Didaktik /Methodik Sozialer Arbeit

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Didaktik /Methodik Sozialer Arbeit
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Studienbücher für soziale Berufe; 2

Hrsg. von Prof. Dr. Roland Merten, Friedrich-Schiller-Universität Jena und Prof. Dr. Cornelia Schweppe, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt


Dr. Johannes Schilling, emeritierter Professor an der Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften; insbes. Didaktik / Methodik; Jugendarbeit und Freizeitpädagogik

Außerdem sind folgende Bände lieferbar:

Schilling, J., Klus, S.: Soziale Arbeit (7., akt. Aufl. 2018, 978-3-8252-8729-0)

Schilling, J., Muderer, C.: Der Clown in der sozialen und pädagogischen Arbeit

(2., aktual. Aufl. 2016, 978-3-497-02537-4)

Schilling, J.: Anthropologie (2000, 978-3-497-01821-5)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

UTB-Band-Nr.: 8311

ISBN 978-3-8252-8782-5 (Print)

ISBN 978-3-8385-8782-0 (PDF E-Book)

ISBN 978-3-8463-8782-5 (EPUB)

8., aktualisierte Auflage

© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Cover unter Verwendung eines Fotos von © txakel / Fotolia.com

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: info@reinhardt-verlag.de

Inhalt

Einleitung

Teil 1 Didaktik – Theoretische Grundlagen

1 Didaktik als Wissenschaft

1.1 Was versteht man unter Sozialer Arbeit?

1.2 Was versteht man unter Didaktik?

1.2.1 Didaktik – eine Wissenschaft

1.2.2 Didaktik – eine Theorie

1.2.3 Didaktik – ein Modell

1.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

2 Klassische Theorien der Didaktik

2.1 Geschichtlicher Überblick, Auswahl von Theorieansätzen

2.2 Bildungstheoretische Didaktik von Wolfgang Klafki (1927–2016)

2.2.1 Theoretische Überlegungen

2.2.2 Didaktische Überlegungen

2.2.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

2.3 Lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann (1901–1967) und Wolfgang Schulz (1946–1993)

2.3.1 Vom Berliner zum Hamburger Modell

2.3.2 Hamburger Modell von Wolfgang Schulz

2.3.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

3 Neuere Theorieansätze einer Didaktik

3.1 Interaktionistischer bzw. reflexiv-diskursiver Konstruktivismus von Reich (1948) und Lindemann (1960)

3.1.1 Theoretische Überlegungen

3.1.2 Pädagogische Überlegungen

3.1.3 Konstruktivistische Didaktik

3.1.4 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

3.2 Neurowissenschaftliche Theorie-Ansätze einer Didaktik nach Herrmann (1950), Roth (1942) u.a.

3.2.1 Forschungsergebnisse

3.2.2 Forderungen an die Pädagogik

3.2.3 Überlegungen zur Neurodidaktik

3.2.4 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Teil 2 Didaktik – Praktische Grundlagen

4 Bedingungsanalyse

4.1 Wortfeld Didaktik

4.2 Bedingungsanalyse – anthropologische Konstante

4.3 Didaktische Bausteine

4.3.1 Erster didaktischer Baustein: Lehrender und Ressourcen

4.3.2 Zweiter didaktischer Baustein: Voraussetzungen des Lernenden

4.3.3 Dritter didaktischer Baustein: Lehr-Lern-Situation

4.4 Bedingungsanalyse und Konzepterstellung

4.4.1 Raster einer Bedingungsanalyse

4.4.2 Überarbeitung einer Bedingungsanalyse

4.5 Zusammenfassung: Kernaussagen

5 Ziele

5.1 Handeln und Motiv

5.2 Didaktisches Dreieck

5.3 Erziehungs-, Handlungs- und Lernziele

5.3.1 Erziehungsziele

5.3.2 Handlungsziele

5.3.3 Lernziele

5.3.4 Ergebnis-Verlauf / Begründung

5.4 Formulierung und Kategorie von Zielen

5.5 Abstraktionsgrade von Zielen

5.5.1 Ordnung der Ziele

5.5.2 Richt-, Grob- und Feinziele

 

