BGB-Erbrecht

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I. Die Errichtung des Testaments

1. Der Grundsatz der Testierfreiheit

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Die Testierfreiheit ist das Recht einer natürlichen Person, grundsätzlich durch Verfügung von Todes wegen frei bestimmen zu können, an welche Person(en) mit dem Erbfall ihr Vermögen fallen soll.

Die Testierfreiheit ist nach der übereinstimmenden Rechtsprechung von BVerfG[1] und BGH[2] Bestandteil der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Die Verfassung garantiert jedoch keine grenzenlose (Testier-)Freiheit. Bereits das Grundgesetz zieht der Testierfreiheit nach h.M.[3] durch die Gewährleistung des Familienerbrechts (Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG) Schranken. Der konkrete Inhalt und die Schranken der Testierfreiheit werden durch die Gesetze bestimmt, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.

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Der Grundsatz der Testierfreiheit wird im BGB zwar nicht ausdrücklich genannt, aber in §§ 1937 ff. vorausgesetzt. Die Testierfreiheit ermöglicht dem Erblasser, die generelle Regelung des gesetzlichen Erbrechts an die Besonderheiten des einzelnen Falles anzupassen. Die Grenzen der Testierfreiheit ergeben sich zum einen aus den allgemeinen Regelungen der §§ 134, 138 (→ Rn. 459 ff.), zum anderen aus den erbrechtlichen Regelungen des Pflichtteilsrechts[4] (→ Rn. 615 ff.). Darüber hinaus schränkt Art. 22 EuErbVO die Rechtswahl im Erbrecht ein (→ Rn. 1481 ff.).

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Der Schutz der Testierfreiheit wird im BGB durch ein Spektrum verschiedener Regelungen gewährleistet. Erstens ist die Testierfreiheit als unverzichtbares Recht ausgestaltet; entgegenstehende vertragliche Verpflichtungen sind gem. § 2302 nichtig. Daher kann auch nicht auf das Recht zur Aufhebung (§§ 2290 ff.) oder zum Rücktritt (§§ 2294 f.) vom Erbvertrag verzichtet werden (→ Rn. 295 ff.). Zweitens wird die Testierfreiheit durch den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung (§§ 2064 f.) geschützt (→ Rn. 146 ff.). Drittens wird gewährleistet, dass der Erblasser sich ggf. wieder umentscheiden kann: einseitige Verfügungen von Todes wegen sind jederzeit frei widerruflich (§ 2253, → Rn. 185 ff.); bindende vertragliche Verfügungen können in bestimmten Fällen angefochten werden (§ 2281, → Rn. 428 ff.). Viertens dienen auch die Regelungen über die Erbunwürdigkeit (§ 2339 Abs. 1, → Rn. 494 ff.) der Sicherung des Erblasserwillens.

2. Testierfähigkeit

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Testierfähigkeit ist – als besondere Ausprägung der Geschäftsfähigkeit – die Fähigkeit, ein Testament rechtswirksam zu errichten, abzuändern oder aufzuheben.[5] § 2229 enthält hinsichtlich der Testierfähigkeit Sonderregelungen gegenüber den allgemeinen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff.). Übereinstimmung besteht insoweit, als jeder Geschäftsfähige auch testierfähig und jeder Geschäftsunfähige auch testierunfähig ist.

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Unterschiede bestehen jedoch im Hinblick auf beschränkt Geschäftsfähige. Ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, ist testierfähig (§ 2229 Abs. 1), ohne dass er der Zustimmung seiner Erziehungsberechtigten bedarf (§ 2229 Abs. 2). Aufgrund des abgesenkten Alterserfordernisses gegenüber der allgemeinen Geschäftsfähigkeit hat es der Gesetzgeber jedoch für erforderlich gehalten, dem noch nicht volljährigen Testierfähigen nur die Testamentsformen zur Verfügung zu stellen, bei denen ein neutraler Amtsträger beratend zur Seite steht. Daher kann der Minderjährige kein eigenhändiges privatschriftliches Testament gem. § 2247 errichten (§ 2247 Abs. 4) und ein öffentliches nur mündlich oder durch Übergabe einer offenen Schrift (§ 2233 Abs. 1). Ein gleichwohl errichtetes ungültiges eigenhändiges Testament wird mit Erreichen der Volljährigkeit weder automatisch wirksam noch genügt eine formlose Bestätigung den Anforderungen des § 141; der Volljährige muss das Testament vielmehr in den hierfür vorgesehenen Formen neu errichten.[6]

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Ein Volljähriger, der wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, ist gem. § 2229 Abs. 4 testierunfähig (diese Regelung entspricht §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 2).

