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b) Kontrahierungszwänge nach allgemeinen Regeln (§ 826 BGB, § 21 Abs. 1 AGG)

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Kontrahierungszwänge ergeben sich auch aus den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts – insbesondere aus § 826 BGB (teils wird auch § 826 iVm § 1004 Abs. 1 S. 2 bzw §§ 1004 Abs. 1, 862 analog als Anspruchsgrundlage genannt) und aus § 21 Abs. 1 AGG.

aa) Kontrahierungszwang auf Grundlage des § 826

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Schon vor Inkrafttreten des AGG hat die Rechtsprechung Kontrahierungszwänge vor allem auf Grundlage von § 826 entwickelt. Das mag auf den ersten Blick wegen der Rechtsfolge des § 826 erstaunen: Sie besteht ja im Schadensersatzverlangen. Schadensersatz wird indes gem. § 249 Abs. 1 in erster Linie dadurch geleistet, dass derjenige Zustand verwirklicht wird, der ohne das schädigende Ereignis bestünde (sog. Naturalrestitution[14]). Wenn aber die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gerade darin besteht, dass der Schädiger den Vertragsschluss verweigert, verwirklicht der Kontrahierungszwang eben den von § 249 Abs. 1 ins Auge gefassten Zustand, der ohne diese Schädigung bestünde. Voraussetzung des Kontrahierungszwangs ist, dass es um für den Berechtigten notwendige Güter geht, der Verpflichtete eine Art Monopolstellung innehält (so dass der Berechtigte keine ausreichende und zumutbare Möglichkeit hat, auf andere Anbieter auszuweichen) und dass er diese Monopolstellung missbraucht, indem er den Vertragsschluss ohne rechtlich gebilligten Sachgrund verweigert.

In Fall 12 mag der Betreiber tatsächlich daran interessiert sein, ein gewisses Geschlechtergleichgewicht innerhalb seines Fitnessstudios zu garantieren. Dieses Interesse wird hier indes nicht durch das Recht gebilligt: Bei solchen Fitnessstudioverträgen wird in der Regel das Geschlecht gerade nicht in den Blick genommen und eine Quotenregel ist nicht notwendig.

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Beispielsweise trifft nach der Rechtsprechung des BGH Vereine mit einer erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Machtstellung ein Zwang zur Mitgliederaufnahme, wenn die Bewerber auf die Mitgliedschaft angewiesen sind, um ihre Interessen zu wahren.[15] Den Vereinen muss freilich eine monopolartige Stellung zukommen, wofür allerdings eine erhebliche wirtschaftliche und soziale Machtstellung ausreichend ist. Wenn solche Vereine die Aufnahme verweigern, beeinträchtigen sie Freiheitsrechte der Menschen, die Aufnahme begehren – ohne, dass sie eine ausreichende Kompensationsmöglichkeit haben.

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Auch im kulturellen Bereich sind Kontrahierungszwänge möglich, wenn eine monopolartige Position einer kulturellen Einrichtung besteht. Das liegt im Bereich anspruchsvoller Kunst nahe, die in der Regel einzigartig ist: Die Neuinszenierung des „Faust“ am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg kann nicht ohne Weiteres durch eine entsprechende Neuinszenierung am Schauspiel Köln ersetzt werden. Keine der Inszenierungen mag besser oder schlechter als die andere sein, beide sind aber jedenfalls für sich genommen einzigartig. Daher erfordert die Verweigerung eines entsprechenden Vertragsschlusses gute Gründe. Berühmt – und im Ergebnis kaum überzeugend – ist die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 13, 388: Das Bochumer Stadttheater hatte einem Theaterkritiker den Theaterzugang verwehrt, da von ihm nur Negativrezensionen zu erwarten seien. Das Reichsgericht billigte dies, was wegen der hohen Bedeutung der Kunst für unsere Persönlichkeitsentfaltung und mit Blick auf die Presse- und Meinungsfreiheit kaum überzeugt. Die Grundrechte (beispielsweise aus Art. 5 und 12 GG) wirken gerade über Generalklauseln wie § 826 auch in das Privatrecht hinein (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte).

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§ 826 ist grundsätzlich neben den auf das AGG gestützten Ansprüchen anwendbar. Auch nach Inkrafttreten des AGG ist der auf § 826 gestützte Kontrahierungszwang praktisch bedeutsam. Das ergibt sich vor allem daraus, dass das AGG bestimmte Diskriminierungsgründe abschließend aufzählt. Dadurch entstehen zwangsläufig Lücken, soweit die Ablehnung eines Vertragsschlusses auf Gründen beruht, die von den Diskriminierungsgründen des AGG nicht erfasst werden. Das zeigt sich gerade im Fall des Theaterkritikers, der ja nicht etwa wegen seiner Rasse oder seiner Religion diskriminiert wird, sondern weil das Theater schlechte Kritiken von ihm erwartet. Dafür hält das AGG keine Diskriminierungskategorie bereit.