5.5.3 Kriterien für Ziel-Ebenen

5.6 Ziel-Ebene: Erziehungs-, Handlungs- und Lernziele

5.6.1 Richtziel-Ebene

5.6.2 Grobziel-Ebene

5.6.3 Feinziel-Ebene

5.7 Zeitaufwand und Kompliziertheit

5.8 Ziele und Konzepterstellung

5.9 Zusammenfassung: Kernaussagen

6 Methoden – Medien – Rhetorik

6.1 Klärung von Fragen zu Methoden

6.1.1 Wortfeld Methode, Methodik

6.1.2 Verhältnis von Didaktik und Methodik

6.1.3 Vermittlungsvariablen

6.1.4 Gute und schlechte Methoden

6.1.5 Methoden der Sozialarbeit

6.1.6 Einstieg in die Praxis

6.2 Überlegungen zum methodischen Lernen

6.2.1 Sinnesorgane

6.2.2 Wahrnehmung

6.2.3 Ganzheitliches Lernen

6.2.4 Gedächtnis

6.2.5 Kommunikation, Motivation, Aktivierung

6.2.6 Pausen, Zeitplan

6.3 Medienpädagogik – Mediendidaktik

6.3.1 Bedeutung der Medien

6.3.2 Regeln für den Einsatz von Medien

6.4 Rhetorik

6.4.1 Bedeutung von Rhetorik

6.4.2 Probleme und Hilfen beim Reden

6.5 Methoden, Medien und Konzepterstellung

6.6 Zusammenfassung: Kernaussagen

7 Anthropologie

7.1 Kriterien für die Entwicklung eines Menschenbildes

7.2 Dimensionen eines Menschenbildes

7.2.1 Sechs Dimensionen

7.2.2 Natur – Gesellschaft – Kultur (Pestalozzi)

7.2.3 Anthropologisches Orientierungs-Modell

7.3 Emotion und Kognition

7.3.1 Analytische Aufteilung

7.3.2 Richard Lazarus: Emotion als postkognitives Phänomen (1965)

7.3.3 Robert B. Zajonc: Emotion als präkognitives Phänomen (1966)

7.3.4 Paul McLean: Emotionen stehen vor Kognitionen (1970)

7.3.5 Josef LeDoux: Zwei Wege der Informationsverarbeitung (1998)

7.3.6 Gerhard Roth: Unbewusste und bewusste Emotionen (2001)

7.3.7 Daniel Goleman: Emotionale und rationale Seele (1999)

7.4 Menschenbild Sozialer Arbeit

7.4.1 Positives Menschenbild

7.4.2 Anthropologisch begründete Ziele

7.5 Anthropologie und Konzepterstellung

7.6 Zusammenfassung: Kernaussagen

8 Konzept

8.1 Vor- und Nachteile einer Planung

8.1.1 Einwände gegen Planung

8.1.2 Vorteile einer Planung

8.2 Planung und Konzept

8.2.1 Planung

8.2.2 Konzept

8.3 Anthropologisches Lern-Spiral-Modell

8.4 Teile eines Konzeptes

8.4.1 A-Teil: Inhaltliche Überlegungen

8.4.2 B-Teil: Konzeptionelle Überlegungen

8.4.3 C-Teil: Überlegungen zur Auswertung / Selbst-Evaluation

8.5 Konzept-Modelle

8.5.1 Verschiedene Konzept-Modelle

8.5.2 Erstes Konzept-Modell: Organisations-Konzept

8.5.3 Zweites Konzept-Modell: Zielgruppen-Konzept

8.5.4 Drittes Konzept-Modell: Situations-Konzept / Planungsgitter

8.5.5 Viertes Konzept-Modell: Spontan-Konzept

8.6 Zusammenfassung: Kernaussagen

Literatur

Sachregister

Einleitung

„Wer kein Ziel hat, braucht sich nicht zu wundern, dass er ganz woanders ankommt.“ (Mager 1994, 5)


