Paulo Redmann

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„Habt ihr nach dem Feuer gesehen?“, fragte Paulo, und Marga antworte, dass sie soeben ein Holzscheit aufgelegt hätte.

„Sag mal Mutter, hast du eigentlich noch die Zeit gekannt, in der es keinen Strom gab?“, fragte Paulo seine Mutter, und Marga musste nicht lange überlegen, bis sie antwortete:

„Wir hatten, wenn überhaupt, nur Lichtstrom, es gab noch keine elektrischen Haushaltsgeräte, und mein Vater achtet darauf, dass das Licht nur im äußersten Dringlichkeitsfall eingeschaltet wurde, wenn man im Licht zusammen saß, zum Essen, Spielen oder Lesen, ansonsten musste man sich mit einer Kerze behelfen, er wollte auf diese Weise Geld sparen, denn Strom war teuer!“

Frau Schneider, die 75 Jahre alt war, wie alle im Laufe des Tages erfahren hatten, war gebürtige Oberschlesierin, und sie sagte, dass sie die Zeit ohne Strom schon noch kannte:

„Wir haben uns im Dunkeln aufgehalten oder Kerzen angesteckt, auch Petroleumlampen wurden angesteckt, alle elektrischen Geräte, über die die Haushalte heute verfügen, gab es zu meiner Zeit einfach nicht!“

Paulo merkte sich das ganze letzte Nacht kein Auge zugetan hatte, er riss sich aber zusammen und wollte einmal zur „Löhrallee“ herunterlaufen, um zu sehen, was dort los wäre:

„Frau Schneider und Mutter, ihr kommt doch sicher mit, wenn ich zur „Löhrallee“ laufe!“, fragte Paulo, und die beiden älteren Damen gaben ihr Einverständnis, Paulo gab Frau Schneider ein paar Handschuhe und Sara gab ihr einen Schal von sich. Marga nahm Handschuhe und Schal von sich und zog auch noch ihren warmen Mantel über.

Auch Paulo zog sich warm an, und dann liefen sie los, sie gingen jedoch auf der Straße, denn die Gehwege waren zum größten Teil nicht geräumt.

„Habt ihr eigentlich früher auch immer so viel Schnee gehabt?“, fragte Paulo Frau Schneider und seine Mutter.

„Wir hatten in Ostpreußen immer sehr strenge Winter, Weihnachten lag immer Schnee“, sagte Paulos Mutter.

„Auch wir in Oberschlesien hatten immer viel Schnee, manchmal schaffte ich den Weg zur Schule nicht, der über Felder lief, die verschneit waren“, ergänzte Frau Schneider.

Bis zur „Löhrallee“ war Ihnen auf der „Herrengasse“ kein Auto begegnet, es lag auch zu viel Schnee auf der „Herrengasse“, als dass man da hätte fahren können, und es schneite und schneite. auch die „Löhrallee“ war zugeschneit und man sah kein Auto auf ihr fahren, auch der Busverkehr war eingestellt.

Plötzlich vernahmen die 3 rasselnde Geräusche und Motorenlärm, der immer lauter wurde.

Panzer der Bundeswehr waren gekommen, um den Schnee von der Straße zu räumen, sie hatten die ganze Straße von Feldstadt aus freigeräumt und mussten ihre Arbeit noch bis Hermesburg weiterführen, damit wenigstens die Hauptstraße schneefrei war. Hinter dem Panzer fuhr ein Streuwagen, der jede Menge Salz auf die Straße warf.

Paulo winkte einem Soldaten zu, der aus dem Einstiegsturm des Panzers lugte, dann wurde es in Dinkelstein wieder gespenstisch still.

Man sah den einen oder anderen durch die Kälte huschen, die meisten waren auf dem Weg vom Einkaufen nach Hause, und sie waren so sehr in ihre warme Kleidung eingewickelt, dass man von ihren Gesichtern kaum etwas sah.

Die 3 machten sich wieder auf den Weg nach Hause, und Paulo nahm von draußen Holzscheite mit ins Wohnzimmer, wo Sara sich um das Feuer gekümmert hatte.

„Der „Dinkelsteiner Anzeiger“ ist gerade in einer dünnen Ausgabe bei uns abgegeben worden“, sagte Sara, und Paulo setzte sich mit der Zeitung an den Tisch. Es war in der Zeitung die Rede von dem vielen Schnee, wie es ihn seit Jahren in Dinkelstein nicht gegeben hätte. Der Stromausfall hatte natürlich nicht kommentiert werden können, denn auch beim Zeitungsdruck brauchte man Strom.

