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Kritik der reinen Vernunft

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Ob sie nun aber gleich als erweiternde Erkenntnis keinen Nutzen hat, sondern als solche aus lauter Paralogismen zusammengesetzt ist, so kann man ihr doch, wenn es für nichts mehr, als eine kritische Behandlung unserer dialektischer Schlüsse, und zwar der gemeinen und natürlichen Vernunft gelten soll, einen wichtigen negativen Nutzen nicht absprechen.

Wozu haben wir wohl eine bloß auf reine Vernunftprinzipien gegründete Seelenlehre nötig? Ohne Zweifel vorzüglich in der Absicht, um unser denkendes Selbst wider die Gefahr des Materialismus zu sichern. Dieses leistet aber der Vernunftbegriff von unserem denkenden Selbst, den wir gegeben haben. Denn weit gefehlt, daß nach demselben einige Furcht übrig bliebe, daß, wenn man die Materie wegnähme, dadurch alles Denken und selbst die Existenz denkender Wesen aufgehoben werden würde, so wird vielmehr klar gezeigt: daß, wenn ich das denkende Subjekt wegnähme, die ganze Körperwelt wegfallen muß, als die nichts ist, als die Erscheinung in der Sinnlichkeit unseres Subjekts und eine Art Vorstellungen desselben.

Dadurch erkenne ich zwar freilich dieses denkende Selbst seinen Eigenschaften nach nicht besser, noch kann ich seine Beharrlichkeit, ja selbst nicht einmal die Unabhängigkeit seiner Existenz, von dem etwaigen transzendentalen Substratum äußerer Erscheinungen einsehen, denn dieses ist mir, ebensowohl als jenes, unbekannt. Weil es aber gleichwohl möglich ist, daß ich anderswoher, als aus bloß spekulativen Gründen Ursache hernähme, eine selbständige und bei allem möglichen Wechsel meines Zustandes beharrliche Existenz meiner denkenden Natur zu hoffen, so ist dadurch schon viel gewonnen, bei dem freien Geständnis meiner eigenen Unwissenheit, dennoch die dogmatischen Angriffe eines spekulativen Gegners abtreiben zu können, und ihm zu zeigen: daß er niemals mehr von der Natur meines Subjekts wissen könne, um meinen Erwartungen die Möglichkeit abzusprechen, als ich, um mich an ihnen zu halten.

Auf diesen transzendentalen Schein unserer psychologischen Begriffe gründen sich dann noch drei dialektische Fragen, welche das eigentliche Ziel der rationalen Psychologie ausmachen, und nirgends anders, als durch obige Untersuchungen entschieden werden können: nämlich 1) von der Möglichkeit der Gemeinschaft der Seele mit einem organischen Körper, d.i. der Animalität und dem Zustande der Seele im Leben des Menschen, 2) vom Anfange dieser Gemeinschaft, d.i. der Seele in und vor der Geburt des Menschen, 3) dem Ende dieser Gemeinschaft, d.i. der Seele im und nach dem Tode des Menschen (Frage wegen der Unsterblichkeit).