Abb. 1: Haus des Lernens

Didaktik und Schule, das gehört zusammen. Lehren und Lernen in der Schule sind ohne Didaktik nicht möglich. Didaktik wird dabei als Wissenschaft vom Unterricht verstanden. Didaktik und Pädagogik sind zwei gleichrangige Disziplinen, sie haben ein gemeinsames Gegenstandsfeld, das sie aus unterschiedlichen Perspektiven angehen. Die Forschungen in der Schuldidaktik sind derart angewachsen, dass sie kaum noch zu überschauen sind. Kron z.B. zählt 46 Theorien und Modelle didaktischen Handelns auf, bei steigender Tendenz (Kron et al. 2014).

Anders ist es in der Sozialen Arbeit. Die Erkenntnisse der Schuldidaktik haben sich in der Sozialen Arbeit (scheinbar) noch nicht herumgesprochen. Obwohl seit der Gründung von Fachhochschulen das Fach Didaktik eingeführt wurde, gibt es bis 2020 keine allgemein anerkannte Didaktik Sozialer Arbeit.

vier Didaktik-Modelle

Da die Didaktik Sozialer Arbeit noch in den Anfängen steckt, die Schuldidaktik jedoch im Vergleich vielfältige Forschungen vorzuweisen hat, sollte man sich in der Sozialen Arbeit mit den Ergebnissen der Schuldidaktik auseinander setzen und herausfiltern, welche Ergebnisse für eine Didaktik Sozialer Arbeit brauchbar sein könnten.

offenes Modell

Der folgende Versuch zur Formulierung einer Didaktik Sozialer Arbeit nimmt deshalb die Schuldidaktik und Allgemeine Didaktik als Grundlage und wägt ab, welche Strukturelemente für eine Didaktik Sozialer Arbeit von Bedeutung sein könnten. Einschränkend muss jedoch gesagt werden: Es handelt sich um einen Entwurf mit drei Besonderheiten: Es ist ein vorläufiges, offenes Lehr-Lern-Spiral-Modell, das LeserInnen zur Mit- und Weiterarbeit anregen will. Unter einem Modell verstehe ich eine Art Vorform einer Theorie, die durch eine gewisse Unabgeschlossenheit und Offenheit gekennzeichnet ist.

Das folgende Modell beruht vor allem auf vier Theorieansätzen: bildungstheoretische Didaktik (Klafki), lerntheoretische bzw. lehrtheoretische Didaktik (Heimann/Schulz), konstruktivistische Anregungen zur Didaktik (Reich, Lindemann) und Neurodidaktik (Herrmann, Roth u.a.).

Allerdings werde ich mich nicht nur an diese Didaktik-Modelle anlehnen, sondern auch von anderen Didaktikansätzen Elemente übernehmen, wenn sie für eine Didaktik Sozialer Arbeit nützliche Aspekte aufweisen.

Arbeitsbuch

Das Buch ist als Arbeitsbuch geschrieben, d.h., LeserInnen werden eingeladen mitzuarbeiten. Ich gehe davon aus, dass sie zu den einzelnen Themen viele eigene Gedanken haben, die sie unbedingt beim Lesen dieses Buches einbringen sollten. Am Schluss jedes Kapitels sind Lernfragen formuliert, an denen LeserInnen ihr Wissen überprüfen können. Die im Buch enthaltenen Lernfragen mit dazugehörigen Antworten gibt es zudem als Online-Material, das unter www.utb.de und www.reinhardt-verlag.de zum Download zur Verfügung steht. Die Hinweise zur „weiterführenden Literatur“ sollen Möglichkeiten zur Weiterbildung eröffnen.

Das Buch ist für StudentInnen und PraktikerInnen geschrieben. Es soll sie befähigen, das Gelesene in die Tat umzusetzen, sie sollen die Notwendigkeit erkennen, selbst praktische Übungen durchzuführen, und versuchen, ein Konzept zu erstellen nach dem Grundsatz: Lernen durch Handeln.

