Jack London – Gesammelte Werke

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Schließ­lich wur­de die Mu­sik lang­sa­mer, und mit ihr ver­lang­sam­ten sie ih­ren Tanz, lie­ßen ihn in ein lan­ges Glei­ten ver­eb­ben und hör­ten mit dem letz­ten erster­ben­den Ton auf.

»Wir sind als Tän­zer wie für ein­an­der ge­schaf­fen«, sag­te er.

»Es war ein Traum«, ant­wor­te­te sie.

Ihre Stim­me war so lei­se, dass er sich zu ihr her­ab­beu­gen muss­te, um zu hö­ren, was sie sag­te, und da­bei be­merk­te er die Röte in ih­ren Wan­gen – eine Röte, die sich gleich­sam ih­ren Au­gen mit­ge­teilt hat­te, wel­che warm und ver­schlei­ert wa­ren. Er nahm ihre Ball­kar­te und schrieb mit tie­fem Ernst und rie­si­gen Buch­sta­ben sei­nen Na­men quer dar­über.

»Und jetzt ist sie so­mit zweck­los«, sag­te er dreist. »Sie brau­chen sie nicht mehr.«

Er zer­riss sie und warf sie weg.

»Das nächs­te­mal kom­men wir bei­de dran, Sa­xon«, sag­te Bert, als er mit Mary zu ih­nen trat. »Dann kannst du für den nächs­ten Tanz Mary neh­men, Bill.«

»Nicht zu ma­chen, Bert«, lau­te­te die Ant­wort. »Sa­xon und ich ha­ben uns für den Rest des Ta­ges zu­sam­men­ge­tan.«

Mary be­trach­te­te sie mit ver­stellt be­sorg­ter Mie­ne, und Bert sag­te gut­mü­tig:

»Ich muss sa­gen, ihr seid schnell ei­nig ge­wor­den. Aber ei­ner­lei – wenn ihr noch ein paar Run­den ge­tanzt habt, dann er­lau­ben Mary und ich uns hier­mit, euch zum Es­sen ein­zu­la­den.«

»Mir aus der See­le ge­spro­chen«, stimm­te Mary ein.

»Na, lasst es gut sein«, lach­te Bil­ly und wand­te den Kopf, dass er Sa­xon in die Au­gen se­hen konn­te. »Hö­ren Sie nicht auf sie – sie är­gern sich nur, weil sie mit­ein­an­der tan­zen müs­sen. Bert tanzt schreck­lich, und Mary ist auch nicht viel wert. So, jetzt geht es wie­der los. Nach zwei Tän­zen se­hen wir uns wie­der.«

*

Sie aßen im Frei­en, un­ter Bäu­men, und Sa­xon be­merk­te, dass es Bil­ly war, der für sie alle be­zahl­te. Sie kann­ten vie­le der jun­gen Leu­te an den an­de­ren Ti­schen, und Grü­ße und Scher­ze flo­gen hin und her. Bert nahm sich vie­le und zu­wei­len et­was plum­pe Frei­hei­ten ge­gen Mary her­aus, leg­te sei­ne Hand auf die ihre, er­griff sie und hielt sie fest, und ein­mal riss er ihr mit Ge­walt ihre zwei Rin­ge ab und wei­ger­te sich lan­ge, sie zu­rück­zu­ge­ben. Zu­wei­len, wenn er den Arm um sie leg­te, mach­te Mary sich so­fort wie­der frei, zu­wei­len aber ließ sie es sich auch ge­fal­len, in­dem sie sorg­sam, doch so, dass sie nie­mand da­mit täusch­te, tat, als be­merk­te sie es nicht.

Und Sa­xon, die nicht viel sag­te, son­dern Bil­ly Ro­berts zum Ge­gen­stand ei­nes ein­ge­hen­den Stu­di­ums mach­te, dach­te, dass er der­lei si­cher ganz an­ders ma­chen wür­de, wenn er sich über­haupt dar­auf ein­lie­ße. Je­den­falls wür­de er nie ein Mäd­chen an­tas­ten, wie Bert und vie­le an­de­re es ta­ten. Sie maß die brei­ten Schul­tern Bil­lys.

»Wa­rum nennt man Sie ei­gent­lich den Gro­ßen Bill?« frag­te sie. »Sie sind doch gar nicht so schreck­lich groß.«

»Nein«, gab er zu. »Ich mes­se nicht mehr als fünf Fuß und drei­vier­tel Zoll. Es ist wohl mein Ge­wicht, den­ke ich.«

»Sein Kampf­ge­wicht ist hun­dert­un­dacht­zig«, warf Bert ein.

»Ach, lass doch«, sag­te Bil­ly schnell, und ein Schat­ten von Un­wil­len ver­dun­kel­te sei­ne Au­gen. »Ich bin nicht Bo­xer. Ich bin im letz­ten hal­b­en Jahr nicht mehr auf­ge­tre­ten. Ich habe da­mit auf­ge­hört. Es lohnt sich nicht.«

»Du hast doch an dem Abend, als du den Fris­co-Bo­xer schlugst, zwei­hun­dert ver­dient«, rief Bert mit Stolz.

»Lass doch, lass doch, sage ich. Aber hö­ren Sie, Sa­xon, Sie sind selbst auch nicht groß, aber Sie sind pracht­voll ge­wach­sen, ge­nau so, wie man sein muss, das kön­nen Sie je­dem sa­gen, der Sie fragt. Sie sind voll und schlank zu­gleich. Ich möch­te dar­auf wet­ten, dass ich Ihr Ge­wicht er­ra­ten kann.«

»Die meis­ten ra­ten zu hoch«, warn­te sie ihn, aber im stil­len dach­te sie dar­über nach, warum sie sich gleich­zei­tig freu­te und är­ger­te, weil er nicht mehr box­te.