Ich behaupte nun: daß alle Schwierigkeiten, die man bei diesen Fragen vorzufinden glaubt, und mit denen, als dogmatischen Einwürfen, man sich das Ansehen einer tieferen Einsicht in die Natur der Dinge, als der gemeine Verstand wohl haben kann, zu geben sucht, auf einem bloßen Blendwerke beruhe, nach welchem man das, was bloß in Gedanken existiert, hypostasiert, und in ebenderselben Qualität, als einen wirklichen Gegenstand außerhalb dem denkenden Subjekte annimmt, nämlich Ausdehnung, die nichts als Erscheinung ist, für eine, auch ohne unsere Sinnlichkeit, subsistierende Eigenschaft äußerer Dinge, und Bewegung für deren Wirkung, welche auch außer unseren Sinnen an sich wirklich vorgeht, zu halten. Denn die Materie, deren Gemeinschaft mit der Seele so großes Bedenken erregt, ist nichts anderes als eine bloße Form, oder eine gewisse Vorstellungsart eines unbekannten Gegenstandes, durch diejenige Anschauung, welche man den äußeren Sinn nennt. Es mag also wohl etwas außer uns sein, dem diese Erscheinung, welche wir Materie nennen, korrespondiert; aber, in derselben Qualität als Erscheinung ist es nicht außer uns, sondern lediglich als ein Gedanke in uns, wiewohl dieser Gedanke durch genannten Sinn, es als außer uns befindlich vorstellt. Materie bedeutet also nicht eine von dem Gegenstande des inneren Sinnes (Seele) so ganz unterschiedene und heterogene Art von Substanzen, sondern nur die Ungleichartigkeit der Erscheinungen von Gegenständen (die uns an sich selbst unbekannt sind), deren Vorstellungen wir äußere nennen, in Vergleichung mit denen, die wir zum inneren Sinne zählen, ob sie gleich ebensowohl bloß zum denkenden Subjekte, ab alle übrigen Gedanken, gehören, nur daß sie dieses Täuschende an sich haben: daß, da sie Gegenstände im Raume vorstellen, sich gleichsam von der Seele ablösen und außer ihr zu schweben scheinen, da doch selbst der Raum, darin sie angeschaut werden, nichts als eine Vorstellung ist, deren Gegenbild in derselben Qualität außer der Seele gar nicht angetroffen werden kann. Nun ist die Frage nicht mehr: von der Gemeinschaft der Seele mit anderen bekannten und fremdartigen Substanzen außer um, sondern bloß von der Verknüpfung der Vorstellungen des inneren Sinnes mit den Modifikationen unserer äußeren Sinnlichkeit, und wie diese untereinander nach beständigen Gesetzen verknüpft sein mögen, so daß sie in einer Erfahrung zusammenhängen.

Solange wir innere und äußere Erscheinungen, als bloße Vorstellungen in der Erfahrung, miteinander zusammenhalten, so finden wir nichts Widersinnisches und welches die Gemeinschaft beider Art Sinne befremdlich machte. Sobald wir aber die äußeren Erscheinungen hypostasieren, sie nicht mehr als Vorstellungen, sondern in derselben Qualität, wie sie in uns sind, auch als außer uns für sich bestehende Dinge, ihre Handlungen aber, die sie als Erscheinungen gegeneinander im Verhältnis zeigen, auf unser denkendes Subjekts beziehen, so haben wir einen Charakter der wirkenden Ursachen außer uns, der sich mit ihren Wirkungen in uns nicht zusammenreimen will, weil jener sich bloß auf äußere Sinne, diese aber auf den inneren Sinn beziehen, welche, ob sie zwar in einem Subjekte vereinigt, dennoch höchst ungleichartig sind. Da haben wir denn keine anderen äußere Wirkungen, als Veränderungen des Ortes, und keine Kräfte, als bloß Bestrebungen, welche auf Verhältnisse im Raume, als ihre Wirkungen, auslaufen. In uns aber sind die Wirkungen Gedanken, unter denen kein Verhältnis des Ortes, Bewegung, Gestalt, oder Raumesbestimmung überhaupt stattfindet, und wir verlieren den Leitfaden der Ursachen gänzlich an den Wirkungen, die sich davon in dem inneren Sinne zeigen sollten. Aber wir sollten bedenken: daß nicht die Körper Gegenstände an sich sind, die uns gegenwärtig sind, sondern eine bloße Erscheinung, wer weiß, welches unbekannten Gegenstandes, daß die Bewegung nicht die Wirkung dieser unbekannten Ursache, sondern bloß die Erscheinung ihres Einflusses auf unsere Sinne sei, daß folglich beide nicht etwas außer uns, sondern bloß Vorstellungen in uns sind, mithin daß nicht die Bewegung der Materie in uns Vorstellungen wirke, sondern daß sie selbst (mithin auch die Materie, die sich dadurch kennbar macht) bloße Vorstellung sei und endlich die ganze selbstgemachte Schwierigkeit darauf hinauslaufe: wie und durch welche Ursache die Vorstellungen unserer Sinnlichkeit so untereinander in Verbindung stehen, daß diejenige, welche wir äußere Anschauungen nennen, nach empirischen Gesetzen, als Gegenstände außer uns, vorgestellt werden können, welche Frage nun ganz und gar nicht die vermeinte Schwierigkeit enthält, den Ursprung der Vorstellungen von außer uns befindlichen ganz fremdartigen wirkenden Ursachen zu erklären, indem wir die Erscheinungen einer unbekannten Ursache für die Ursache außer uns nehmen, welches nichts als Verwirrung veranlassen kann. In Urteilen, in denen eine durch lange Gewohnheit eingewurzelte Mißdeutung vorkommt, ist es unmöglich, die Berichtigung sofort zu derjenigen Faßlichkeit zu bringen, welche in anderen Fällen gefordert werden kann, wo keine dergleichen unvermeidliche Illusion den Begriff verwirrt. Daher wird diese unsere Befreiung der Vernunft von sophistischen Theorien schwerlich schon die Deutlichkeit haben, die ihr zur völligen Befriedigung nötig ist.