Im Unterschied zur allgemeinen Geschäftsfähigkeit, die sich auf einen bestimmten gegenständlich abgegrenzten Kreis von Angelegenheiten beschränken kann, gibt es keine partielle Testierfähigkeit[7]. Testierfähig ist der Erblasser nicht schon dann, wenn er eine allgemeine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung des Testaments und von dem Inhalt seiner letztwilligen Anordnungen hatte, sondern nur, wenn er in der Lage ist, sich über die Tragweite dieser Anordnungen und ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für oder gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen Dritter zu handeln.[8] Maßgeblich ist dabei der Zustand bei Errichtung des Testaments.[9]

Die Beweislast für die Testierunfähigkeit trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des Testaments beruft.[10] Ist allerdings Testierunfähigkeit vor und nach Testamentserrichtung gegeben, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für Testierunfähigkeit auch im Zeitpunkt der Testamentserrichtung.[11] Dann muss der durch das Testament Begünstigte Umstände darlegen und beweisen, durch die der Beweis des ersten Anscheins erschüttert wird; dazu genügt der Nachweis einer ernsthaften Möglichkeit eines sog. „lichten Intervalls“ bei Errichtung des Testaments.[12]

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Die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments setzt die Testierfähigkeit beider Eheleute voraus.[13] Ist einer der Ehegatten testierunfähig, sind die wechselbezüglichen Verfügungen unwirksam.[14] Die Verfügungen des anderen können jedoch ggf. je nach Lage des Einzelfalles ganz oder teilweise als einseitige aufrechterhalten werden.[15]

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§ 2229 gilt nur für Testamente; für Erbverträge gilt die spezielle Regelung des § 2275 (→ Rn. 268).

3. Persönliche Errichtung einer Verfügung von Todes wegen

a) Formelle Höchstpersönlichkeit, § 2064

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Gem. § 2064 muss der Erblasser sein Testament persönlich errichten (sog. formelle Höchstpersönlichkeit). Er kann daher weder durch einen Stellvertreter (auch nicht durch den gesetzlichen Vertreter) noch durch einen Boten verfügen.[16] Eine dennoch auf diese Weise errichtete Verfügung von Todes wegen ist – da auch keine Genehmigungsmöglichkeit für den Erblasser besteht – gem. § 134 nichtig.[17] Der Gesetzgeber wollte durch diese Regelung einerseits verhindern, dass der Erblasser die sittliche Verantwortung für die Ausgestaltung der Erbfolge von sich abwälzen kann; zum anderen sah er die Gefahr, dass der Wille des Erblassers im Falle einer Vertretung oder Botenschaft nicht unverfälscht zum Ausdruck kommen könnte.[18] Das Gebot der Höchstpersönlichkeit steht jedoch einer Hilfe, insb. einer Beratung durch Dritte nicht entgegen, sofern nur die Verfügung selbst durch den Erblasser erfolgt.[19]

 

b) Materielle Höchstpersönlichkeit, § 2065
aa) Grundsatz der vollständigen Willensbildung

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§ 2065 verlangt darüber hinaus, dass der Erblasser seinen Willen vollständig selbst bildet (sog. materielle Höchstpersönlichkeit): Er darf weder die Entscheidung über die Geltung der Verfügung (→ Rn. 150) noch die Bestimmung des Zuwendungsempfängers oder des Zuwendungsgegenstandes (→ Rn. 152) auf andere Personen übertragen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Erblasser allein vor seinem Gewissen die Verantwortung dafür übernehmen muss, wenn er die Erbfolge anders regelt, als das Gesetz sie vorgesehen hat.[20]

