graue Haar, Coutances schwur dem Räuber furchtbare Rache, das Gesinde weinte, da Isabelle jedermanns Liebe gewonnen hatte. Doch keiner von ihnen konnte das unbegreifliche Räthsel lösen. Jeder Eisenstab der Fenstergitter hatte die alte Festigkeit, die Thür zeigte keine Spur von gewaltsamer oder listiger Oeffnung, auf beide hatte auch um so weniger etwas unternommen werden können, als im Hofe sowohl, wie im Hausflur Wache gehalten worden war.

Untersuchung über Untersuchung. Endlich fiel es jemand bei, den Kasten einer Flötenuhr zu öffnen, die der Consul vor einiger Zeit aus Europa bekommen hatte. Ein lauter Schrei! Was ist das: Alles stürzt hinzu.

Man ward mit Schrecken inne, daß das Uhrwerk aus dem Kasten genommen war, daß sein Boden fehlte, und ein Ausbruch des Fußbodens in den Keller hinabging.

Alles eilte jetzt zu der Stiege, die in den Keller führte. Mit mühsamer bewundernswerther Kunst, waren sowohl Stützen wie andere Geräthschaften angebracht worden, um die Oeffnung in das Gewölbe zu brechen, nächstdem die Cederplatten, womit der Zimmerboden getäfelt war, zu durchschneiden, und so in den Kasten der Uhr zu gelangen. Die Hauptarbeit mußte immer bei Tage vollendet worden sein, wo Isabelle sich nicht auf diesem Zimmer befunden hatte, der Platz unter der Uhr war gewählt, daß man nicht etwa etwas von Verletzung des Bodens zu früh wahrnähme, (der, wie sich deutlich zeigte, mit breiten glühenden Messern durchschnitten war.) Das Herausnehmen des Uhrbodens und Räderwerks hatte man zum Geschäft der letzten Nacht aufgespart, dann das unglückliche Mädchen im, trauriger Weise, grade so tiefen Schlaf überfallen, durch Knebel ihren Hülferuf gehindert, und sie so in den Keller gebracht, wo sicher ein Ausweg weiter führte.

Dieser wurde auch sogleich entdeckt. Nach dem Keller des Nachbars fand sich ein gewaltsamer Durchbruch.

Indem die Versammelten wehklagten, tobten, Verwünschungen ausstießen und jeder der Meinung war, es müsse ein Schelm im Hause stecken, der Mittwisser sei, da Fremden die Gelegenheit nicht so kundig hätte sein können – vernahm man in einem Winkel ein leises schmerzliches Aechzen.

Eine Fackel in der Hand eilt Coutances nach der Stelle. Wer malt sein Erstaunen, da er – Signor Perotti erblickt!

Der Italiener liegt am Boden mit gebundenen Händen und Füßen, ein dickes Tuch in den Mund gewürgt.

Seine ersten Worte, da man ihm die Sprache befreit hat, sind: Erstecht mich! Schlagt mich todt, ich will nicht leben!

Auch Wuth und Rache erfüllen solche Forderung nicht. Wie konnte sie hier aber gehört werden, wo es vor allen Dingen ja die Entschleierung eines ganz unerklärlichen Geheimnisses galt, die von Niemand als dem Italiener erwartet werden konnte?

Du sollst meinem Zorn nicht entfliehen, rief Coutances, erst aber erkläre: wohin Isabelle kam?

Es fiel schwer, Signor Perotti zu andern Worten zu bringen, als: Ich will sterben. Er schien ganz von Verzweiflung zerrissen, durch seine peinliche körperliche Lage sowohl, als durch gequälten Seelenzustand höchst entkräftet. Er bedurfte Erfrischungen, mit Gewalt sogar ihm eingeflößt, denn er weigerte sich, sie zu nehmen.

Endlich entschloß er sich zur Erklärung. Wohl hab ich Isabellen rauben wollen, hub er an, sie ist meine Sklavin, und mir auf widerrechtlichem Wege entrissen. Ich übte daran kein Unrecht. Doch sollte sie dem Vater nicht vorenthalten bleiben. Um den Preis ihrer Hand, den er mir zusagte, der mir gebührt, um den des Franzosen Hinterlist mich bringen will, sah er sein Kind gleich wieder im Hause. Nur versichern wollte ich mich ihrer Person, um meine gerechten Bedingungen von Neuem aufstellen zu können.

