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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Aber wie lasse ich mich nur ein, davon zu reden? Zu bewirken, was die Fürstin verlangt, dazu würden Hundert Beutel und mehr gehören, ich bin ohne Geld, ruinirt, wie mein Handelsfreund.

Ei nun, rief Imar, die Männer, welche von der Sultanin hier sind, haben mehr, wie du bedarfst.

Es wären Männer hier? Sie hätten —

Hier öffnete Imar schon die Thür, und mehrere stattlichgekleidete Leute, von arabischer Gesichtsfarbe, traten herein, begrüßten mich ehrerbietig, und übergaben mir Papiere, worauf alles verzeichnet war, was an Künstlern und Handwerkern gewünscht wurde. Dann erklärte der ansehnlichste darunter, alle Kosten wären an ihn zu weisen, wobei er ein Kästchen öffnete, das zwei Gefährten trugen, und sowohl Goldstangen als Edelsteine in solcher Menge und Güte enthielt, daß über die Grundlage der Unternehmung kein Zweifel mehr blieb.

Der Anblick solcher Gegenstände macht höflich, darum that ich was ich nur konnte, die Araber zu verbinden. Mir wurde erklärt, daß gleich Zehntausend Piaster für mich und den Handelsfreund zu Gebote ständen, unsere Reiseeinrichtungen zu treffen.

Der Spanier hatte so wenig noch etwas zu verlieren, wie ich. In dem Falle, wagt man die Gefahr um den Vortheil gern. Die Zerstreuung war uns nach Gram mancherlei Art willkommen.

Bald fanden sich die Familien zusammen, die nach dem fernen Reiche ziehen wollten. Sie hatten auch durch die Zeitumstände gelitten, und warfen sich der Hoffnung in den Arm. Wir konnten nicht das nöthige Maas von Ansehen erstreben, wenn nicht Imars Rath befolgt ward, den muselmännischen Glauben anzunehmen. An den Vorbehalt des Herzens hinderte uns ja nichts.

So traten wir unsern Weg an, und zogen ohne Unfall bis Darkulla, wo uns aber Tata anhielt, tausend Gefahren über unsre Häupter hereinbrachen, sich ein unseliger Krieg wegen uns entspann, und ich noch heute im Volksaufstande das Leben eingebüßt hätte, wenn diese hohe Wohlthäterin – meine Landsmännin – des Freundes Gattin —

Nun nun, unterbrach ihn Flore, davon weiter nichts. Ich rettete ihr Leben, wer weiß aber, wo sie mich wieder dem Tode entziehn. In der That, die Erzählung, welche ich hörte, ergriff mich nicht wenig. Also Isabellens Vater, Don Alonzo, wäre auch hier?

„Es ist Mustapha!“

Wunderbar! Muß ich mit Leuten, für die mich eine Novelle erwärmte, in so nahe so sonderbare Verbindung kommen.

Füge es nur ein freundlich Geschick, daß alle Knoten sich beruhigend lösen. Ich bin der Abentheurerei müde.

Für mich mag sie erst recht beginnen, sagte Coutances, mir schon recht.

Kommen sie in jenes Zimmer, wo Isabellens Vater ist. Ich hoffe er wird zu sich gekommen seyn —

„Wo nicht, wird ihm diese Freude —“

Still, still! Doch noch Eins. Isabelle wäre umgekommen?

„Leider!“

Und Perotti zieht umher, sie zu suchen.

„Perotti?“

Nachdem er mich um Kostbarkeiten betrog.

„Der Elende! Möge er seine Strafe unter den Barbaren finden!“

Strafe genug, wenn er vergebens in der Irre umherzieht. Doch – wenn die Nachricht falsch wäre, Isabelle noch lebte —

„Mögte sie das lieber nicht, ehe Perotti sie fände. Aber dazu ist keine Hoffnung. Imars Nachrichten waren stets gegründet.“

Und wo blieb der wackere Araber?