Ein Schwerpunkt in der Berichterstattung wurde auf die Räumpflicht aller Anwohner gelegt, der nachzukommen war, die Witterungsverhältnisse ließen es nicht anders zu.

Um 10.00 h schaltete Paulo das Radio ein und erfuhr in einer Meldung, dass die Bauern im Umland Probleme mit dem Melken der Kühe hätten, weil die Melkmaschinen nicht funktionierten. Es mussten die Betriebe mit Notstromaggregaten ausgestattet werden, damit überhaupt gemolken werden konnte. Man konnte natürlich einen Teil der Kühe von Hand melken, aber nicht 80 Stück!

Alle sehnten den Zeitpunkt herbei, an dem es in Dinkelstein wieder Strom gäbe.

„Wenn es früher eiskalt war, haben wir uns unsere warmen Sachen angezogen und sind früh ins Bett gegangen, was hätten wir bei der Kälte auch tun sollen?“, sagte Marga.

„Wir hatten zu Hause Kohleöfen, denn in Oberschlesien wurde ja Kohle gefördert, und die Öfen wurden immer mit Kohle beschickt, frieren musste bei uns niemand!“, ergänzte Frau Schneider.

Sara und Paulo gingen zu Ben und Joshua, und Sara stillte die beiden, dann legte sie sie in ihre Betten, und sie schliefen augenblicklich ein.

Danach sagte Paulo:

„Ich werde mich mal um das Mittagessen kümmern, wer hat etwas gegen Linsensuppe einzuwenden?“, und niemand machte Einwände geltend.

Dann nahm er zwei Dosen Linsensuppe aus dem Küchenschrank und gab sie in einen Topf, er legte einen Ring Fleischwurst hinein und erhitzte alles.

Marga deckte den Tisch, und sie setzten sich daran.

„Wenn ich überlege, wie lange ich schon keine Linsensuppe gegessen habe, das ist schon nicht mehr wahr!“, sagte Paulo, und er gab jedem einen Schlag von der Suppe auf den Teller und schnitt ihm ein Stück Fleischwurst ab.

Nach dem Essen gab es Kaffee, und die älteren Frauen nutzten die Gelegenheit, aus ihrer Jugend zu erzählen, Marga sagte:

„Als ich ein junges Mädchen in Ostpreußen war, gab es vieles nicht, was bei uns als selbstverständlich angesehen wird, ich nenne nur Kühlschrank, Spülmaschine und Waschmaschine, ich möchte diese Geräte heute nicht missen, sehne mich aber manchmal auch nach dem einfachen Verhältnissen zurück!“

„Marga, du sprichst mir aus der Seele“, sagte Frau Schneider, die sich inzwischen mit Paulos Mutter duzte, „sicher mussten wir früher vieles von Hand erledigen, was uns heute abgenommen wird, aber auch ich sehne mich manchmal nach dieser alten Zeit!“

„Ich hole aus der Küche ein paar Plätzchen!“, sagte Sara und lief schnell los.

„Wie weit die wohl mit der Reparatur der Hochspannungsleitung sind?“, fragte Paulo und stellte in diesem Moment das Radio an.

„Liebe Dinkelsteiner Bürger, wenn alles gut geht, wird um 15.00 h in der Stadt wieder der Strom eingeschaltet, wir danken ihnen als Elektrizitätsgesellschaft für ihre Geduld!“. Was sie so gerade noch aufschnappen konnten und wenn sich das bewahrheiten sollte, was da gesagt wurde, dann hatten Sie noch 2 Stunden auf Strom zu warten.

Paulo blickt aus dem Fenster, es schneite, es schneite als gäbe es in Dinkelstein gar kein anderes Wetter.

Ein Räumfahrzeug kam die Herrengasse herauf und räumte den Schnee von der Straße, anschließend wurde Salz gestreut.

„Dann können wir gleich wieder in die anderen Räume unseres Hauses gehen, ich werde schon einmal die Heizungen alle voll aufdrehen, damit der Bau wieder richtig warm wird, Frau Schneider, sie sollten gegen 16.00 h nach Hause gehen, wenn 1 Stunde lang die Heizungen bei Ihnen gelaufen sind!“, sagte Paulo.

Ben und Joshua wurden wach, und Sara legte beide an, danach wurden sie auf die weiche Decke vor dem Kamin gelegt.