Coutances machte eine Bewegung der Wuth gegen ihn, die Alonzo (der Spanier) zurückhielt, und Signor Perotti aufforderte, fortzufahren.

Es geschah. Mit großer Mühe, und mehr als Dreihundert Piastern Aufwand, setzte ich meinen Entschluß ins Werk. Bei dem nebenan wohnenden Kopten miethete ich den Keller. Der Mann, meistens nach dem Gebrauch von Cairo, in seinem Arbeitsladen vor der Thür, bemerkte nicht, was in dem Keller vorging. Meine Leute löseten aber einander ab, Tag und Nacht wurde die emsige behutsame Arbeit fortgesetzt. Ich selbst befand mich einst als verkleideter Araber in Isabellens Zimmer, wo ich Spezereien feil bot, und alles erspähte. Unvermerkt ging ich darin umher, und maß mit Schritten die Abstände, wobei ich über meine Erwartung richtig verfahren war, denn es gelang vollkommen, von unten her die Stelle der Uhr zu treffen. Im Ganzen hat mich ja mein Nebenbuhler, durch den Streich, welchen er mir auf jener Brücke spielte, selbst an diesen Gedanken gemahnt.

Weiter, weiter! rief Coutances schäumend.

Auch Isabelle mußte so fest schlummern, daß es leicht fiel, sie durch ein, übrigens in der artigsten Weise vorgehaltenes Tuch, zum Schweigen zu bewegen, und die liebenswürdige Beute wurde unter Beistand einiger Helfershelfer, glücklich in den Keller gebracht.

Welch ein Schrecken aber befiel mich, als ich nun plötzlich durch einige Unbekannte, die hinter den Waarenkisten, welche der Kopte noch im Keller liegen hatte, hervorsprangen, gepackt und gebunden in den Winkel geworfen wurde! Man ließ mich, den Hülflosen, liegen, und entfernte sich schnell mit Isabellen. Nichts anderes konnte ich denken, als dem Vater und Geliebten sei mein Beginnen kund geworden, und von ihnen nun das Gegenabentheuer bereitet. Da dies doch aber ein Irrthum zu sein scheint, so haben ohne Zweifel meine Arbeiter hie und da geplaudert; ein reicher Muselmann, durch das entworfene Bild von Isabellen hingerissen, und von der Unternehmung benachrichtigt, hat beschlossen, das schöne Mädchen dem glücklichen Entführer zu entführen. Welch ein Fall könnte noch sein? Die Arbeiter sind alle davon. Antonio bracht ich nicht mit, da er krank, und überhaupt bei solchen Gelegenheiten wenig zu brauchen ist.

Du sollst das Mädchen zur Stelle schaffen, oder es gilt dein Leben! rief Coutances.

Eile, suche, bring sie mir zurück, fiel der bekümmerte Vater ein, und mein gegebenes Versprechen sei dir gehalten.

So fürchterlich die Drohung klingt, so süß der Lohn schmeichelt, ich vermag nichts, erwiederte Perotti. Macht euch auf, selbst zu forschen, gern will ich behülflich sein. Doch was läßt sich hoffen, in der großen nicht polizeilich geordneten Stadt?

Alonzo fragte händeringend: wo denn die Arbeiter zu finden wären, die ihm geholfen hätten?

Jener zeigte den Platz an, wo er sie ausgewählt, und auf acht Tage in seinen Dienst gedungen habe, setzte aber gleich hinzu, daß er fürchte, sie würden sich jetzt nicht mehr dort sehen lassen.

Er mußte aber, von Coutances und dem Spanier begleitet, augenblicklich dahin. Man durchkroch alle Ecken, weilte eine Stunde umsonst.