„Kurz nachher, da uns Tata verhaftet hatte, machte er es möglich, zu entfliehn. Vielleicht gelang es ihm eher, wie einem andern, sich zu retten. Er ist des Herumstreifens gewohnt.“

Gott, mich überraschte eben ein Gedanke – nein – kommen sie zu ihrem Vater!

Beide eilten zu Don Alonzo, der ermattet auf einem Teppich saß. Die Diener mußten das Zimmer räumen. Nun sprach Coutances: Die großmüthige Sultanin von Darkulla, Alonzo, wen meinen sie, daß wir in der Heldin verehren?

Alonzo hob seine Blicke verwundert empor.

Es ist eine Französin. Die Gattin meines Freundes. Sie haben von ihr gehört.

Der Alte vernahm außer sich das Weitere, und sank auf die Knie, dem Himmel zu danken.

Letztes Kapitel.
Wilder Sturm in die Freude

Das Regiment der Sultanin hatte sich seit jener siegreichen That gar sehr befestigt. Hatte Flore einst durch Schönheit gewonnen, so war ihr jetzt das Urtheil zugethan. Kuku hat doch eine gute Wahl getroffen, hieß es, da er der Cafferin den Szepter übergab. Und sie muß doch mit ihm einverstanden seyn, wissen, wie viel sie wagen darf. Freilich war man denn sehr gespannt, wie Kuku die letztere Verweigerung aufnehmen würde, und daran hing allerdings zuletzt Florens Gewalt.

Indessen erfreute sie hoch, was sie jetzt wahrnahm, und Schmeicheleien oder angelegte Plane täuschten sie nicht mehr. Mustapha und Osman (unter diesen mahomedanischen Namen blieben Alonzo und Coutances um die Sultanin) mußten alles mit eignen Augen sehn, genau forschen und Bericht erstatten. Nene ritt oft und unverhofft aus, und unterrichtete sich dazu selber. Die Kammerherren bekamen die Aufsicht über die Rosenölfabrik, und durften nichts mehr von Staatsdingen reden.

Sie erließ neue Edikte, und folgte darin einem Wink des Landsmannes. Zwar kann ich auch, hieß es darin, mit Gewalt zur Vernunft zwingen, da ihr aber oft zeigtet, daß die Dummheit euch lieber ist, so will ich denn hiermit meinen ersten Befehl widerrufen, und jeden Freund der Dummheit in Darkulla berechtigen, seiner Lieblingsneigung zu folgen.

Schon waren die Köpfe im Streit gegen die Neuerung thätig gewesen, aber das giebt grade die Gelegenheit, des Gegners Lichtseite auch zu bemerken. Giebt er nun von selbst nach, so hört der Grund auf, diese Lichtseite zu schmähn, und des Strahles Helle, fängt an zu gefallen.

Die Herren konnten nun also wieder der Knechte Köpfe aus Kurzweil abhauen. Es geschah aber nicht mehr. Die Knechte wurden wieder gut genährt, nun gefiel ihnen doch die Sicherheit des Lebens, und sie hätten auch das Gesetz zurückgewünscht. Man durfte nackt gehn, aber am Hofe schimmerten doch die Kleidungen ganz artig. Es wurde schon von nächtlich rauher Luft geredet, von Sicherheit gegen das Ritzen der Dornen. Die Stoffe, welche Osmann anfertigen ließ, waren überaus dünn und leicht, dabei sehr bunt und nett, und – sie gingen bald reissend im Kauf. Es standen sogar Starkgeister in Darkulla auf, die meinten: die goldnen Eselinnen im Paradiese mögten wohl nur so eine Figur seyn, und wenn die Sultanin den Titel nicht mögte, so liefe es der Religion nicht zuwider, artig zu seyn.

Genug, wenn Flore das Volk sah, so wurden der Schürzen immer mehr, und der Zischer beim Klatschen der Menge immer weniger. Und Kammerherrn hatten diese Klatscher gewiß nicht gedungen, denn keiner darunter war parfümirt.