Gegenüber älteren Auflagen dieses Buches möchte ich auf Folgendes hinweisen:

■Das Buch hat in der 7. Auflage ein neues Titelbild bekommen. Es soll andeuten: In der Sozialen Arbeit tätige Personen sind Reisebegleiter in vielen sehr unterschiedlichen Rollen (z.B. Unterhalter, Motivator, Mediator, Helfer, Unterstützer, Berater, Begleiter, Kritiker etc.) Das Titelbild soll auch den Bezug zu einem der anderen Bücher des Autors (Schilling/Klus: Soziale Arbeit) herstellen. Beide Bücher verstehen sich als eine Einheit. „Soziale Arbeit“ legt allgemeine Grundlagen und „Didaktik“ bietet Hilfen für die Praxis Sozialer Arbeit.

■Ich erhebe nicht den Anspruch, dass ich hier eine Theorie der Didaktik Sozialer Arbeit entwerfe. Vielmehr verstehe ich diesen Versuch als ein offenes, vorläufiges Modell. Auch wenn ich im Folgenden häufig nur von Didaktik oder Didaktik Sozialer Arbeit (verkürzt) spreche, ist damit stets Didaktik-Modell Sozialer Arbeit gemeint.

 

■Das Problem, wie ich die in der Sozialen Arbeit tätigen Personen nennen soll, habe ich eigentlich gar nicht gelöst, sondern spreche von PädagogIn, SozialarbeiterIn, SozialpädagogIn, Lehrende/Lehrender, LernhelferIn, ErzieherIn etc. Gemeint sind damit alle in der Sozialen Arbeit tätigen Personen, welchen beruflichen Titel sie auch immer besitzen.

■Den Inhalt des Buches habe ich in zwei Teile untergliedert (eigentlich sind es drei Teile). Im ersten Teil kläre ich wichtige Begriffe wie Wissenschaft, Theorie, Modell und beziehe diese auf die Frage: Was davon trifft auf eine Didaktik Sozialer Arbeit zu? Im zweiten Teil entwerfe ich einzelne Schritte eines Modells Didaktik Sozialer Arbeit.

■Musterbeispiele für eine Konzepterstellung finden LeserInnen im dritten Teil dieses Buchs, dem Online-Material. Sie können die Musterbeispiele ebenso wie die Lernfragen online unter www.utb.de oder www.reinhardt-verlag.de nachlesen bzw. studieren.

■LeserInnen können beliebig bei einem dieser drei Teile mit dem Studium anfangen. Wen eher die Praxis- und Musterbeispiele interessieren, schaut sich diese im 3. Online-Teil an. Andere beginnen vielleicht mit dem 2. Teil und informieren sich über die einzelnen Arbeitsschritte einer Didaktik Sozialer Arbeit. Ich hoffe natürlich im Stillen, dass auch der 1. Teil gelesen wird. Wichtig sind auf jeden Fall alle drei Teile, aber welche Teile LeserInnen auswählen, bleibt ihnen überlassen.

■Das didaktische Modell Sozialer Arbeit ist unvollständig. Alle möglichen Aspekte können hier nicht berücksichtigt werden. Ich habe folgendes Problem: Diese Didaktik erhebt den Anspruch, praxisbezogen zu sein. Würde ich alle sicher wichtigen Aspekte, die PraktikerInnen vorschweben, berücksichtigen, wäre das Didaktik-Modell nicht mehr praxistauglich. Vor lauter Reflektieren und Berücksichtigen von Aspekten kämen sie nicht mehr zum Handeln. Also habe ich einige wenige Aspekte beispielhaft ausgewählt. PraktikerInnen müssen selbst entscheiden, welche Aspekte für sie wichtig sind, welche fehlen und ergänzt oder ersetzt werden sollten. Manchmal ist weniger mehr. Ich habe eine Auswahl getroffen, Gleiches steht PraktikerInnen natürlich auch zu.