Jetzt wollte man dennoch Rache an ihn nehmen, und führte ihn zu dem Bei des Bezirks. Dieser ergötzte sich höchlich, wie ihm die Klage vorgetragen wurde. Sein Urtheil fiel aber dahin aus, daß sich Coutances zu einer Abfindung wegen des erlittenen Ungemachs zu verstehen hätte; denn da er die Jungfrauräuberei begonnen, sei er auch Schuld, daß der Italiener billiger Weise gesucht habe, wieder zu seinem Eigenthum zu gelangen, und folglich auch Ursache, daß der Italiener bei dieser Gelegenheit gemißhandelt worden. Uebrigens solle man letzteren sogleich freilassen.

War Signor Perotti mit dieser Entscheidung zufrieden, so entrüstete sie die andern nicht wenig. Was war aber zu thun? Eine Instanz, an welche vom Bei zu appelliren gewesen wäre, fand sich in Cairo nicht. Man mußte sich beruhigen.

Gebeugt schlich Alonzo, der Verzweiflung nahe, Coutances davon. Der Italiener raufte die Haare, verzichtete aber mit Stolz auf die Strafsumme, welche der Richter ihm zugesprochen hatte.

Ueberall gab man Aufträge, Isabellen zu suchen, verhieß Belohnungen in öffentlichen Anschlägen, Coutances durchirrte jeden Winkel der winklichten Stadt. Alles das war aber vergeblich, und man mußte sich endlich in das Unabänderliche finden.

Der alte Vater legte aus Gram alle Amtsgeschäfte nieder, übergab sie einem andern, und zog sich in das engste Privatleben zurück. Von Cairo wollte er sich dennoch nicht entfernen, da die süße Hoffnung, seine Tochter noch einmal wieder zu erblicken, nur in seinem Grabe enden sollte. So verstrichen nun schon mehr als zwei Jahre. Der Franzos hat den Schwur, nimmer zu heirathen, wenn Isabelle nicht die seinige werden könnte, treu gehalten, führt einen kleinen Handel, und träumt seinen Lieblingsgedanken ohne Zweifel noch.

Hier war Coraims Erzählung zu Ende, wiewohl sich niemand befriedigt fand, weil man eine freudige Entwicklung des Schicksals der jedem interessant gewordenen Isabelle geahnt hatte.

Die Gesellschaft verließ nun das Haus des gastlichen Ali, und jedermann begab sich wieder an den Ort seiner Bestimmung. Flore erfuhr unterwegs von Ring das Weitere über Isabellen, denn sie war bei der Erzählung nicht gegenwärtig gewesen, und erneute den lebendigen Antheil an dem spanischen Mädchen, den sie schon auf dem Schiffe gefühlt hatte.

Es ist vergessen worden, zu sagen, daß Flore sich gewöhnlich der Mannskleider bediente, und für Rings Schreiber galt, allein da man ihr Geschlecht dennoch erkannte, so gab das zu vielem Scherz Anlaß, und sie läugnete vor der näheren Umgebung die Wahrheit nicht. In Alexandrien legte sie aber mehrmals den weiblichen Anzug an, um so ihre Neugier über die Verhältnisse mahomedanischer Weiber besser befriedigen zu können.

Es wurde nunmehr Anstalt zu einem etwas bequemeren Bivuak getroffen, und Dattelzweige beschatteten der Soldaten Hütten. Die Commissairs, zu denen Ring gehörte, traten in einen ausgedehnten Wirkungskreis und wurden zur Herbeischaffung der nöthigen Vorräthe gebraucht.

 

Bald trafen in Alexandrien die frohen Siegesnachrichten ein: wie die unterdessen vorgerückten Truppenabtheilungen Raschid genommen, sich Cairo bemeistert, und Murat Bei, unter Anführung ihres unbezwinglichen Helden, in der ewig denkbaren Schlacht bei den Pyramiden überwältigt hatten. Eine große That war der andern auf den Fuß gefolgt, und Schwierigkeiten, vor denen die Einbildung schon zurückbebt, waren mit Leichtigkeit hinweggeräumt worden.

Wie aber Mavor auf dem Lande lächelte, zürnte Poseidon. Er hatte das Schicksal noch Einmal für seine alten Lieblinge gewonnen.