Die Glieder vom Divan waren zwar nichts weniger wie ausgesöhnt mit den neuen Erscheinungen. Sie meinten, der Volkscharakter fange an zu knarren und zu knistern, und werde nächstens ganz aus den alten Fugen geschoben seyn. „Ja daß Kuku und Tata eine Schlacht verloren haben, woran wirds liegen, als daß schon beim Heere von den Gesinnungen der Sultanin Nene geredet ward. Der Gedanke an Werth des Lebens folgt. Diesem die Liebe, und wer wirft gern hin was er liebt.“

Doch waren die Nachrichten aus dem Felde jetzt etwas beruhigender. Das geschlagene Heer hatte sich in eine gebirgigte Stellung geworfen, worin Gigi so leicht ihm nichts anhatte. Abermals waren Friedensvorschläge eingetroffen, und die Forderung, Mustapha und Osmann auszuliefern. Kuku hatte aber antworten lassen: er erwarte ihre Köpfe, und werde sie richtig übermachen. Damals hatte er von Nenes Botschaft keine Nachricht haben können.

Oft sagte Flore zu Alonzo und Coutances: Wie, wenn eure Isabelle noch lebte? Wenn wir erführen, ein Sklavenhändler, oder ein schwarzer Fürst hielt sie versteckt. Wir nähmen Truppen und zögen hin, befreiten sie —

Alonzo hob dann die Hände stumm zur Höhe, Coutances versank in einem Strome von Gefühlen, von denen manche schauderhaft, immer schauderhafter im Verfolgen wurden. Zuletzt entriß er sich, mit der erneuten Ueberzeugung: Imar kann nicht lügen.

Bald traf der Eilbote ein, der erwartet wurde. Hof, Stadt und Provinz waren gespannt auf den Inhalt des Palmblattes. Flore las:

„Schöne Sonne von Darkulla, liebliche Sultanin Nene! die Männer welche mir auf deinen Befehl ihre Köpfe überbrachten, sind nicht mehr. Ich konnte, wie theuer deine Bitte mir war, nicht verzeihen, denn sie hatten dir Gehorsam verweigert, Aufruhr und Verrath gesponnen, deine Stunden getrübt. Mögte tausend Köpfe tragen, der also thät, und sie sollten alle fallen. Was du mit den Gefangenen, und mit den Caffern beschlossest, ist alles meine Freude. Du glänzest wie ein See von weissem Gefieder, bestreut mit Wölklein Morgenroth, ich bin schwarz wie die Nacht einer Löwenhöle zur Regenzeit; also sinnest du mild wie die neugeborne Taube, ich wüthe dem Panther gleich, den beim Trinken ein Flußungeheuer mit spitzer Kralle verwundete. Es gebührt mir, meiner Liebe zu folgen, und wollte sie, ich sollte in die eigne Lanze fallen. Viel haben sie mir hinterbracht, was meinen Zorn gegen dich waffnen sollte, ich ließ deinen Verläumdern die Zungen ausreißen, und jetzt sind sie stumm worden, wie die Gruft meiner Väter. Für alle Liebe flehe ich jetzt um eine Huld. Diese gewähre mir, und tausend Bitten magst du dann verlachen. Damit ich dann auf dem Teppich meines Zeltes einschlafe, und Darkullas Kinder nicht mehr beben, lasse einmal des Busens Rede schweigen. An Gigi muß ich meine Tausende rächen, meine Ehre soll leuchten vor dem Angesichte der Völker. Eine hundertjährige Prophetin kam um Mitternacht und sprach: Sultan Kuku, Osmann ins Grab, sonst steigt er auf den Thron von Darkulla. – Darum Sultanin, darum sende mir sein Haupt!

Ende des vierten Buchs

Potpurri.
Der erfahrne Schriftsteller und der Angehende

Ein Gespräch

A. Und sie wollen die Zahl der deutschen Autoren vermehren.

 

B. Warum sollte ich einem Drange widerstehn, der von dem innigen Antheil an dem Ideenverkehr der Menschheit ausgeht, und den ich, wohl darf ichs sagen, mit einem mehr als gewöhnlichen Fleiß nährte?