Paulo baute die Kinderbetten auseinander, und Marga und er brachten die Teile wieder hoch in die Kinderzimmer, wo sie sie wieder zusammenbauten. Dann gingen sie wieder runter ins Wohnzimmer, Paulo legte einen Holzscheit ins Kaminfeuer.

„Gleich hat sich die Sache mit dem Holz erübrigt, dann läuft unsere Heizung wieder!“, sagte er zu Frau Schneider.

„Ich werde gleich bei mir erst einmal alles hochdrehen, ich will es überall warm haben!“

Paulo sah auf die Uhr, es war 14.50 h, als mit einem Mal das Licht anging und der Strom wieder eingeschaltet war.

„Es ist vorbei, wir haben es geschafft, jetzt müssen wir nur etwas warten, bis die Heizung wieder arbeitet!“, rief Paulo vor Freude aus.

Sara und er gruben mit Marga die Lebensmittel wieder aus dem Schnee, die sie dort bei -10 °C gelagert hatten und brachten sie in die Küche, um sie wieder einzufrieren, und die Lebensmittel, die zur Kühlung draußen hingestellt wurden, holten sie und legten sie in den Kühlschrank.

Sie räumten die Kerzen weg, und Paulo brachte den Gaskocher und die Gaslampen in den Keller. Er hörte die Heizung im Heizkeller arbeiten, und es konnte nur noch Minuten dauert, bis oben die Wärme spürbar wäre.

Als er Wohnzimmer war, legte er eine Hand auf einen Heizkörper und fühlte die Wärme hochsteigen:

„Fühl mal Sara, die Heizung wird warm!“

Sie nahmen Ben und Joshua hoch und trugen sie in die Küche, sie hatten die Decke mitgenommen und legten die beiden Kleinen darauf.

Die Temperatur in der Küche war mittlerweile angenehm, und Frau Schneider und Marga kamen und setzen sich mit Sara und Paulo um den Tisch.

„Soll ich noch einmal Kaffee kochen?“, fragte Marga in die Runde, und niemand war abgeneigt.

„Ich laufe schnell zur Edeka und hole Kuchen für uns!“, sagte Paulo schon im Gehen. In der Küche brannte das Licht, und alles funktionierte wieder wie vorher.

„Ohne Strom wären wir aufgeschmissen!“, sagte Marga und stellte den Kaffeeautomaten an, dann deckte sie den Tisch.

Als Paulo zurück war, sagte er:

„Sie hatten nur abgepackten Kuchen, aber der wird uns auch schmecken!“, und er gab jedem ein Stück.

Im Anschluss brachte Paulo Frau Schneider wieder zu sich nach Hause, und als sie ihre Wohnung betrat, umgab sie gleich eine wohltuende Wärme.

 

„Herr Redmann, ich danke Ihnen zutiefst für ihre Gastfreundschaft, das werde ich Ihnen nie vergessen!“, sagte Frau Schneider.

„Lassen Sie mal gut sein, Frau Schneider, in der Not müssen sich die Menschen doch helfen!“, antwortete Paulo und wünschte Frau Schneider alles Gute.

Als er auf dem Weg nach Hause über seinen Gehweg lief, sah er, dass sich dort wieder 1 Meter Schnee angehäuft hatte, und er nahm sich vor, den am nächsten Tag als erstes wegzuräumen.

Am nächsten Morgen ging Paulo nach dem Frühstück zu seiner Garage und holte das Schneeräumgerät heraus, mittlerweile hatte sich in ihm ein Hass auf den Schnee aufgebaut, erüfluchte leise vor sich hin, aber es nutze nichts, er musste den Gehweg räumen.

Er nahm den Meter Schnee auf seine Schüppe und warf ihn in die Gosse, dort lag wieder ein gehöriger Wall von Schnee, und Paulo würde wieder bei der Stadt anrufen und darum bitten, dass die Männer mit dem Radlader und den LKWs kämen, und den Schnee der Anwohner aus der „Herrengasse“ wegräumten.

Am Ende schob er mit dem Schneeschieber die Schneereste und das Eis von den Gehwegplatten und streute Salz. Meine Güte, wie hasste er diese Arbeit, wie sehnte er die schneefreie Zeit herbei!

In diesem Moment kam auch Herr Schröder vor die Tür und ging an seine Arbeit auf dem Gehweg.

„Guten Morgen Herr Schröder!“, rief Paulo ihm zu und Herr Schröder erwiderte seinen Gruß:

„Also ich mache das nicht mehr gerne, dass ich hier den Schnee wegräume, es wird Zeit, dass er wegtaut!“, sagte er.

