George Dandin

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LUNATA

George Dandin

George Dandin oder der betrogene Ehemann

© 1668 Molière

Originaltitel George Dandin ou le Mari confondu

Aus dem Französischen von Ludwig Fulda

Umschlagbild Ernest Thiel Thielska

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Personen

George Dandin, ein reicher Landmann

Angelique, seine Frau

Herr von Sotenville Frau von Sotenville ihre Eltern

Clitander

Claudine, Angeliques Kammermädchen

Lubin, ein Bauernbursche

Colin, Dandins Knecht

Schauplatz: Vor dem Hause Dandins, auf dem Lande

Erster Akt

Erster Auftritt

George Dandin (allein)

Dandin. Ach, was ist es doch für ein bedenklicher Fall, eine vornehme Frau zu haben! Und welch eindringliche Lehre ist meine Heirat für alle Landleute, die sich über ihren Stand erheben wollen und sich so wie ich mit einem adligen Hause verkoppeln! Der Adel an sich, dagegen ist nichts zu sagen; eine höchst respektable Erfindung, ohne allen Zweifel; aber es kleben doch so viel schlimme Dinge daran, daß es ratsam ist, ihm nicht zu nah zu kommen. Ich bin auf diesem Gebiet durch Schaden klug geworden und weiß jetzt, auf welche Manier die Adligen unsereinen in ihre Familie aufnehmen. Auf unsere Person legen sie blutwenig Wert; sie heiraten nur unser Geld, und ich hätte tausendmal besser getan, reich wie ich bin, mir ein gutes, redliches Bauernmädchen zu nehmen anstatt einer Frau, die sich über mich erhaben dünkt, der es wider den Strich geht, meinen Namen zu tragen, und die sich einbildet, ich hätte mit all meinem Geld den Vorzug, ihr Mann zu sein, noch nicht voll bezahlt. George Dandin, George Dandin, du hast eine Dummheit gemacht, eine Mordsdummheit. Mein Haus ist mir jetzt verleidet; ich kann nicht über die Schwelle treten, ohne daß ich mich giften muß.

Zweiter Auftritt

Dandin. Lubin

Dandin (Lubin bemerkend, der aus seinem Hause tritt, für sich). Was zum Teufel hat der Strick da bei mir zu suchen gehabt?

Lubin (für sich). Wie der Mensch mich anglotzt!

Dandin (für sich). Er kennt mich nicht.

Lubin (für sich). Er scheint Lunte zu riechen.

Dandin (für sich). Oho! Er möchte sich gern drücken, ohne zu grüßen.

Lubin (für sich). Wenn er's nur nicht ausplaudert, daß er mich hier hat herauskommen sehn!

Dandin. Guten Tag.

Lubin. Diener.

Dandin. Du bist wohl nicht von hier?

Lubin. Nein, ich bin nur hergekommen, um morgen das Fest mit anzusehn.

Dandin. Ei, sag mir doch mal gefälligst: du kommst von da drinnen?

Lubin. Pst!

Dandin. Wie?

Lubin. Still!

Dandin. Weshalb?

Lubin. Mäuschenstill! Sie dürfen es niemand sagen, daß Sie mich da haben herauskommen sehn.

Dandin. Warum nicht?

Lubin. Ganz einfach, weil ...

Dandin. Nun?

Lubin. Leise! Man könnte uns belauschen.

Dandin. Nicht doch, nicht doch.

Lubin. Nämlich, ich hatte der Frau vom Hause etwas auszurichten von einem jungen Herrn, der mit ihr schön tut. Und das darf kein Mensch erfahren. Verstehen Sie?

Dandin. Jawohl.

Lubin. Das ist der Grund. Er hat mir's auf die Seele gebunden, ich soll mich in acht nehmen, daß niemand mich sieht. Also sagen Sie's um Gottes willen nicht weiter, daß Sie mich gesehen haben.

Dandin. Nicht um die Welt.

Lubin. Denn ich möchte doch die Sache heimlich abmachen, wie mir's eingeschärft worden ist.

Dandin. Sehr wohlgetan.

