KurzZugig

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Jörg Röske

KurzZugig

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Impressum neobooks

Kapitel 1

Es war Nacht, und es regnete in Strömen. Jemand kam an das Tor des KZs.

„Hallo!“, rief der vor Nässe triefende Jemand.

„Wer da?!“, fragte der Wachsoldat.

„Könnten Sie mal herkommen?“, rief der Nasse.

Der Wachsoldat kam zum Tor aus Stacheldraht.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Soldat.

„Ich bin Jude! Kann ich für eine Nacht bei Ihnen übernachten? Es regnet, mir ist kalt und ich habe kein Obdach!“

Der Wachsoldat schaute irritiert. Dann sprach er wieder.

„Werter Herr, das hier ist ein Konzentrationslager!“, sagte der Wachmann.

„Oh, wie hübsch! Darf ich rein?“

„Wenn Sie unbedingt möchten!“

„Ja, ich möchte! Aufgrund schon mitgeteilter Gründe!“

„Haben Sie Papiere?“

„Nein, die habe ich leider verloren!“

„Haben Sie einen Judenstern?“

„Einen was?“

„Einen Judenstern, aufgenäht auf ihrer Kleidung!“

„Auf meiner Kleidung ist nichts aufgenäht!“

„Moment, bitte!“

„In Ordnung!“

Der Wachmann ging zu seinem Vorgesetzten. Er klopfte an die Tür der Stube, in der sich der Vorgesetzte gerade mit einer Dame vergnügte.

„Scheiße, wer ist das denn jetzt und dann noch um diese Uhrzeit?“, schimpfte der SS-Mann.

Er zog sich halbwegs wieder an.

„Warte, Schätzchen, ich bin gleich wieder da!“, sagte der SS-Vorgesetzte zu seiner Vergnügungsdame.

„Ist gut!“, sagte die Dame lächelnd.

Der Vorgesetzte ging zur Tür.

„Wer da?“, fragte er.

„Wachmann Müller, hier ist jemand am Tor!“

„Um diese Zeit?“

„Kann ich auch nicht für, Herr Sturmbannführer!“

„Moment!“, sagte der Sturmbannführer und zog sich seine Uniformjacke über und trat vor die Tür.

„Verzeihen Sie die Störung!“, sagte Müller.

„Schon gut! Was will der Mann?“

„Er sagt, er sei Jude und möchte eine Nacht bei uns übernachten!“

Der Sturmbannführer schaute den Wachsoldaten an, als habe dieser nicht alle Tassen im Schrank.

„Haben Sie getrunken, Müller?“

„Nein, Herr Sturmbannführer!“

„Wollen Sie mich verarschen?“

„Herr Sturmbannführer?“

„Müller, Sie können mir doch nicht erzählen, daß am Tor ein Jude ist, der bei uns übernachten möchte?“

„Ich kann da nicht für, Herr Sturmbannführer!“

„Haben Sie ihm gesagt, daß das hier ein KZ ist?“

„Ja, habe ich!“

„Und was hat er gesagt?“

„Er sagte: Oh, wie hübsch!“

Der Sturmbannführer brach fast tot zusammen.

„Müller, Sie verarschen mich!“

„Nein, Herr Sturmbannführer, das würde ich niemals wagen! Fragen Sie ihn selbst!“

Der Sturmbannführer schaute Müller an.

„Haben Sie einen Regenschirm, Müller?“

„Nein, Herr Sturmbannführer!“

„Mist, wo ist denn meiner?“

Der Vorgsetzte suchte seinen Regenschirm. Aber er fand ihn nicht.

„Egal, jetzt mal raus zu dem Spinner!“, sagte der Sturmbannführer, „Aber ich sollte mir meine Stiefel anziehen!“

Das tat der Vorgesetzte. Dann krachten seinen Stiefel auf dem Holzboden auf, und er ging zu der Tür des Hauses, in dem sein Büro untergebracht war. Er öffnete sie und trat hinaus. Der Wachsoldat folgte.

„Mistregen!“, schimpfte der Sturmbannführer.

Er stiefelte zum unweit gelegenen Tor. Dort wartete der Jemand.

„Guten Abend!“, sagte der Vorgesetzte.