Ich glaube, diese auf folgende Weise befördern zu können.

Alle Einwürfe können in dogmatische, kritische und skeptische eingeteilt werden. Der dogmatische Einwurf ist, der wider einen Satz, der kritische, der wider den Beweis eines Satzes gerichtet ist. Der erstere bedarf einer Einsicht in die Beschaffenheit der Natur des Gegenstandes, um das Gegenteil von demjenigen behaupten zu können, was der Satz von diesem Gegenstande vorgibt, er ist daher selbst dogmatisch und gibt vor, die Beschaffenheit, von der die Rede, ist, besser zu kennen, als der Gegenteil. Der kritische Einwurf, weil er den Satz in seinem Werte oder Unwerte unangetastet läßt, und nur den Beweis anficht, bedarf gar nicht den Gegenstand besser zu kennen, oder sich einer besseren Kenntnis desselben anzumaßen; er zeigt nur, daß die Behauptung grundlos, nicht, daß sie unrichtig sei. Der skeptische stellt Satz und Gegensatz wechselseitig gegeneinander, als Einwürfe von gleicher Erheblichkeit, einen jeden derselben wechselweise als Dogma und den anderen als dessen Einwurf, ist also auf zwei entgegengesetzten Seiten dem Scheine nach dogmatisch, um alles Urteil über den Gegenstand gänzlich zu vernichten. Der dogmatische also sowohl, als skeptische Einwurf, müssen beide so viel Einsicht ihres Gegenstandes vorgeben, als nötig ist, etwas von ihm bejahend oder verneinend zu behaupten. Der kritische ist allein von der Art, daß, indem er bloß zeigt, man nehme zum Behuf seiner Behauptung etwas an, was nichtig und bloß eingebildet ist, die Theorie stürzt, dadurch, daß sie ihr die angemaßte Grundlage entzieht, ohne sonst etwas über die Beschaffenheit des Gegenstandes ausmachen zu wollen.

Nun sind wir nach den gemeinen Begriffen unserer Vernunft in Ansehung der Gemeinschaft, darin unser denkendes Subjekt mit den Dingen außer uns steht, dogmatisch und sehen diese als wahrhafte unabhängig von uns bestehende Gegenstände an, nach einem gewissen transzendentalen Dualism, der jene äußeren Erscheinungen nicht als Vorstellungen zum Subjekte zählt, sondern sie, so wie sinnliche Anschauung sie uns liefert, außer uns als Objekte versetzt und sie von dem denkenden Subjekte gänzlich abtrennt. Diese Subreption ist nun die Grundlage aller Theorien über die Gemeinschaft zwischen Seele und Körper, und es wird niemals gefragt: ob denn diese objektive Realität der Erscheinungen so ganz richtig sei, sondern diese wird als zugestanden vorausgesetzt und nur über die Art vernünftelt, wie sie erklärt und begriffen werden müsse. Die gewöhnlichen drei hierüber erdachten und wirklich einzig möglichen Systeme sind die, des physischen Einflusses, der vorher bestimmten Harmonie und der übernatürlichen Assistenz.

 