■Im ersten Teil habe ich zwei neuere Theorieansätze von Didaktik ausgewählt und ihre Relevanz für eine Didaktik Sozialer Arbeit dargestellt. Selbstverständlich hätte ich von den etwa 46 Theorieansätzen auch andere auswählen können. Auch hier gilt, was ich zuvor gesagt habe: Niemand muss meiner Entscheidung folgen, sondern hat selbstverständlich jede Freiheit, sich an anderen Theorieansätzen zu orientieren.

■Das Buch hat den Charakter eines Lehrbuches. LeserInnen werden zum Mitdenken und Mitarbeiten eingeladen. Dafür werden im Text häufig Reflexionsfragen gestellt. Auch durch Lernfragen am Ende eines jeden Kapitels können sie ihr Wissen überprüfen. Gleiches gilt auch für die Musterbeispiele, die LeserInnen als Online-Material zur Verfügung stehen.

■Am Ende eines jeden Kapitels wird der Bezug des Themas zum Gesamten in Kernaussagen und in einem Schaubild zusammengefasst. Dieses wird in jedem weiteren Kapitel durch das neue Thema ergänzt, so dass die Graphik im letzten Kapitel insgesamt zeigt, wie die einzelnen Themen und Teile im Zusammenhang stehen und gesehen werden müssen. Für das Schaubild wähle ich die Vorlage eines Hauses. Viele Autoren bezeichnen die Schule bereits als „Haus des Lernens“. Diesem Bild möchte ich mich anschließen und zwar aus zwei Gründen: Erstens steht im Zentrum aller Tätigkeiten Sozialer Arbeit das Lernen. Zweitens geht es immer mehr darum, dass Schule und Soziale Arbeit zusammenarbeiten. Daher passt die gemeinsame Umschreibung „Haus des Lernens“. Des Weiteren werde ich nicht mehr von didaktischen Elementen, sondern entsprechend dem Bild vom „Haus des Lernens“ von didaktischen Bausteinen sprechen.

Einige Textstellen sind mit Zeichen/Symbolen versehen, die einer schnelleren Orientierung dienen sollen. Hier ihre Bedeutung:


Bei diesem Zeichen werden Reflexionsfragen formuliert, die Leser-Innen zunächst für sich beantworten sollen.
Wichtige Inhalte sollen leicht zu erkennen sein. Sie sind eingerahmt und durch dieses Zeichen markiert (Merksatz).
Definitionen wichtiger Begriffe sind gekennzeichnet.
Das Zeichen für Praxis weist auf Fallbeispiele aus der praktischen Arbeit hin.
Hier werden Lernfragen gestellt. Anhand dieser können LeserInnen ihren Wissensstand überprüfen.
Am Schluss eines Kapitels wird weiterführende Literatur angegeben.
Lernfragen und Antworten sowie Musterbeispiele aus der Praxis stehen als Online-Zusatzmaterial unter www.reinhardt-verlag.de und www.utb-Shop.de zur Verfügung.

Es freut mich, dass das Thema dieses Buches, das nun in der 8. Auflage erscheint, immer noch aktuell ist, und ich wünsche allen LeserInnen viel Freude beim Lesen und hoffe, dass jeder in diesem Buch Anregungen für das Arbeiten in sozialen Berufsfeldern findet.

Donaueschingen 2020

Johannes Schilling

Teil 1 Didaktik – Theoretische Grundlagen


Didaktik versucht, die Gesetzmäßigkeiten der Natur bzw. des Menschen, die sein Denken und Handeln bestimmen, herauszufinden, zu erklären und für den Menschen nutzbar zu machen. Sie versteht sich als eine Wissenschaft, die nach dem Plan sucht, warum Menschen so und nicht anders handeln, denn menschliches Handeln geschieht nicht chaotisch, sondern planvoll.

1 Didaktik als Wissenschaft

In diesem ersten Kapitel sollen zunächst wichtige Fragen geklärt werden: Was versteht man unter Sozialer Arbeit? Was unter Didaktik? Was ist das Wesentliche einer Wissenschaft, einer Theorie, eines Modells?