„Ich werde gleich bei der Stadt anrufen, dass sie wieder unseren Schnee weggeräumt!“, sagte Paulo und ging und brachte sein Schneeräumgerät in die Garage zurück.

Als er wieder nach vorne kam, fragte er Herrn Schröder:

„Wie haben Sie denn die Zeit ohne Strom verbracht?“

„Meine Frau und ich haben vor dem Kamin gesessen und gelesen, und vorgestern sind wir früh ins Bett gegangen“, antwortete Herr Schröder.

„Schönen Tag noch!“

„Ebenso!“

Paulo ging ins Haus und griff zum Telefon, er rief das Tiefbauamt wegen des Schneeräumens an:

„Herr Redmann, wir werden am Nachmittag wieder in der „Pestalozzistraße“ arbeiten, der Radlader wird mit zwei LKWs dann bei Ihnen vorbeikommen und die „Herrengasse“ freiräumen!“

„Vielen Dank für die Zusage!“, sagte Paulo.

Am Schulzentrum lief die Schneefräse des Hausmeisters ununterbrochen, und er hatte den ganzen Vormittag geräumt, der Schulhof war beinahe frei von Schnee, den die Fräse zur Seite geworfen hatte.

Paulo rief im Sekretariat an, um zu erfahren, ob normaler Unterricht stattfände, und die Sekretärin sagte ihm, wenn es so weiter schneite, würde erst einmal kein Unterricht stattfinden.

Marga hatte zu Mittag gekocht, und sie setzten sich an den Küchentisch und aßen.

„Wenn es weiter so schneit, findet auch demnächst kein Unterricht statt!“, sagte Paulo.

„Das ist ja auch kein Wunder, wie sollten denn die Schüler von auswärts auch zur Schule kommen?“, fragte Sara.

Tatsächlich war es ja so, dass sie Hauptstraße von Feldstadt über Dinkelstein nach Hermesburg jeden Tag von einem Panzer der Bundeswehr geräumt wurde, sodass auch der Bus zweimal zwischen den beiden Städten pendeln konnte, aber die ganzen Abzweigungen, die zu den Dörfern führten, aus denen viele Schüler kamen, wurden gar nicht geräumt. Die Dörfer waren quasi von der Außenwelt abgeschnitten.

Die Dorfbewohner waren hingegangen und hatten, zum Teil in Eigenregie, Wege zur Hauptstraße angelegt, damit man einkaufen oder zum Arzt gehen konnte.

Schulbusse, die morgens im Regelfall die Dörfer anfuhren, konnte natürlich nicht durch die Schneemassen fahren, also fiel der Unterricht aus.

Am frühen Nachmittag fuhren der Radlader und zwei LKWs in die „Pestalozzistraße“, um die Straße, den Marktplatz und das Schulzentrum freizuräumen, auch das Cinemaxx in der „Bahnhofstraße“ nahmen sie sich vor.

In dem Moment konnte man die Baufahrzeuge gut ausmachen, zumal die Schneeketten, die der Radlader montiert hatte, Krach genug machten. Die Bauarbeiter waren zu sechst wie schon beim vorigen Mal, und sie fingen mit dem Cinemaxx in der „Bahnhofstraße“ an.

Das Dach des Cinemaxx maß ja 15 m mal 20 m und hatte somit 60 Tonnen Schnee zu tragen. Die Männer strengten sich an und schaufelten den Schnee in 4 Stunden vom Dach, der Radlader belud die Kipper, und die brachten den Schnee zu den „Hilmewiesen“. Der Radlader räumte auch das Stück „Bahnhofstraße“ bis zum Cinemaxx frei, bevor die Männer in die „Pestalozzistraße“ gingen.

Dort nahmen sie sich zunächst die Straße vor, räumten auch den Marktplatz frei, und gingen dann zum Schulzentrum über.

Der Hausmeister bat darum, dass die Arbeiter vom Tiefbauamt nicht wieder den ganzen Schulhof voll voll Schnee warfen, den er gerade mühsam mit seiner Schneefräse freigeräumt hatte. Sie wollten sich bemühen, darauf zu achten.

Paulo stand im Wohnzimmer am Fenster, und konzentriert sich, die anderen Baufahrzeuge zu hören, und nach 4 Stunden konnte man den Radlader und die Kipper die „Herrengasse“ hochkommen hören.

Sie fingen zunächst an, den Schnee von der Fahrbahn zu räumen, und die LKWs fuhren zu den „

„Hilmewiesen“.

