Spracherhalt und Sprachverlust bei Jugendlichen

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From the series: Language Development #40
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Spracherhalt und Sprachverlust bei Jugendlichen
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Helena Olfert



Spracherhalt und Sprachverlust bei Jugendlichen



Eine Analyse begünstigender und hemmender Faktoren für Spracherhalt im Kontext von Migration



Narr Francke Attempto Verlag Tübingen






© 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

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ISBN 978-3-8233-8306-2 (Print)



ISBN 978-3-8233-0170-7 (ePub)




Inhalt







Danksagung







Abkürzungsverzeichnis







Ich finde es gut, ...






1 Einleitung

1.1 Zielsetzung der Arbeit

1.2 Aufbau der Arbeit




2 Spracherhalt und Sprachverlust in der Migrationssituation

2.1 Spracherhalt und Sprachprestige

2.2 Mehrsprachigkeit und Bildungserfolg

2.3 Gründe für Spracherhalt

2.4 Mehrsprachigkeit in Deutschland

2.5 Erkenntnisinteresse der Heritage-Language-Forschung

2.6 Zusammenfassung




3 Forschungsstand zu Heritage-Language-Sprechern

3.1 Der Begriff „Heritage Language“ und seine Abgrenzung von anderen Termini3.1.1 Entstehung des Begriffs „Heritage Language“3.1.2 „Heritage Language“ im Vergleich zu anderen Bezeichnungen3.1.3 Arbeitsdefinition des Begriffs „Heritage Language“

3.2 Charakteristika des Heritage-Language-Sprechers

3.2.1 Spezifische Bedingungen des Heritage-Language-Erwerbs3.2.2 Die Bedeutung der Sprachkompetenz für die Heritage-Language-Definition

3.3 Varianz in der Sprachkompetenz von Heritage-Language-Sprechern

3.3.1 Perspektiven der Attritionsforschung auf Sprachverlust3.3.2 Transfermöglichkeiten der Erkenntnisse aus der Attritionsforschung3.3.3 Unvollständiger bzw. divergenter Erwerb der Heritage Language3.3.4 Attrition vs. unvollständiger bzw. divergenter Erwerb

3.4 Die Sprachkompetenz von Heritage-Language-Sprechern als Normabweichung

3.4.1 Die monolinguale Vergleichsgruppe3.4.2 Fortgeschrittene L2-Lerner als Vergleichsgruppe3.4.3 Andere Möglichkeiten zur Bildung einer Vergleichsgruppe3.4.4 Diasporavarietäten als Ausgangspunkt des Heritage-Language-Erwerbs

3.5 Studien zur Varianz in der Sprachkompetenz von Heritage-Language-Sprechern

3.5.1 Phonologie3.5.2 Morphologie3.5.3 Syntax3.5.4 Wortschatz

3.6 Zusammenfassung




4 Externe Faktoren als mögliche Einflussgrößen auf Spracherhalt

4.1 Die Auswirkungen von externen Faktoren auf Spracherhalt in der HL- und Sprachtodforschung

4.2 Gruppenspezifische Faktoren

4.3 Sprachbiographische Faktoren

4.3.1 Spracherwerbstyp4.3.2 Familienkonstellation

4.4 Sprachgebrauchskontexte

4.4.1 Sprachregister und Sprachmodi4.4.2 Sprachverwendung mit Eltern, Großeltern, Geschwistern, Peers4.4.3 Besuche im Herkunftsland4.4.4 Unterricht in der Herkunftssprache4.4.5 Gottesdienstbesuch4.4.6 Mediengebrauch

4.5 Sozio-emotionale Faktoren

4.5.1 Einstellung zur Mehrsprachigkeit4.5.2 Ethnische und nationale Identität

4.6 Zusammenfassung





5 Fragestellung und Hypothesen






6 Methodisches Vorgehen der Studie

6.1 Methodenwahl

6.2 Aufbau des Fragebogens und Operationalisierung der einzelnen Faktoren

6.2.1 Sprachkompetenz in der Heritage Language6.2.2 Sprachbiographische Faktoren6.2.3 Sprachgebrauchskontexte6.2.4 Sozio-emotionale Faktoren