A. Daß sie sich für die schöne Literatur entscheiden, hörte ich schon. In welcher Gattung aber denken sie sich zu versuchen?

B. Werden sie meine aufrichtige Antwort nicht Anmaßung nennen?

A. Ich errathe – Universalität.

B. Im ganzen Umfange den Begriff nehmen, hieße Unsinn, man kann ihm aber auch eine bescheidne Gränze ziehn. Ich läugne ihnen nichts. Poesie hat mich von jeher angezogen, und dennoch gewann sie mir keine Vorliebe ab. Von einer Epopee begeistert, frag ich die Geschichte, ob nicht noch unbefangene Helden vorhanden sind, und mit dem Spötter in kurzen Worten, übe ich Fertigkeit in Sinngedichten. Das Schauspiel ergreift mich gewöhnlich lebhaft genug, um bei der Heimkehr von der Bühne, auf neue Cannefasse zu denken; selten lege ich einen Roman aus der Hand, ohne Charaktere und Lebensverkettungen origineller Art, vor den innern Blicken zu sehn; oft überrascht mich die Leichtigkeit, womit ich das Gedankenspiel vom Bestehenden, hinaus ins noch unbekannte Gebiet trage, womit ich mir Philosophie des Geschmacks aneigne, kritische Gebäude aufführe, Lehrplane des Schönheitgesetzes entwerfe, – doch ich breche ab. Da haben sie mich, wie ich bin. Erheben sie die strafende Stimme.

A. Kraftgefühl der Jugend soll man aufmuntern, nicht schelten. Doch wie ich sehe, bedarf es eben der fremden Anreitze bei ihnen nicht.

B. Diese Bemerkung mahnt mich dennoch, in meinem Innern den lebendigsten Trieb zu suchen.

A. Wohlan! Ihre Zwecke, indem sie als Schriftsteller auftreten wollen, sind doch wohl – Einmal zu nützen —

B. Sagen sie vor der Hand zu vergnügen, zu rühren —

A. Das kann nützen. Dann wird es ihnen selbst um die Freude unter der Ausarbeitung, um die Wollust des Erfinders, wie Schiller spricht, zu thun seyn.

B. Dieser Egoismus – wäre er zu tadeln?

A. Ich wüßte nicht. Ferner wird es ihnen schmeicheln, auf dem Wege der Wissenschaft, in einem größeren Umkreise von Menschen bekannt zu werden, als der enggezogene des gemeinen Lebens.

B. Wollte ich das bestreiten, zögen sie meine Wahrheitsliebe in Verdacht.

A. Der Gedanke an Bekanntheit, führt zu den an Lob, dieser zu den an Ruhm.

B. Ein schwierig vorgestecktes Ziel fordert große Anstrengungen auf. Wird es nicht erreicht, blieben die Kräfte nicht ungeübt.

A. Endlich, da Jeder mit seinem Pfunde zu wuchern berechtigt ist, sie ein, wenig einträgliches, Amt bekleiden, und sonst sich keines Vermögens erfreuen, so hoffen sie von ihren Bemühungen – wäre es auch im Anfang noch gar nicht, und später mit billigen Ansprüchen – Gewinn.

B. Ich läugne es nicht.

A. Ihre Geständnisse wird Jedermann vertheidigen. – Doch machten sie sich auch schon mit den Hindernissen bekannt, die ihnen in dieser Laufbahn begegnen werden?

B. Wo gäbe es deren nicht. Das Leben ist ein fortwährender Kampf. Ich hasse ihn aber nicht, da er ja offenbar die Urbestimmung, höhere Entwickelung, fördert. Wer wird die Chimäre von unthätiger Glückseligkeit träumen? Es gilt aber nur den festen Willen zu kämpfen, und das an sich nicht Unbesiegbare, fällt.