Dann gingen sie daran, die Schneewälle, die sich bei den Anwohnern vom Freiräumen der Gehwege aufgetürmt hatten, abzutragen.

Als sie damit fertig waren, ging Paulo zu ihnen nach draußen gab sowohl dem Radladerfahrer als auch den Fahrern der LKWs jeweils zehn Euro Trinkgeld.

Die Herrengasse war wieder frei, und die Gehwege konnten problemlos genutzt werden, Frau Schneider jedenfalls ging zu Edeka und freute sich, dass das ohne Schneeberge möglich war.

Plötzlich ging bei Paulo das Telefon, und die Hildesheimer waren dran:

„Einen schönen guten Tag, wir hatten uns überlegt, einmal unseren Enkelkindern einen Besuch abzustatten, ist durch das recht?“, fragte Sara Vater.

„Hallo, kommt nur, wir versinken zwar bei uns in Dinkelstein im Schnee, aber ihr werdet das schon schaffen!“, und so verabredeten sie sich für den nächsten Tag in Dinkelstein, sie wollten sich nicht auf eine bestimmte Uhrzeit festlegen, peilten aber den Nachmittag an.

Paulo, Sara und Marga setzen sich an den Küchentisch und beratschlagten, was es zu essen geben sollte und vor allem, wo Saras Eltern und Evelyn schlafen sollten.

„Wir haben im Keller doch noch unsere Liegen, darauf könnten deine Eltern doch schlafen!“, schlug Paulo vor.

„Genug Bettzeug haben wir auch noch, wir stellen die Liegen dann ins Wohnzimmer und Evelyn kann auf der Couch schlafen!“, antwortete Sara.

„Sollen wir wirklich für alle aufwendig kochen und nicht lieber beim Italiener etwas holen?“, fragte Marga. Schließlich verständigten sie sich darauf, dass Saras Vater und Paulo am Abend zur Pizzeria liefen und dort das Essen, das sie sich bestellt hatten, abholten.

Vorher gäbe es Kaffee und Kuchen, und den Kuchen würde Paulo beim Bäcker um die Ecke besorgen, wie er das immer tat.

Paulo setzte sich vor seinem PC und rief die Seite der Pizzeria auf, dort suchte er die Speisekarte und druckte sie sechsmal aus, damit sich am nächsten Tag jeder in Ruhe etwas aussuchen konnte.

Ben und Joshua lagen zufrieden auf ihrer Decke, an ihnen ist der Tag ohne Strom spurlos vorübergegangen, und ihnen ging es immer gut, wenn Sara ihnen Milch gab.

Sie spielten mit dem Greifspielzeug, dass ihnen Saras Mutter nach der Geburt geschenkt hatte.

Nach dem Abendessen stand wieder ein Mensch- ärgere-Dich-nicht-Abend an, und sie setzen sich alle ganz aufgeregt um den Tisch. Ben und Joshua waren gestillt und ins Bett gelegt worden, und die Erwachsenen würden spielen, bis sich die beiden wieder über ihr Babyphon bemerkbar machten.

Dann fingen sie an, und Marga war genauso aufgeregt wie ihre beiden Mitspieler, es war ein Spiel, bei dem man nicht nachzudenken brauchte.

Als die beiden Kleinen im Babyphon zu hören waren, gingen Sara und Paulo hoch in die Kinderzimmer, Sara nahm beide aus ihrem Bett und legte sie an.

Paulo stand daneben und war wieder einmal überwältigt, wie reibungslos und glatt das Stillen der Beiden über die Bühne ging.

Er stellte sich ans Fenster und sah hinaus, Schneefall, Schneefall ohne Ende.

Sara legte Ben und Joshua wieder in ihre Betten, wo sie sofort wieder einschliefen. Anschließend ging sie mit Paulo wieder runter in die Küche, und Marga wartete sehnsüchtig darauf, das Spiel fortsetzen zu können.

Sie spielten dann noch zwei Runden, die Marga beide gewann, dann gingen sie schlafen.

Am nächsten Morgen stand alles im Zeichen des Besuches der Hildesheimer, und alle überprüften, ob sie für die 6 Personen, die sie dann wären, ausreichend Sachen zum Frühstück hätten, und Sara meinte:

„Meine Eltern sind große Käseesser, Paulo, Du solltest noch einmal zu Edeka gehen und dort verschiedene Käsesorten holen, bring auch noch Schinken mit!“

Paulo lief sofort nach dem Frühstück los und ärgerte sich über den vielen Schnee, der schon wieder auf dem Gehweg lag. Aber es nützte alles nichts, er musste den Gehweg freiräumen und tat dies mit seiner Schüppe und seinem Schneeschieber, anschließend streute er ordentlich Salz auf den Gehweg.

