To Make Your Heart Remember Me

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
To Make Your Heart Remember Me
Font:Smaller АаLarger Aa

To Make Your Heart Remember Me

1  Titel Seite

2  Titel

3  Kapitel I - Hayley

4  Kapitel II - Kasia

5  Kapitel III - Hayley

6  Kapitel IV - Kasia

7  Kapitel V - Hayley

8  Kapitel VI - Kasia

9  Kapitel VII - Hayley

10  Kapitel VIII - Kasia

11  Kapitel IX - Hayley

12  Kapitel X - Kasia

13  Kapitel XI - Hayley

14  Kapitel XII - Kasia

15  Kapitel XIII - Hayley

16  Kapitel XIV - Kasia

17  Kapitel XV - Hayley

18  Kapitel XVI - Kasia

19  Kapitel XVII - Hayley

20  Kapitel XVIII - Kasia

21  Kapitel XIX - Hayley

22  Kapitel XX - Kasia

23  Kapitel XXI - Hayley

24  Kapitel XXII - Kasia

25  Kapitel XXIII - Hayley

26  Kapitel XXIV - Kasia

27  Epilog - Hayley

28  Abschließende Worte

Titel Seite

To Make Your Heart Remember Me
Isabella Stone

Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Diese Geschichte ist reine Fiktion.

Buchcover wurde mit Lizenz freien Bildern der Seite pixbay.com gestaltet.

Impressum

Texte: © Copyright by Jennifer Scharn

Umschlaggestaltung: © Copyright by Jennifer Scharn

Verlag:

Jennifer Scharn

Lazarusstr. 127

13581 Berlin

IsabellaStone@outlook.com

Titel
Prolog

Was ist, wenn sich alles ändert? Bist du dann da? Wirst du mir zur Seite stehen? Was ist, wenn plötzlich nichts mehr ist, wie es einst war? Bleibst du dann an meiner Seite? Oder wendest du dich ab? Gehst den Weg allein weiter? Vielleicht sogar zurück? Bist du noch du, wenn nichts mehr ist, wie es war? Die Zeiten waren gut, wir waren frei, glücklich, schwerelos. Was gibt es Besseres, als einen Abend mit den Mädels? Was ist schöner, als ein Abend allein? Was ist spannender, als das Vertraute neu zu entdecken? Ein Blick, eine Geste, eine Nachricht, die dich lächeln lässt. Im Hinterkopf immer ein Funke, der dich grübeln lässt, der dir versucht aufzuzeigen, dass nichts ist, wie es scheint. Wer wird die Erinnerungen wach halten? Wer sorgt dafür, dass Namen nicht vergessen werden? Wirst du es sein? Bist du der Mensch, den ich mehr als alles andere brauchen werde? Wer kümmert sich um die, die zurückbleiben? Wer wird sich um dich kümmern? Wer schaut nach dem Rechten, wenn ich es nicht mehr kann? Wie lange dauert es, bis die Seiten vergilben, brüchig werden? Wann wird sich der Duft ändern? Wann zerfällt das Kartenhaus? Im Radio singen sie, dass andere gern wie ich wären. Man soll sich nur genau genug betrachten und man wird sehen, wie besonders ein jeder von uns ist. Nein, ich glaube ihren Worten nicht. Ich denke nicht, dass jemand wie ich, getrieben von Furcht und Sorgen durch die Straßen von San Francisco gehen will. Die Sprache ist hier die gleiche, wie zu Hause. Und heißt es nicht, dass man sich deshalb zugehörig fühlt. Vielleicht sollte ich gehen, woanders hin. An den Strand von Rio? Im Sand tanzen und all meine Sorgen vergessen? Ich bin doch gerade erst hier angekommen. Habe es mir erlaubt zu hoffen, habe mir eine Zukunft ausgemalt. Was wird mir nun bleiben? Aufgeben ist keine Option, auch wenn es der scheinbar einfachere Weg ist. Ein Ausweg, eine Möglichkeit, die Sorgen hinter mir zu lassen. Nun sage mir, wirst du da sein, wenn der Fall der Fälle eintritt? Wenn ich nicht mehr ich sein kann, hältst du dann meine Hand?