bb) Verhältnis zur Auslegung

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Sowohl die erläuternde als auch die ergänzende Auslegung haben Vorrang vor § 2065.[21] Ob der Erblasser seinen Willen vollständig gebildet und erklärt hat, kann erst festgestellt werden, nachdem scheinbar unklare oder unvollständige Anordnungen ausgelegt wurden. Zugleich markiert § 2065 jedoch auch eine Grenze für die Auslegung: Diese darf nicht dazu führen, eine im Testament nicht enthaltene Erbenbestimmung nur aus Umständen außerhalb des Testaments zu entnehmen.[22]

cc) Abgrenzung zu den zulässigen Bedingungen

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Verfügungen von Todes wegen können unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung getroffen werden (§§ 2074, 2075, → Rn. 369 ff.). Dabei können grundsätzlich sowohl die Geltung der Verfügung (sog. Verwirkungsklausel[23]) als auch die Person des Zuwendungsempfängers oder der Zuwendungsgegenstand durch eine Bedingung beeinflusst werden.[24] Wegen § 2065 darf die Bedingung jedoch nicht auf eine Vertretung im Willen hinauslaufen, d.h. der Erblasser muss selbst für den Fall des Eintritts oder Nichteintritts der Bedingung einen bestimmten, die Gültigkeit der Verfügung, die Person des Bedachten oder den Zuwendungsgegenstand betreffenden Willen gehabt haben.[25]

dd) Die Bestimmung über die Geltung der Verfügung, § 2065 Abs. 1

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Gem. § 2065 Abs. 1 darf die Geltung der Verfügung weder positiv noch negativ vom Willen eines Dritten abhängig gemacht werden. Nichtig ist daher eine Verfügung, deren Geltung an die Zustimmung eines anderen oder das Ausbleiben eines Widerspruchs binnen einer bestimmten Frist geknüpft ist.[26] Ebenso wenig kann ein anderer zum Widerruf oder zu Änderungen ermächtigt werden.[27] Ein „anderer“ i.S.d. § 2065 ist jede Person mit Ausnahme des Erblassers.[28] Teilweise wird auch der Bedachte nicht als anderer angesehen, da er es aufgrund der Ausschlagungsmöglichkeit ohnehin in der Hand hätte, ob der Wille des Erblassers sich verwirklicht.[29] Dem ist jedoch nicht zuzustimmen, da dem Bedachten neben der Ausschlagung vom Gesetz gerade keine weiteren Bestimmungsmöglichkeiten eingeräumt werden.[30]

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Umstritten ist die Möglichkeit der bedingten Nacherbeneinsetzung (allgemein zur Vor- und Nacherbschaft → Rn. 746 ff.). Nach h.M. ist es zulässig, dass der Erblasser einen Nacherben unter der Bedingung einsetzt, dass der Vorerbe nicht anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfügt.[31] Denn dann handelt es sich um eine zulässige Potestativbedingung, weil der Vorerbe nicht über den Nachlass des Erblassers an dessen Stelle verfügt (was wegen § 2065 unzulässig wäre), sondern nur über sein eigenes Vermögen. Zulässig ist auch die Ermächtigung, den Nacherben nach sachlichen Kriterien aus einem bestimmten Personenkreis auszuwählen.[32]

ee) Die Bestimmung des Zuwendungsempfängers und des Zuwendungsgegenstandes, § 2065 Abs. 2

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Zuwendung i.S.d. § 2065 Abs. 2 ist jeder Vermögensvorteil, den der Erblasser einem anderen durch Verfügung von Todes wegen verschaffen will.[33] § 2065 Abs. 2 gilt daher nicht nur für die Erbeinsetzung (→ Rn. 728 ff.), sondern auch für Vermächtnisse (→ Rn. 900 ff.) und Teilungsanordnungen (→ Rn. 1023 ff.) und über § 2192 auch für Auflagen (→ Rn. 937 ff.).[34] Soweit es sich nicht um eine Erbeinsetzung handelt, sind allerdings die weitreichenden Ausnahmen (→ Rn. 156) zu beachten.