»Ich nicht«, sag­te er. »Ich rate je­des Ge­wicht.« Er be­trach­te­te sie kri­tisch, und es war klar, dass sei­ne Un­par­tei­lich­keit einen klei­nen Kampf mit der war­men Be­wun­de­rung zu be­ste­hen hat­te, die sein Blick ver­riet. »War­ten Sie einen Au­gen­blick.«

Er beug­te sich zu ihr und be­fühl­te ihre Arme und Mus­keln. Sei­ne Fin­ger press­ten sich um ih­ren Arm mit ei­nem Druck, der fest und ehr­lich war, und Sa­xon fühl­te einen klei­nen Schau­der da­bei. Es lag eine Art Zau­ber über die­sem großen Jun­gen von Mann. Wenn Bert oder ein an­de­rer Mann ih­ren Arm so an­ge­fühlt hät­te, wür­de sie das nur ge­reizt ha­ben. Aber die­ser Mann! Ist dies der Mann? frag­te sie sich wie­der, wäh­rend er sein Ur­teil ab­gab.

»Ihre Klei­der kön­nen nicht mehr als sechs Pfund wie­gen, und sechs von – nun – sa­gen wir 111 – 105 wie­gen Sie nackt.«

Aber die letz­ten Wor­te ver­an­lass­ten lau­te Ein­sprü­che Ma­rys.

»Nun hö­ren Sie aber, Bil­ly Ro­berts, von so et­was spricht man doch nicht.«

Er sah sie ver­ständ­nis­los und mit stei­gen­dem Er­stau­nen an.

»Von was?« sag­te er schließ­lich.

»Da hast du es wie­der. Du soll­test dich schä­men. Sieh nur, du hast Sa­xon ganz ver­le­gen ge­macht.«

»Das ist nicht wahr«, pro­tes­tier­te Sa­xon in­di­gniert.

»Und wenn es so wei­ter­geht, Mary, machst du mich schließ­lich noch ganz ver­le­gen«, brumm­te Bil­ly. »Ich weiß wohl noch, was rich­tig ist und was nicht. Es kommt nicht dar­auf an, was man sagt, son­dern was man denkt, und ich den­ke ganz rich­tig, und das weiß Sa­xon gut. Und sie und ich den­ken nicht an das, wor­an du jetzt denkst.«

»Oh! Oh!« rief Mary. »Du wirst im­mer schlim­mer. An so et­was den­ke ich nie.«

»Pscht, Mary! Sach­te!« brems­te Bert sie. »Du ver­läufst dich. Sol­che Schnit­zer macht Bil­ly nie.«

»Man braucht nicht so roh zu sein«, fuhr sie fort.

»Na, na, Mary, sei so gut und hör jetzt auf mit dem Un­sinn«, fer­tig­te Bil­ly sie ab, in­dem er sich wie­der zu Sa­xon wand­te. »Wie habe ich ge­ra­ten?«

»Hun­dert­zehn«, ant­wor­te­te sie und warf einen vor­sich­ti­gen Blick auf Mary. »Hun­dert­zehn mit Klei­dern.«

Bil­ly brach in ein herz­haf­tes La­chen aus, in das Bert ein­stimm­te.

»Und mir ist es gleich­gül­tig«, pro­tes­tier­te Mary. »Ihr seid bei­de ekel­haft und du auch, Sa­xon. Das hät­te ich nie von dir ge­dacht.«

»Nun hör mal zu, Kind­chen«, be­gann Bert be­ru­hi­gend und leg­te lei­se den Arm um sie.

Aber in der künst­li­chen Er­re­gung, in die Mary sich hin­ein­ge­re­det hat­te, stieß sie sei­nen Arm zor­nig zu­rück. Dann wur­de sie ängst­lich, die Ge­füh­le ih­res An­be­ters ver­letzt zu ha­ben, und be­gann ihn da­her auf alle mög­li­che Wei­se zu ne­cken, wo­durch sie auch selbst wie­der in gute Lau­ne kam. Er durf­te wie­der sei­nen Arm um sie le­gen, und, die Köp­fe an­ein­an­der­ge­lehnt, spra­chen sie flüs­ternd mit­ein­an­der.

Bil­ly be­gann dis­kret eine Un­ter­hal­tung mit Sa­xon.

»Wis­sen Sie, Sie ha­ben aber einen ko­mi­schen Na­men. Ich habe ihn noch nie ge­hört. Aber er klingt gut. Er ge­fällt mir.«

»Mei­ne Mut­ter gab ihn mir. Sie hat­te eine gute Er­zie­hung ge­nos­sen und kann­te alle mög­li­chen Fremd­wör­ter. Sie las im­mer Bü­cher, fast bis zu ih­rem Tode. Und sie schrieb eine Men­ge. Ich habe ei­ni­ge von ih­ren Ge­dich­ten, die vor lan­ger Zeit in ei­ner San-Joséer Zei­tung ge­stan­den ha­ben. Die Sach­sen wa­ren ein Volks­stamm – sie er­zähl­te mir eine Men­ge von ih­nen, als ich klein war. Sie wa­ren wild wie die In­dia­ner, aber weiß. Und sie hat­ten blaue Au­gen und gel­bes Haar und wa­ren ge­wal­ti­ge Krie­ger.«

Wäh­rend sie sprach, hör­te Bil­ly ganz fei­er­lich zu, und sei­ne Au­gen haf­te­ten un­ab­ge­wandt auf ihr.