Lubin. Nämlich, der Ehemann soll ein schrecklich eifersüchtiger Mensch sein, der nicht will, daß man mit seiner Frau eine Liebschaft anfängt. Der würde einen Höllenspektakel machen, wenn's ihm zu Ohren käme. Haben Sie verstanden?

Dandin. Sehr gut.

Lubin. Er darf von alledem keine Ahnung haben.

Dandin. Natürlich.

Lubin. Man will ihn ganz sachte über den Löffel balbieren. Sie begreifen?

Dandin. Vollkommen.

Lubin. Wenn Sie verrieten, daß Sie mich aus seinem Haus haben kommen sehn, dann würden Sie die ganze Geschichte verderben. Sie verstehen doch?

Dandin. Ob ich verstehe! Wie heißt denn der Herr, der dich dorthin geschickt hat?

Lubin. Das ist unser Gutsherr, der Herr Vicomte von Dings ... Wetter, ich kann den sakramentischen Namen mein Lebtag nicht behalten. Herr Cli... Cli... Clitander.

Dandin. Ist das nicht der junge Edelmann, der da drüben ...

Lubin. Ganz recht; dort, wo die Bäume stehn, dort wohnt er.

Dandin (für sich). Darum also hat dieser geschniegelte Stutzer sich mir gegenüber eingemietet! Ich hatte eine gute Witterung, als seine Nachbarschaft mir gleich verdächtig vorkam.

Lubin. Schwerebrett, das ist der nobelste Herr, den Sie sich vorstellen können. Drei Goldstücke hat er mir gegeben, nur um der Frau auszurichten, daß er in sie verliebt ist und daß er sich nach der Ehre sehnt, mit ihr sprechen zu dürfen. Als ob das eine große Mühe wäre, die man so teuer bezahlen müßte; was ist das gegen einen ganzen Tag Arbeit, bei der ich nur zehn Sous verdiene!

Dandin. Nun, und hast du deinen Auftrag bestellt?

Lubin. Ja. Ich fand da drinnen eine gewisse Claudine, die gleich beim ersten Wort begriff, wo ich hinaus wollte, und mich geradeswegs zu ihrer Herrin führte.

Dandin (für sich). So ein Rabenaas.

Lubin. Sackerlott! Diese Claudine ist ein hübscher Käfer: sie hat mir's angetan. Sie braucht nur zu wollen, und ich heirate sie vom Fleck weg.

Dandin. Aber was für eine Antwort hat dir denn die Frau für den vornehmen Herrn mitgegeben?

Lubin. Sie hat mir gesagt, ich soll ihm sagen... Warten Sie nur, ich weiß nicht, ob ich das alles noch recht zusammbringe... Ich soll ihm sagen, sie wäre ihm, sehr verbunden für seine Zuneigung, und er sollte von wegen ihres Mannes, der ein wunderlicher Heiliger wäre, sich nur ja nichts davon merken lassen, und man müßte auf irgendeine List sinnen, um miteinander unter vier Augen sprechen zu können.

Dandin (für sich). O du Schlange du!

Lubin. Schwerebrett, das kann lustig werden. Denn der Mann hat keinen Dunst von dem ganzen Handel; das eben ist der Hauptspaß dabei, und sie wird ihm eine Nase drehen mit all seiner Eifersucht. Nicht wahr?

Dandin. Ja gewiß.

Lubin. Also Finger auf den Mund! – Hüten Sie das Geheimnis, daß der Mann nicht dahinter kommt.

Dandin. Jawohl.

Lubin. Ich meinesteils, ich tu' wie ein neugeboren Kind. Ich bin ein feiner Hase: mir wird niemand was anmerken.