Die zwei letzteren Erklärungsarten der Gemeinschaft der Seele mit der Materie sind auf Einwürfe gegen die erstere, welche die Vorstellung des gemeinen Verstandes ist, gegründet, daß nämlich dasjenige, was als Materie erscheint, durch seinen unmittelbaren Einfluß nicht die Ursache von Vorstellungen, als einer ganz heterogenen Art von Wirkungen, sein könne. Sie können aber alsdann mit dem, was sie unter dem Gegenstande äußerer Sinne verstehen, nicht den Begriff einer Materie verbinden, welche nichts als Erscheinung, mithin schon an sich selbst bloße Vorstellung, die durch irgendwelche äußeren Gegenstände gewirkt worden, denn sonst würden sie sagen; daß die Vorstellungen äußerer Gegenstände (die Erscheinungen) nicht äußere Ursachen der Vorstellungen in unserem Gemüte sein können, welches ein ganz sinnleerer Einwurf sein würde, weil es niemanden einfallen wird, das, was er einmal als bloße Vorstellung anerkannt hat, für eine äußere Ursache zu halten. Sie müssen also nach unseren Grundsätzen ihre Theorie darauf richten: daß dasjenige, was der wahre (transzendentale) Gegenstand unsrer äußeren Sinne ist, nicht die Ursache derjenigen Vorstellungen (Erscheinungen) sein könne, die wir unter dem Namen Materie verstehen. Da nun niemand mit Grund vorgeben kann, etwas von der transzendentalen Ursache unserer Vorstellungen äußerer Sinne zu kennen, so ist ihre Behauptung ganz grundlos. Wollten aber die vermeinten Verbesserer der Lehre vom physischen Einflusse, nach der gemeinen Vorstellungsart eines transzendentalen Dualism, die Materie, als solche, für ein Ding an sich selbst (und nicht als bloße Erscheinung eines unbekannten Dinges) ansehen und ihren Einwurf dahin richten, zu zeigen: daß ein solcher äußerer Gegenstand, welcher keine andere Kausalität als die der Bewegungen an sich zeigt, nimmermehr die wirkende Ursache von Vorstellungen sein könne, sondern daß sich ein drittes Wesen deshalb ins Mittel schlagen müsse, um, wo nicht Wechselwirkung, doch wenigstens Korrespondenz und Harmonie zwischen beiden zu stiften: so würden sie ihre Widerlegung davon anfangen, das proton pheydos des physischen Einflusses in ihrem Dualismus anzunehmen, und also durch ihren Einwurf nicht sowohl den natürlichen Einfluß, sondern ihre eigene dualistische Voraussetzung widerlegen. Denn alle Schwierigkeiten, welche die Verbindung der denkenden Natur mit der Materie treffen, entspringen ohne Ausnahme lediglich aus jener erschlichenen dualistischen Vorstellung: daß Materie, als solche, nicht Erscheinung, d.i. bloße Vorstellung des Gemüts, der ein unbekannter Gegenstand entspricht, sondern der Gegenstand an sich selbst sei, so wie er außer uns und unabhängig von aller Sinnlichkeit existiert.

Es kann also wider den gemein angenommenen physischen Einfluß kein dogmatischer Einwurf gemacht werden. Denn nimmt der Gegner an: daß Materie und ihre Bewegung bloße Erscheinungen und also selbst nur Vorstellungen seien, so kann er nur darin die Schwierigkeit setzen: daß der unbekannte Gegenstand unserer Sinnlichkeit nicht die Ursache der Vorstellungen in uns sein könne, welches aber vorzugeben ihn nicht das mindeste berechtigt, weil niemand von einem unbekannten Gegenstande ausmachen kann, was er tun oder nicht tun könne. Er muß aber, nach unseren obigen Beweisen, diesen transzendentalen Idealism notwendig einräumen, wofern er nicht offenbar Vorstellungen hypostasieren und sie, als wahre Dinge, außer sich versetzen will.

Gleichwohl kann wider die gemeine Lehrmeinung des physischen Einflusses ein gegründeter kritischer Einwurf gemacht werden. Eine solche vorgegebene Gemeinschaft zwischen zwei Arten von Substanzen, der denkenden und der ausgedehnten, legt einen groben Dualism zum Grunde und macht die letztere, die doch nichts als bloße Vorstellungen des denkenden Subjekts sind, zu Dingen, die für sich bestehen. Also kann der mißverstandene physische Einfluß dadurch völlig vereitelt werden, daß man den Beweisgrund desselben als nichtig und erschlichen aufdeckt.