»Nie von ih­nen ge­hört«, ge­stand er. »Leb­ten sie viel­leicht ir­gend­wo hier in der Nähe?«

Sie lach­te.

»Nein. Sie leb­ten in Eng­land. Sie wa­ren die ers­ten Eng­län­der, und Sie wis­sen wohl, dass die Ame­ri­ka­ner von den Eng­län­dern ab­stam­men. Wir sind Sach­sen, Sie und ich, und Mary und Bert und alle Ame­ri­ka­ner, die rich­ti­ge Ame­ri­ka­ner sind, wis­sen Sie, nicht Ita­lie­ner, Ja­pa­ner und der­glei­chen.«

»Mei­ne Fa­mi­lie lebt schon lan­ge in Ame­ri­ka«, sag­te Bil­ly sin­nend, »die Fa­mi­lie mei­ner Mut­ter. Sie lie­ßen sich vor hun­dert Jah­ren in Mai­ne nie­der.«

»Mein Va­ter war auch aus Mai­ne«, fiel sie ihm mit ei­nem klei­nen Freu­den­schrei ins Wort. »Und mei­ne Mut­ter ist in Ohio oder da her­um ge­bo­ren. Was war Ihr Va­ter?«

»Weiß nicht.« Bil­ly zuck­te die Ach­seln. »Er wuss­te es sel­ber nicht. Und kein an­de­rer wuss­te es. Aber des­halb war er doch Ame­ri­ka­ner; Ame­ri­ka­ner durch und durch, dar­auf kön­nen Sie sich ver­las­sen.«

»Ro­berts ist ein al­ter ame­ri­ka­ni­scher Name«, ver­si­cher­te Sa­xon. »Es gibt ge­ra­de jetzt einen großen eng­li­schen Ge­ne­ral, der Ro­berts heißt. Das habe ich in der Zei­tung ge­le­sen.«

»Ja, aber mein Va­ter hieß nicht Ro­berts. Er hat sei­nen Na­men nie ge­kannt. Ro­berts hieß ein Gold­grä­ber, der ihn ad­op­tier­te. Se­hen Sie, es ver­hielt sich so. Da­mals, als sie sich mit den Mo­doc-In­dia­nern her­um­schlu­gen, wa­ren eine Men­ge Gold­grä­ber und Ko­lo­nis­ten da­bei. Ro­berts war der An­füh­rer ei­nes sol­chen Korps, und ein­mal mach­ten sie nach ei­nem Kampf vie­le Ge­fan­ge­ne, In­dianer­frau­en, Kin­der und Säug­lin­ge. Und ei­nes die­ser Kin­der war mein Va­ter. Sie schätz­ten ihn auf fünf Jah­re. Er sprach nur in­dia­nisch.«

Sa­xon schlug die Hän­de zu­sam­men, und ihre Au­gen strahl­ten: »Er war bei ei­nem In­dia­ner­über­fall ge­fan­gen wor­den!«

 

»So er­klär­ten sie es«, nick­te Bil­ly. »Sie hat­ten von ei­nem Wa­gen­zug von Ore­gon­ko­lo­nis­ten ge­hört, die vier Jah­re zu­vor von Mo­doc-In­dia­nern er­schla­gen wor­den wa­ren. Ro­berts ad­op­tier­te ihn, und des­halb weiß ich sei­nen rich­ti­gen Na­men nicht. Aber Sie kön­nen sich dar­auf ver­las­sen, dass er doch mit da­bei war, als es über die Prä­rie ging.«

»Mein Va­ter auch«, sag­te Sa­xon stolz.

»Und mei­ne Mut­ter auch«, füg­te Bil­ly mit ei­nem An­strich von Stolz in der Stim­me hin­zu. »Sie ging so­gar recht jung über die Prä­rie, denn sie wur­de un­ter­wegs in ei­nem Wa­gen am Plat­te ge­bo­ren.«

»Ja, und mei­ne Mut­ter!« sag­te Sa­xon. »Die war acht Jah­re alt und ging den größ­ten Teil des We­ges zu Fuß, denn die Och­sen be­gan­nen zu fal­len.«

Bil­ly streck­te die Hand aus.

»Her da­mit, Kind­chen!« sag­te er. »Es ist ganz, als wä­ren wir alte Freun­de, denn un­se­re Fa­mi­li­en sind vom glei­chen Schla­ge.«

Mit schim­mern­den Au­gen reich­te Sa­xon ihm die Hand, und er drück­te sie ernst.

Sie sa­hen sich freu­de­strah­lend an; sie hat­ten einen neu­en An­knüp­fungs­punkt ge­fun­den.