A. Gute Basis des Lebensmuthes in diesen Grundsätzen. Bei dem allen kämpft der metaphysische Begriff nicht allein. Es gilt Waffen des Alltagslebens. Sie müssen den Widerstand, auf den sie zu zählen haben, seiner Natur nach, kennen.

B. Die Gelegenheit dazu, liegt vor mir.

A. Erfahrung ist eine kostbare Schule. Sie läßt sogar viele ihrer Lehrlinge untergehn. Wie wäre es, wenn ich sie mit einigen der Feinde, gegen die sie sich werden zu vertheidigen haben, im Voraus bekannt machte?

B. Es würde meinen Dank fordern.

A. Zuerst stählen sie ihr Gefühl ja gegen eine Beleidigung, die ihnen unfehlbar widerfährt, und die um so tiefer verwundet, als die ersten Erwartungen poetisch sind.

B. Die wäre?

A. Nichtachtung. Sie vollendeten ein Manuskript und suchen nun einen Verleger, der es der Lesewelt gedruckt in die Hände geben soll. Sie schreiben dem Manne, oder suchen ihn in seinem Comtoir auf. In beiden Fällen wird ihm ihr unbekannter Name ein Anstoß. Er hat sich gewöhnt, den Namen als ein Simbol der geringeren oder besseren Gangbarkeit der Werke anzusehn. Mit dem Neuling hat er nicht gern etwas zu schaffen, da er dann fürchten muß, das Unvollkommene auf den Markt zu bringen. Er liest nun entweder, oder hat einen Literaten seiner Bekanntschaft, der ihn der Mühe überhebt. Auch dieser theilt das Vorurtheil. Haben die in ihrem Werke enthaltenen Gedanken Aehnlichkeit mit schon ausgesprochenen, (was der Vielbelesene bald ausfindig macht), so gelten sie ein Nachahmer, und man erinnert sich, daß schon Horaz da ein Verdammungsurtheil fällte. Weicht der Inhalt ihres Werkes ab, so mißversteht man ihn, oder faßt nicht, wie doch der Anfänger schon eine ganz eigne Bahn zu wandeln, sich vermessen kann. Zweifelhaft in jedem Fall, hält man für das rathsamste, mit einem höflichen Ablehnungsschreiben ihr Produkt zurückzusenden. Das wird sich bei mehreren Versuchen wiederholen.

B. Ermüde ich nicht, gelingt doch wohl einer.

A. Und wenn das geschieht, dringt das Vorurtheil erst mit der größeren Kraft auf das neue Beginnen ein. Die auf der Messe versammelten Buchhändler gewinnen kein Zutrauen gegen den neuen Autor, nehmen wenig oder nichts, wollen erst Rezensionen abwarten, und thun Recht daran, indem sie wissen, daß von ihren Bekannten niemand gerne das Buch eines Schriftstellers kauft, von dem er noch nichts hörte. Selbst Leihbibliotheken greifen nicht willig zu, weil sie aus Erfahrung wissen, daß ihre Leser nach den Namen wählen. Die kritischen Blätter haben die vorzüglichste Aufmerksamkeit, den Werken gerühmter oder schon früher getadelter Männer zugewendet, es währt lange, bis man über ihr Buch etwas sagt, wenn es nicht ganz übergangen wird. Der Rezensent, dem es in die Hände fällt, wird vielleicht ohne Interesse flüchtig übersehn, wegwerfend absprechen, oder ein frostig Lob, nicht besser als Tadel, hinspenden. Ihr Buch bleibt dem Verleger auf dem Lager, das wird andern bekannt, und das Zweitemal erreichen sie noch schwieriger ihre Absicht.

B. Das heißt, mit ihrer Erlaubniß, alles in Schatten stellen. Sollte die Güte des Buches an sich, ihm nicht selbst eine Bahn brechen?

A. Glauben sie es meiner Erfahrung, manches gute Werk liegt ungewürdigt in den Buchläden, während Hundert mittelmäßige, frivole, schädliche Ephemeren Leser finden, oft sogar verschlungen werden.