Dritter Auftritt

Dandin (allein)

Dandin. Da haben wir's! Da siehst du's nun, George Dandin, wie deine Frau mit dir umspringt! Das kommt davon, daß du durchaus ein Fräulein heiraten mußtest! – Man schindet dich nach allen Regeln der Kunst, und du darfst dich nicht einmal rächen: die adlige Sippe hält dir die Hände gebunden. Gleichheit des Standes gibt dem Ehemann wenigstens das Recht, sich seiner Haut zu wehren, und wäre deine Frau eine Bauerntochter, dann hättest du jetzt die schönste Freiheit, mit einer tüchtigen Tracht Prügel Justiz zu üben. Aber du wolltest ja um jeden Preis am Adel schlecken und warst es satt, Herr in deinem Hause zu sein. O, ich bin wütend über mich selbst! Ohrfeigen möcht' ich mir geben! Was! Die Liebeserklärung des ersten besten Stutzers ohne Scham anhören und sofort darauf eingehn! Donner und Hagel, eine solche Gelegenheit will ich mir nicht entwischen lassen. Auf der Stelle werd' ich mich bei ihren Eltern beschweren und sie nach Fug und Billigkeit zu Zeugen anrufen, welchem Kummer und welcher Schmach ihre Tochter mich aussetzt. Ah, da sind sie alle beide. Die kommen mir grade recht.

Vierter Auftritt

Dandin. Herr von Sotenville. Frau von Sotenville

Herr von Sotenville. Was ist Ihnen, Herr Schwiegersohn? Sie machen ja einen ganz verstörten Eindruck.

Dandin. Dazu hab' ich auch allen Grund; denn...

Frau von Sotenville. Mein Gott, Herr Schwiegersohn, wie wenig Lebensart haben Sie, daß Sie die Leute nicht einmal grüßen, denen Sie in den Weg treten.

Dandin. Wahrhaftig, Frau Schwiegermutter, ich habe jetzt andere Dinge im Kopf; denn...

Frau von Sotenville. Auch das noch! Ist es denkbar Herr Schwiegersohn, daß Sie so wenig missen, was die gute Sitte verlangt, und daß man Ihnen auf keine Weise beibringen kann, wie man sich gegen Standespersonen zu benehmen hat?

 

Dandin. Wie meinen Sie das?

Frau von Sotenville. Werden Sie sich denn mir gegenüber nie die gemeine Vertraulichkeit abgewöhnen, die in dem Worte Schwiegermutter liegt? Werden Sie sich niemals dazu verstehen, mich Frau Baronin zu nennen?

Dandin. Potz Wetter, wenn Sie mich Schwiegersohn nennen, dann seh' ich nicht ein, warum ich Sie nicht Schwiegermutter nennen soll.

Frau von Sotenville. Darüber ließe sich viel sagen, und es besteht da ein beträchtlicher Unterschied. Sie sollten doch einsehen, daß es Ihnen nicht zukommt, sich dieses Wortes gegen eine Dame von meinem Stande zu bedienen; denn wenn Sie auch zehnmal unser Schwiegersohn sind – der Abstand zwischen Ihnen und uns wird dadurch nicht aufgehoben; das sollten Sie nie vergessen.

Herr von Sotenville. Genug hiervon, meine Teuerste; lassen wir dies Thema.

Frau von Sotenville. Mein Gott, Herr von Sotenville, Sie sind von einer beispiellosen Duldsamkeit und verstehen nicht, den Respekt zu fordern, den man Ihnen schuldig ist.

Herr von Sotenville. Corbleu! Verzeihen Sie, meine Teuerste, in diesem Punkte bedarf ich keiner Belehrung. Ich habe mehr als zwanzigmal in meinem Leben den schneidigsten Beweis geführt, daß ich nicht der Mann bin, auch nur einen Pfifferling von meinen Ansprüchen preiszugeben; aber hier genügt ja ein kleiner Wink. Lassen Sie uns doch nun hören, Herr Schwiegersohn, was Ihnen im Kopf herumgeht.

Dandin. Also, wenn ich frei von der Leber weg reden soll, dann sag' ich Ihnen, Herr von Sotenville, daß ich Anlass habe ...

Herr von Sotenville. Mit Verlaub, Herr Schwiegersohn, es verstößt gegen die Höflichkeit, die Leute bei ihrem Namen anzureden; wer mit Höherstehenden spricht, der muß kurzweg »gnädiger Herr« zu ihnen sagen.