»Nun, aber sie sind ja alle tot und be­gra­ben«, be­merk­te Bert düs­ter. »Es macht kei­nen Un­ter­schied, ob man in ei­ner Schlacht stirbt oder im Ar­men­haus. Die Haupt­sa­che ist, dass sie tot sind. Mir wäre es voll­kom­men gleich­gül­tig, wenn mein Va­ter ge­hängt wor­den wäre. In tau­send Jah­ren hat das al­les nichts mehr zu sa­gen.«

Es war un­ter­des­sen vol­ler ge­wor­den, und das mun­te­re Klir­ren von Tel­lern und Schüs­seln hat­te na­tür­lich zu­ge­nom­men. Hie und da hör­te man Bruch­stücke von Lie­dern. Das der­be La­chen der Män­ner misch­te sich mit dem grel­len Krei­schen der Mäd­chen, als die bei­den Ge­schlech­ter ihre ewi­gen Schar­müt­zel be­gan­nen. Vie­le der Män­ner stan­den schon deut­lich un­ter der Wir­kung der Ge­trän­ke. An ei­nem Tisch in der Nähe be­gan­nen ei­ni­ge Mäd­chen Bil­ly zu­zu­ru­fen, und Sa­xon, die schon ein sehr leb­haf­tes Ge­fühl von ih­rem Be­sitz­recht hat­te, kon­sta­tier­te ei­fer­süch­tig, dass er eine in ho­hem Maße ge­such­te Per­sön­lich­keit war.

Mary mach­te ih­rem Är­ger Luft. »Sind sie nicht ekel­haft? So frech. Ich weiß gut, wer sie sind. Kein Mäd­chen, das was auf sich hält, will mit ih­nen zu tun ha­ben. Hört nur, was sie sa­gen!«

»Gu­ten Tag, Bil­ly«, rief eine von ih­nen, ein fe­sches Mäd­chen mit brau­nen Au­gen. »Ich hof­fe doch, du hast mich nicht ver­ges­sen.«

»Gu­ten Tag, Kind­chen«, ant­wor­te­te er ga­lant.

Sa­xon schmei­chel­te sich, dass er är­ger­lich aus­sah, und fass­te einen schreck­li­chen Ab­scheu ge­gen die Braun­äu­gi­ge.

»Tan­zen?« rief sie wie­der.

»Vi­el­leicht«, ant­wor­te­te er und wand­te sich un­ver­mit­telt zu Sa­xon. »Hö­ren Sie, wir al­ten Ame­ri­ka­ner soll­ten ei­gent­lich zu­sam­men­hal­ten, fin­den Sie nicht auch? Es gibt nicht mehr vie­le von uns. Das Land ist so voll von al­len mög­li­chen Frem­den.« Er setz­te das Ge­spräch mit lei­ser, ver­trau­li­cher Stim­me fort und beug­te den Kopf dicht zu dem ih­ren, wie um den an­de­ren Mäd­chen zu ver­ste­hen zu ge­ben, dass er be­setzt war.

Am Tisch ge­gen­über hat­te ein jun­ger Mann Sa­xon er­blickt. Er war wie ein rich­ti­ger Halb­star­ker ge­klei­det, und sei­ne Ge­sell­schaft, Män­ner wie Frau­en, wirk­te un­fein. Sein Ge­sicht war dun­kel­rot, und sei­ne Au­gen hat­ten einen wil­den Aus­druck.

»Heh, du da!« rief er. »Du mit den Samt­schu­hen. Was meinst du zu uns bei­den?«

Das Mäd­chen ne­ben ihm schlang ihm den Arm um den Hals und ver­such­te, ihn zu be­schwich­ti­gen, aber ob­wohl sie ihn mit ih­ren Küs­sen halb er­stick­te, hör­te sie ihn doch mur­meln:

»Ich sage dir, sie ist groß­ar­tig, und jetzt wirst du gleich se­hen, wie ich hin­über­ge­he und sie dem Hem­den­matz weg­neh­me.«

»But­cher­town-Stro­mer«, schnauf­te Mary.

Sa­xon be­geg­ne­te dem star­ren Blick des Mäd­chens und las Hass und Er­bit­te­rung dar­in, und tief in Bil­lys Au­gen sah sie den Zorn schwe­len. Sei­ne Au­gen wur­den mür­risch und gleich­zei­tig schö­ner als je, fand sie. Das Wet­ter zog auf. Licht und Schat­ten wech­sel­ten in ih­rem blau­en Grun­de, und sie hat­te das Ge­fühl, dass sie wie eine bo­den­lo­se Tie­fe wa­ren. Er sprach nicht mehr und mach­te auch kei­nen Ver­such dazu.

»Nur kei­nen Skan­dal, Bill«, sag­te Bert be­ru­hi­gend. »Sie sind von der an­de­ren Sei­te der Bucht und wis­sen nicht, wer du bist, das ist al­les.«

Bert stand schnell auf und trat an den an­de­ren Tisch, flüs­ter­te der Ge­sell­schaft ein paar Wor­te zu und kam wie­der. Alle Ge­sich­ter am Tisch wand­ten sich Bil­ly zu. Der Be­lei­di­ger er­hob sich un­ver­mit­telt, schob das Mäd­chen, das die Hand aus­streck­te, um ihn zu hal­ten, bei­sei­te und kam zu ih­nen her­über. Er war ein großer, star­ker Mann mit ei­nem har­ten, bos­haf­ten Ge­sicht und zor­ni­gen Au­gen. Aber er war zu­gleich ein über­wun­de­ner Mann.

»So, du bist also der Gro­ße Bill Ro­berts«, sag­te er mit be­leg­ter Stim­me und stütz­te sich rülp­send auf den Tisch. »Ich zie­he mei­nen Hut vor dir. Ich ma­che dir mei­ne Ent­schul­di­gung. Ich be­wun­de­re dei­nen Ge­schmack, was Schür­zen be­trifft, und das ist ein Kom­pli­ment, kann ich wohl sa­gen. Aber ich wuss­te nicht, wer du bist. Hät­te ich ge­wusst, dass du Bill Ro­berts bist, so hät­te ich nicht einen Pips ge­sagt. Ver­stan­den? Ich ent­schul­di­ge mich bei dir. Hier ist mei­ne Hand.«

»Es ist gut, lass es ver­ges­sen sein, Ka­me­rad«, ant­wor­te­te Bil­ly kurz, und mit fins­te­rer Mie­ne gab er dem an­de­ren die Hand und puff­te ihn mit ei­ner be­däch­ti­gen, schwe­ren Arm­be­we­gung zu sei­nem Tisch zu­rück. Sa­xon mach­te große Au­gen. Hier war ein Be­schüt­zer, eine Stüt­ze, ein Mann, den die But­cher­tow­ner fürch­te­ten, wenn sie nur sei­nen Na­men hör­ten.