B. Wo soll man aber die Ursache dieser befremdenden Erscheinung aufsuchen?

A. In den Ansichten der Menge, im Intriguengeist vieler Autoren, in der Partheilichkeit öffentlicher Geschmacksrichter.

B. Daß in der Menge nicht auf Einheit der Ansichten zu bauen ist, begreife ich wohl, wie aber kann die Gewandtheit der Autoren auf diese Menge einwirken?

A. Daß sie davon nichts wissen, nichts ahnen, verbürgt ihnen eben kein hohes Gedeihen. Ein Schriftsteller höfelt Männern von Bedeutung und Einfluß. Diese lassen sich bewegen, seinen oberflächlichen Blick in ihre Werke zu thun, rühmen, das pflanzt sich weiter, und der Ton will, daß das Werk gelesen werde. Oft wird auf diese Art selbst der Kunstrichter mit bestochen. Ein anderer schickt kritischen Autoren seine Werke mit schmeichelhaften Bitten, ihrer in Güte zu gedenken, ein, und ihm wird ein casus pro amico. Oder auch, was immer gebräuchlicher wird, sie rezensiren unter der Hand selbst, und rühmen die eignen Kinder nicht stiefväterlich. Die prunkenden Anzeigen in den Intelligenzblättern rühren gar oft von den Verfassern her, denen selbst die Kaufmannssprache ihrer Verleger zu kühl ist. Andere wissen irgend etwas vom Zeitgeschmack beizumischen, wodurch schlechte Waare blankgeputzt wird, sie verschmähen nicht sittenlose Wendungen, nicht hämische Ausfälle auf bedeutende Männer, kurz, auch nicht das Verworfene, um nur ihr Ziel zu umarmen. Haben sie Lust diese Wege einzuschlagen, so gebe ich mehr Hoffnung.

B. Nicht Einen davon, nicht Einen! Müßt ich mich nicht verachten? – Nein, doch von fortgesetztem Fleiß, von fester Beharrlichkeit hoffe ich viel. Endlich denke ich durchzudringen, endlich bemerkt zu werden.

A. O, wenn sie erst bemerkt werden, dann kömmt ein neuer, und viel schlimmerer Kampf, wie der gegen die Kälte. Ueberall giebt es Blätter, deren Existenz auf Nachrichten aus der gelehrten Welt gebaut ist. Man will gern hohen Ton zeigen, absprechen. Sie haben in ihrer Bekanntschaft Autoren, die keinen eignen Stoff in ihrer Talentarmuth aufzubringen wissen, diese schwängern sich, so zu sagen, aus neuen Werken, und reden über die Erscheinung mit eben daraus geschöpften Ideen. Dies sind besonders die Männer der Journale, weil Zeitungen auszuspähn, ihre Sache ist. Einen im Kaffeehause gehörten Witz bringen sie bei der Gelegenheit selbst an, um witzig zu scheinen, erlangen auch wohl auf diese Art den Zweck, mit der fremden Feder zu glänzen, denn das ganze Lesepublikum konnte doch nicht auf dem Kaffeehause sein. Diese sind zugleich neidisch wie ein gewisses Thier, das man wegen des nicht wohlklingenden Namens, ungern nennt. Sie werden es ihnen nimmer verzeihen, wenn sie ihr Bekannter, und doch geschätzt sind. Von diesen Leuten gilt genau, was der Spötter Swift sagte:

 
Fortuna spende deine Gaben,
Mit vollen Händen meinem Feinde,
Nur aber meinem Freunde nicht,
Das eine ist mir noch erträglich,
Das andre macht vor Neid mich bersten.
 