Die berüchtigte Frage, wegen der Gemeinschaft des Denkenden und Ausgedehnten, würde also, wenn man alles Eingebildete absondert, lediglich darauf hinauslaufen: wie in einem denkenden Subjekt überhaupt, äußere Anschauung, nämlich die des Raumes (einer Erfüllung desselben Gestalt und Bewegung) möglich sei. Auf diese Frage aber ist es keinem Menschen möglich, eine Antwort zu finden, und man kann diese Lücke unseres Wissens niemals ausfüllen, sondern nur dadurch bezeichnen, daß man die äußeren Erscheinungen einem transzendentalen Gegenstande zuschreibt, welcher die Ursache dieser Art Vorstellungen ist, den wir aber gar nicht kennen, noch jemals einigen Begriff von ihm bekommen werden. In allen Aufgaben, die im Felde der Erfahrung vorkommen mögen, behandeln wir jene Erscheinungen als Gegenstände an sich selbst, ohne uns um den ersten Grund ihrer Möglichkeit (als Erscheinungen) zu bekümmern. Gehen wir aber über deren Grenze hinaus, so wird der Begriff eines transzendentalen Gegenstandes notwendig.

Von diesen Erinnerungen, über die Gemeinschaft zwischen dem denkenden und den ausgedehnten Wesen, ist die Entscheidung aller Streitigkeiten oder Einwürfe, welche den Zustand der denkenden Natur vor dieser Gemeinschaft (dem Leben), oder nach aufgehobener solchen Gemeinschaft (im Tode) betreffen, eine unmittelbare Folge. Die Meinung, daß das denkende Subjekt vor aller Gemeinschaft mit Körpern habe denken können, würde sich so ausdrücken: daß vor dem Anfange dieser Art der Sinnlichkeit, wodurch uns etwas im Raume erscheint, dieselben transzendentalen Gegenstände, welche im gegenwärtigen Zustande als Körper erscheinen, auf ganz andere Art haben angeschaut werden können. Die Meinung aber, daß die Seele, nach Aufhebung aller Gemeinschaft mit der körperlichen Welt, noch fortfahren könne zu denken, würde sich in dieser Form ankündigen: daß, wenn die Art der Sinnlichkeit, wodurch uns transzendentale und für jetzt ganz unbekannte Gegenstände als materielle Welt erscheinen, aufhören sollte: so sei darum noch nicht alle Anschauung derselben aufgehoben und es sei ganz wohl möglich, daß ebendieselben unbekannten Gegenstände fortführen, obzwar freilich nicht mehr in der Qualität der Körper, von dem denkenden Subjekt erkannt zu werden.

Nun kann zwar niemand den mindesten Grund zu einer solchen Behauptung aus spekulativen Prinzipien anführen, ja nicht einmal die Möglichkeit davon dartun, sondern nur voraussetzen; aber ebensowenig kann auch jemand irgendeinen gültigen dogmatischen Einwurf dagegen machen. Denn, wer er auch sei, so weiß er ebensowenig von der absoluten und inneren Ursache äußerer und körperlicher Erscheinungen, wie ich, oder jemand anders. Er kann also auch nicht mit Grund vorgeben, zu wissen, worauf die Wirklichkeit der äußeren Erscheinungen im jetzigen Zustande (im Leben) beruhe, mithin auch nicht: daß die Bedingung aller äußeren Anschauung, oder auch das denkende Subjekt selbst, nach demselben (im Tode) aufhören werde.

So ist denn also aller Streit über die Natur unseres denkenden Wesens und der Verknüpfung desselben mit der Körperwelt lediglich eine Folge davon, daß man in Ansehung dessen, wovon man nichts weiß, die Lücke durch Paralogismen der Vernunft ausfüllt, da man seine Gedanken zu Sachen macht und sie hypostasiert, woraus eingebildete Wissenschaft, sowohl in Ansehung dessen, der bejahend, als dessen, der verneinend behauptet, entspringt, indem ein jeder entweder von Gegenständen etwas zu wissen vermeint, davon kein Mensch einigen Begriff hat, oder seine eigenen Vorstellungen zu Gegenständen macht, und sich so in einem ewigen Zirkel von Zweideutigkeiten und Widersprüchen herumdreht. Nichts, als die Nüchternheit einer strengen, aber gerechten Kritik, kann von diesem dogmatischen Blendwerke, der so viele durch eingebildete Glückseligkeit, unter Theorien und Systemen hinhält, befreien, und alle unsere spekulativen Ansprüche bloß auf das Feld möglicher Erfahrung einschränken, nicht etwa durch schalen Spott über so oft fehlgeschlagene Versuche, oder fromme Seufzer über die Schranken unserer Vernunft, sondern vermittels einer nach sicheren Grundsätzen vollzogenen Grenzbestimmung derselben, welche ihr nihil ulterius mit größter Zuverlässigkeit an die herkulischen Säulen heftet, die die Natur selbst aufgestellt hat, um die Fahrt unserer Vernunft nur so weit, als die stetig fortlaufenden Küsten der Erfahrung reichen, fortzusetzen, die wir nicht verlassen können, ohne uns auf einen uferlosen Ozean zu wagen, der uns unter immer trüglichen Aussichten, am Ende nötigt, alle beschwerliche und langwierige Bemühung, als hoffnungslos aufzugeben.