Würde M in Fall 12 etwa abgewiesen, weil er als Rechtsanwalt tätig ist und Betreiber F es vermeiden möchte, als reines „Akademiker-Fitnessstudio“ zu gelten, könnte M sich mangels Aufzählung des Merkmals „Beruf“ in § 19 Abs. 1 AGG also nicht auf das AGG stützen. Ein Rückgriff auf § 826 BGB bliebe aber möglich.

bb) Kontrahierungszwang gem. § 21 Abs. 1 AGG

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Der zentrale Regelungsort des allgemeinen Kontrahierungszwangs im Vertragsrecht ist heute jedoch nach hM § 21 Abs. 1 AGG.[16] Die Ordnungsaufgabe des AGG und seine Bedeutung für das allgemeine Vertragsrecht haben wir schon in § 1 kennengelernt.[17] Obwohl § 21 Abs. 1 S. 1 AGG Diskriminierten ausdrücklich einen Anspruch auf „Beseitigung der Beeinträchtigung“ zuspricht, ist umstritten, ob der vertragsrechtliche Diskriminierungsschutz des AGG einen Kontrahierungszwang beinhaltet.[18] Dagegen lässt sich ins Feld führen, dass ein ausdrücklich vorgesehener Kontrahierungszwang eines Vorentwurfs[19] keinen Niederschlag im Gesetz fand: § 21 AGG spricht die Pflicht zum Vertragsschluss nicht ausdrücklich an. Neben Schadensersatz (§ 21 Abs. 2) und Unterlassung (§ 21 Abs. 1 S. 2) kann der Benachteiligte jedoch gem. § 21 Abs. 1 S. 1 AGG vor allem die „Beseitigung der Beeinträchtigung“ verlangen. Dass dieser Beseitigungsanspruch auch einen Anspruch auf Vertragsabschluss umfasst, legt aber schon der Wortlaut der Norm nahe.[20] Auch die Gesetzessystematik spricht für einen auf § 21 Abs. 1 S. 1 AGG gestützten Kontrahierungszwang: In § 15 Abs. 6 AGG sind Kontrahierungszwänge bei arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverboten ausgeschlossen. Das zeigt, dass außerhalb dieser Verbote Kontrahierungszwänge nicht ausgeschlossen sind. Vor allem aber spricht der Gesetzeszweck dafür, § 21 Abs. 1 S. 1 AGG auch einen Kontrahierungszwang zu entnehmen: § 21 AGG soll effektive Rechtsfolgen zur Durchsetzung des vertragsrechtlichen Diskriminierungsverbotes bereitstellen. Dazu trägt der Kontrahierungszwang erheblich bei. Das liegt insbesondere daran, dass sich Kontrahierungszwänge positiv auf die gesellschaftliche Haltung gegenüber potenziell benachteiligten Personengruppen auswirken können.[21]

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Tatbestandlich setzt der Anspruch auf Vertragsschluss neben der Verletzung des § 19 AGG vor allem voraus, dass die Diskriminierung für das Unterbleiben des Vertragsschlusses kausal geworden ist. Bei Massengeschäften, in denen Anbieter an sich mit jedermann kontrahieren, liegt die Kausalität normaler Weise vor. In anderen Situationen kann das anders sein, etwa wenn ein Wohnungsvermieter selbst bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht mit der Diskriminierten sondern mit einem anderen Interessenten kontrahiert hätte.[22]

In Fall 11 kann K einen Anspruch gegen D auf Einlass in die Diskothek gegen Zahlung des Eintrittspreises haben, wenn D zum Vertragsschluss verpflichtet ist. Spezialgesetzliche Kontrahierungszwänge kommen nicht in Betracht. Ein Kontrahierungszwang für D könnte sich jedoch aus den §§ 21 Abs. 1 S. 1, 19 AGG ergeben. K wurde der Vertragsschluss allein aufgrund seiner Hautfarbe verwehrt, also wegen seiner ethnischen Herkunft, und somit wegen eines in § 19 Abs. 1 S. 1 AGG genannten Diskriminierungsgrundes. Zudem handelt es sich beim Einlass in eine Diskothek um ein Geschäft, das typischerweise ohne Ansehung der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt, § 19 Abs. 1 Nr 1 AGG. Der Beseitigungsanspruch des § 21 Abs. 1 AGG umfasst auch einen Anspruch auf Vertragsschluss. Die zu beseitigende Diskriminierung liegt gerade in der Weigerung der D, einen Vertrag mit K über den Eintritt zu schließen. Daher besteht ein Kontrahierungszwang gem. §§ 21 Abs. 1, 19 AGG. K hat einen Anspruch gegen D auf Einlass in die Diskothek gegen Zahlung des Eintrittspreises (neben etwaigen weiteren Ansprüchen auf Schadensersatz aus § 21 Abs. 2 S. 1, 3 AGG).