Mehrere Couriere vom Obergeneral gesandt, waren von Beduinen in der Wüste aufgefangen worden, daher kamen dem Admiral der Flotte, nicht die nöthigen Befehle zu. Immer noch lag er mit den Kriegsschiffen auf der Rheede, die Transportfahrzeuge waren in den alten Hafen der Stadt gelaufen. Nach dem Willen des Feldherrn sollten jene nun auch in Sicherheit gebracht werden, und wäre es thunlich, der Admiral mit der Flotte nach Malta gehn.

Da er aber keine Depeschen erhielt, blieb er in der gefährlichen Stellung. Man wußte, daß eine beträchtliche, an Zahl überlegene englische Armade sich in See befand, sie war sogar vor Ankunft der Franzosen bei Alexandrien gewesen, hatte sich aber nach dem Archipel gewandt, wohin sie vermuthete, daß die Toulonner Flotte gesegelt wäre. Wo der Neufrankenheld war, da weilte auch das Glück, darum mußte seine Landung während der Abwesenheit jener Britten vor sich gehn. Doch:

 
Es sollen Land und Meer nicht Einem dienen!
 

sagt Wrangel in Wallenstein. Wie der Liebling des Glücks Lorbeern brach, wo seit Saladins Zeiten man keine europäische Waffen gefürchtet hatte, thürmte sich des Geschicks Ungewitter über die Schiffe, wenn schon kein Orkan drohte.

Man konnte von den platten Häusern in Alexandrien hinaus ins Meer, und die Ordnung der Fahrzeuge übersehn. Täglich ahnte man eine große Begebenheit, doch blieb wider Vermuthen lange alles ruhig, und kein fremdes Seegel ließ sich in den egyptischen Gewässern sehn.

Aber am bedeutungsvollen 23ten Juli bemerkte man eine englische Fregatte, welche die Stellung der Flotte untersuchte, und dann wieder verschwand.

Nun konnte man desto sicherer auf einen nahen Besuch des Admiral Nelson zählen, denn jene Fregatte hatte ohne Zweifel den Gebieter aufgesucht, und den Zustand der Dinge vor Alexandrien gemeldet.

Zweites Kapitel.
Die Seeschlacht

Am ersten August, Nachmittags, erblickte man den furchtbaren Wald besegelter Masten. Näher und immer näher trieb ein günstiger Wind die schwimmenden Kasteele. Es war vorauszusehen, daß eine Schlacht beginnen werde, und der Admiral Bruyes hielt seine Flotte in tapferer Bereitschaft.

Nirgend wirkt der Gott der Heerscharen so unwiderstehlich mit ein, wie bei den Kämpfen auf Poseidons Flur, da so viel Erfolge an dem Luftstrom hangen. Auf dem Lande, wählt sich der Feldherr lange vor dem Zusammentreffen der Streitenden, die Schlachtgegend. Klugheit kann die natürlichen Hindernisse vermeiden, und nur ihre Säumniß, läßt ihn eine Stellung eingehn, wo Gebirge, Flüsse oder Moräste ihm nachtheilig werden. Ein anderes auf der See.

Admiral Bruyes hätte von einem plötzlich eintretenden Südwinde ein unzuberechnendes Heil erfahren, er hätte den englischen Angriff gelähmt, und ihn dagegen in Stand gesetzt, mit vollkräftiger Bewegung vorwärts zu dringen. So mußte er sich gefährlich leidend verhalten, und der kühne Nelson konnte jedes beliebige Manöver vollziehn.

Wer will die despotische Gewalt der Zufälle ableugnen? Welche Gesetze befolgt der Wind? Wie viel hing hier an einer Drehung des Wimpels? Ja, langte nur ein Courier richtig an, so fanden die Britten diese Flotte nicht mehr im Meere. Sie lag in der Sicherheit des Hafens, und Landbatterien wehrten jede Annäherung zu diesem ab.

Die Engländer umsegelten die französische Flotte, und die Schlacht, die mörderische, begann.

Von allen Decken her spien die Feuerkrater ihre vernichtenden Bälle. Nichts blieben die Neufranken schuldig. Die Gestade Egyptens, die Mauern von Alexandrien und Abukir dröhnten wie vom Erdbeben bewegt, die nur leiswogende See empörte sich, wie im wilden Orkan, Gebirge von Dampf verhüllten die Atmosphäre.