6.3 Durchführung der Befragung und Stichprobenauswahl

6.4 Zusammenfassung




7 Ergebnisse der empirischen Untersuchung

7.1 Beschreibung der Stichprobe

7.2 Deskriptive Analysen der Selbsteinschätzung der Sprachkompetenz

7.3 Deskriptive Analysen der außersprachlichen Faktoren

7.3.1 Analyse der sprachbiographischen Faktoren7.3.2 Analyse der Sprachgebrauchskontexte7.3.3 Analyse der sozio-emotionalen Faktoren

7.4 Regressionsanalyse

7.5 Hypothesenüberprüfung

7.6 Zusammenfassung

7.7 Exkurs: Deskriptive Analysen für die türkischsprachige Gruppe




8 Diskussion

8.1 Diskussion der Ergebnisse8.1.1 Relevanz der Einzelfaktoren für die drei Teilmodelle zum Erhalt der Heritage Language8.1.2 Nicht signifikante externe Faktoren8.1.3 Relation der Teilmodelle zum Gesamtmodell

8.2 Limitationen der Studie

8.3 Ausblick





Literatur







Anhang: Fragebogen









Danksagung



Zu dieser Arbeit leisteten verschiedene Personen einen wertvollen Beitrag, für den ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. Mein außerordentlicher Dank gilt Prof. Dr. Katja F. Cantone-Altıntaş für ihre Geduld, ihre Aufgeschlossenheit gegenüber meinem Zugang zu dem Thema und dafür, dass sie mir neue Denkweisen in Bezug auf Mehrsprachigkeit eröffnete. Prof. Dr. Christoph Schroeder danke ich für seine kritischen Fragen und die intensiven Diskussionen. Prof. Dr. Christina Noack möchte ich für ihr Vertrauen in mich und ihre stete Unterstützung danken. Meiner Mentorin Prof. Dr. Nicole Marx danke ich für ihre ermutigenden Worte auf den letzten Metern. Ein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Katharina Brizić für ihre kreativen Forschungsideen, die inspirierenden Gespräche und für ihren Ansporn, dem „Rauschen in den Daten“ nachzuspüren. Prof. Dr. Utz Maas, der meine Begeisterung für die Sprachwissenschaft weckte, gilt mein herzlichster Dank. Durch ihn lernte ich, bei linguistischen Fragestellungen über den Tellerrand hinauszublicken.



Ein großer Dank geht außerdem an alle Schülerinnen und Schüler, die an der Studie teilnahmen, ebenso wie an die interessierten Lehrkräfte und Schulleiterinnen und Schulleiter. Ohne ihr Engagement hätte es diese Studie nicht gegeben.



Nicht zuletzt möchte ich mich bei allen bedanken, die mich auf meinem Weg durch wertvolle inhaltliche Diskussionen und kritisches Lesen der Arbeit, aber auch durch motivierende Aufmunterungen begleiteten: Sara Romano, Sven Oleschko, Dr. Majana Beckmann, Julia Hübner, Dr. Galina Putjata, Marina Root, Murat Kılıç, Dr. Valentina Cristante und Zuzanna Lewandowska.



Der größte Dank gilt jedoch meiner Familie und meinen Freunden, die stets an mich geglaubt haben. Jan danke ich dafür, dass er mir immer unterstützend und ermutigend zur Seite gestanden hat und mich die Arbeit auch mal hat vergessen lassen. Marina danke ich für ihren Optimismus und unerschöpflichen Humor. Schließlich möchte ich ganz besonders herzlich meinen Eltern und meiner Schwester danken, weil ich jederzeit auf sie zählen kann.





Abkürzungsverzeichnis








          AILA





          Association Internationale de Linguistique Appliquée









          CILS





          Children of Immigrants Longitudinal Study









          C-Test





          Cloze-Test









          ECRM





          Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen









          GIDS





          Graded Intergenerational Disruption Scale









          HL





          Heritage Language









          IAT





          Impliziter Assoziationstest









          IGLU





          Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung









          k. A.





          keine Angabe









          L1





          Erstsprache









          L2





          Zweitsprache









          LOTE





          Languages Other Than English









          MEIM





          Multigroup Ethnic Identity Measure









          MLU





          Mean Length of Utterance









          OECD





          Organisation for Economic Co-operation and Development









          OPOL





          One Person One Language









          PISA





          Programme for International Student Assessment









          SBK





          Serbisch, Bosnisch, Kroatisch









          SOV





          Subjekt, Objekt, Verb









          SVO





          Subjekt, Verb, Objekt









          TN





          Teilnehmer









          VOT





          Voice Onset Time










Ich finde es gut, Deutsch zu sprechen, aber meiner Meinung nach ist die Muttersprache am wichtigsten.