Teil I Grundlagen › § 4 Die Entstehung von Schuldverhältnissen › III. Unbestellte Leistungen (§ 241a)

III. Unbestellte Leistungen (§ 241a)

1. Zweck und Systematik

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Gem. § 241a werden durch die unbestellte Lieferung beweglicher Sachen an Verbraucher keine vertraglichen Ansprüche begründet und gesetzliche Ansprüche nur im Einzelfall. Sie wurde im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL zum 13.6.2014 neu gefasst. § 241a dient der Prävention unerwünschten Wettbewerbsverhaltens[23] und dem Verbraucherschutz.[24] § 241a Abs. 3 beinhaltet daher auch das übliche Umgehungsverbot und stellt klar, dass von § 241a nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden kann. § 241a dient der Prävention. Die Norm soll verhindern, dass Verbrauchern unbestellte Waren zugesendet werden, wodurch sie sich nicht nur belästigt, sondern auch zur Zahlung verpflichtet fühlen könnten. Auch das Vertragsrecht kann, wie § 241a illustriert, verhaltenssteuernde Wirkung haben. Es unterstützt insofern die speziellen Regelungen des Wettbewerbsrechts (insbesondere im UWG, aber auch im GWB), dessen Kernaufgabe in der Verhinderung unlauterer Wettbewerbsmethoden liegt.

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Aus marktliberaler Perspektive ist die Instrumentalisierung des Vertragsrechts für die Zwecke der Verhaltenssteuerung rechtspolitisch kritisiert worden.[25] Allerdings lässt sich eine klare Trennung der Ordnungsaufgaben von Vertragsrecht und Wettbewerbsrecht ohnehin kaum durchhalten, bildet doch der Vertrag – wie Leistner treffend betont – den „gemeinsamen Fluchtpunkt“[26] von Vertrags- und Wettbewerbsrecht. In regulativer Perspektive bildet die Instrumentalisierung des Vertragsrechts Vorzüge.[27] Zu diesen gehört, dass es einen „Selbstvollzug“ der jeweiligen Präventionsziele ermöglichen kann. Kosten der Rechtsdurchsetzung werden so vermieden. § 241a ist ein anschauliches Beispiel dafür: Die von der Norm aufs Korn genommene wettbewerbswidrige Praxis scheint ohne nennenswerte Gerichtsbelastung deutlich zurückgegangen zu sein.[28] So greifen Vertragsrecht und Wettbewerbsrecht funktionsorientiert ineinander. Hier zeigt sich einmal mehr, dass die regulative Perspektive der Verteilungsgerechtigkeit auch im Vertragsrecht unentbehrlich ist.[29]

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Systematisch gehört die Norm nur teilweise in das Allgemeine Schuldrecht: Ihr Abs. 1 betrifft das Zustandekommen vertraglicher Schuldverhältnisse, gehört also systematisch zur Rechtsgeschäftslehre und damit in den Allgemeinen Teil.[30] Ihr Abs. 2 betrifft allerdings gesetzliche Schuldverhältnisse; insoweit ist die systematische Stellung im Allgemeinen Schuldrecht konsequent.

2. Voraussetzungen

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§ 241a setzt voraus, dass ein Unternehmer (§ 14) einem Verbraucher (§ 13)[31] Waren liefert oder eine sonstige Leistung an ihn erbringt, die der Verbraucher nicht bestellt hat. Waren sind nach der Legaldefinition des § 241a Abs. 1 bewegliche Sachen, die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden. Das schließt – in richtlinienkonformer Auslegung – auch Wasser, Gas und Strom ein, „wenn diese Gegenstände „in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden“, wie Art. 2 Nr 3 Verbraucherrechte-RL verlangt.