1.1 Was versteht man unter Sozialer Arbeit?

Was versteht man unter Sozialer Arbeit? Diese Frage wurde in dem Buch „Soziale Arbeit“ von Schilling/Klus 2018 beantwortet. Darin wird praktisch die Grundlage für diesen zweiten Band gelegt. In kurzen Zügen soll hier zusammengefasst werden, was Soziale Arbeit ist.


Was ist für Sie Soziale Arbeit? Versuchen Sie eine Umschreibung. Soziale Arbeit ist …

In der Literatur wie auch in der Praxis werden drei Begriffe verwandt: Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziale Arbeit. Ein geschichtlicher Überblick zeigt, dass Sozialarbeit und Sozialpädagogik unterschiedliche Wurzeln haben und über lange Zeit auch unterschiedliche Aufgaben übernahmen. Zielgruppe der Sozialarbeit waren Erwachsene, die in Not geraten waren. Dagegen wandte sich Sozialpädagogik vor allem Kindern und Jugendlichen zu, die zu verwahrlosen drohten. Die Trennung der Arbeitsfelder und Zielgruppen wurde im Laufe der Zeit aufgehoben.

Konvergenz

Sozialarbeit und Sozialpädagogik näherten sich an, ihre Aufgaben überschnitten sich. Diese Annäherung bezeichnet man als Konvergenz. Es besteht allgemeiner Konsens, das gesamte Arbeits- und Berufsfeld mit dem Titel Soziale Arbeit zu bezeichnen.

Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, kann man Soziale Arbeit so umschreiben:



1.2 Was versteht man unter Didaktik?

In diesem zweiten Schritt soll zunächst der Begriff Didaktik geklärt werden, um zu wissen, wovon ich spreche.

Viele Namen von Wissenschaften lassen sich von einem griechischen Wort ableiten z.B. Pädagogik, Psychologie, Physik etc. Die Namen dieser Wissenschaften sind uns bekannt, wir haben sie in unseren Sprachgebrauch aufgenommen.

Didaktik dagegen ist für viele ein unbekannter Begriff, der in unserer Alltagssprache keinen Eingang gefunden hat. Wer sagt schon: „Den Elternabend habe ich didaktisch gut vorbereitet.“ Vielmehr sagt man: „Den Elternabend habe ich gut geplant.“ Didaktisch klingt hochtrabend und fremd.

Ich möchte das Wort „Didaktik“ zu einem Begriff entwickeln, ihn inhaltlich so ausfüllen, dass er verständlich und die Notwendigkeit von Didaktik für SozialarbeiterInnen deutlich wird.

Wurzeln des Wortes

Die Wurzeln des Wortes Didaktik liegen in der griechischen Antike ca. 600–200 v. Chr. Didaktik hat folgende Bedeutung:

didactos: 1. lehrbar, 2. gelehrt, unterrichtet

didaskalia: 1. Lehre, Belehrung, Unterricht, 2. belehrend

didasko: Lehrer sein, lehren, belehren, unterrichten

didachae: das Lehren, die Lehre, die Belehrung, Unterricht, Unterweisung

Im Lateinischen wird das griechische Wort mit „doceo“ übersetzt und bedeutet:

■lehren, unterrichten, unterweisen, ansagen, mitteilen

■einstudieren, aufführen lassen (Kron et al. 2014).


Zusammenfassend kann man sagen: Didaktik leitet sich von dem griechischen Wort „didaskein“, dem lateinischen Wort „doceo“ ab und bedeutet ein Zweifaches: lehren, belehren und lernen, belehrt werden. Kurz gefasst bedeutet Didaktik: Es geht um Lehren und Lernen.

Den ersten Entwurf einer Didaktik unternahm 1654 Comenius mit seinem Werk „Didactica Magna“ („Die große Didaktik“ ).

1.2.1 Didaktik – eine Wissenschaft

In der Fachliteratur zur Didaktik findet man unterschiedliche Formulierungen:

■Didaktik ist eine Wissenschaft.