Kecke Verwegenheit lenkte die Steuer, auf Nähen, wo fast kein Schuß fehlen konnte, rückten die Gallionen an einander heran. Der Konstabler keuchte bei der immer fortgesetzten Mordarbeit, nur die rothe Glut der Stücke konnte sie auf Minuten einstellen. Der Matros hing im Tauwerk, von Kugeln umsaust, und mußte auf der leichten Chaluppe ins Meer, von außen seinem Schiffe Hülfe zu leisten. Der Flintenschütz feuerte über den Bord, und harrte wuthschäumend des Befehls zum Entern. Ermuthigend, der Signale gewärtig, aufmerksam, jedem schlimmen Ereigniß kräftig zu begegnen, standen die Offiziere an ihren Posten, Hüte und Kleider durchlöchert, nicht achtend leichter Wunden, im Sterben noch gebietend, mit starrer eiserner Kälte die Britten, in heißer Glut enthusiastischer Tapferkeit, die Söhne Frankreichs.

Hier krachte ein getroffner Mast aufs hohe Verdeck nieder, und zerschellte das menschliche Gebein, dort drangen Kugeln durch die Bohlenmauern der Meerfesten, und das nachstürzende Wasser überschwemmte ihren Raum. Kein Schrecken lähmte den Seekrieger. Taue wurden gekappt, die Trümmer hinüber geschleudert, neue Seegel an den übrigen Masten emporgezogen, und das Fahrzeug wieder mächtig regiert. Pfropfen verbanden, Wunden gleich, den gefährlichen Leck, rüstig befreite die strömende Pumpe den überfüllten Bauch von den drohenden Fluten.

Hier schlug eine Kartätschenlage in das Linnen und gleich Vögeln im Strauchwerk, die des Jägers verstreutes Schrot traf, sturzten die Arbeiter aus Mastkörben, und von Strickleitern. Dort eine neue Lage, und Verwundete und Todte deckten den obern Boden. Kein Entsetzen hemmte der vorgezählten Ordnung Lauf. Auf den Wink flogen andere Söhne des Neptun wieder zur Höhe, Aerzte harrten mit eiliger Hülfe der Verwundeten; was kein Leben mehr hatte, wanderte ins feuchte Grab.

Hier warf eine Chaluppe, von einem mächtigen Steuer oder fallenden Baum berührt, um, und sendete ihre Lenker in den Meeresgrund, dort fiel ein wichtiger Befehlshaber, ein jähling Opfer der Schlacht. Keine Verwirrung im regen Gang des erhabnen Verderbens. Andere Boote senkten sich in die Wellen, der Hintermann sprang an des Entseelten Platz, und weiter kämpften die ungeheuren Kräfte.

Alles nur geringe Vorboten riesenhaft gräßlicherer Szenen. Bald eilten hie und da Fregatten und Hundertstücker, Brust an Brust zusammen, und ketteten durch Hacken und Taue die Borde aneinander. Mit Furienungestüm sprang die wilde, sich durch Schlachtruf begeisternde Mannschaft hinüber auf die feindlichen Bretter, und die enge fluchtgehemmte Metzelei wüthete ein. Es galt jede Waffe, doch gebrach in kurzer Zeit selbst dem Flintenkolben und dem Säbel Spielraum. Geballte Fäuste boxten mörderisch auf den Gegner, nervigte Arme umrankten ihn, strebten ihn ins Meer zu schleudern, ihn in des Schiffraums Balken hinab zu stürzen. In Kajüten und Magazinen dauerte das Gewürge, bis den Offizieren der Obermacht gelang, einer kleinen übrigen Zahl, noch Leben von den ergrimmten Würgern zu erflehen.