Sind sie gleich nicht ihr Freund, waren sie doch einmal auf dem Kaffeehause mit ihnen. Das Wort Freund ist ja schon lange ein Universaltitel. Zu *** legte ein junger Kunst- und Indüstrie-Komtorist eine Art Bücherkasino an. Er begegnete bei dieser Gelegenheit dem würdigen Kapellmeister *** auf der Treppe in irgend einem Hause. Nach dem gewöhnlichen Complimentenwechsel fragte er ihn höflich: Ob er ihm nicht in musikalischen Angelegenheiten, mit Rath an die Hand zu gehn, die Gewogenheit haben wollte? Herr *** immer artig, erwiederte: mir Vergnügen, so weit ich es im Stande bin. Was würde auch ein gefälliger Mann anders haben antworten können? Nun ließ der Kunst- und Indüstrie-Comtorist neben andern, mit Posaunen, Orgeln, Kanonen und Karthaunen begleiteten Zeitungsankündigungen auch sich vernehmen: „Mein Freund *** wird mich ebenfalls unterstützen.“ Genug, diese Männlein werden beginnen, sie zu necken, und oft bitter, unartig, pöbelhaft, denn das gilt manchen Leuten kurz und kräftig.

B. Darum bekümmert man sich nicht.

A. Ach mit der Großmuth ist hier nichts auszurichten. Eiserne Stirnen fühlen ihre glühenden Kohlen nicht, die Männlein glauben, sie ermangelten der Kraft in ihrer Feder, und witzeln aufs Neue. Wie lachte nicht der neue Herausgeber des Freimüthigen, der gern witzig wäre wie sein Vorgänger, aber von dessen Ader wenig in bonis hat, als er den braven Schütz (der gar kein Mann ist, wie der Herausgeber des neuen Freimüthigen, sondern ein Gelehrter) der seine Teutona zu einer ungünstigen Zeit begonnen hatte, bescheiden auf seinen lieblosen Sarcasmus antworten sah. Nein, es geht mit dem Schweigen nicht wohl, das sahen ja Schiller und Göthe ein, wie sie die Xenien ausschleuderten, Kotzebue, wie er so manches bittre Pamphlet erließ, manche derbe Satyre in seine Stücke verwebte; Nikolai und andere, welche auch den Sanscülotten in der Gelehrtenrepublik antworteten. Denn es giebt immer einen Theil im Publikum, (mögte es ein kleiner sein) der dem Drukke glaubt, und von dem leider die ziemlich unfeine Bemerkung in den Expektorationen gelten kann:

 
Nennt mir doch nicht das Publikum,
Es ist geduldig, fromm und dumm,
Mit eignem Urtheil befaßt sichs nicht
Es schnattert nach, was ein andrer spricht.
 

Sie antworten also. Glauben den Aufwand einer witzigen Pointe sei der Handel wohl werth, und meinen, da sie sie ausspendeten, den naseweisen Mann abgefertigt zu haben. Aber nun gewinnt er, der immer an Stoff Verarmte, ja mit Einemmale neue Materie, über die er sich, plump oder gewandt, fertig oder elend ergießen kann. Vermag er nichts im bravgeführten Streite, im interessanten Federkampf wider sie, so verläßt er sich auf Geschrei, auf Grobheit, auf Personalität, auf das letzte Wort, von dem er nicht abgeht. Bei allem guten Selbstgefühl, bei aller Rechtlichkeit, aller überlegenen Kraft, kann es doch nicht ausbleiben, daß sie sich nicht schwer gekränkt fühlen. Und wie verdrießlich ist überhaupt so ein Kampf.

B. Aber wird denn unter den Schriftstellern nimmer ein edler Ton – —

A. Ein edler Ton? Wo sollte der erlernt, beliebt worden sein? Magister X. vor seinen Schulbänken, wo es jeder Augenblick erheischt, ungezogne Knaben mit Schärfe zu leiten, wo soll ihm die Gefühlsfeinheit erzogen sein? Etwa früher an des Vaters Werkstatt, der ein ehrsamer Schneider war? Der Kanzelist Y. der entweder bei seinen Akten schwitzte, oder dann sich in den Wirthshäusern umhertrieb, wo hätte ihm die Göttin des guten Geschmacks gelächelt? Der sogenannte privatisirende Gelehrte Z., der als Musketier in den Wachtstuben die Entdeckung machte, er würde auch schreiben können, weil die Soldaten gern anhörten, was er aus dem eben gelesenen Roman erzählte, und mit seiner Erfindung aufstutzte, was haben mit dem die Grazien zu thun? und mit alle diesen Männern gerathen sie in Verbindung. Grade mit diesen am ersten. Von den ehrenvollen Ausnahmen ist hier nicht die Rede.