 



weiblich, 15, HL Arabisch





Ja, ich mag beide Sprachen. Wenn man mehrere Sprachen kann, hat man im Berufsleben mehr Chancen aufzusteigen, und es ist nichts Schlimmes, zwei Sprachen zu können.



männlich, 15, HL Russisch





Ich würde es sehr gut finden, wenn man in jeder Schule seine eigene Muttersprache lernen könnte!



männlich, 15, HL Türkisch





Ich finde es schön, wenn Kinder von Geburt an mehrere Sprachen lernen. Meiner Meinung nach kann das Gehirn besser Sprachen lernen, wenn man jünger ist. Später ist dann das Gehirn besser im Sprachenlernen trainiert als das von jemandem, der nur eine Sprache kann.



weiblich, 16, HL Italienisch





Um ehrlich zu sein, bin ich neidisch auf andere, die ihre Muttersprache gut sprechen können.



weiblich, 15, HL Polnisch





1  Einleitung

1.1 Zielsetzung der Arbeit



Der Erhalt von Heritage Languages (HL), also von allochthonen, intergenerational im Sinne eines sprachlichen Erbes weitergegebenen Minderheitensprachen, ist ein in der Mehrsprachigkeitsforschung aktuell vielfach diskutiertes Thema. Die Beschäftigung mit diesem Gegenstand rückt migrationsbedingte Mehrsprachigkeit und Minderheitensprachen mit geringem Prestige in den Fokus der Forschung und stellt nicht nur das gängige Verständnis von „muttersprachlicher“ Kompetenz infrage, sondern erweitert auch eine idealisierte Vorstellung von balanciert Mehrsprachigen um Sprecher mit weitaus vielfältigeren Sprachprofilen. Dieser Blick in die Peripherie von Sprachkompetenz- und -dominanzgraden Mehrsprachiger entspricht ungleich häufiger der tatsächlich beschriebenen sprachlichen Realität von HL-Sprechern, die auch ausschließlich über passive Kenntnisse ihrer HL verfügen können. Zudem gibt dieses Untersuchungsfeld Aufschluss über die Auswirkungen von außersprachlichen Merkmalen ganzer Sprechergruppen oder einzelner Individuen auf den Sprachkompetenzgrad in der HL. Dieser spiegelt als Ergebnis des Spracherwerbsprozesses die Bedeutsamkeit externer Kontextbedingungen für den Erhalt von Minderheitensprachen in der Migrationssituation wider. Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem letztgenannten Aspekt und untersucht den Einfluss unterschiedlicher außersprachlicher Faktoren auf den Erhalt bzw. den Verlust der HL bei Jugendlichen der zweiten Migrantengeneration.



Ziel dieser Arbeit ist es, zur Beschreibung der Sprachverlust- bzw. Spracherhaltprozesse ein integratives Regressionsmodell der Einflussfaktoren für Spracherhalt in der Migration zu schaffen, das bereits vorhandene Ansätze aus der Attritions- und der Sprachtodforschung auf den jugendlichen HL-Sprecher überträgt und so mit bestehenden Erkenntnissen der HL-Forschung vereint. Das Modell soll dabei sowohl sprachbiographische als auch sozio-emotionale Faktoren sowie Kontexte des Sprachgebrauchs im Sinne des Registerbegriffs berücksichtigen. Auf diese Weise können zum einen die in der Sprachtodforschung aufgestellten Hypothesen über Wirkungszusammenhänge externer Faktoren auf das Aussterben autochthoner Minderheitensprachen (vgl. Sasse 1992) in einem allochthonen Kontext überprüft werden. Zum anderen können die in der Attritionsforschung bestehenden Annahmen über die Bedeutung einzelner außersprachlicher Faktoren für den Erhalt einer Sprache in der Migrationssituation (vgl. Schmid 2011) durch deren Transfer auf Sprecher eines anderen Spracherwerbstyps validiert werden. Diese sollen zudem an einer größeren Teilnehmerzahl und an unterschiedlichen HLs getestet werden.