„Haben Sie noch einen Wunsch?“ Schnell klappe ich mein schon reich beschriebenes Notizbuch zu und schaue auf. Vor mir steht wohl die schönste Kellnerin der Westküste. Ihre langen braunen Haare wehen ihr leicht ins Gesicht, doch sie lässt sich davon nicht stören. Ihr Lächeln ist so falsch, wie ihre Fingernägel. Wahrscheinlich arbeitet sie nur hier, um sich ihre Ausbildung leisten zu können. Aber was weiß ich schon, sie wird es mir nicht verraten.

Kopfschüttelnd verneine ich ihre Frage, reiche ihr meine Kreditkarte und warte, bis sie mir diese mit dem Kassenbeleg zurückbringt. Das Trinkgeld wird in diesem Coffeeshop automatisch berechnet, ich brauche mich nicht darum kümmern.

Ich stecke die Plastikkarte zurück in ihr Fach in meiner Designerbrieftasche, verstaue diese und mein Notizbuch in meiner Tasche und verlasse das Café. Das Schreiben beruhigt mich, lässt mich die Welt um mich herum vergessen. Zumindest so lange, bis eine Kellnerin mich in die wirkliche Welt zurück holt.

Während ich die Straße runterlaufe, spüre ich die Blicke der anderen Menschen. Einige laufen an mir vorbei, andere sitzen in den zahlreichen Straßencafés. Meine Jeans, die ich bereits zerrissen gekauft habe, weil es so Mode ist, liegt tief auf den Hüften und eng an meinem Hintern. Das weiße Top lässt kaum Raum für Phantasie – wie ich es bezwecken wollte. So lange ich noch zeigen kann, was ich habe, werde ich dies auch tun. Und werde die Blicke genießen, die mir geschenkt werden. Ach wären es doch seine Blicke.

Unweigerlich wandern meine Gedanken zu ihm. Ich solle mich nicht in ihn verlieben, sagte er. Er wolle nichts Festes, sei zu jung, um dem Wind nicht mehr zu folgen. Dabei bezog sich das immer nur auf Frauen. Schon längst ist er sesshaft geworden, hat eine Eigentumswohnung, einen sicheren Arbeitsplatz und einen großen, immer gleichbleibenden Freundeskreis. Aber wenn es um Frauen geht ist und bleibt er ein Vagabund. Doch es ist nicht leicht, Gefühle zu unterdrücken. Auch nicht, wenn man vorgewarnt wird.

Allerdings spielt es jetzt keine Rolle mehr. Er lebt am anderen Ende des Kontinents, liegt wahrscheinlich schon im nächsten Bett. Ich nehme es hin, habe ihm nicht gesagt, was los ist.

Wir standen am Flughafen, haben uns verabschiedet, wie gute Freunde es machen. Hätte ich ihm sagen sollen, was los ist? Dass ich ihn wirklich brauchen könnte? Dass ich nicht allein sein will, wenn die Zeit reif ist? Wenn es womöglich zu Ende geht?

Wäre es fair gewesen? Wie hätte ich ihm das antun können? Wieso sollte ich ihn um etwas bitten, um was ich selbst nicht gebeten habe? Ich habe keine Wahl, muss damit zurechtkommen. Doch er … er hat damit nichts zu tun, braucht sich nicht mit meinen Problemen belasten.

Abrupt bleibe ich stehen, drehe mich um die eigene Achse. Ich kann nicht glauben, wie weit ich bereits gelaufen bin. Dennoch stehe ich hier, auf dem Aussichtspunkt der Golden Gate Bridge. Um mich herum stehen Touristen, die ihre Erinnerungen in Fotos festhalten. Unter ihnen auch einheimische Jungs, die ihren Mädchen lächelnd die College Jacken – Football oder Baseball, wer weiß – über die Schultern legen. Kalt ist es bei bestem Willen nicht. Aber die Geste ist voller Liebe. Oder Lust? Wer kann das schon so genau sagen?

Langsam trete ich näher an die Absperrung, die mich von den Klippen trennt, möchte meinen Blick streifen lassen. Ich kann bis nach Alcatraz sehen, das Wetter ist heute gnädig mit San Franciscos Einwohnern und Gästen. Erst ein einziges Mal war ich drüben auf der Gefängnisinsel – ist nicht so gruselig, wie ich dachte.