 

B. In der That! was sie alles sagen, lockt wenig an.

A. So ists, junger Freund, so ists! Und das wird noch schlimmer werden, indem sie ihre Laufbahn verfolgen, denn seit zwanzig Jahren machte das Uebel auf dem Parnaß Riesenschritte, und woher ließe sich erwarten, daß es erlahmen sollte? Vollen Ernstes glaub ich, daß kein wahrer Ruhm in Deutschland zu erlangen sei. Alles zerfiel in Partheiwuth, alles ward breit tadelsüchtig und anmaßend. Denken sie an das Schicksal von Kant. Wer wird diesem Manne ein gigantisches Genie absprechen? Ich wünschte, sie schlügen alte kritische Blätter nach und sie fänden dann, wie unwürdig der Mann von uns behandelt worden ist. Späterhin gab es nun wieder ein Geschrei, welches so verzerrt war, daß es ihm selbst nicht gefallen konnte. Wie lange aber, da hieß er in Jena ein alter Schwätzer? Zweige brachen sie von seinem großen Stamm, steckten sie in die Erde, da wurde wieder ein Baum, und der Pflanzer rühmte sich Schöpfer. Wer jetzt noch eine Vorlesung über Kant ankündigt, wird ausgezischt. Denken sie an Kotzebue. In so vielen Laufbahnen er sich versuchte, in so vielen glänzte er. Sie besuchen sein Trauerspiel, und werden weinen. Sein Lustspiel läßt sie beinahe vom Lachen nicht ausruhen. Jeder kleine Aufsatz des Mannes überrascht sie durch ein nicht geahntes Interesse. Der Name Kotzebue auf dem Titel, ist Simbol des Genies. Das fühlt jeder, wer aber birgt den Muth, es zu sagen? So lange haben ihn Zoilus Jünger geschmäht, bis es Ton geworden ist, keinen Geschmack mehr an Kotzebue zu finden. Nein, mein junger Freund, wir sind keine Franzosen, die nach Hundert und funfzig Jahren noch mit Entzücken Racine’s und Moliere’s Meisterwerke sehn, ihren Rousseau fortlieben, ihren Rochefoucault immer wieder auflegen. Nur mit Modeschneidertalent kann man bei uns einmal in die Höhe schäumen, wenn man den Schnitt der literären Mode trifft, aber so gewiß der Modeschneider nach wenigen Jahren von der eleganten Welt verlacht wird, trifft den Autor das nämliche Geschick. – Ueber den Punkt des Gewinnes sage ich ihnen nichts, da mögen ihre Erfahrungen reden, und sie werden nicht erfreulich sein.

B. Wahrlich, wäre meine Bedienung besser —

A. Wie, sie wünschen Verbesserung des Amtes und wollen schreiben? Bedenken sie nicht, wie verhaßt sie sich dem Minister machen werden?

B. Ei warum?

A. Wo sahn sie einen Minister bei uns, der den Autor geschätzt hätte? Selbst wenn er in Dedikationen wie ein Bologneser kroch, wurde er verachtet. Machen sie sich gefaßt, ewig auf ihrer Stelle zu bleiben, auf Chikanen, Vorwürfe, bei einem geringen Fehler.

B. Mein Minister ist ein aufgeklärter Mann.

A. Das ist er nicht, sonst würde er ihr Genie nützen.

B. Zum Henker mit der Autorschaft!

Ende des ersten Theils