■Didaktik ist eine Theorie.

■Didaktik ist ein Modell.

Was ist sie nun? Im Folgenden will ich diese drei Begriffe klären.


Was ist für Sie eine Wissenschaft bzw. was ist das Spezifische einer Wissenschaft?

Wissenschaft

„Das Wort Wissenschaft taucht zum ersten Mal im „Studium Generale“ der Universität Erfurt im Jahr 1392 auf. Dort ist von Wizzentschaft die Rede. Im 17. Jahrhundert wird der Begriff allgemein verwendet und bedeutet dem Sinne nach eine einzelne Erkenntnis. Vom 19. Jahrhundert an beginnt die moderne Fassung des Begriffs.“ (Kron et al. 2014, 268)

Nach Kant heißt eine jede Lehre, wenn sie ein System, das ist ein Prinzip geordnetes Ganzes der Erkenntnis sein soll, Wissenschaft. Drei Aspekte müssen erfüllt sein, will man von Wissenschaft sprechen: 1. Es geht um Erkenntnisse; 2. sie müssen ein System bilden und 3. sie müssen eine argumentative Struktur besitzen (Kant et al. 1967).

Wissenschaft will Zusammenhänge erklären, die der Erkenntnis nicht unmittelbar zugänglich sind. Sie sucht nach Gründen, die erklären können, was sich hinter den Phänomenen verbirgt, um daraus Schlussfolgerungen für notwendiges Handeln zu ziehen, um dadurch einen Fortschritt für die Menschheit zu ermöglichen. Es geht um Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Messbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen gefasst wird.

Geht man davon aus, dass Wissenschaft ein geordnetes, folgerichtig aufgebautes, zusammenhängendes System von Erkenntnissen ist, kann man mit Recht davon sprechen, dass Didaktik eine Wissenschaft und zwar eine auf Praxis ausgerichtete Handlungswissenschaft ist (Kron et al. 2014).

Rekus fasst die Bedeutung von Didaktik in den folgenden zwei Sätzen zusammen:

„Didaktisches Handeln ist die Weitergabe des Wissens als erlernbares Wissen. Didaktik als Wissenschaft ist die Theorie didaktischen Handelns.“ (Rekus 2005, 58)

Die Diskussion um die Begründung der Pädagogik/Erziehungswissenschaft einschließlich der Didaktik als deren Teildisziplin als Wissenschaft hat seit Ende der 1990er Jahre ihren vorläufigen Abschluss gefunden. Gorges fasst die Überlegungen zur Wissenschaft Sozialer Arbeit wie Didaktik Sozialer Arbeit in drei Punkten zusammen:

„■Die Wissenschaft der Sozialen Arbeit ist dabei, sich als relativ eigenständige Disziplin zu etablieren. Im Rahmen ihrer Theoriebildung steht sie auch im Dialog mit verschiedenen Bezugswissenschaften (z.B. Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Politologie).

■Didaktik als Teildisziplin der Pädagogik kann als relevante Bezugswissenschaft zu der Wissenschaft der Sozialen Arbeit angesehen werden. Zugleich liegt es nahe, Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit als eine Teildisziplin der Wissenschaft der Sozialen Arbeit zu verstehen bzw. zu etablieren. In einem interdisziplinären Dialog können dabei bedeutsame Erkenntnisse für den Wissensbestand der Pädagogik und der Sozialen Arbeit gewonnen werden.

■Es kann keine Didaktik der Sozialen Arbeit geben, sondern nur eine Didaktik in der Sozialen Arbeit oder eine Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit.“ (Gorges 1996, 31)

1.2.2 Didaktik – eine Theorie


Didaktik ist eine Wissenschaft und Didaktik ist eine Theorie. Was ist sie denn jetzt? Eine Wissenschaft oder eine Theorie oder beides? Worin sehen Sie den Unterschied zwischen einer Wissenschaft und einer Theorie?