Seit fünfzehn Jahren lebe ich nun in der neuen Welt. Seit ich drei Jahre alt war, habe ich mit und bei meinen Eltern in New York gelebt. Nun bin ich schon einige Monate in San Francisco. Ein lang gehegter Traum ist mit meinem Umzug endlich wahr geworden. Werde ich es fünfzehn weitere Jahre genießen können? Welchen Preis werde ich dafür zahlen müssen? Mit gerade Mal achtzehn Jahren sollte das Leben noch nicht so schwer sein. Es sollten sich Türen schließen und öffnen, die Welt sollte mich mit offenen Armen empfangen. Ein Leben sollte nicht mit achtzehn vor dem Aus stehen.

 

Am Horizont geht die Sonne unter, färbt den klaren Himmel in ein wunderschönes Pink. Verträumt spiele ich mit der Zunge an meinem Piercing am Lippenbändchen. Es war mein erstes, eines, was ich unbedingt haben musste. Viele haben versucht, meinen Eltern einzureden, dass es der Start einer großen Rebellion sei. Ich wäre meinen Eltern undankbar, für das Leben, das sie mir bieten. Ich wolle sie damit beschämen. Doch meine Eltern haben nicht darauf gehört. Sie wussten, dass ich es für mich mache, dass es nicht mit ihnen oder meiner Liebe zu ihnen zu tun hatte.

Einsam und still laufen mir Tränen über die Wangen, wenn ich an meine Mom und meinen Dad denke. Gedankenverloren streicht meine Hand über den linken Unterarm, auf welchem ich mir eine Erinnerung an sie unter die Haut stechen gelassen habe. Schon immer hatten wir ein gutes Verhältnis. Wir bedeuten uns alles. Egal, was andere sagen. Zwischen uns stehen keine Vorwürfe.

Ich ziehe, noch immer unter Tränen, den Umschlag aus meiner kleinen Lederhandtasche. Das alte Material der Tasche kratzt leicht über meine Haut. Schwer liegt der Umschlag in meiner Hand, wirkt unheilvoll. Ich betrachte den Absender, die verschiedenen Stempel der Post, drehe ihn um, streiche über die feine Klebespur der Verschlusslasche. Will ich wirklich wissen, was darin steht? Will ich mein Schicksal, mein ganzes weiteres Leben von den Zeilen im Inneren abhängig machen? Soll es so besiegelt werden?

Ich hebe den Blick vom Umschlag, betrachte das kleine, unscheinbare Tattoo am rechten Handgelenk. Ein schlichtes Herz, das Zeichen jener Verbundenheit, die ich zu meiner Schwester spüre. Obwohl ich Einzelkind bin, habe ich den einen Menschen gefunden, der neben mir steht, der so tickt, wie ich.

Kaum denke ich an sie, wird mir mit einem Schlag bewusst, wie nötig ich sie eigentlich gerade habe. Kneif die Arschbacken zusammen und mach den verdammten Brief auf, würde sie jetzt zu mir sagen. Ich höre förmlich ihre Stimme, kann ihren Gesichtsausdruck dabei sehen. Zu gern würde ich jetzt mit ihr sprechen, einfach nur ihre Stimme hören. Ob ich sie anrufen kann? Noch bevor ich mich entscheiden kann, klingelt mein Handy – sie ist es.

„Hast du ihn aufgemacht?“

„Nein“, gebe ich zurück, kann in ihrer Stimme die Verzweiflung heraushören. „Ich habe es bisher noch nicht geschafft. Muss ich denn unbedingt wissen, was darin steht? Muss ich wissen, was meine Zukunft für mich bereithält?“

„Arschbacken zusammenkneifen!“, ruft meine Freundin aus, bringt mich unwissend zum Lächeln. Wie gut ich sie doch kenne.

„Schon gut, halt die Luft an. Ich mache ihn jetzt auf“, erwidere ich und reiße den Umschlag tatsächlich auf.

„Und? Nun sag schon, was drin steht!“ Geduld war noch nie eine Stärke meiner besten Freundin. Seufzend überfliege ich die Zeilen, das Atmen fällt mir mit jedem Wort, das ich aufnehme, schwerer. „Kasia! Rede bitte mit mir!“

„Hayls, ruf schon mal Logan an, wir haben ein Tattoo zu stechen“, wispere ich.

„Sag, dass das nicht wahr ist!“, schreit sie voller Wut und elendiger Verzweiflung. Wieder sehe ich genau vor mir, wie sie die 5th Avenue entlang geht, mit Tränen in den Augen, wie sie gern alles kurz und klein schlagen würde.