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Nach dem Sinn und Zweck von § 2065 Abs. 2 muss der Erblasser selbst die Person des Bedachten festlegen. Daher kann der Erblasser die Ermittlung des Bedachten nach heute ganz h.M. auch nicht von einem Losentscheid abhängig machen.[35] Wie der Erblasser die Person des Bedachten bezeichnet, bleibt ihm überlassen; er kann z.B. auch einen Spitz- oder Kosenamen verwenden (z.B. „mein Goldschatz“, „Hans Solo“ [für seinen Freund Hans, der ein großer Fan von „Star Wars“ ist]).[36] Der Bedachte muss aber anhand objektiver Kriterien in dem Testament so genau beschrieben sein, dass seine Identität für jeden Dritten zumindest durch Auslegung eindeutig zu ermitteln ist.[37]

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Problematisch ist, inwieweit Konkretisierungsentscheidungen durch Dritte getroffen werden können. Hierfür besteht insb. im Bereich der Unternehmensnachfolge ein sachliches Bedürfnis, weil der Erblasser bei Errichtung der Verfügung häufig nicht absehen kann, wer beim Erbfall der Geeignetste für die Übernahme sein wird. Allerdings ist unstreitig, dass der Erblasser die Auswahl des Erben nicht schlicht dem freien Ermessen eines Dritten überlassen kann, denn diese wäre mit § 2065 Abs. 2 evident unvereinbar.[38]

Das RG hatte in der berühmten „Ritterguts-Entscheidung“ aus dem Jahr 1939 judiziert, dass der Erblasser sich damit begnügen könne, einen eng begrenzten Kreis von Personen zu bezeichnen, aus dem der Erbe nach bestimmten sachlichen Gesichtspunkten, z.B. seiner Eignung für eine besondere Aufgabe, durch einen Dritten bindend ausgewählt werden soll, sofern nur der Personenkreis so eng begrenzt ist, dass für eine Willkür des Dritten kein Raum bleibt, sondern die Entscheidung auf sein Urteil über das Vorliegen jener Voraussetzungen abgestellt ist, mag dieses auch ein reines Werturteil darstellen oder ein solches einschließen. Danach dürfte der Erblasser dem Dritten also durchaus einen gewissen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum einräumen.[39]

Der BGH hat allerdings in einer Entscheidung aus dem Jahr 1954 formuliert, dass die vom Erblasser zu machenden Angaben so bestimmt sein müssten, dass dadurch die zu treffende Bezeichnung für diejenigen Personen, die die erforderliche Sachkunde besitzen, objektiv bestimmt ist.[40] In einer späteren Entscheidungen aus dem Jahr 1965 hat er dann jedoch die Formel des Reichsgerichts übernommen.[41]

Wie sich diese beiden Entscheidungen zueinander verhalten und welcher der Vorrang zukommt, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt.[42] Die neuere obergerichtliche Rechtsprechung neigt eher dazu, im Einklang mit der letztgenannten BGH-Entscheidung der Linie des Reichsgerichts zu folgen.[43] Auf dieser Position steht auch die wohl h.L.[44] In der Tat überzeugen die strengen Vorgaben in der BGH-Entscheidung aus dem Jahr 1954 schon deshalb nicht, weil dann die Einschaltung eines Dritten letztlich sinnentleert würde, da die Person des Zuwendungsempfängers schon anhand der vom Erblasser festgelegten objektiven Kriterien bestimmt wäre.[45] Im Übrigen verlangt auch das Telos des § 2065 keine derart strengen Anforderungen: Wenn für eine Willkür des Dritten kein Raum bleibt, ist der Sinn und Zweck der Regelung – die Gewährleistung der Willensherrschaft des Erblassers – erfüllt.[46]

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Beispiele aus der Rechtsprechung:

Die Bestimmung des Erben kann nicht dem Belieben eines mit dem Projekt befassten Dritten überlassen bleiben.[47] Unwirksam ist auch eine letztwillige Verfügung, wonach diejenigen Personen erbberechtigt sein sollen, die die tätowierten Hautpartien des Erblassers abziehen, konservieren und auf einen Rahmen spannen (lassen)[48] oder die Anordnung, dass „derjenige, der den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat“ Alleinerbe sein solle[49]. Für zulässig erachtet wurde hingegen die Erbeinsetzung einer (noch zu errichtenden) rechtsfähigen Stiftung.[50]