„Guten Abend!“, sagte der Jude.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Sturmbannführer.

„Ich benötige Obdach für eine Nacht, ich kann auch bezahlen!“

„Wie ich gehört habe, sind Sie Jude!“

„So ist es!“

„Können Sie sich ausweisen?“

„Nein, ich habe auf meiner Flucht alle meine Papiere verloren!“

„Flucht vor wem?“

„Habe ich vergessen!“

„Vergessen?“

„Ja, vergessen! Tut mir leid!“

„Aber Sie wissen, daß das hier ein Konzentrationslager ist?“, fragte der Vorgesetzte den Jemand.

„Wurde mir schon gesagt!“

„Und Sie sind Jude?“

„Hatte ich schon erwähnt!“

„Und Sie möchten hier bei uns übernachten?“

„Mir ist kalt, ich bin durchnäßt, ich habe Hunger! Es wäre sehr nett, wenn ich das dürfte!“

„Haben Sie wenigstens einen Judenstern?“

„Wurde ich schon gefragt, ich habe keinen Judenstern!“

„Hm! Kein Judenstern?“

„Kein Judenstern!“

„Kein Judenstern, keine Papiere!“

„So ist es!“

„Dann können wir Sie leider nicht reinlassen!“, sagte der Sturmbannführer.

„Nicht?“, fragte der jemand nach.

„Nicht, tut mir leid!“, sagte der Sturmbannführer.

„Naja, kann man nichts machen! Schönen Abend noch!“, sagte der Jemand.

„Ihnen auch!“, sagte der Sturmbannführer.

„Danke!“, sagte der Jemand und ging.

Der Jemand trottete weiter, durch die Nacht und durch den Regen. Er folgte einer Landstraße und erreichte irgendwann ein Dorf. In diesem fand er ein Gasthaus. Das hatte noch auf, also ging er hinein. Er stand triefend vor Nässe in der Kneipe. Alle Leute drehten sich zu dem nächtlichen Besucher um.

„Guten Abend!“, sagte er.

Die Leute drehten sich wieder ihrem Bier zu und redeten weiter. Der Nasse ging zum Tresen.

„Ein Bier?“, fragte der Wirt.

„Nein. Ich bin Jude und möchte hier gerne übernachten!“

Der Wirt wurde nervös. Er nahm den Jemand beiseite.

„Es tut mir sehr leid, ich finde auch nicht gut, was die im KZ machen! Aber wenn ich Sie hier verstecke, dann bin ich geliefert!“

„Ich möchte nicht versteckt werden, ich möchte nur übernachten!“

„Das kann ich nicht machen!“

„Mist, die im KZ haben mich auch nicht übernachten lassen!“

Der Wirt schaute entgeistert den Jemand an.

„Sie waren beim KZ?“

„Ja!“

„Und die haben Sie nicht reingelassen?“

„So ist es, ich hatte keine Papiere und keinen Judenstern!“

„Möchten Sie vielleicht nicht doch ein Bier trinken?“

„Nein, ich muß klaren Verstandes bleiben! Haben Sie vielleicht einen Judenstern oder könnten Sie mir einen Judenausweis machen?“, fragte der Jemand den Wirt.

„Wofür denn das?“

„Damit ich in dem KZ übernachten kann!“

„Sie wollen in dem KZ übernachten?“

„Ja! Bei Ihnen geht das ja nicht!“

„Hm, meine Frau kann gut fälschen!“, sagte der Wirt.

Da kamen Weitere in die Kneipe herein. Es waren zwei Männer, die lange Mäntel trugen und Schlapphüte und sechs Soldaten.

„Guten Abend!“, sagte der eine Mantelmann.

„Oh, Mist, die Gestapo.“, flüsterte der Wirt.

„Verhalten Sie sich unauffällig.“, flüsterte der Wirt noch zu dem Jemand.

Doch der Jemand ging stracks auf die beiden Gestapobeamten zu.

„Hallo!“, begrüßte der Jemand die neu Hinzugekommenen.

„Hallo!“, sagte der eine Mantelmann.