Theorie

Der Begriff Theorie ist etymologisch von dem griechischen Verb „theorein“ abgeleitet, was so viel wie schauen, durchschauen bedeutet. Das griechische Substantiv „theoria“ bedeutet: durchschauen eines Zusammenhangs, reine Erkenntnis, wissenschaftliche Lehre, die der Forschung und Entwicklung wissenschaftlich begründeter Praxis dient. Wissenschaften fassen ihre Erkenntnisse in Theorien zusammen.

acht Funktionen

Kron beschreibt acht Funktionen didaktischer Theorien. Sie können

1.zum Verstehen und zum Erklären sowohl individueller als auch allgemeiner sozialer Tatbestände bzw. Gegebenheiten angewendet werden.

2.bei Programmen Anwendung finden.

3.zur Prüfung ihrer kognitiven Qualitäten dienen.

4.zur Kritik an anderen Theorien eingesetzt werden.

5.zur Produktion neuer Theorien verwendet werden.

6.zur kritischen Analyse und regelgeleiteten Veränderungen sozialer Wirklichkeit, also der Praxis dienen.

7.in didaktische Modelle transformiert werden. Didaktische Modelle können zur Lösung praktischer Forschungsprobleme Verwendung finden.

8.als Hypothesenrahmen für empirische Lehr-, Lern-, Schul-, Bildungs- und Unterrichtsforschung dienen (Kron et al. 2014, 55).

drei Grade

Man unterscheidet drei Grade von Theorien:

1.Erster Grad: Alltagstheorien,

2.Zweiter Grad: Handlungstheorien und

3.Dritter Grad: Gegenstandstheorien (reflektiertes Handlungswissen).

Wesen einer Theorie

Das Wesen einer Theorie ist es,

„eine Sache, die nicht gleich offen zutage liegt, anschaulich und verständlich zu machen. Zu diesem Zweck enthalten wissenschaftliche Theorien […] zum einen eine Menge Fachbegriffe, um Situationen und Verhaltensweisen zu definieren und präzise zu beschreiben. Zum anderen kann der wissenschaftlich Informierte aus seiner Kenntnis der theoretischen Zusammenhänge heraus Erklärungen für ein Verhalten anbieten. Dabei erweitert sich sein Wissen als übertragbar auf neue Situationen. […] Alle Theorien sind mehr oder weniger abstrakt. Das ist kein Mangel, der ihnen vorzuwerfen wäre, sondern ihr Wesen. Sie abstrahieren von konkreten Situationen, sie ziehen aus Einzelsituationen das Typische heraus und versuchen, es übersichtlich darzustellen und zu erklären. Deshalb besteht immer eine mehr oder weniger große Kluft zwischen Theorie und Praxis: Die Theorie macht nur allgemeine Aussagen, bleibt abstrakt, ohne Kontext, ohne Sitz im Leben und fern von Praxis. Die Praxis dagegen begegnet uns immer als konkrete Praxis, als besondere Aufgabe. […] Deshalb ist keine noch so gute Theorie geeignet, den SozialarbeiterInnen zu sagen, wie sie in einer bestimmten Situation handeln sollen.“ (Martin 2005, 53f.)

46 Theorien

Für die Didaktik als handlungsorientierte Sozialwissenschaft sind inzwischen viele Theorien entwickelt worden, die sich z.T. überschneiden oder in Konkurrenz oder sogar im Gegensatz zueinander stehen. Kron zählt insgesamt 46 Theorien auf, die er als theoretische Ansätze bezeichnet. Sie alle hier aufzuzählen, würde zu weit führen. Ich verweise auf die entsprechende Quelle (Kron et al. 2014, 65).

Vielfalt von theoretischen Ansätzen

Die Vielfalt von theoretischen Ansätzen macht ein Dreifaches deutlich:

1.Es gibt nicht die didaktische Theorie; es besteht kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

2.Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.

3.Es kann sich nur um offene Theorieansätze handeln. Besonders auf Grund der Heterogenität des Berufsfeldes Sozialer Arbeit ist diese Erkenntnis unabdingbar.