Nach dem Es­sen gab es zwei Tän­ze im Saal, und dann wies die Mu­sik den Weg nach der Are­na, wo die Kampf­spie­le statt­fin­den soll­ten. Die Tan­zen­den gin­gen mit, und über­all ver­lie­ßen die es­sen­den Ge­sell­schaf­ten ihre Ti­sche und schlos­sen sich an. Fünf­tau­send Zuschau­er füll­ten die ra­sen­be­klei­de­ten Hän­ge des Am­phi­thea­ters und dräng­ten sich in die Are­na. Hier wur­den nun zu al­ler­erst die Män­ner zum Tau­zie­hen auf­ge­stellt. Ge­mel­det wa­ren die Mau­rer von Oa­k­land und die von San Fran­zis­ko. Die aus­ge­wähl­ten Kämp­fer stell­ten sich mit brei­ten, schwe­ren Be­we­gun­gen am Tau auf. Sie tra­ten Lö­cher mit den Ab­sät­zen in den wei­chen Bo­den und rie­ben sich die Hän­de mit Erde ein, wo­bei sie lach­ten und scherz­haf­te Be­mer­kun­gen mit der sie um­ge­ben­den Men­ge wech­sel­ten. Die Auf­se­her ver­such­ten, die­se Schar von Freun­den und Ver­wand­ten zu­rück­zu­drän­gen. Das kel­ti­sche Blut koch­te, der kel­ti­sche Par­t­ei­geist woll­te den Kopf er­he­ben. Die Luft hall­te wi­der von Hur­ra­ge­schrei und gu­ten Ratschlä­gen, War­nun­gen und Dro­hun­gen. Vie­le ver­lie­ßen ihre ei­ge­ne Par­tei und gin­gen zum Geg­ner hin­über, um auf­zu­pas­sen, dass nicht ge­mo­gelt wur­de. Es wa­ren eben­so vie­le Frau­en wie Män­ner un­ter die­sen zu­dring­li­chen Hel­fern. Die vie­len tram­peln­den und schar­ren­den Füße wir­bel­ten den Staub auf, und Mary schnapp­te nach Luft, hus­te­te und bat Bert, ihr fort­zu­hel­fen. Aber es war, als sei bei der Aus­sicht auf Kra­wall der Teu­fel in ihm los­ge­las­sen, und er hat­te kei­nen an­de­ren Ge­dan­ken als den, sich vor­zu­drän­gen. Sa­xon klam­mer­te sich an Bil­ly, der ihr be­son­nen und me­tho­disch mit Ell­bo­gen und Schul­tern den Weg bahn­te.

»Das ist kein Ort für Mä­dels«, brumm­te er und blick­te sie mit ge­küns­tel­ter Gleich­gül­tig­keit an, wäh­rend er mit dem Ell­bo­gen einen großen Ir­län­der in die Rip­pen stieß, der Platz mach­te.

»So­bald sie zu zie­hen an­fan­gen, geht es los. Die Leu­te ha­ben zu viel ge­trun­ken, und Sie wis­sen wohl, wo gute Ir­län­der sind, gibt es stets Krach.«

Sa­xon pass­te sehr schlecht zu die­sen schwer­glied­ri­gen Män­nern und Frau­en. Sie sah so klein und kind­lich, fein und ge­brech­lich aus, wie ein We­sen von an­de­rer Ras­se. Aber der kräf­ti­ge Kör­per Bil­lys und sei­ne har­ten Mus­keln ret­te­ten sie. Im­mer wie­der blick­te er in die vie­len Frau­en­ge­sich­ter, die sie um­ga­ben, um dann im­mer wie­der ihr Ge­sicht ein­ge­hend zu er­for­schen, und sie war sich der von ihm an­ge­stell­ten Ver­glei­che kei­nes­wegs un­be­wusst.

Da gab es ein Dut­zend Schrit­te von ih­nen Krach; lau­te Rufe und Lärm er­tön­ten, wäh­rend eine wo­gen­de Be­we­gung sich durch die Men­ge fort­pflanz­te. Ein di­cker Mann, der im Ge­drän­ge seit­wärts ge­pufft wur­de, stieß hart ge­gen Sa­xon, so­dass sie dicht an Bil­ly ge­drückt wur­de, der die Schul­ter des Man­nes pack­te und ihm einen Puff gab, der nicht so ru­hig wie sonst war. Das Op­fer grunz­te un­will­kür­lich, wand­te ih­nen das Ge­sicht zu, ein un­ver­kenn­bar iri­sches Ge­sicht mit rot­ver­brann­ter Haut und wü­ten­den Au­gen.

»Was soll das hei­ßen?« fauch­te er.

»Kannst du nicht ma­chen, dass du weg­kommst?« lau­te­te Bil­lys Ant­wort, der er durch einen neu­en kräf­ti­gen Puff Nach­druck ver­lieh.