„Könnten Sie mir helfen?“

„Kommt drauf an!“

„Ich bin Jude und brauche dringend einen Ausweis oder einen Judenstern!“

Dem Gestapobeamten blieb der Mund offen stehen. Dann fand er die Sprache wieder.

„Was brauchen Sie?“

„Sagte ich doch, einen Ausweis, der mir bescheinigt, daß ich Jude bin oder einen Judenstern!“

„Und wofür brauchen Sie das?“

„Damit ich in dem KZ hier in der Nähe übernachten kann!“

Der Gestapobeamte guckte ratlos den Jemand an. Dann schaute er den Kollegen an, der zuckte nur mit den Schultern. Dann schaute er wieder den Jemand an.

„Wenn ich Sie recht verstanden habe, brauchen Sie einen Ausweis oder einen Judenstern, um in dem nahegelegenen KZ übernachten zu können?“

„So ist es! Ich war eben schon dort gewesen, aber die haben mich nicht reingelassen!“

„Sie waren schon dort gewesen?“

„Ja!“

„Und die hatten Sie nicht reingelassen?“

„Traurig, ne?“

„Unerhört!“, sagte der Gestapobeamte.

„Können Sie mir helfen?“

„Ganz bestimmt! Wir bringen Sie zum KZ und reden mit den Leuten da!“

„Sehr freundlich!“

„Dafür sind wir doch da!“

Es ging wieder durch die Nacht über die nasse Landstraße. Und zurück zum Konzentrationslager. Das Auto mit den Gestapobeamten und dem Jemand hielt an, ebenso der Laster für die Soldaten. Der eine Beamte und der Jemand gingen zum Tor. Wachmann Müller sah die Ankömmlinge.

„Sie schon wieder!“, sagte Müller zu dem Jemand.

„Gestapo! Der Mann hier möchte bei Ihnen übernachten!“, sagte der Gestapobeamte.

„Er kann sich aber nicht als Jude ausweisen!“, sagte Müller.

„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, meinte der Gestapobeamte.

„Wir müssen sicher gehen, nachher stellt sich heraus, er ist ein Arier!“, gab Müller zu bedenken.

„Ich verbürge mich dafür, daß er Jude ist!“, sagte der Gestapomann.

„Nur weil der es behauptet?“

 

„Holen Sie mal Ihren Vorgesetzten!“

„Geht nicht, er ist schon zu Bett!“

Der Regen plätscherte. Plätscherte auf den breitkrempigen Hut des Beamten, auf den Stahlhelm des Wachmanns und auf den Mantel des Jemands.

„Tja, da kann man wohl nichts machen!“, meinte der Gestapobeamte.

„Gute Nacht noch!“, sagte Müller.

„Ja, gute Nacht!“, sagte der Gestapomann.

Sie gingen zurück zum Auto.

„Tja, lief wohl nicht so, wie sie es wollten!“, sagte der Gestapobeamte.

Der Jemand sagte nichts.

„Übernachten Sie doch in dem Gasthaus!“

„Das geht nicht, der Wirt will keine Juden verstecken!“

„Vielleicht sind Sie doch kein Jude, sondern Arier?“

Der Jemand schaute den Gestapomann an.

„Ich bin Jude, mein Herr!“

„Wie dem auch sei! Kann ich noch was für Sie tun?“

„Eigentlich nichts! Vielen Dank für Ihre Mühen!“

„Soll ich Sie noch irgendwohin fahren?“

„Nicht notwendig!“

„Und was machen Sie jetzt?“

„Weiß ich noch nicht!“

„Naja, dann alles Gute!“

„Ihnen auch!“

Der Gestapobeamte setzte sich wieder in sein Auto und fuhr weiter. Der LKW mit den Soldaten folgte.

Das Geräusch der sich entfernenden Motoren ebbte ab. Und der Jemand stand im unaufhörlichen Regen. Eine Weile, dann vernahm er wieder Motoren. Denen folgte er, und bald traf er auf Panzer. Denen stellte er sich in den Weg. Der Fahrer des vordersten Panzers entdeckte den Jemand in letzter Sekunde. Und stoppte.

„Hey, du! Ich habe dich beinahe platt gefahren!“, schimpfte der Panzerfahrer.