* * *

Wir sind noch eine deutliche und allgemeine Erörterung des transzendentalen und doch natürlichen Scheins in den Paralogismen der reinen Vernunft, imgleichen die Rechtfertigung der systematischen und der Tafel der Kategorien parallel laufenden Anordnungen derselben, bisher schuldig geblieben. Wir hätten sie im Anfange dieses Abschnittes nicht übernehmen können, ohne in Gefahr der Dunkelheit zu geraten, oder uns unschicklicherweise selbst vorzugreifen. Jetzt wollen wir diese Obliegenheit zu erfüllen suchen.

Man kann allen Schein darin setzen. daß die subjektive Bedingung des Denkens für die Erkenntnis des Objekts gehalten wird. Ferner haben wir in der Einleitung in die transzendentale Dialektik gezeigt: daß reine Vernunft sich lediglich mit der Totalität der Synthesis der Bedingungen, zu einem gegebenen Bedingten, beschäftige. Da nun der dialektische Schein der reinen Vernunft kein empirischer Schein sein kann, der sich beim bestimmten empirischen Erkenntnisse vorfindet: so wird er das Allgemeine der Bedingungen des Denkens betreffen, und es wird nur drei Fälle des dialektischen Gebrauches der reinen Vernunft geben:

1. Die Synthesis der Bedingungen eines Gedankens überhaupt. 2. Die Synthesis der Bedingungen des empirischen Denkens. 3. Die Synthesis der Bedingungen des reinen Denkens.

In allen diesen dreien Fällen beschäftigt sich die reine Vernunft bloß mit der absoluten Totalität dieser Synthesis, d.i. mit derjenigen Bedingung, die selbst unbedingt ist. Auf diese Einteilung gründet sich auch der dreifache transzendentale Schein, der zu drei Abschnitten der Dialektik Anlaß gibt, und zu ebensoviel scheinbaren Wissenschaften aus reiner Vernunft, der transzendentalen Psychologie, Kosmologie und Theologie, die Idee an die Hand gibt. Wir haben es hier nur mit der ersteren zu tun.

Weil wir beim Denken überhaupt von aller Beziehung des Gedankens auf irgendein Objekt (es sei der Sinne oder des reinen Verstandes) abstrahieren: so ist die Synthesis der Bedingungen eines Gedankens überhaupt (no. 1) gar nicht objektiv, sondern bloß eine Synthesis des Gedankens mit dem Subjekt, die aber fälschlich für eine synthetische Vorstellung eines Objekts gehalten wird.

Es folgt aber auch hieraus: daß der dialektische Schluß auf die Bedingungen alles Denkens überhaupt, die selbst unbedingt ist, nicht einen Fehler im Inhalte begehe, (denn er abstrahiert von allem Inhalte oder Objekte) sondern, daß er allein in der Form fehle und Paralogism genannt werden müsse.

Weil ferner die einzige Bedingung, die alles Denken begleitet, das Ich, in dem allgemeinen Satze Ich denke, ist, so hat die Vernunft es mit dieser Bedingung, sofern sie selbst unbedingt ist, zu tun. Sie ist aber nur die formale Bedingung, nämlich die logische Einheit eines jeden Gedankens, bei dem ich von allem Gegenstande abstrahiere, und wird gleichwohl als ein Gegenstand, den ich denke, nämlich: Ich selbst und die unbedingte Einheit desselben vorgestellt.