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Im Gesetz finden sich allerdings auch weitreichende Ausnahmen von § 2065 Abs. 2. Gem. § 2151 kann der Erblasser mehrere Personen derart mit einem Vermächtnis bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter bestimmt, wer von den Bedachten das Vermächtnis erhalten soll. Bei einem Zweckvermächtnis (§ 2156, → Rn. 918) kann die Bestimmung der Leistung dem billigen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten (nicht jedoch des Bedachten[51]) überlassen werden. Bei einer Auflage, deren Zweck der Erblasser bestimmt hat, kann die Bestimmung des Begünstigten dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen werden (§ 2193). Wenn der Erblasser Testamentsvollstreckung anordnet, kann er die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers einem Dritten (§ 2198) oder dem Nachlassgericht (§ 2200) überlassen (→ Rn. 829 ff.). Eine weitere Ausnahme enthält § 2048 S. 2, wonach der Erblasser anordnen kann, dass die Auseinandersetzung unter Miterben nach dem billigen Ermessen eines Dritten erfolgen soll (→ Rn. 1024).

ff) Rechtsfolgen eines Verstoßes

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Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 2065 ist die Nichtigkeit der Verfügung.[52] Eine Umdeutung wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, etwa wenn der Erblasser mit der Erbeinsetzung einen bestimmten Zweck verfolgt hat und bei Kenntnis von der Nichtigkeit ein Zweckvermächtnis angeordnet haben würde.[53] Ob die Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit des Testaments führt, ist nach § 2085 (→ Rn. 477) zu beurteilen.

Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 7 Die Errichtung des Testaments und die Testamentsformen › II. Die Testamentsformen

II. Die Testamentsformen

1. Formzwang

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Die Errichtung von Testamenten ist nur in den gesetzlich festgelegten Formen möglich (Formzwang). Die Vorschriften über die Formen, in denen Verfügungen von Todes wegen getroffen werden können, verfolgen verschiedene Zwecke: Sie dienen vor allem dazu, den wirklichen Willen des Erblassers zur Geltung kommen zu lassen, möglichst die Selbstständigkeit dieses Willens zu verbürgen und die Echtheit seiner Erklärung sicherzustellen; zudem sollen sie dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern und Streitigkeiten über den Inhalt letztwilliger Verfügungen zu vermeiden.[54] Der Formzwang hat somit eine Beweis- und eine Warnfunktion. Fehlt dem Testament die notwendige Form, so ist es nach § 125 S. 1 nichtig.[55]

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Die Wirksamkeit eines Testaments bleibt aber bestehen, wenn es ohne den Willen des Erblassers vernichtet worden[56], verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist.[57] Es muss jedoch der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts erbracht werden; daran sind strenge Anforderungen zu stellen.[58] Mögliche Beweismittel sind insb. (nicht formgerechte) Durchschriften, Ablichtungen oder Fotokopien des verloren gegangenen Testaments;[59] es können aber auch bloße Zeugenaussagen ausreichen[60]. Allerdings kann es ggf. zu einer Umkehr der Beweislast kommen, wenn jemand ein Testament vernichtet oder unterdrückt hat, um die Aufklärung über dessen Inhalt zu erschweren oder unmöglich zu machen.[61] Ist das Vorhandensein eines formgültigen aber unauffindbaren Testaments bewiesen, dann ist die Rechtslage keine andere als wenn das Testament in Urschrift vorgelegt worden wäre.[62]

Es besteht auch keine Vermutung dafür, dass ein nicht aufgefundenes Originaltestament durch den Erblasser vernichtet worden ist.[63] Wer sich auf den Widerruf durch Vernichtung des Testaments (§ 2255, → Rn. 194 ff.) beruft, muss den Widerruf bzw. die als Widerruf zu wertenden Handlungen des Erblassers nach den allgemeinen Regeln beweisen; hier sind die Anforderungen aber weniger streng.[64]

2. Ordentliche und außerordentliche Testamentsformen

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Das Gesetz unterscheidet zwischen ordentlichen Testamentsformen, deren sich der Erblasser in jedem Fall bedienen kann, und außerordentlichen Testamentsformen, die ihm nur in besonderen Situationen zur Verfügung stehen. Ordentliche Testamentsformen sind gem. § 2231 das Testament zur Niederschrift eines Notars (sog. öffentliches Testament) und das eigenhändige Testament (auch privatschriftliches Testament genannt). Die ordentlichen Testamentsformen sind gleichwertig, d.h. ein öffentliches Testament kann durch ein späteres privatschriftliches Testament widerrufen werden (→ Rn. 189).


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