Dann lief er zu Edeka und ging in die Käseabteilung, Sara und er aßen immer mittelalten Käse, er nahm ausgefallene Käsesorten, darunter italienische, französische, und holländische, und er ließ sich von der Verkäuferin beraten.

Die Käse entwickelte durch die Verpackung hindurch ein Aroma, das nicht jedermanns Sache gewesen wäre. Er dachte auch an eine Lage „Schwarzwälder Schinken“ und nahm auch ein Glas Orangenmarmelade mit aus Neugier, ob er bei den anderen damit Anklang finden würde.

Zu Hause machte Paulo seine Einfahrt frei, damit seine Schwiegereltern problemlos auf sein Grundstück fahren könnten. Marga und Sara machten die Küche sauber und Paulo stellte sich nach seiner Aktion ans Wohnzimmerfenster und wartete dort auf die Hildesheimer.

Und endlich kam ein Wagen, der so aussah wie der seines Schwiegervaters und bog auf sein Grundstück ein, die Hildesheimer waren da.

Paulo ging nach draußen, um sie zu begrüßen, und Evelyn hatte nichts anderes zu tun, als einen Schneeball zu machen und den nach Paulo zu werfen. Sie traf Paulo mitten auf die Brust, aber Paulo hatte zu Schnee eigentlich kein gutes Verhältnis mehr, und er grinste nur.

Dann ging er zu den Hildesheimern und umarmte einen nach dem anderen.

„Schön das ihr da seid, kommt doch ein!“, sagte Paulo. Und dann kamen sie in die Küche, in der Ben und Joshua auf der Decke lagen, und Saras Mutter war hin und weg, sie hatte kaum ein Auge für ihre Tochter, und umarmte sie kurz.

Dann aber beugte sich zu Ben und Joshua unter, und die beiden machten große Augen. „Na, euch geht es auf der warmen Decke aber gut!“, sagte sie und legte beiden Bauklötze hin, die sie sofort nahmen und in den Mund stecken.

Danach begrüßte sie Marga:

„Tut mir leid Marga, aber zuerst kommen die Kleinen, und das musst du verstehen!“ Marga hatte volles Verständnis für Saras Mutter und entgegnete:

„Die Hauptsache ist doch, dass ihr überhaupt da seid!“

Evelyn stand bei Sara und hatte ihren Arm um ihre Hüfte gelegt:

„Schnee habt ihr aber genug bei euch in Dinkelstein!“, sagte sie zu ihrer Schwester.

„Hör bloß auf mit Schnee, ich kann bald keinen Schnee mehr sehen und sehne den Tag herbei, an dem er auf den Straßen verschwunden ist, und Paulo geht es genauso!“

„Bei uns in Hildesheim liegt auch Schnee, aber bei Weitem nicht so viel wie bei euch“, sagte Saras Vater, „als wir in Feldstadt von der Autobahn abgefahren waren, taten sich mit einem Mal vor uns große Schneeberge auf, und die Straße nach Dinkelstein war zwar geräumt, man musste aber höllisch aufpassen, dass man nicht am Straßenrand in Schneewehen fuhr.“

Wir haben in Dinkelstein Schnee wie seit Jahrzehnten nicht, und gestern hatten wir in der ganzen Stadt Stromausfall, weil die Hochspannungsleitung durch Vereisung so schwer geworden war, dass unter ihrer Last die Masten eingeknickt waren, einen Tag ohne Strom, das war eine interessante Erfahrung!“

Saras Vater schaute ganz verblüfft und sagte dann:

„Da habt ihr aber auf vieles verzichten müssen, viele Annehmlichkeiten sind doch erst durch Strom möglich!“

„Natürlich funktionierte keines unserer Küchengeräte, und wir mussten unser Gefriergut draußen im Schnee eingraben, denn kalt genug ist es ja, aber die Heizung hatte nicht funktioniert, sodass wir unseren Kamin im Wohnzimmer angesteckt haben“, sagte Paulo.

 

„Ihr Armen, hoffentlich hatte nicht alle sehr gefroren und vor allem daran gedacht, eure Kinder warm genug anzuziehen!“, sagte Saras Mutter.

„Wir haben eine Nachbarin bei uns aufgenommen, die bei sich keine Möglichkeit hatte, ein Feuer anzustecken, ja, so ein Tag ohne Strom wirft einen doch ganz schön zurück!“, sagte Paulo.