„Wenn ich das hier geschafft habe, wird er mir ein letztes Tattoo verpassen. Wenn nicht …“

„Habe ich ein Versprechen einzulösen“, beendet Hayley meinen Satz weinend. Ich kann ihr nicht antworten, lasse nur das Handy sinken und drücke den roten Knopf.

Der Druck auf meiner Brust wächst, scheint mich zu ersticken, ist kaum zu ertragen. Ich nehme nichts mehr um mich wahr, verliere mich in meinem Schmerz. Langsam lasse ich mich auf die Knie sinken, schreie meinen Schmerz heraus, bis mir der Hals weh tut und mein Mund staubtrocken ist. Nicht nur innerlich breche ich zusammen, frage mich, wie ich hier landen konnte, womit ich das verdient habe.

Mit einem letzten verzweifelten Schrei lasse ich mich nach hinten sinken, schaue in den Himmel und weine. Ich weine, bis die Sonne untergeht, endgültig der Nacht weicht.

Irgendwann, Stunden später, steige ich in ein Taxi, lasse mich in meine kleine Wohnung bringen und gebe mich erneut den Tränen hin.

Kapitel I - Hayley

Endlich Schluss, denke ich, während ich das Gebäude verlasse. Die alten Mauern der ebenso alten Privatschule benötigen dringend das Wissen eines Handwerkers. Leider sind die reichen Eltern der Schüler nicht bereit, einen extra Beitrag neben den unverschämt hohen Schulgebühren zu zahlen. Ich blicke die Hauswand empor, lasse dann meinen Blick über das Gelände unserer Schule wandern. Sie liegt inmitten einer wunderschönen Villengegend, hinter dem Gebäude, von meiner Position aus nicht zu sehen, liegt der riesige Schulgarten mit seinen Tennisplätzen und dem wunderschönen Teich. Hier sitzen die versnobten Schüler im Sommer oft in ihren Freistunden.

Ich gehe zu dem großen Brunnen, um welchen die riesige Einfahrt führt, setze mich und atme einmal tief durch. Manchmal hasse ich es regelrecht, dass auch ich eines dieser Kinder bin. Das Kind reicher Eltern, dem alle Türen offen stehen. Als die Junior High zu Ende ging, hatte ich keine große Wahl. Die elitären Familien schicken ihre Kinder auf diese Schule. Hier knüpft man Kontakte, die für die Zukunft von äußerster Wichtigkeit sind. Für meine Eltern mag das stimmen, für mich nicht. Doch ich hatte Glück, meine beste Freundin ist auch hier an meiner Seite geblieben. Gemeinsam kann man sich nicht fehl am Platz fühlen, gemeinsam ist man stark und schafft alles. Wir sind Schwestern, gleichwohl wir beide Einzelkinder sind. Doch im Herzen verbindet uns ein Band, das nicht jeder finden wird. Wir sind Seelenverwandte.

Bei dem Gedanken an Kasia schaue ich mich suchend um. In diesem Jahr haben wir kaum noch Kurse zusammen, weshalb wir uns während des Vormittages nur selten sehen. Unsere Zukunftswünsche gehen auseinander, ich werde im Sommer an die Juilliard gehen und Gesang studieren. Kasia will mir und ihrer Familie den Rücken kehren und zieht nach San Francisco. Nie hätte ich gedacht, dass sie New York je verlassen würde.

Gerade will ich meine Freundin anrufen, als sie die Treppe herunter hüpft. Sie strahlt von einem Ohr zum anderen, zieht aus ihrer Tasche einen Brief.

„Hayls! Ich habe es geschafft! Sie nehmen mich!“ Kaum steht Kasia vor mir, wedelt sie mit einem Schreiben der Universität von San Francisco. Ich erkenne das Logo der Schule. Kasia hatte immer nur ein Ziel – irgendwann auf einer katholischen Uni Erziehungswissenschaften studieren und dann das Bildungssystem verändern. Oft wurde sie für ihre Träume belächelt, aber ich bin mir sicher, dass sie es schaffen wird. Katarzyna Myers wird die Welt verändern.