Linienschiffe hatte der Kugeln zu dichter Haufe durchwühlt. Zu Ende ging die Hülfe der Kunst, die Geistesgegenwart fand keine Rettungsmittel mehr. Durch Hundert Risse drängten sich die Wogen, gleich Wasserfällen stürzten sie in die Tiefe hinab. Umsonst der Versuch, noch zu stopfen. Die erschöpfendste Anstrengung der Pumpen verrieth ihre Ohnmacht, da in schauderhafter Langsamkeit das Gebäude sich hinabsenkte. Immer höher kam der Seerand, immer schmäler ward der Bord, eine Kanonenreihe nach der andern verbarg sich dem Auge. – Was vermag noch der Mensch? Die Chaluppen sind ausgesetzt, weggedrängt, verloren! Wären sie auch da, wie mögten sie die Hunderte auffassen, die die Hände jammernd ausstrecken? Die andern Schiffe sind in Arbeit. Rauch deckt den Zwischenraum. Auch zu spät, wenn sie schon Hülfewinkend nahten, denn der Schwere Gesetz eilt zur Vollziehung! Schon bis zum Rand ist die See gestiegen! Der Befehl hört auf, bereitet euch zum Tode, hallt des Gebieters letztes Wort. Stiere bleiche verzerrte Gesichter wenden den gräßlich trockenen Blick gen Himmel, sie verlängern ihre Gestalt, wie sie schon die Nasse fühlen; noch ein Gedanke an die Lieben daheim, eine Frage an den Tod – die Arche ist verschwunden, ihre meisten Bewohner, hie und da noch ein Kampf der Schwimmkundigen, von denen es nur Einzelnen gelingt, ein ander Fahrzeug zu erreichen.

Dort hat die Flamme die betheerten Planken, die trockenen Stangen, das dürre Werg ergriffen. Sie trotzt dem Verein zur Tilgung, bricht aus dieser, aus jener Kammer, und lodert durch die Region der Seegel empor. Schon fallen Erstickte nieder, der rauchende Gestank hemmt den Athem. Noch hoffen die gern Lebenden, Todesangst verdoppelt die Kraft. Es gelingt an einem, an dem andern Ende, die brennenden Balken loszubrechen, fortzuwälzen, zu löschen die höllische Glut. Nur nicht zum Pulvervorrath! heißt aller Gedanke. Aber zu den Kanonen dringt die Flamme an vielen Orten heran, auch dort liegt die Schwarzische Mischung Pulver, die Stücke lösen sich von selbst, ihre Kisten fahren gleich entzündeten Minen auseinander, verletzen, zerbrechen, stecken in Brand. Die Verheerung spottet endlich jeder Ermannung. Vorn, hinten, auf der Seite, überall Flammentod, die Kleider brennen schon, lieber untergegangen in dem feuchten Element, die meisten stürzen sich verzweifelt hinab, während in Pracht des Orkus, den bretternen Pallast Gluten auflösen.

Nach halb sieben Uhr hatte die Schlacht begonnen, schon währte sie anderthalb Stunden, aber trotz der so vortheilhaften Stellung der Engländer, und der nachtheiligen ihrer Feinde, war noch nichts entschieden. Doch um acht Uhr wurde der französische Admiral verwundet, und die Signale erfolgten unregelmäßiger. Noch eine Stunde des erbitterten Kampfes, und die Waage neigte sich wenig. Aber um neun Uhr ward Bruyes durch eine Kanonenkugel zerrissen, und die Unordnung im Commando begann, während dessen Nelson unverletzt blieb, und das große Werk fortregieren konnte. Hätte die Parze ihm das Loos geworfen, würde vielleicht der Ausgang ganz verändert gewesen sein. Um halb zehn Uhr genossen die Engländer den Triumph, das Admiralschiff der Franzosen in Brand gerathen, und eine Viertelstunde darauf es in die Luft fliegen zu sehn.

Dies feurige Schauspiel, das Lärmen und Prasseln in der Höhe, das Herabfallen vieler umhergeschleuderten Gegenstände, machten, daß des Streites Hitze eine Viertelstunde lang nachließ; dann erneute sich aber das rasende Getümmel bis zur Morgenröthe hin, und von dem Augenblicke an, wo Bruyes gefallen war, lächelte die Siegesgöttin der brittannischen Flagge. Neun ihrer Schiffe waren entmastet, mehrere hart beschädigt, aber die meisten französischen genommen, oder zerstört.