Der Ir­län­der grunz­te wie­der und mach­te einen zwei­ten Ver­such, sich um­zu­dre­hen, aber die puf­fen­den Kör­per zu bei­den Sei­ten hiel­ten ihn wie ein Schraub­stock.

»Ich wer­de dir gleich dei­ne Frat­ze zer­quet­schen«, ver­hieß er mit vor Wut hal­b­er­stick­ter Stim­me.

Aber im sel­ben Au­gen­blick wur­de sein ei­ge­nes Ge­sicht ei­ner völ­li­gen Ver­än­de­rung un­ter­zo­gen. Sein Mund fauch­te nicht mehr, und ein gut­mü­ti­ger Aus­druck trat in sei­ne zor­ni­gen Au­gen.

»Jetzt sehe ich erst, wer du bist. Ich sah, wie du den furcht­ba­ren Schwe­den schlugst, wenn du auch um dei­nen Sieg be­tro­gen wur­dest.«

»Nein, das ta­test du nicht«, ant­wor­te­te Bil­ly hei­ter. »Du sahst an dem Abend, wie ich tüch­ti­ge Prü­gel krieg­te. Die Ent­schei­dung war ganz in Ord­nung.«

Der Ir­län­der strahl­te di­rekt. Er hat­te es mit ei­ner Lüge ver­sucht, um Ge­le­gen­heit zu ei­nem Kom­pli­ment zu er­hal­ten, und dass sie so prompt zu­rück­ge­ge­ben wur­de, trug nur dazu bei, sei­ne Be­wun­de­rung für sei­nen Hel­den zu stei­gern.

»Nun ja, es war eine ge­hö­ri­ge Tracht Prü­gel«, räum­te er ein. »Aber du wehr­test dich wie eine gan­ze Her­de von Wild­kat­zen. So­bald ich mei­ne Hand frei be­kom­me, will ich dir die Faust drücken und dir hel­fen, die jun­ge Dame zu bug­sie­ren.«

Der Star­ter, der sich ver­ge­bens be­müht hat­te, die Men­ge zu­rück­zu­drän­gen, gab den Ver­such jetzt auf und feu­er­te sei­ne Pis­to­le ab, und das Tau­zie­hen be­gann. Im sel­ben Au­gen­blick schi­en es, als wä­ren alle Geis­ter der Höl­le los­ge­las­sen. Die Män­ner am Tau zo­gen und zerr­ten, bis ihre Ge­sich­ter blut­rot vor An­stren­gung wa­ren und alle ihre Glie­der krach­ten. Es war ein neu­es Tau, und wenn ihre Hän­de ab­glit­ten, spran­gen Frau­en und Töch­ter, bei­de Hän­de vol­ler Erde, hin­zu und rie­ben das Tau und die Hän­de ih­rer Män­ner ein, da­mit sie bes­ser zu­fas­sen konn­ten.

Eine di­cke Frau in mitt­le­ren Jah­ren pack­te, au­ßer sich vor Kampfei­fer, das Tau und zog mit ih­rem Mann, den sie mit lau­ten Ru­fen er­mun­ter­te. Ein Auf­se­her der Ge­gen­par­tei zog sie, aus vol­lem Hal­se schrei­end, zu­rück, stürz­te aber im sel­ben Au­gen­blick wie ein Stier zu Bo­den, an den Kopf ge­trof­fen von ei­nem Schlag, den ein Par­t­ei­ge­nos­se der Frau ihm ver­setz­te. Der wur­de selbst so­fort wie­der zu Bo­den ge­schla­gen, und mus­ku­lö­se Frau­en kämpf­ten jetzt ne­ben ih­ren Män­nern. Ver­ge­bens ba­ten und pro­tes­tier­ten der Rich­ter und die Auf­pas­ser, heul­ten und schwan­gen die Fäus­te. Män­ner und Frau­en spran­gen durch­ein­an­der ans Tau und zo­gen mit. Es war nicht mehr Par­tei ge­gen Par­tei, son­dern ganz Oa­k­land ge­gen ganz San Fran­zis­ko, die sich in ei­nem all­ge­mei­nen Kamp­fe be­lus­tig­ten. Zwei bis drei Schich­ten von Fäus­ten häuf­ten sich im Kampf über­ein­an­der, um das Tau zu fas­sen. Und Hän­de, die nicht fas­sen konn­ten, wur­den zu Häm­mern, die die Na­sen der Auf­se­her be­ar­bei­te­ten, wenn sie ver­such­ten, die Zie­hen­den vom Tau weg­zu­rei­ßen.

Bert heul­te vor Freu­de, wäh­rend sich Mary, au­ßer sich vor Schre­cken, an ihn klam­mer­te. Die Kämp­fen­den, die dem Tau zu­nächst stan­den, wur­den um­ge­wor­fen und mit Fü­ßen ge­tre­ten. Der Staub wir­bel­te in großen Wol­ken auf, und von al­len Sei­ten hör­te man gel­len­des und ohn­mäch­ti­ges Schrei­en und Heu­len von ra­sen­den Män­nern und Frau­en, die sich nicht am Kamp­fe be­tei­li­gen konn­ten.

 

»Schreck­li­che Ge­schich­te, schreck­li­che Ge­schich­te«, mur­mel­te Bil­ly, und ob­wohl er al­les, was ge­sch­ah, sah, bahn­te er doch kalt­blü­tig und si­cher mit Hil­fe des wohl­wol­len­den Ir­län­ders Sa­xon den Weg aus dem Hand­ge­men­ge her­aus.