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Die Leistung (einschließlich der Warenlieferung) ist unbestellt, wenn sich der Verbraucher nicht aktiv um sie bemüht hat – etwa durch ein Vertragsangebot oder die Bitte, die Waren zur Prüfung zu übersenden.[32] Eine Leistung wird aber nicht etwa dadurch zur „unbestellten Leistung“, dass der Verbraucher nach Erhalt der Ware seine Willenserklärung anficht (beispielsweise wegen Inhaltsirrtums).[33] Das folgt aus dem oben beschriebenen Regelungszweck: Von einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise des Unternehmers kann dann keine Rede sein, denn er weiß ja bei Leistungserbringung noch nicht, dass die Anfechtung erfolgen wird.

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Eine ähnliche teleologisch einschränkende Auslegung ist auch geboten, wenn der Unternehmer zwar nicht die bestellte, aber eine in Qualität und Preis gleichwertige Leistung erbringt: Dann liegt keine unbestellte Leistung vor, wenn der Unternehmer darauf hinweist, dass der Verbraucher die Sache kostenfrei zurückschicken kann.[34] Das war in § 241a Abs. 3 BGB a.F. ausdrücklich geregelt. Die teleologische Auslegung führt aber auch in der Neufassung der Norm zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch in dieser Situation handelt der Unternehmer nicht wettbewerbswidrig.[35]

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Wenn eine mangelhafte Sache geliefert wird, greift § 241a nach Sinn und Zweck ebenfalls nicht ein, vielmehr ist das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht anzuwenden.[36] Bei aliud-Lieferungen ist nach dem Zweck der Norm zu differenzieren: Wenn der Unternehmer bewusst eine ganz andere als die vom Verbraucher bestellte Leistung liefert (etwa: Lautsprecherboxen statt eines Smartphones) greift § 241a Abs. 1 ein.[37] Bei einer unbewussten aliud-Lieferung kommt dagegen § 434 Abs. 3 zur Anwendung.[38] Hier ist nach dem Schutzzweck des § 241a Abs. 1 (Prävention unlauteren Wettbewerbs) eine einschränkende Auslegung geboten.[39]

3. Rechtsfolgen

a) § 241a Abs. 1: Ausschluss vertraglicher Ansprüche

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Die Rechtsfolge des § 241a Abs. 1 besteht darin, dass ein Anspruch gegen den Verbraucher durch die nicht bestellte Leistungserbringung nicht begründet wird. Das schließt aber nicht aus, dass ein Vertrag durch Willenserklärung begründet wird. In der Leistungserbringung bzw. der Zusendung durch den Unternehmer liegt ein konkludentes Vertragsangebot, das der Verbraucher gegebenenfalls auch konkludent annehmen kann. Der Zugang der Annahmeerklärung kann gem. § 151 entbehrlich sein. Allerdings ergibt sich aus dem Schutzzweck des § 241a, dass dafür strenge Voraussetzungen gelten: Die bloße Ingebrauchnahme der Sache oder ihr Verbrauch genügt nicht.[40] Denn der Verbraucher schuldet, wie sich aus § 241a Abs. 2 ergibt, weder Nutzungsersatz noch Herausgabe irgendwelcher Surrogate. Aus dem Verbrauch der Sache oder ihrer Weiterveräußerung kann daher nach §§ 133, 157 nicht auf einen Annahmewillen geschlossen werden. Anders liegt es beispielsweise dann, wenn der Verbraucher den Kaufpreis zahlt.[41]

Wenn etwa K in Fall 13 nach Empfang des Pakets einen freudigen Brief schreibt und sich unter Bezugnahme auf die Rechnung für die Zusendung des Waschmittels bedankt, kann guten Gewissens eine Annahme des Angebots bejaht werden.

b) § 241a Abs. 2: Gesetzliche Ansprüche

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Gem. § 241a Abs. 2 sind gesetzliche Ansprüche grundsätzlich ebenfalls ausgeschlossen. Eine – vom Unternehmer darzulegende und zu beweisende – Ausnahme besteht nur dann, wenn die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. In diesem Ausnahmefall ist der Verbraucher nicht schutzwürdig. So kann ein Verbraucher, der ein an eine ganz andere Person adressiertes Päckchen erhält, nicht ohne Weiteres annehmen, er könne die Leistung einfach behalten.

Findet K in Fall 13 in dem Paket beispielsweise noch eine Bestellbestätigung, aus der eindeutig hervorgeht, dass das Bestellsystem des U aufgrund eines Defekts eigenmächtig Waschmittel zu jedem Vorgang ergänzt hat, muss er sich mit U in Verbindung setzen. In einem solchen Fall ist K gerade nicht schutzwürdig, weil er nicht davon ausgehen kann, U habe ihm die Sachen gewissermaßen aufzwingen wollen.

