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Eine verworrene Geschichte

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»Beweisen? Nichts ist leichter! Nur läßt es sich nicht in zwei Worten sagen!«

»Braucht so viel Worte, als Ihr für nöthig haltet; vor allem aber seid aufrichtig.«

»Zuerst müßt Ihr wissen,« begann der Knecht, »daß der gottlose Markus nichts lieber that als mich mißhandeln. Einige Tage vor dem Unglück hatte er mir noch beinah das Ohr vom Kopf gerissen daß ich ihn sehr gerne hatte werdet Ihr also gewiß nicht glauben. Auf der Kirmeß zu Beersel band er aus Haß und Eifersucht mit meinem jungen Herrn Urban an und wollte ihm mit einem Steinkrug den Schädel einschlagen. Ich mischte mich ein, den Schlag abzuwenden, da ergriff er mich beim Nacken und schleuderte mich wohl zehn Schritte weit, so fürchterlich daß mir alle Rippen im Leibe krachten.«

»Da entstand in meinem Kopf die Frage, ob denn in dieser Welt die Schwachen nur geschaffen seien, um von den Starken geschlagen zu werden, und die Starken, um ungestraft die Schwachen schlagen zu können? Ich beneidete Mücken, Bienen und Wespen, die zwar nach schwächer sind als ich, aber einen Stachel haben, um sich zu vertheidigen und zu rächen. Das erweckte in mir den Wunsch, auch einen solchen Stachel zu besitzen, denn fest stand mein Vorsatz ferner keinen Schlag des Markus ungerächt zu lassen.«

»Ich entfernte mich von der Schützenwiese, und ging in die Herberge zum Schwan, wo ich in allen Ecken umhersuchte, ohne jedoch zu finden, was ich suchte. Von dort begab ich mich zum Hofe des Bauers Roosen; in der Kirche umherspähend entdeckte ich hier in einem Winkel ein ziemlich langes Eisen, daß aus einem Rest gebrochen zu sein schien; ich steckte es zu mir und verbarg es sorgfältig. Später als die Herrschaft beim Abendessen saß, sagte ich zu den Knechten daß ich im Schwan ein Glase Bier trinken wolle, aber das war nicht wahr; ich ging vielmehr in’s Feld, suchte mir einen rauhen Sandstein und schliff mein Eisen so lange darauf bis es eine sehr scharfe Spitze besaß. Freilich wollte ich auch fortan dem Markus mit ängstlicher Sorgfalt ausweichen, denn Gott hat mir noch weniger Muth als Kraft verliehen aber sollte es geschehn, daß der gottlose Mensch mich noch einmal ohne Grund mißhandeln, dann wollte ich es machen wie die Wespe und mich vertheidigen.«

»Als ich darauf, nach zehn Uhr, mit dem Pächter und Urban durch den Bagynenbusch ging und den Markus schreien hörte: Sie sind es! Fallt über sie her! Schlagt sie todt! war ich anfangs außer mir vor Schrecken und

verkroch mich hinter meinen Herren. Da erhielt ich plötzlich einen entsetzlichen Schlag, daß ich glaubte, ein Blitzstrahl habe mir den Kopf zerschmettert. In diesem Augenblick kannte ich mich selbst nicht mehr, ich fühlte nichts als Rache! Ich zog mein Eisen hervor und stach mit aller Kraft in der Finsterniß nach dem, der mich geschlagen hatte.«

»Der Todesschrei des Markus: »»Mein Herz ist durchbohrt! Ich sterbe!«« brachte mich erst wieder zur Besinnung und erfüllte mich mit neuer unsäglicher Angst. Ich hatte einen Mord begangen, und mußte gewiß am Galgen dafür büßen, denn der Herr Amtmann ist Markus Ohm . .,«

»Wartet einen Augenblick,« befahl der Droste und sagte dann, zu dem Baron und den Schöffen gewendet, mit gedämpfter Stimme:

»Die Aussage dieses jungen Menschen scheint auf Wahrheit zu beruhn, denn die Wunde an der Leiche war so klein, daß der Arzt seine Verwunderung darüber aussprach, wie ein Messer einen so schmalen Einschnitt habe zurücklassen können.«

»Aber wenn dieses Alles nun nachträglich erfunden wäre, um uns noch mehr in Verwirrung zu bringen?« murmelte der Amtmann, welcher hinzugetreten war. »Diese Coutermann sind die listigsten Menschen von der Welt.«

Blasius Schleifstein, wo habt Ihr das spitzige Eisen gelassen?« fragte der Droste.