Beider Nationen Tapferkeit war sich gleich gewesen, Nelson hatte mehr Erfahrungsgeschicklichkeit gezeigt, wie Bruyes, aber überall hatte jenen das zufällige Glück auch wie einen erwählten Liebling umarmt. Ihm gebührt der Nachwelt Ruhm, doch dürfen jene Umstände nicht dabei verschwiegen werden, eben so wenig wie die so hartnäckige kräftige muthige Gegenwehr der Franzosen, fast zwölf Stunden lang.

Wer kann sich wohl der ernsthaftesten Bemerkungen bei dieser Schlacht enthalten?

Sie war viel mörderischer wie die von Actium, wo Cleopatra gleich davon segelte, und Antonius bald der Geliebten folgte. Jene entschied die Herrschaft der Welt unter Individuen sehr schnell, aber eine Geschichtsübersicht nach hundert Jahren wird vielleicht erst entscheiden können, ob die Schlacht bei Abukir nicht noch wichtigeren Ausschlag im Allgemeinen gab.

Nimmt man an, des Feldherrn Eilboten hätten den Seeherrn glücklich erreicht, und Bruyes die Flotte in den Hafen von Alexandrien geborgen, so gewann die egyptische Expedition ein anderes Ansehn. Die Franzosen blieben wenigstens stärker an Mannschaft und wie auch die Britten sich vor den Hafen stationirten, so konnten sie doch schwerlich durchaus hinderlich sein, daß nicht von den zahlreichen Schiffen der französischen Flotte hin und wieder bei guter Gelegenheit des Windes einige nach Frankreich ausgelaufen wären, und neue Hülfe an Truppen und Kampfmitteln zu den Ufern des Nils geschafft hätten. Das wäre um so eher der Fall gewesen, wenn Bruyes die Flotte vorerst nach Corfu oder Malta geführt hätte.

 

Wäre aber der Strom des Windes bei jener Schlacht den Franzosen freundlich gewesen, hätte die tödliche Kugel statt Bruyes Nelson erreicht, so liegt die Vermuthung nicht weit, daß jene den Lorbeer des Kampfes würden davon getragen haben. Dann spielten sie die Meisterrollen in den mittelländischen Gewässern, das egyptische Heer konnte leicht verdoppelt werden, Gizzar Pascha, späterhin so nachdrücklich von Sidney Smith unterstützt, wurde leicht überwunden, und die Hindernisse, welche man im Orient vorfand, verringerten sich. Die Pforte war gezwungen, einen Bund mit Frankreich einzugehen, Egypten, das reiche Land, eine Kolonie der neuen Republik, über welche sie ihr Domingo immerhin vergessen konnte.

Allein der große Mann, der die hochromantische, weitberechnete, im Charakter antiker Heldenzüge entworfene Unternehmung nach Egypten leitete, würde gehörig verstärkt, vielleicht die Angelegenheiten in Paris mit einiger Gleichgültigkeit behandelt haben, wenn sein Blick schon mehr wie einen Welttheil umfaßt. Er hätte Europens Kultur nach Afrika verpflanzt, die Zeiten der Ptolemäer in großen Unternehmungen wieder zurückgerufen, den Kanal von Suez hergestellt und den alten Handel durchs rothe Meer geleitet, den stolzen Britten in Bengalen angegriffen, ein Alexander am Ganges.

England hätte nur einen schwächeren Einfluß auf die europäischen Kabinette üben können, die Kriege wider Frankreich würden eingestellt worden seyn. Das in Gefahr schwache Direktorium hätte in unbedrängten Zeiten noch lange an der Geschäfte Spitze weilen können.

Doch die verlorene Schlacht von Abukir rief endlich den Helden zurück. Er ging nach Europa und ward Cäsar. Im Erdtheil der Kultur sollte er zuvor den Herrscherstab erheben, denn konnte er ihn mächtiger einst über die Meere tragen. Also ließ sein cäsarisch Glück die Armade von Egypten untergehn.

Ist es recht, in einem Roman von dem Helden zu reden? Wer kann aber von ihm schweigen, der die Bewunderung der Welt durch immer erneute Großthaten auf sich lenkt?