Also setzt euch doch alle an den Tisch, Marga kocht für uns Kaffee, und Paulo geht zum Bäcker und holt Kuchen!“, sagte Sara.

„Mit eurem Haus seid ja richtig fertig, oder habt ihr noch Einrichtungsvorhaben?“, fragte Saras Mutter.

„Nein, zum Glück haben wir den Einrichtungsstress hinter uns, wenn ich daran denke, wie oft wir nach Feldstadt zu IKEA gefahren sind!“, antwortete Sara. Marga begann den Tisch zu decken, und Evelyn und Saras Mutter halfen ihr dabei.

Dann kam Paulo mit einem großen Kuchentablett zurück und stellte es auf den Tisch, sodass sich jeder bedienen konnte. Marga goss jedem einen Kaffee ein und setzte sich dann auch hin:

„Wenn Arthur das alles noch erlebt hätte!“, entfuhr es ihr mit einem Mal.

„Der hätte sich doch sicher über seine Enkelkinder sehr gefreut!“, sagte Saras Vater.

„Ich bin mir sicher, dass er jetzt bei Ben und Joshua auf der Decke säße und irgendwelchen Unsinn mit ihnen anstellen würde!“, sagte Marga.

„Paulo, da hast du aber sehr guten Kuchen mitgebracht!“, sagte Evelyn, die in dem Kreis ein wenig zu kurz kam, aber das macht ihr nichts aus, dass sich alles nur um ihre Neffen drehte.

„Wenn wir nachher zu Abend essen, gehen wir beide wieder zu unserer Pizzeria und holen dort unser Essen“, sagte Paulo zu seinem Schwiegervater, „ich habe die Speisekarte ausgedruckt, sodass sich jeder etwas aussuchen kann, aber bis dahin haben wir noch etwas Zeit, und wenn ihr einverstanden seid, machen wir vor dem Abendessen noch ein kleinen Spaziergang!“, fuhr er fort.

Die „Herrengasse“ war gerade geräumt, und auch die „Pestalozzistraße“ war frei, sodass sie einen kleinen Spaziergang durch die Stadt machen konnten, vielleicht könnten Sie bis zum Bahnhof hoch durch die „Bahnhofstraße“, wenn die auch frei wäre.

Sara machte Ben und Joshua fertig und zog ihnen warme Sachen an, dann steckte sie die beiden in ihre lammfellgefütterten Schlafsäcke, und Paulo nahm den Kinderwagen aus seinem Wagen und stellte ihn vor die Haustür.

„Auf diese Weise kommen wir alle einmal an die frische Luft, wenngleich es aber bitterkalt ist,“ sagte Paulo, und tatsächlich zeigte das Außenthermometer wie schon seit Langem -10 °C.

Als Ben und Joshua in ihrem Kinderwagen saßen, schneite es ihnen wieder in die Gesichter, und sie taten ganz verstört, nach und nach gewöhnten sie sich aber an den Schneefall.

Sara stellte ihn das Kinderwagenverdeck so ein, dass sie nicht viel von dem Schnee mitbekamen, und als alle Erwachsenen ihre Mäntel angezogen und die Schals um ihre Hälse gelegt hatten, liefen sie los.

Sie liefen mit dem Kinderwagen auf der Straße, denn mit Autos war in der „Herrengasse“ nicht zu rechnen, und als sie an der „Löhrallee“ angekommen waren, konnten sie hören, wie sich der Panzer der Bundeswehr näherte.

Sara und Marga hielten Ben und Joshua die Ohren zu, damit sie nicht zu sehr erschraken.

Der Panzer schob in Mengen Schnee zur Seite, kein anderes Schneeräumfahrzeug hätte das wohl in der Geschwindigkeit geschafft. Hinter dem Panzer folgte wieder der Streuwagen, der Unmengen an Salz auf die Straße warf.

Sie mussten dann, als Panzer und Streuwagen vorbeigefahren waren, den Kinderwagen über den Schneewall heben, den der Panzer am Rand der „Löhrallee“ und an der Einmündung der Pestalozzistraße hinterließ.

Sie liefen auf den Marktplatz mit seinem Kopfsteinpflaster, das spiegelglatt war.

„Dort oben ist mein Gymnasium!“, rief Paulo und zeigte auf das Schulzentrum. Es war im Moment noch frei von Schnee, das änderte sich aber bis zum nächsten Tag.