Zu der grundsätzlichen Frage des Erhalts oder Verlusts von allochthonen Sprachen liegt eine Vielzahl von Studien vor, die zumindest einige außersprachliche Einflussfaktoren in die Analyse einbeziehen und hierdurch wichtige Hinweise auf bedeutende Wirkungszusammenhänge liefern. Die meisten dieser Studien, die bereits Bezüge zwischen externen Faktoren und dem Erhalt bzw. Verlust von allochthonen Minderheitensprachen in der Migrationssituation nachzeichnen, sind der Attritionsforschung zu erwachsenen Sprechern der ersten Einwanderergeneration zuzurechnen (vgl. Beiträge in Köpke et al. 2007; Schmid et al. 2004; Schmid & Köpke 2013). Allerdings berücksichtigen sie meist aufgrund einer geringen Probandenanzahl nur einige der Einflussmerkmale und widmen sich der Erforschung einer spezifischen Sprechergruppe in einem bestimmten sprachlichen Kontext, was teilweise zu sich widersprechenden Ergebnissen in der Einschätzung der einflussrelevanten Faktoren führte. Da sich die Sprecher in diesen Studien zudem von HL-Sprechern durch eine anders gelagerte Spracherwerbssituation unterscheiden, wird die grundsätzliche Übertragbarkeit der gemäß der Attritionsforschung für Spracherhalt förderlichen Faktoren auf den Kontext der HL-Sprecher in dieser Forschungsarbeit überprüft.



Des Weiteren wird eingehend erörtert, ob Ergebnisse aus Studien, die Attrition zum Gegenstand haben, ebenfalls für andere Altersgruppen als für Erwachsene Gültigkeit beanspruchen können. Dabei ist insbesondere die Überprüfung der Annahmen für den Kontext der Jugendlichen als gewinnbringend einzuschätzen: Diese Altersspanne ist nicht nur selten Gegenstand von Untersuchungen zum Spracherhalt, sie zeichnet sich ebenso durch eine spezifische Konstellation an externen Faktoren aus. Beispielsweise tritt die Familie als Sozialisationsinstanz in den Hintergrund, während Gleichaltrige eine zunehmend wichtigere Rolle spielen (vgl. Ecarius 2010). Diese Tatsache gepaart mit einer für dieses Alter oftmals beschriebenen Identitätssuche könnte einen bedeutsamen Einfluss auf die Entwicklung und die Stabilität der HL ausüben.



Ein weiterer Aspekt, der für die hier vorgestellte Studie von zentraler Bedeutung ist, ist die Aufspaltung sprachlicher Fähigkeiten nach Registern (vgl. Biber 1995; Maas 2010). Register als Domänen sozialen Handelns bestimmen nicht nur die hierfür benötigten sprachlichen Mittel, sie entscheiden ferner über deren Adäquatheit und positionieren den Sprecher somit zusätzlich in einem gesetzten Kontext als ein kompetent agierendes Subjekt. Im Sinne sprachlichen Ausbaus ist der Erwerb literater, schriftsprachlicher Strukturen für ein angemessenes Handeln auch im formellen Register unabdingbar. Literate Strukturen können jedoch nur erworben werden, wenn diese von oraten Strukturen aus initialisiert werden können und wenn ihre Aneignung gleichzeitig durch die sozialen Gegebenheiten gefordert ist. Für die Mehrheitssprache stellen Bildungsinstitutionen solch eine soziale Gegebenheit dar. Hier werden die für eine gelungene Kommunikation erforderlichen sprachlichen Fertigkeiten im formellen Register von den Sprechern nicht nur abverlangt, sondern im Idealfall auch vermittelt. HL-Sprecher erhalten hingegen weitaus weniger Möglichkeiten, die literaten Strukturen ihrer HL zu erwerben und zu nutzen, da diese Sprache zumeist ausschließlich die Domäne der Familie einnimmt, die dem intimen Register zuzurechnen ist. Das formelle Register bleibt für sie häufig allein durch die Mehrheitssprache besetzt. Nur wenige Studien der Sprachtod-, Spracherhalt- und -revitalisierungsforschung thematisieren diesen Aspekt und berücksichtigen in ihren Modellen gleichermaßen Standardisierung, Normierung und Schriftsprachlichkeit als auf Gruppenebene relevante Faktoren für den Erhalt einer Sprache (vgl. Grenoble & Whaley 2006). In der HL-Forschung wird der Erwerb schriftsprachlicher Strukturen allem voran im Rahmen von herkunftssprachlichem Unterricht beforscht und stellt eine Hürde beim Erstellen geeigneter Testformate und -instrumente dar (vgl. Montrul 2008; Polinsky 2015a). Untersuchungen zu Bedingungen, die speziell den Erwerb literater Strukturen fördern, sind hier ebenso selten.