Wenn mir jemand überhaupt die Frage aufwürfe: von welcher Beschaffenheit ist ein Ding, welches denkt? so weiß ich darauf a priori nicht das mindeste zu antworten, weil die Antwort synthetisch sein soll (denn eine analytische erklärt vielleicht wohl das Denken, aber gibt keine erweiterte Erkenntnis von demjenigen, worauf dieses Denken seiner Möglichkeit nach beruht). Zu jeder synthetischen Auflösung aber wird Anschauung erfordert, die in der so allgemeinen Aufgabe gänzlich weggelassen worden. Ebenso kann niemand die Frage in ihrer Allgemeinheit beantworten: was wohl das für ein Ding sein müsse, welches beweglich ist? Denn die undurchdringliche Ausdehnung (Materie) ist alsdann nicht gegeben. Ob ich nun zwar allgemein auf jene Frage keine Antwort weiß: so scheint es mir doch, daß ich sie im einzelnen Falle, in dem Satze, der das Selbstbewußtsein ausdrückt: Ich denke, geben könne. Denn dieses Ich ist das erste Subjekt, d.i. Substanz, es ist einfach usw. Dieses müßten aber alsdann lauter Erfahrungssätze sein, die gleichwohl ohne eine allgemeine Regel, welche die Bedingungen der Möglichkeit zu denken überhaupt und a priori aussagte, keine dergleichen Prädikate (welche nicht empirisch sind) enthalten könnte. Auf solche Weise wird mir meine anfänglich so scheinbare Einsicht, über der Natur eines denkenden Wesens, und zwar aus lauter Begriffen zu urteilen, verdächtig, ob ich gleich den Fehler derselben noch nicht entdeckt habe.

 

Allein, das weitere Nachforschen hinter den Ursprung dieser Attribute, die ich Mir, als einem denkenden Wesen überhaupt, beilege, kann diesen Fehler aufdecken. Sie sind nichts mehr als reine Kategorien, wodurch ich niemals einen bestimmten Gegenstand, sondern nur die Einheit der Vorstellungen, um einen Gegenstand derselben zu bestimmen, denke. Ohne eine zum Grunde liegende Anschauung kann die Kategorie allein mir keinen Begriff von einem Gegenstande verschaffen, denn nur durch Anschauung wird der Gegenstand gegeben, der hernach der Kategorie gemäß gedacht wird. Wenn ich ein Ding für eine Substanz in der Erscheinung erkläre, so müssen mir vorher Prädikate seiner Anschauung gegeben sein, an denen ich das Beharrliche vom Wandelbaren und das Substratum (Ding selbst) von demjenigen, was ihm bloß anhängt, unterscheide. Wenn ich ein Ding einfach in der Erscheinung nenne, so verstehe ich darunter, daß die Anschauung desselben zwar ein Teil der Erscheinung sei, selbst aber nicht geteilt werden könne usw. Ist aber etwas nur für einfach im Begriffe und nicht in der Erscheinung erkannt, so habe ich dadurch wirklich gar keine Erkenntnis von dem Gegenstande, sondern nur von meinem Begriffe, den ich mir von etwas überhaupt mache, daß keiner eigentlichen Anschauung fähig ist. Ich sage nur, daß ich etwas ganz einfach denke, weil ich wirklich nichts weiter, als bloß, daß es etwas sei, zu sagen weiß.

Nun ist die bloße Apperzeption (Ich) Substanz im Begriffe, einfach im Begriffe usw. und so haben alle jene psychologischen Lehrsätze ihre unstreitige Richtigkeit. Gleichwohl wird dadurch doch dasjenige keineswegs von der Seele erkannt, was man eigentlich wissen will, denn alle diese Prädikate gelten gar nicht von der Anschauung, und können daher auch keine Folgen haben, die auf Gegenstände der Erfahrung angewandt würden, mithin sind sie völlig leer. Denn jener Begriff der Substanz lehrt mich nicht: daß die Seele für sich selbst fortdaure, nicht, daß sie von den äußeren Anschauungen ein Teil sei, der selbst nicht mehr geteilt werden könne, und der also durch keine Veränderungen der Natur entstehen, oder vergehen könne; lauter Eigenschaften, die mir die Seele im Zusammenhange der Erfahrung kennbar machen, und, in Ansehung ihres Ursprungs und künftigen Zustandes, Eröffnung geben könnten. Wenn ich nun aber durch bloße Kategorie sage: die Seele ist eine einfache Substanz, so ist klar, daß, da der nackte Verstandesbegriff von Substanz nichts weiter enthält, als daß ein Ding, als Subjekt an sich, ohne wiederum Prädikat von einem andern zu sein, vorgestellt werden solle, daraus nichts von Beharrlichkeit folge, und das Attribut des Einfachen diese Beharrlichkeit gewiß nicht hinzusetzen könne, mithin man dadurch über das, was die Seele bei den Weltveränderungen treffen könne, nicht im mindesten unterrichtet werde. Würde man uns sagen können, sie ist ein einfacher Teil der Materie, würden wir von dieser, aus dem, was Erfahrung von ihr lehrt, die Beharrlichkeit und, mit der einfachen Natur zusammen, die Unzerstörlichkeit derselben ableiten können. Davon sagt uns aber der Begriff des Ich, in dem psychologischen Grundsatze (Ich denke), nicht ein Wort.