Als sie dort angekommen waren, sahen sie, dass der Schulhof geräumt war, und das Dach hatte nur eine hauchdünne Schicht von Schnee, bald läge aber wieder 1 Meter Schnee darauf.

„Die Stadt kommt mit einem Radlader und zwei LKWs, und sie machen das Dach frei von Schnee, denn der Schnee wiegt schließlich eine Menge, unser Schwimmbad ist auf diese Weise schon am Dach beschädigt worden“, sagte Paulo.

Sie liefen wieder zum Kreisverkehr zurück und gingen geradeaus in die „Bahnhofstraße“, auch dort mussten sie den Kinderwagen über den Schneewall heben, den der Panzer hinterlassen hatte.

Sie kamen am Cinemaxx vorbei und erreichten am Ende der Bahnhofstraße den Bahnhof. Es verkehrte aber kein Zug auf der Strecke von Feldstadt nach Hermesburg, zum Ersten lag zu viel Schnee auf den Gleisen, und zum Zweiten war die Weiche in unmittelbarer Bahnhofsnähe festgefroren.

„Für solche Fälle hat die Bundesbahn spezielle Dieselloks, die, mit einem Schneepflug versehen, den Schnee von den Schienen räumen“, sagte Saras Vater.

„Ich denke dass sie Morgen oder Übermorgen daran gehen und den Schnee wegräumen, damit der Zugverkehr wieder in Betrieb kommt, wenn die Menschen schon nicht mit ihrem Auto nach Feldstadt kommen, dann müssen Sie mit dem Zug fahren können“, antwortete Paulo.

Der Bahnhof lag verwaist und zugeschneit da, man sah, dass dort seit langer Zeit kein Zug mehr gefahren war.

Die festgefrorene Weiche lag unter 1 m Schnee und zweigte unter normalen Bedingungen auf ein Abstellgleis ab, der Trend ging aber seit Längerem zu beheizbaren Weichen hin, dieser Technikfortschritt war aber noch nicht bis Dinkelstein durchgedrungen.

Sie liefen wieder zum Kreisverkehr zurück und gingen geradeaus über die „Pestalozzistraße“ bis zur Schule, dort bogen sie in die „Herrengasse“ ein und liefen wieder nach Hause.

Sara und Paulo kümmerten sich sofort um Ben und Joshua und befreiten sie von ihren warmen Sachen, sie legten sie in der Küche auf die weiche Decke und gaben ihnen ihre Bauklötze.

Dann zogen sie sich selbst aus und wärmten sich die Hände an der Heizung.

Paulo bat alle, sich an den Tisch zu sitzen und gab jedem, der wollte, einen Schnaps, er selbst trank keinen.

Er holte die Speisekarten und teilte sie aus, und alle studierten das Speiseangebot der Pizzeria.

Als jeder ausgesucht hatte, was ihm zusagte, blickte Paulo seinen Schwiegervater an, und gab ihm zu verstehen, dass sie beide noch einmal raus zur Pizzeria müssten.

Die beiden zogen ihre Mäntel über und liefen los, sie hatten vorher angerufen und ihre Bestellung aufgegeben. Als sie bei der Pizzeria ankamen, war alles abholbereit verpackt, und Paulo und sein Schwiegervater nahmen das Essen und liefen wieder zurück.

Auf dem Gehweg vor dem Haus lag wieder eine Schneeschicht, die bis zum nächsten Tag sicher einen halben Meter Dicke erreicht haben dürfte.

Ich räume nun schon seit langem regelmäßig 1 Meter Schnee von meinem Bürgersteig und auch von meinem Garagendach, ich habe auch bei der Stadt angerufen, dass sie einen Räumdienst einrichtet, der den Schnee von der Straße und vom Straßenrand abführt, und sie kommen auch und machen die Arbeit. Aber ich finde, so allmählich reicht es uns allen mit dem Schnee!“, beklagte sich Paulo bei seinen Schwiegervater.

„Ich habe ja schon gesagt, dass wir in Hildesheim auch Schnee haben, aber bei Weitem nicht so viel wie ihr hier, ich habe es überhaupt noch nicht erlebt, dass eine ganze Stadt so zugeschneit ist wie Dinkelstein.“

Dann kamen sie bei Paulo an und liefen ins Haus, wo alle schon auf ihr Essen warteten.

Marga gab eine Flasche von ihrem Moselwein aus, und Sara hatte italienischen Rotwein besorgt, Paulo trank alkoholfreies Bier.

Als jeder sein Essen vor sich stehen hatte, sagte Sara:

„Euch allen einen guten Appetit!“, und alle fingen an zu essen.

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