Am Ende er­folg­te die Ka­ta­stro­phe. Der ver­lie­ren­de Teil wur­de mit all sei­nen frei­wil­li­gen Teil­neh­mern durch einen plötz­li­chen Ruck über den Strich ge­zerrt, im sel­ben Au­gen­blick über­schwemm­te die Men­ge die Are­na, und al­les ver­schwand un­ter ei­ner La­wi­ne kämp­fen­der Ge­stal­ten.

Am äu­ßers­ten, ru­hi­gen Ran­de des Wir­bels über­ließ Bil­ly Sa­xon dem Schutz des Ir­län­ders und stürz­te sich wie­der ins Ge­drän­ge. Ein paar Mi­nu­ten spä­ter kam er wie­der mit dem ver­schwun­de­nen Paar – Bert, von ei­nem Schlag aufs Ohr blu­tend, aber strah­len­der Lau­ne, Mary zer­drückt und auf­ge­regt.

»Das ist kein Sport«, wie­der­hol­te sie im­mer wie­der. »Das ist ein Skan­dal, ein schmut­zi­ger Skan­dal.«

»Lass uns se­hen, dass wir hier fort­kom­men«, sag­te Bil­ly. »Das ist nur der An­fang.«

»Nein, wart ein biss­chen«, bat Bert. »Das ist sei­ne acht Dol­lar wert. Es ist bil­lig, ei­ner­lei, was es kos­tet. Ich habe lan­ge nicht so viel blaue Au­gen und blu­ti­ge Schnau­zen ge­se­hen.«

»Schön, dann geh wie­der hin und amü­sie­re dich. Ich neh­me die Mäd­chen mit auf die An­hö­he. Von dort kön­nen wir gut se­hen. Aber ich gebe nicht viel für dei­ne schö­nen Au­gen, wenn die Ir­län­der dich zu fas­sen krie­gen.«

Im Lau­fe ver­blüf­fend kur­z­er Zeit hat­te der gan­ze Lärm sich ge­legt. Auf der Rich­ter­tri­bü­ne ne­ben der Are­na brüll­te der Aus­ru­fer, dass jetzt die Wett­läu­fe für Kna­ben be­gän­nen. Bert, der sehr ent­täuscht war, kam auf die An­hö­he, wo Bil­ly mit den bei­den Mäd­chen stand und in die Are­na hin­un­ter­sah.

Es gab Kna­ben­lau­fen und Mäd­chen­lau­fen, Lau­fen für jun­ge Frau­en und alte Frau­en, für di­cke Män­ner und di­cke Frau­en, Sack­lau­fen und Drei­bein­lau­fen, und die Teil­neh­mer jag­ten um die klei­ne Are­na her­um, wäh­rend die Hel­fer wie wahn­sin­nig schri­en. Das Tau­zie­hen war schon ver­ges­sen. Gute Lau­ne herrsch­te über­all.

Fünf jun­ge Leu­te tra­ten an den Start­pfahl, beug­ten sich, dass die Fin­ger­spit­zen den Bo­den be­rühr­ten, und war­te­ten in die­ser Stel­lung auf den Re­vol­ver­schuss des Star­ters. Drei von ih­nen tru­gen So­cken, die bei­den an­de­ren Lauf­schu­he mit Sta­cheln.

»Lauf für jun­ge Män­ner«, las Bert aus dem Pro­gramm vor. »Und nur ein Preis – fünf­und­zwan­zig Dol­lar. Seht den Rot­haa­ri­gen mit den Sta­cheln – den äu­ßers­ten. Auf den hält San Fran­zis­ko. Er ist Fa­vo­rit, es ist eine Men­ge auf ihn ge­wet­tet.«

»Wer ge­winnt, glaubst du?« wand­te Mary sich zu Bil­ly als dem Sport­kun­digs­ten.

»Was weiß ich?« ant­wor­te­te er. »Ich habe kei­nen von ih­nen je ge­se­hen. Aber sie se­hen ei­gent­lich alle gut aus.«

Der Re­vol­ver wur­de ab­ge­feu­ert, und die fünf Läu­fer schos­sen da­von. Drei blie­ben schon am Start zu­rück. Der Rot­haa­ri­ge über­nahm die Füh­rung, einen schwarz­haa­ri­gen jun­gen Mann dicht auf den Fer­sen. Es war klar, dass die Ent­schei­dung zwi­schen die­sen bei­den fal­len muss­te. Auf hal­b­em Wege über­nahm der Schwarz­haa­ri­ge die Füh­rung mit ei­nem Spurt, den er of­fen­bar ent­schlos­sen war, bis zum letz­ten Au­gen­blick zu hal­ten. Er ge­wann zehn Fuß, und der Rot­haa­ri­ge ver­moch­te nicht einen Zoll ein­zu­ho­len.

»Das ist ein tüch­ti­ger Kerl«, er­klär­te Bil­ly. »Und er ge­braucht nicht ein­mal alle sei­ne Kräf­te, wäh­rend Rot­schopf bald er­le­digt ist.«

Un­ter wil­dem Hur­ra­ge­schrei pas­sier­te der Schwarz­haa­ri­ge das Ziel, im­mer noch mit zehn Fuß Vor­sprung. Aber plötz­lich be­gan­nen sie zu pfei­fen und zu heu­len. Bert war ganz au­ßer sich vor Be­geis­te­rung.