Daß aber das Wesen, welches in uns denkt, durch reine Kategorien, und zwar diejenigen, welche die absolute Einheit unter jedem Titel derselben ausdrücken, sich selbst zu erkennen vermeine, rührt daher. Die Apperzeption ist selbst der Grund der Möglichkeit der Kategorien, welche ihrerseits nichts anderes vorstellen, als die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung, sofern dasselbe in der Apperzeption Einheit hat. Daher ist das Selbstbewußtsein überhaupt die Vorstellung desjenigen, was die Bedingung aller Einheit, und doch selbst unbedingt ist. Man kann daher von dem denkenden Ich (Seele), das sich als Substanz, einfach, numerisch identisch in aller Zeit, und das Korrelatum alles Daseins, aus welchem alles andere Dasein geschlossen werden muß, sagen: daß es nicht sowohl sich selbst durch die Kategorien, sondern die Kategorien, und durch sie alle Gegenstände, in der absoluten Einheit der Apperzeption, mithin durch sich selbst erkennt. Nun ist zwar sehr einleuchtend: daß ich dasjenige, was ich voraussetzen muß, um überhaupt ein Objekt zu erkennen, nicht selbst als Objekt erkennen könne, und daß das bestimmende Selbst, (das Denken) von dem bestimmbaren Selbst (dem denkenden Subjekt), wie Erkenntnis vom Gegenstande unterschieden sei. Gleichwohl ist nichts natürlicher und verführerischer, als der Schein, die Einheit in der Synthesis der Gedanken für eine wahrgenommene Einheit im Subjekte dieser Gedanken zu halten. Man könnte ihn die Subreption des hypostasierten Bewußtseins (apperceptiones substantiatae) nennen.

Wenn man den Paralogism in den dialektischen Vernunftschlüssen der rationalen Seelenlehre, sofern sie gleichwohl richtige Prämissen haben, logisch betiteln will: so kann er für ein sophisma figurae dictionis gelten, in welchem der Obersatz von der Kategorie, in Ansehung ihrer Bedingung, einen bloß transzendentalen Gebrauch, der Untersatz aber und der Schlußsatz in Ansehung der Seele, die unter diese Bedingung subsumiert worden, von ebender Kategorie einen empirischen Gebrauch macht. So ist z.B. der Begriff der Substanz in dem Paralogismus der Simplizität ein rein intellektueller Begriff, der ohne Bedingungen der sinnlichen Anschauung bloß von transzendentalen, d.i. von gar keinem Gebrauch ist. Im Untersatze aber ist ebenderselbe Begriff auf den Gegenstand aller inneren Erfahrung angewandt, ohne doch die Bedingung seiner Anwendung in concreto, nämlich die Beharrlichkeit desselben, voraus festzusetzen und zum Grunde zu legen, und daher ein empirischer, obzwar hier unzulässiger Gebrauch davon gemacht worden.

Um endlich den systematischen Zusammenhang aller dieser dialektischen Behauptungen, in einer vernünftelnden Seelenlehre, in einem Zusammenhange der reinen Vernunft, mithin die Vollständigkeit derselben, zu zeigen, so merke man: daß die Apperzeption durch alle Klassen der Kategorien, aber nur auf diejenigen Verstandesbegriffe durchgeführt werde, welche in jeder derselben den übrigen zum Grunde der Einheit in einer möglichen Wahrnehmung liegen, folglich: Subsistenz, Realität, Einheit (nicht Vielheit) und Existenz, nur daß die Vernunft sie hier alle als Bedingungen der Möglichkeit eines denkenden Wesens, die selbst unbedingt sind, vorstellt. Also erkennt die Seele an sich selbst

1. Die unbedingte Einheit des Verhältnisses

d. i. sich selbst, nicht als inhärierend, sondern

subsistierend

2. Die unbedingte Einheit 3. Die unbedingte Einheit