„Ich freue mich sehr!“ Sie weiß, ich meine es ehrlich, auch wenn es die Floskel schlechthin ist. Kaum habe ich es ausgesprochen, verblasst ihr Lächeln, ihr Blick ruht auf etwas hinter mir. Als ich mich umdrehe, kehrt uns gerade Keith den Rücken zu. Kasia war mehr als ein Jahr mit ihm zusammen. Bis sie herausfand, dass Keith so ziemlich jedes Mädchen der unteren Klassen heimliche – und falsche – Liebesbekundungen zuflüstert. Die Trennung war unschön, Kasias Herz brach in unzählige Stücke. „Hat er etwa eine Meinung zu der Sache?“, frage ich gereizt. Ich werde nicht zulassen, dass ihr jemand diese tolle Nachricht mies macht. Nur wenige Bewerber bekommen die Chance, an dieser renommierten Uni zu studieren.

„Ach vergiss ihn“, winkt Kasia ab. „Wen interessiert schon seine Meinung!? Okay, anderes Thema. Fahren wir gleich nach Jersey oder musst du noch mal nach Hause?“

„Es ist noch früh, ich würde mich gern erst umziehen. Oder willst du den ganzen Tag in der Schuluniform rumrennen?“

„Ich darf mich an deinem Schrank bedienen?“, stellt sie die wohl unnötigste Frage in unserer Freundschaft. Wir sind exakt gleich groß, haben eine ähnliche Figur, ja sogar unser Busen ist gleich groß. Ohne das Einverständnis der einen zu benötigen, bedienen wir uns seit jeher an den Kleidern der anderen. „Wann sollen wir in Jersey sein?“ Wir steigen in die schwarze Stufenheck-Limousine, die stets für uns bereitsteht. Unsere Eltern teilen sich die Rechnung, ihre Mädchen sollen so sicher wie möglich von A nach B kommen.

Vor meinem Haus verabschiedet Roger, unser Fahrer, sich ins Wochenende. Wir gönnen ihm die Zeit mit seiner schwangeren Frau und den vier Kindern. Meine Eltern haben das Haus gekauft, sie schenkten er mir, mit der Aufgabe, bewusst damit umzugehen. Es ist jenes Haus aus Sex and the City, in dem Carrie gewohnt hat. Nicht nur meine Mom ist ein Fan der Serie, auch Kasia und ich haben sie verschlungen. Ich wohne überwiegend in dieser Wohnung, auch wenn ich offiziell noch bei meinen Eltern gemeldet bin. Kasia verbringt mehr Zeit bei mir, als daheim. Kein Wunder, ihre Eltern sind mehr unterwegs, als dass sie zu Hause sind. Wir betreten die kleine Wohnung, die absolut nichts mehr mit der Serienwohnung zu tun hat. Bad und Küche sind noch an Ort und Stelle, auch der Kleiderschrank und das Bett mussten bleiben, wo sie waren. Doch die Einrichtung ist eine völlig andere. Meine Mom hätte sicherlich einen Weg gefunden, die Originalmöbel zu bekommen, aber ich konnte sie gerade noch davon abhalten. Unsere Farben sind lila und grau, nicht kunterbunt.

„Ach du liebe Güte! Wir hätten letztes Wochenende doch ein bisschen aufräumen sollen“, seufze ich, als ich den Berg Müll auf dem Herd erblicke. „Wann sind wir solch schlampige Hausfrauen geworden?“ Kasia unterdrückt ein lautes Lachen. Seit Keith ein Geräusch, welches man nur noch selten hört.

„Schon vergessen? Du wolltest eigentlich den Mittwoch mit aufräumen verbringen. Aber stattdessen warst du wo?“ Ihr Blick sagt alles und mir fällt es wie Schuppen aus den Haaren.

„Ich war in Jersey“, gebe ich kleinlaut zu.

„Und warum warst du in Jersey?“

„Halt die Klappe, Kasia!“ Sie weiß ganz genau, warum ich mitten in der Woche nach Jersey gefahren bin. Logan hat mich zu einer Ausstellung mitgenommen. Es wurden Bilder von Vince, seinem Partner, ausgestellt. Sie waren wunderschön und der Abend mit Logan und Vince sehr lustig.

„Du hast mir vorhin nicht gesagt, wann wir bei Logan sein sollen“, erinnert Kasia mich später im Auto.

„Logan hat uns die letzten zwei Termine heute Abend freigehalten. Danach hat er uns eingeladen, noch mit ihm und den anderen etwas trinken zu gehen.“ Seit Wochen reden wir über den Termin bei Logan, ich kann wirklich nicht verstehen, warum sie mich schon wieder danach fragt.