Dandin. Meinethalb, gnädiger Herr kurzweg und nicht Herr von Sotenville, ich habe Ihnen zu sagen, daß meine Frau ...

Herr von Sotenville. Halt! Es schickt sich auch nicht, daß Sie »meine Frau« sagen, wenn Sie von unserer Tochter reden.

Dandin. Das ist ja zum Tollwerden! Was? Meine Frau ist nicht meine Frau?

Frau von Sotenville. Allerdings, Herr Schwiegersohn, sie ist Ihre Frau; aber Sie haben deshalb noch keineswegs das Recht, sie so zu nennen. Dazu wären Sie höchstens befugt, wenn Sie eine Ihresgleichen geheiratet hätten.

Dandin (für sich). O George Dandin, in was bist du da hineingeplumpst! – (Laut) Ei, haben Sie die Güte, Ihren Adelsdusel mal für einen Augenblick beiseite zu lassen, und gestatten Sie mir zu reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist! (Für sich) Der Teufel hole die ganze Schikaniererei! (Laut) Ich muß Ihnen also sagen, daß ich mit meiner Ehe sehr unzufrieden bin.

Herr von Sotenville. Und aus welchem Grund, Herr Schwiegersohn?

Frau von Sotenville. Wie? So reden Sie von einer Verbindung, die Ihnen so außerordentliche Vorteile gebracht hat?

Dandin. Was denn für Vorteile, Frau Baronin – wenn's denn ohne Frau Baronin nicht abgeht! Für Sie beide war es jedenfalls kein übler Handel; denn ohne mich, wenn Sie gütigst erlauben, stand es mit Ihren Geschäften äußerst faul, und mein Geld hat herhalten müssen, recht tüchtige Löcher zu verstopfen. Aber ich, was hab' ich anders davon gehabt, als daß Sie meinen Namen um ein Stück verlängert haben, und daß ich von Ihnen statt George Dandin tituliert werde: Herr von der Dandinière?

Herr von Sotenville. Rechnen Sie denn, Herr Schwiegersohn, den Vorzug, mit dem Hause derer von Sotenville verschwägert zu sein, für nichts?

Frau von Sotenville. Und mit dem Hause derer von der Prudoterie, dem ich entsprungen zu sein die Ehre habe, einem Hause, dessen Adel auch in der weiblichen Linie forterbt, und das durch dieses unschätzbare Privileg Ihre Kinder zu Edelleuten machen wird?

Dandin. Ja, das ist wunderschön; meine Kinder werden Edelleute; aber ich, ich werde Hahnrei, wenn nicht bald Rat geschafft wird.

Herr von Sotenville. Was soll das heißen, Herr Schwiegersohn?

Dandin. Das soll heißen, daß Ihre Tochter sich nicht so beträgt, wie eine Frau sich betragen soll, und daß sie Dinge tut, die der Ehre zuwiderlaufen.

Frau von Sotenville. Nicht weiter! Überlegen Sie, was Sie sagen. Meine Tochter entstammt einem Geschlecht, dessen Tugend viel zu tief wurzelt, um sich jemals zu irgend etwas hinreißen zu lassen, wodurch die Ehrbarkeit verletzt werden könnte. Und was das Haus derer von der Prudoterie betrifft, so hat es in dreihundert Jahren, Gott sei gelobt, keine Frau aufzuweisen gehabt, die ins Gerede gekommen wäre.

Herr von Sotenville. Corbleu! Im Hause derer von Sotenville hat man noch nie von einer leichtfertigen Frau gehört, und die Tapferkeit ist bei seinen männlichen Mitgliedern nicht in höherem Grade erblich als die Keuschheit bei den weiblichen.

Frau von Sotenville. Wir haben eine Jacqueline von der Prudoterie gehabt, die nicht um alles in der Welt die Geliebte eines Herzogs und Pairs werden wollte, welcher der Gouverneur unserer Provinz war.

Herr von Sotenville. Und es hat eine Mathurine von Sotenville gegeben, die einem Günstling des Königs zwanzigtausend Taler zurückschickte, obwohl er sie nur um die Gunst einer Unterredung bat.

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