»Ich habe es bewahrt zu meiner Vertheidigung in den Wäldern,« antwortete der Knecht, während er ein langes, dünnes Eisen aus seinen Unterkleidern hervorzog. »Seht, hier ist es! Diese Spitze hat das Herz durchbohrt, ihm den Todesstoß gegeben . . . Ihr entsetzt Euch ob meiner kühnen Rede? Mir gilt jetzt Alles gleich, ich weiß welches Schicksal mich erwartet, aber ich fürchte weder Galgen noch Rad, wenn ich mein Leben verkaufen soll um den Preis des Lebens meiner Wohltäter, die mich immer wie ihr Kind, ihren Bruder behandelt, mich geliebt und beschützt haben, während alle Andern für den armen Krüppel nichts hatten als Spott und Verachtung!«

»Und Ihr habt, seit jener verhängnisvollen Nacht von den Coutermanns Niemanden mehr gesehn oder gesprochen?« fragte der Droste.

»Keinen Menschen, Herr!« war die Antwort.

»Nun, so erzählt weiter; was fingt Ihr an, nachdem Ihr dem Markus Corfs den Stich gegeben hattet?«

»Ich floh in den Wald, versetzte der Knecht, »fiel aber bald, durch den Blutverlust erschöpft, ohnmächtig in dass Gestrüpp nieder. Als ich wieder zum Bewußtsein kam, war es noch dunkel; ich litt furchtbare Schmerzen an meinem Kopf und hatte meine Mütze verloren. Die Furcht, daß man mich verfolgen und einfangen würde, trieb mich weiter, ich lief so weit meine Füße mich tragen wollten bis meine Kräfte mich verließen und ich am Ufer eines Baches, im tiefsten Dickicht des Waldes zusammenbrach.«

»Dort hielt ich mich eine Zeitlang verborgen, aber endlich zwang mich der Hunger, Menschen aufzusuchen. In der Hütte eines Kohlenbrenners wurde ich mitleidig aufgenommen und blieb dort, mit der Absicht bis an das Ende der Welt zu fliehen, so bald der Geschwulst an meinem Kopf und Auge einigermaßen geschwunden sei und ich den Menschen weniger abschreckend erschiene.«

»Heut Morgen in aller Frühe kam nun ein Mann aus Beersel in den Wald, um Kohlen zu kaufen. Er erkannte mich und erzählte mir Alles was seit meiner Flucht in Dworg geschehn war. Als ich von ihm erfuhr, daß man heute den Baas Coutermann und seinen Sohn zum Tode verurtheilen würde, um eines Verbrechens willen, das ich allein begangen habe, da überfiel mich eine furchtbare Angst; mein Gewissen rief mir zu, daß es für meine Seele keine Hoffnung auf die ewige Seligkeit mehr gebe, wenn ich meine edelmüthigen Wohltäter an meiner Stelle sterben ließe. Ich machte mich sofort auf den Weg hierher; zehnmal bin ich wenigstens vor Ermattung niedergesunken, aber Gott sei Dank und Preis, daß Er mich noch rechtzeitig ankommen ließ, um hier Zeugniß für die Wahrheit abzulegen. Da bin ich nun, Ihr Herren Schöffen; verurtheilt mich nur zum Tode, das ist Alles, was ich verlange.«

»Thomas Coutermann, Ihr habt das Geständniß Eures Knechtes gehört,« sagte der Droste: »was wißt Ihr dagegen einzuwenden? Behauptet Ihr noch, schuldig zu sein?«

»Nein, Herr Droste; ich habe von meinem Messer keinen Gebrauch gemacht,« war die Antwort.

»Und Ihr Urban?«

»Ich eben so wenig, Herr; ich habe nicht einmal mit der Hand Jemanden geschlagen oder gestoßen.«

»Ihr habt also das Gericht belogen! Was bedeutet das, Thomas Coutermann?«

»Ach Herr, wir standen beide, die Messer in der Hand, zu unserer Vertheidigung bereit. Die That unseres Knechtes war uns gänzlich unbekannt wir waren also gegenseitig überzeugt, daß der Andere den verhängnißvollen Stich versetzt haben müsse, ich wenigstens zweifelte meinerseits keinen Augenblick daran, daß es mein Sohn sei der den verhängnißvollen Stich gethan habe. Er ist im Begriff, sich in verheirathen, ein ganzes Leben voll Liebe und und Freude liegt vor ihm, er kann arbeiten und sorgen für seine Mutter. Ich dagegen bin abgelebt und verschlissen, meine Tage gehn zu Ende; so beschloß ich denn, die Schuld – wenn eine solche da war – auf mich zu nehmen. Und nun sagt einmal selbst an Ihr Herren, ob mein edler Sohn ein solches Opfer nicht verdiente! Er war überzeugt, daß ich den Markus getödtet hätte, und um mich, seinen alten Vater zu retten klagt er sich selbst an und wankte nicht, obgleich Rad und Galgen ihn bedrohten. Von der Todesstrafe gegen uns kann wohl jetzt keine Rede mehr sein; denkt aber der hohe Gerichtshof, daß unsere falschen Angaben eine Sühne verdienen so lege er mir diese Sühne auf und verurtheile nicht in meinem Sohne die edelste kindliche Liebe.«