„Entschuldigung, ich habe ein Problem!“

„Wenn ich dich platt gefahren hätte, dann hättest du ein Problem!“, sagte der Fahrer und lachte.

„Wer seid ihr?“

„Wir sind das 15. Pionierbatallion! Und wer bist du?“

„Ich bin ein Jude!“

„Ein Jude?“

„Sie haben richtig gehört, ich bin ein Jude!“

„Äh, dafür sind wir nicht zuständig!“

„Habt ihr Schaufeln?“

„Natürlich haben wir Schaufeln!“

„Sehr gut! Könntet ihr mir einen Tunnel zum nahegelegenen KZ graben?“

„Du als Jude kämst doch einfach so in das KZ rein!“

„Das ist es ja! Ich komme eben nicht da einfach so rein!“

Der Panzerfahrer schaute den Jemanden an.

„Und wieso nicht?“

„Weil ich keine Papiere habe, die mich als Jude ausweisen, und ich habe keinen Judenstern!“, schimpfte der Jemand.

Der Panzerfahrer war sichtlich irritiert.

„Aber was willst du denn in dem KZ?“

„Mir ist kalt, ich bin völlig durchgenäßt, ich möchte in diesem KZ einfach nur übernachten!“

„Aber doch nicht in einem KZ!“

„Wieso denn nicht?“

„Weil..., das ist eben..., naja!“, stotterte der Panzerfahrer.

„Was?“

„Egal, für sowas haben wir jedenfalls keine Zeit! Wir müssen außerdem weiter!“

„Könntet ihr mich eine Schaufel leihen?“

Aber diese Frage überhörte der Panzerfahrer und gab Gas. Der Jemand ging beiseite. Dann rauschte das gesamte Pionierbatallion an dem Jemand vorbei. Traurig schaute er den Soldaten hinterher. Dann überlegte er kurz und ging wieder zu der Gaststätte in dem Dorf. Die Gaststätte hatte glücklicherweise noch auf. Der Wirt sah den Jemand und bekam leuchtende Augen. Er verließ den Tresen und ging zu dem nächtlichen Besucher, der ein zweites Mal die Kneipe aufsuchte.

„Ich dachte, ich sehe Sie nie wieder!“, sagte der Wirt voller Freude.

„Ich brauche Leute, die einen Tunnel graben!“, sagte der Jemand.

Der Wirt hielt inne.

„Einen Tunnel? Wofür das denn?“, fragte der Wirt erstaunt.

„Um in das KZ kommen zu können!“

Der Wirt schaute den Jemand an.

„Übertreiben Sie dann nicht ein wenig?“

„Ich möchte dort übernachten, ich denke nicht, daß ich übertreibe, Herr Wirt!“

„Sie dürfen auch bei mir übernachten!“

„Nein, ich möchte in dem KZ übernachten!“

Nach vielem Hin und Her ließ sich der Wirt breitschlagen und fragte in die Runde der anwesenden Besoffenen, wer mithelfen möchte, einen Tunnel zum KZ zu graben. Niemand meldete sich, nur ein Mann wollte helfen. Er war in Uniform, die besagte, daß er der SS angehöre. Aber er war sturzbetrunken. Dann bat der Jemand den Wirt um eine Schaufel, die er ihm bereitwillig aushändigte. Der SS-Mann und der Jemand machten sich auf den Weg.

„Die lassen Sie nicht ins KZ, unerhört!“, sagte der SS-Mann im Regen.

„Ja, finde ich auch!“, sagte der Jemand, der den SS-Mann stützen mußte.

Der Jemand fand eine geeignete Stelle im Wald und legte den besoffenen SS-Mann ab. Der murmelte nur noch.

„Heil Hitler, sollen alle KZs verbrennen, wenn die noch nicht mal einen Juden reinlassen!“, sagte der SS-Angehörige auf dem nassen Laubboden.

Dann schnarchte er. Der Jemand unterdessen begann zu graben. Erst grub er sehr tief, zumindest wollte er es so. Er merkte, daß er irgendwann nicht mehr konnte. Verzweifelt setzte er sich an den Rand der zwei Meter tiefen Grube.

„Hey, Kumpel!“, hörte er hinter sich.

Er wandte sich um und sah den Panzerfahrer. Sein Herz hüpfte.