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§ 241a Abs. 2 schließt Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff) ebenso aus wie bereicherungsrechtliche (§§ 812 ff) und deliktische Ansprüche (§§ 823 ff). Bei der Lieferung von Sachen ist auch der Anspruch auf Herausgabe des Eigentums aus § 985 ausgeschlossen. § 241a führt dadurch zu einem möglicherweise dauerhaften Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz (dominium sine re).[42] Denn mangels Übereignung (§ 929) ist der Unternehmer weiterhin Eigentümer der gelieferten Sache. Andererseits erlaubt es § 241a dem Verbraucher, die Sache zu verwenden, ohne dass ihn insoweit ein Zahlungsanspruch oder gesetzliche Ansprüche treffen. Manche wollen § 241a Abs. 2 teleologisch reduzieren und § 985 zur Anwendung bringen, wenn keine schutzwürdigen Verbraucherinteressen im Einzelfall entgegenstehen.[43] Das ist mit Blick auf den Präventionszweck der Norm abzulehnen. Das dominium sine re ließe sich dogmatisch dadurch vermeiden, dass man in § 241a einen gesetzlichen Eigentumserwerbsgrund sieht.[44] Die hM sieht dafür allerdings keinen Anlass.[45]

4. Lösung Fall 13

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A. K könnte gegen U einen Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr 3, 280 Abs. 1 haben.

I. Hierfür muss ein Kaufvertrag zwischen K und U vorliegen.

1. Das setzt zunächst ein Angebot voraus. Ein Angebot des U könnte schon in der Zusendung des Waschmittels zu sehen sein. Zusätzlich liegt dem Paket aber eine Rechnung bei, in der U auf das Waschmittel hinweist und K um Zahlung bittet, sofern er das Waschmittel nutzt. Jedenfalls darin liegt ein Angebot.

2. K muss das Angebot auch angenommen haben. Eine konkludente Annahme könnte man in der Benutzung des Waschmittels sehen, wobei der Zugang gem. § 151 S. 1 entbehrlich wäre. Einer konkludenten Annahme steht jedoch der Schutzzweck des § 241a Abs. 1 entgegen. Dieser setzt für eine konkludente Annahme von unbestellten Waren einen über die Ingebrauchnahme oder den Verbrauch der Waren hinausgehenden, deutlich hervortretenden Annahmewillen voraus. Daran fehlt es.

II. Mangels Annahme besteht kein Kaufvertrag zwischen K und U. Vertragliche Schadensersatzansprüche scheiden somit aus.

B. Ein vorvertraglicher Schadensersatzanspruch könnte sich aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 (cic) ergeben.

I. Dies setzt ein vorvertragliches Schuldverhältnis iSv § 311 Abs. 2 voraus. Dadurch, dass U im Rahmen einer laufenden Vertragsbeziehung K unbestellte Waren zugesendet hat, dessen privater Lebensbereich dadurch erhöhten Risiken ausgesetzt war, ist jedenfalls Nr 3 erfüllt.

II. Weiterhin muss U eine Pflicht aus § 241 Abs. 2 verletzt haben. U hat K nicht über die Schaumbildung beim Waschmittel aufgeklärt. Das kann ihm aber nur vorgeworfen werden, wenn eine entsprechende Aufklärungspflicht bestand. Dadurch, dass es in zahlreichen Testläufen des Endprodukts mehrfach zu ähnlichen Problemen gekommen war, musste U klar sein, dass dieses Risiko ebenso bei Benutzung durch die Kunden besteht. Darauf hätte er hinweisen müssen, da auch Folgeschäden für im Umkreis befindliches Eigentum der Kunden nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lagen. Indem er diesen Umstand ignorierte und im reinen Gewinninteresse auf eine Information an die Empfänger verzichtete, hat er eine Aufklärungspflicht verletzt.

III. U handelte vorsätzlich, hat die Pflichtverletzung also auch iSv §§ 276, 280 Abs. 1 S. 2 zu vertreten.

IV. Der Schaden beläuft sich auf 50 Euro, dies entspricht dem Wert des zerstörten Duschvorlegers. Die Ersatzfähigkeit dieser Schadensposition ergibt sich aus §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1.

Ergebnis: Aus vorvertraglicher Haftung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 kann K also Ersatz für die Schäden an der Matte erlangen.

C. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 besteht durch die schuldhafte Eigentumsverletzung ebenfalls. Gem. § 251 Abs. 1 BGB muss U dem K Wertersatz iHv 50 Euro für den Duschvorleger leisten.

Teil I Grundlagen › § 4 Die Entstehung von Schuldverhältnissen › IV. Formvorschriften