»Na ja, na ja«, ju­bel­te er. »Jetzt rast Fri­s­ko. Gleich gibt es hier Feu­er­werk, passt nur auf. Seht, sie ha­ben Pro­test ein­ge­legt. Der Schieds­rich­ter wei­gert sich, ihm das Geld aus­zu­zah­len. Und die gan­ze Ban­de ver­sam­melt sich um ihn. Oh! Oh! Oh! Seit mei­nem Bein­bruch habe ich mich nicht mehr so gut amü­siert.«

»Wa­rum wol­len sie ihm das Geld nicht ge­ben, Bil­ly?« frag­te Sa­xon. »Er hat doch ge­won­nen.«

»Die Fri­sko­par­tei be­haup­tet, dass er Pro­fes­sio­nal sei«, er­klär­te Bil­ly. »Dar­über zan­ken sie sich. Aber das ist Un­sinn. Sie lau­fen alle für Geld, sind also alle Pro­fes­sio­nals.«

Die Men­ge wog­te, stritt und brüll­te vor der Rich­ter­tri­bü­ne. Die Tri­bü­ne war ein wack­li­ger zwei­stö­cki­ger Bau, des­sen obe­rer Stock nach vorn of­fen war, und hier konn­te man die Rich­ter eben­so lei­den­schaft­lich dis­ku­tie­ren se­hen, wie die Men­ge dar­un­ter.

»Jetzt geht’s los!« brüll­te Bert. »Ach, du Ban­dit!«

Mit Hil­fe von ei­nem Dut­zend Ka­me­ra­den klet­ter­te der schwarz­haa­ri­ge Läu­fer zu den Rich­tern hin­auf.

»Der Preis­ver­tei­ler ist auf sei­ner Sei­te«, sag­te Bil­ly. »Seht, er gibt ihm das Geld, und ei­ni­ge Rich­ter sind für ihn, und an­de­re pro­tes­tie­ren. Und da ha­ben wir die von der Ge­gen­par­tei – von der Rot­schopfs.« Mit be­ru­hi­gen­dem Lä­cheln wand­te er sich zu Sa­xon. »Es ist gut, dass wir dies­mal nicht da­zwi­schen sind. In ei­nem Au­gen­blick gibt es eine schlim­me Ge­schich­te dort un­ten.«

»Die Rich­ter ver­su­chen, ihn dazu zu brin­gen, dass er das Geld wie­der­gibt«, er­klär­te Bert. »Und wenn er das nicht tut, neh­men die an­de­ren es ihm weg. Ach, jetzt ver­su­chen sie, es zu neh­men.«

Hoch über sei­nem Kopf hielt der Ge­win­ner die Pa­pi­er­rol­le mit den fünf­und­zwan­zig Sil­ber­dol­lar. Sei­ne Ka­me­ra­den hat­ten einen Kreis um ihn ge­bil­det und stemm­ten de­nen, die sich des Gel­des be­mäch­ti­gen woll­ten, die Schul­tern ent­ge­gen. Schlä­ge wa­ren noch nicht ge­fal­len, aber das Ge­tüm­mel wuchs, so­dass das ge­brech­li­che Ge­bäu­de zit­ter­te und schwank­te. Aus der Men­ge tön­ten dem Ge­win­ner lär­men­de Zu­ru­fe ent­ge­gen: »Gib es zu­rück, Kö­ter!« »Halt fest, Tim!« »Du hast ge­won­nen, Tim­my!« »Gib es zu­rück, du dre­cki­ger Räu­ber!« Un­nenn­ba­re In­ju­ri­en wie freund­schaft­li­che Ratschlä­ge wur­den ihm zu­ge­heult.

Der Lärm wur­de im­mer wil­der. Tims Ka­me­ra­den kämpf­ten, um ihn oben zu hal­ten, so­dass sei­ne Hand be­stän­dig über den vie­len Hän­den, die nach ihr schnapp­ten, er­ho­ben blieb. Für einen Au­gen­blick wur­de sein Arm her­ab­ge­ris­sen. Dann kam er wie­der hoch, aber das Pa­pier war zer­ris­sen, und mit ei­ner letz­ten ver­zwei­fel­ten An­stren­gung schleu­der­te Tim das Geld wie eine sil­ber­ne Woge über die Köp­fe der Men­ge. Dann folg­te eine lan­ge Zeit, in der man sich stritt und zank­te.

»Ich wünsch­te, sie wür­den auf­hö­ren, dass wir tan­zen könn­ten«, klag­te Mary. »Das macht kei­nen Spaß.«

Lang­sam und mü­he­voll war die Rich­ter­tri­bü­ne schließ­lich ge­räumt wor­den. Ein Aus­ru­fer trat an den Rand der Tri­bü­ne und hob die Arme als Zei­chen, dass er Schwei­gen wün­sche. Das zor­ni­ge Ru­fen leg­te sich.

»Die Rich­ter ha­ben be­schlos­sen«, rief er, »dass die­ser Tag der gu­ten Ka­me­rad­schaft und Brü­der­lich­keit ge­wid­met ist –«

»Hört! Hört!« Vie­le der Be­son­ne­ren ap­plau­dier­ten.

»Und des­halb«, er­tön­te die Stim­me des Aus­ru­fers wie­der, »ha­ben die Rich­ter be­schlos­sen, einen neu­en Preis von fünf­und­zwan­zig Dol­lar aus­zu­set­zen und den Lauf noch ein­mal statt­fin­den zu las­sen!«

»Und Tim?« gröl­ten Dut­zen­de von Stim­men. »Was wollt ihr mit Tim ma­chen?« »Er ist be­tro­gen wor­den!« »Die Rich­ter be­trü­gen!«