„Ich hatte das dem Batallionsführer gesagt! Der sagte, dem Mann muß geholfen werden!“

„Danke!“

„Nicht da für! Was ist das?“

„Das ist ein sturzbesoffener SS-Mann, der wollte mir helfen!“

„Ist aber nicht weit gekommen!“

„Leider nicht!“

„Gut! An die Arbeit!“

Das gesamte Pionierbatallion fing an, den begonnenen Tunnel zum KZ weiterzugraben. Das war etwas, was die Pioniere konnten. Sie fällten Bäume und hauten sie zurecht. Mit dem gewonnenen Holz wurde der Tunnel abgestützt. Bald war der Tunnel fertig. Den letzten Spatenstich sollte der Jemand machen. Das tat er, und er war durch. Regen empfing ihn, und er krabbelte hinaus. Dann wandte er sich noch kurz zurück.

„Danke euch! Ohne euch hätte ich das niemals geschafft!“

„Nicht da für!“, sagte der Panzerfahrer, der zu dem letzten Spatenstich mitgekommen war.

Das Pionierbatallion rauschte ab, und der Jemand war endlich in dem Konzentrationslager. Alles war ruhig, alles schien zu schlafen. Und es regnete. Der Jemand schaute sich um. Überall standen Baracken. Er suchte sich eine aus und wollte zu ihr hingehen. Da sprach ihn jemand an.

„Was machst du da?“, sagte ein Wachmann in schroffem Tonfall.

„Was?“, fuhr der Jemand herum.

„Ich habe gefragt, was du da machst?“

„Ich wollte zu der Baracke gehen und mich schlafen legen!“

„Die Baracken sind über Nacht abgeschlossen! Mitkommen!“

Der Wachmann trieb mit vorgehaltener Maschinenpistole den Jemand zum Haus des Sturmbannführers. Der wurde unliebsam durch Klopfen geweckt.

„Was gibt’s?“, fragte er verschlafen.

„Ich habe einen Eindringling aufgespürt, Herr Sturmbannführer!“, sagte der Wachmann.

„Einen Eindringling? Normalerweise wollen doch alle raus! Führen Sie ihn vor!“

Der Wachmann trat beiseite und der Sturmbannführer sah den Jemand.

„Nein, nicht der schon wieder!“

„Hallo!“, sagte der Jemand.

„Sie kennen ihn?“, fragte der Wachmann.

„Ja, leider!“

Der Sturmbannführer war genervt. Dann faßte er sich wieder.

„Wie sind Sie in das Lager reingekommen?“

„Ein Pionierbatallion hat mir einen Tunnel gegraben!“

Dem Sturmbannführer blieb der Mund offen stehen.

„Ein Pionierbatallion der deutschen Wehrmacht?“

„So ist es!“

„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“

„Erst lehnten sie ab, aber dann gruben sie den Tunnel!“

„Sie sind sehr hartnäckig!“

„Ich möchte hier nur eine Nacht übernachten!“

„Wenn ich das dem Obersturmbannführer erzähle,der glaubt mir kein Wort!“, meinte der Sturmbannführer, „Ein Jude läßt einen Tunnel graben, dazu noch von einer deutschen Pionierenheit, um in einem KZ übernachten zu können! Hat was! Aber nach wie vor, Sie können sich nicht ausweisen! Also müssen Sie gehen!“

„Wirklich?“

„Ja, wirklich! Es sei denn, sie haben sich mittlerweile einen gültigen Ausweis oder einen Judenstern besorgt!“

Der Jude senkte den Blick.

„Dann müssen Sie jetzt leider gehen!“

Der Jemand wandte sich zum Gehen.

„Halt!“, sagte der Sturmbannführer.

Der Jemand blieb stehen.

„Wo befindet sich der Tunnel?“

„Zeige ich Ihnen!“, sagte der Jude.

Dann gingen sie hinaus, und der Jemand zeigte den Eingang zum Tunnel.

„Mayer, schnappen Sie sich paar Leute, und lassen Sie den Eingang zuschütten!“, sagte der Sturmbannführer zu dem mitgekommenen Wachmann.