Während die Sozialpsychologie auf mehrere Jahrzehnte der Erforschung von Einstellungen und sozialer Identität zurückblicken kann (vgl. Fishbein & Ajzen 1977; Tajfel 1982) und für die Erhebung dieser Konzepte geeignete Instrumente zur Verfügung stellt, werden die Begriffe „Einstellung“ und „Identität“ in der Mehrsprachigkeitsforschung meist noch recht alltagsnah interpretiert. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Erkenntnissen der Sozialpsychologie oder eine daran angelehnte Erhebung von kultureller Identität und von Spracheinstellungen bilden die Ausnahme. Da diese Faktoren jedoch – wie Ergebnisse der Attritionsforschung es nahelegen – eine zentrale Rolle für den Erhalt der HL spielen können, ist ihre sorgsame Erhebung für die Erstellung eines theoretischen Einflussmodells für Spracherhalt von größter Bedeutung. Daher ist ein weiteres Ziel dieser Forschungsarbeit, in der Sozialpsychologie erarbeitete Instrumente zur Messung von Einstellung und kultureller Identität zu nutzen, um auf diese Weise das aufgestellte Modell zu externen Einflussgrößen auf den Erhalt der HL auch interdisziplinär stärker zu verorten.





1.2  Aufbau der Arbeit



Die Arbeit gliedert sich in sieben weitere Kapitel. Im zweiten Kapitel erfolgt eine einführende Auseinandersetzung mit Spracherhaltprozessen auf gesellschaftlicher, institutioneller und individueller Ebene. Diskussionen um die Bedeutung von Sprachprestige für das Aufgeben von Sprachen in der Migrationssituation und auf Mehrsprachigkeit zurückgeführte Leistungsdisparitäten werden Argumenten für den Erhalt von Minderheitensprachen gegenübergestellt. Statistische Angaben zu Mehrsprachigkeit in Deutschland bilden den Ausgangspunkt für die Frage danach, welchen Forschungs- und Erkenntnisertrag die Beschäftigung mit HLs für die Mehrsprachigkeitsforschung bieten kann.



Es folgt im dritten Kapitel eine theoretische Erörterung der konzeptionellen Hintergründe des Begriffes „Heritage Language“ samt seiner kritischen Reflexion. Neben einer definitorischen Abgrenzung zu anderen damit verwandten Begriffen wird an dieser Stelle eine Typologie des HL-Sprechers unter Einbezug seiner Sprachbiographie aufgestellt. Zur Erklärung der Varianz in der Sprachkompetenz von HL-Sprechern werden Forschungserkenntnisse zu Attrition und unvollständigem Erwerb herangezogen. Daran schließt sich ein Überblick über nationale wie internationale Studien zu sprachstrukturellen Eigenschaften von unterschiedlichen HLs auf allen linguistischen Beschreibungsebenen an.

 



Den im Fokus dieser Arbeit stehenden außersprachlichen Faktoren und ihrem Einfluss auf den Erhalt der HL widmet sich das vierte Kapitel. Hierin erfolgt zunächst eine Zusammenfassung gruppenspezifischer außersprachlicher Merkmale, die auf der Ebene der sprachlichen Community den HL-Erhalt steuern können. Eine systematische Analyse des aktuellen Forschungsstandes zu individuellen externen Einflussfaktoren schließt sich daran an. Hierbei erfahren zuerst die Merkmale Spracherwerbstyp, sprachliche Konstellation innerhalb der Familie und Geschwisterrangfolge entsprechend den Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung (vgl. De Houwer 2009) als sprachbiographische Faktoren eine ausführliche Betrachtung gefolgt von unterschiedlichen Sprachgebrauchskontexten. Diese werden nach zwei Gesichtspunkten unterteilt: Unter Berücksichtigung der Theorie des sprachlichen Modus nach Grosjean (2001)