»Habt Einsehn, Ihr Herren!« rief Urban dagegen, »straft mich allein oder laßt mich wenigstens in Allem das Loos meines Vaters theilen. Saueres und Süßes, Glück und Schmier müssen wir gemeinschaftlich tragen.«

»Herr Droste, ich bitte ums Wort, sagte der Amtmann, welcher einsah, daß seine Opfer im Begriff standen, ihm zu entgehn. Und als er die Erlaubniß zu reden erhalten hatte, sagte er, daß er seine Anklage wegen Mordes zurücknehme, dagegen aber eine exemplarische Bestrafung der beiden Coutermanns beantrage, weil sie durch freches Lügen mit dem Gerichte Spott getrieben hätten. Eine fünfjährige Verbannung und der Verlust der Hälfte ihres Vermögens erschiene ihm noch als eine gelinde Buße. Was den Blasius Schleifstein, der thatsächlich, jedoch unter mildernden Umständen den Mord begangen habe, beträfe, stellte er den Schöffen anheim, das geeignete Strafmaß für ihn zu bestimmen.

Auch der Advokat sprach noch einige Worte, um die Grundlosigkeit und die Uebertriebenheit der vom Amtmann geforderten Strafe darzulegen; die Schöffen aber beachten seine Rede eben so wenig wie die des Vorredners, sie waren alle tief bewegt, in den Augen Einiger glänzten Thränen.

Sie hielten es selbst nicht einmal für nothwendig, sich zur Berathung in das anstoßende Zimmer zurückzuziehen, sondern steckten die Köpfe zusammen und gaben ihr Urtheil dem Drosten kund, welcher wiederum seinen Hammer in Bewegung setzte, Stille gebot und dann feierlich verkündete:

»Erkenntniß des hohen Gerichtes zu Dworg, das kraft einstimmigen Beschlusses sämmtlicher Schöffen zusammengekommen ist und im Namen unseres edlen Herrn von Dworg hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird:

»»In Sachen des Thomas Coutermann, des Urban Coutermann und des Blasius Schleifstein, alle Drei von hier, haben die Schöffen des Dworger Gerichtes für Recht erkannt, daß dieselben sofort in Freiheit zu setzen sind; die beiden Ersten, weil sich ihre Unschuld an dem gewaltsamen Tode des Markus Corfs herausgestellt, der Dritte weil er sein Leben in rechtmäßiger Weise vertheidigt hat . . . Geht jetzt Alle nach Haus, die Sitzung ist geschlossen!««

 

Der Pächter, sein Sohn und der Knecht waren einander mit lauten Ausrufen der Freude und des Dankes in die Arme gesunken. Sobald aber die Erlaubniß heimzukehren, ihnen in die Ohren klang, gedachten sie Derjenigen; welche draußen mit angsterfülltem Herzen des Urtheilsspruches harrten. Die Worte: Mutter! Cilia! . . . Therese! tönten von ihren Lippen, wie ein dreifaches Siegesgeschrei, und obgleich die Schöffen und selbst der Baron ihnen noch die Hand drücken wollten eilten sie jubelnd in’s Freie.

»Mutter! Cilia!« rief Urban, den weinenden Frauen entgegenlaufend, »wir sind entlassen, wir sind entlassen, wir sind frei!«

Seine Mutter wurde vor übergroßem Glück beinah ohnmächtig in seinen Armen; auch Cilia hing an seinem Halse und der alte Coutermann kam hinzu, die Freudenthränen Aller flossen durch einander, während Blasius von Therese begrüßt wurde und das Volk ringsum Hüte und Mützen schwenkte.

Nun kam Karl mit einer großen Anzahl von Freunden gelaufen, und ohne auf Urban Widerstand zu achten, hoben sie ihn auf ihre Schultern und trugen ihn auf ihren Schultern und trugen ihn triumphierend seinem Hause zu.

###strich###

Einige Wochen später prangte Dworg in seinem Festgewande. Am Eingange des Dorfes stand ein grüner mit bunten Kränzen geschmückter Triumphbogen. Alle Häuser hatten geflaggt. Es sollte eine doppelte Hochzeit gefeiert werden, Urban Coutermann und Cilia sollten einander vor Gottes Altar ewige Liebe und Treue geloben, und gleichzeitig Blasius die rothwangige Therese heimführen.

Der alte Coutermann hatte in aller Eile ein hübsches Häuschen in seinem Baumgarten zimmern lassen, das zur Wohnung für Blasius und seine Frau bestimmt war. So wollten Alle, die zusammen geliebt und gelitten hatten, mit einander vereint bleiben, bis Gott der Herr sie abriefe.

– Ende -