Er ist Kasias Tätowierer der ersten Stunde. Nicht nur die kleinen Herzen an unseren Handgelenken sind von ihm, auch alle anderen Körperbilder hat Logan unter Kasias Haut gebracht. Ihre zahlreichen Piercings hat eine Kollegin – Suzi – von Logan gestochen. Soweit ich weiß, arbeitet sie nicht mehr in seinem Shop, warum hat er uns nie erzählt. Kasia vermutet, dass sie gekündigt hat, weil Logan nichts von ihr wollte. Wer weiß, woran es wirklich gelegen hat. Zumindest Kasia war mit ihrer Arbeit sehr zufrieden und auch ein wenig traurig, als sie gegangen ist. Ich persönlich hatte ein wenig Angst vor ihr. Wer sticht anderen Menschen schon gern Löcher in den Körper?

„Wirst du es heute durchziehen?“, fragt Kasia schmunzelnd, als wir in dem ersten Stau stehen. Die Fahrt nach Jersey dauert immer ewig, aber Freitagabend ist es besonders anstrengend. Bereits jetzt ärgere ich mich, dass wir nicht mit dem Zug gefahren sind.

Kasias Frage ist berechtigt, denn bisher ist das kleine Herz unserer Freundschaft mein einziges Tattoo. Es liegt nicht etwa daran, dass mir das Motiv fehlt, Logan arbeitet schon seit Monaten daran. Ich bin einfach ein Angsthase.

„Wir werden sehen“, erwidere ich knapp. „Logan meint, er hätte das Bild endlich perfekt gemacht.“ Schulterzuckend blicke ich wieder auf die Straße. Ich will darüber nicht reden und hoffe, dass Kasia es versteht und mich in Ruhe lassen wird.

„Wir hätten den Wagen stehen lassen sollen“, schnauft sie wenig später und öffnet das Fenster. „Jedes Mal das Gleiche mit dir.“ Gespielt sauer blickt sie mich von der Seite an.

„Und wie bitte wollen wir nachher noch nach Hause kommen, wenn wir ohne Auto unterwegs sind?“

„Ach komm, du könntest doch ruhig eine Nacht in Jersey verbringen!“ Kasia schüttelt lachend den Kopf, als mein Handy klingelt. Sie schnappt es sich, leitet den Anruf auf die Freisprechanlage meines Subaru um.

„Hey, Logan!“, trällert sie und klimpert übertrieben mit den Wimpern. Wenn er sie sehen könnte, würde er mit den Augen rollen und sie würde ihm den Mittelfinger zeigen. Eine Geste, die sie sich angewöhnt hat, nachdem sie mal wieder ein neues Buch verschlungen hat.

 

„Wo bleibt ihr?“, ertönt die tiefe Stimme des Tätowierers. Kein Wort der Begrüßung, mit solchen Kleinigkeiten hat er sich noch nie aufgehalten.

„Ähm, naja …“, stottere ich.

„Babe, sag mir bitte nicht, dass ihr wieder das Auto genommen habt! Ihr werdet noch ewig brauchen. Hinter dem Holland Tunnel gab es einen Unfall.“

„Keine Panik, wir sind schon durch den Tunnel. Uns macht nur der Berufsverkehr zu schaffen.“ Ich höre sein Schnaufen bereits, bevor er es überhaupt gemacht hat.

„Ich habe es euch gleich gesagt! Nächstes Mal treffen wir uns erst Samstag, dann brauche ich nicht immer einen Kunden verschieben, wenn ich dann doch wieder auf euch warten muss“, schimpft er vor sich hin. Kasia fällt es sichtlich schwer, ein Lachen zu unterdrücken. „Na gut, hilft ja nichts. Vince und ich besorgen etwas zu Essen. Und du, Babe, drückst ein bisschen mehr auf Gaspedal.“ Und schon ist der Anruf wieder unterbrochen. Typisch Logan, kein Hallo, kein Tschüss. Er redet nur das Nötigste.

„Warum nennt er dich immer noch Babe? Sagtest du nicht, du hättest alles mit ihm geklärt?“ Kasia grinst mich an. Sie weiß genau, dass ich mit Logan gesprochen habe.

„Habe ich. Aber was soll ich sagen? Er macht was er will und es macht ihn verrückt, dass er mich nicht haben kann.“ Ich zucke die Schultern. Noch ein Thema über das ich heute nicht sprechen will. Schwer schlucke ich, schiebe die Gedanken an Logan in eine hintere Ecke meines Kopfes. Man soll nicht über verpasse Chancen nachdenken, das gibt nur Falten.