„Jawohl, Herr Sturmbannführer!“

Der Sturmbannführer begleitete den Jemand zum Tor.

„Tut mir leid, daß ich nichts für Sie tun kann!“, meinte der Sturmbannführer.

„Ich verstehe schon!“

„Die Nacht ist bald rum, dann hatten Sie wenigstens eine aufregende Nacht gehabt!“

„So kann man es auch sehen!“

„Verstehen Sie mich nicht falsch! Hier im deutschen Reich muß alles seine Ordnung haben!“

„Natürlich!“

Der Sturmbannführer ließ den Jemand durch das Tor hinaus. Dann ging der Jemand stracks zum Dorf, denn die Frau des Wirtes, die gut fälschen konnte, sollte ihm einen Ausweis machen. Er erreichte durch den Regen wieder die Gaststätte, aber die hatte mittlerweile geschlossen.

„Mist!“, sagte der Jemand.

Dann kauerte er sich auf die drei Stufen des Einganges der Gaststätte. Er schlief erschöpft ein. Nach zwei Stunden Schlafs weckte ihn ein Pfeifen. Er war noch nicht ganz wach, da erscholl das Pfeifen noch einmal. Ihm wurde klar, daß es von einer Lokomotive kam. Es regnete immer noch, und der Jude machte sich auf zum Bahnhof. Da es ein Dorf war, in dem er sich befand, brauchte er nicht weit zu gehen. Bald hatte er den Bahnhof erreicht. An diesem gab es eigentlich nur einen Zug. Der bestand aus einer Lokomotive, drei Viehwaggons und einem Personenwaggon. Drumherum entdeckte der Jude SS-Leute. Auf die ging der Jemand zu.

„Hallo!“, sagte er.

„Hallo!“, sagte einer der SS-Leute.

„Fahren Sie zum nahegelegenen KZ?“

„Ja!“

„Können Sie mich mitnehmen?“

„Sind Sie Jude?“

„Ja, bin ich!“

„Dann mal rein mit dir!“, sagte der SS-Mann.

Er öffnete die Waggontür. Der Jemand stieg in die Enge ein. Die Tür wurde wieder verschlossen. Drinnen herrschte Stille. Und man stand sehr nah beieinander. Irgendwann fuhr der kleine Zug weiter und machte nach kurzer Fahrt Halt. Die eng aneinder stehenden Leute wurden herausgelassen. Überall gab es Soldaten mit Waffen. Ein Mann in Uniform schaute sich die Leute an und entschied, wer zur einen oder zur anderen Seite gehen soll. Da kam auch der Jemand an die Reihe. Er wurde zur einen Seite befohlen. Die Leute auf dieser Seite wurden auf Baracken aufgeteilt. Das geschah unter den Augen von Beobachtenden. Einer davon war der Sturmbannführer. Er entdeckte den Juden.

„Ist ja nicht wahr! Wie sind Sie denn hier wieder reingekomnmen?“, fragte er.

„Mit dem Zug!“

„Um Einfälle sind Sie nicht verlegen!“

„Das ist richtig, mir fällt immer wieder was ein!“

„Das ist nicht schlecht, aber Sie müssen gehen!“

„Ach nein, nicht schon wieder!“

„Tut mir leid, aber wir haben keinen Platz für jemanden, der sich nicht ausweisen kann!“

Von einem Wachmann wurde der Jemand zum Tor geführt. Und hinaus gelassen. Stante pede ging der Jemand zu dem Eingang des Tunnels, den das Pionierbatallion gegraben hatte. Der besoffene SS-Mann, den er dort zurückgelassen hatte, war weg. Der Jemand kletterte mit der Schaufel des Wirtes in den Tunnel. Er gelangte an das Tunnelende und entdeckte, daß dieser nicht zugeschüttet war. Dann kletterte er hinauf.

„Da sind Sie ja wieder!“, vernahm der Jude.

Die Stimme kam ihm sehr bekannt vor. Der Jemand wandte sich um und schaute in das Gesicht des Sturmbannführers, der gemütlich mit Regenschirm auf einem Stuhl saß. Daneben stand ein kleiner Tisch mit frischem Tee, über den ein Wachmann einen weiteren Regenschirm hielt.

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