Bunty

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Im Dinnerjacket der Razzia entwischt

Das nun endlich als seriöse Beschäftigung anerkannte Spielen mit Autos und Motoren, das Debattieren um Kompressionswerte und Öltemperaturen, das Experimentieren mit Werkstoffen, geheimnisvollen Substanzen und mechanischen Geräten machten Buntys Studiengegenstand aus. In Cambridge warteten also neue Abenteuer – und neue Gelegenheiten, Geld loszuwerden. Seine Eltern vermochten längst nicht mehr aufzubringen, was der anspruchsvolle Herr Studiosus und künftige Ingenieur benötigte. Nebenbei einem einträglichen Job nachzugehen, war in Cambridge wie an anderen Elite-Lehranstalten weder üblich noch möglich, also lernte Bunty schon bald, einfach das Geld anderer Leute auszugeben – Geld, das jene ihm zusteckten, die ihn liebten, verehrten, bewunderten. Hinzu kam Buntys sich gut entwickelnder Geschäftssinn, der, gepaart mit einigen anderen seiner Eigenschaften, ihm ein bequemes Leben zu führen ermöglichte. Wer seine wahren Verhältnisse nicht kannte, musste den Eindruck haben, Bunty verkehre dank nobler Herkunft in nur besten Kreisen und sei von Haus aus gut betucht. Schon die Tatsache, dass der junge Mann stets einen, wenn nicht gar mehrere Wagen besaß, unter denen sich häufig teure Exoten befanden, musste diesen Rückschluss nahe legen.

Mit interessanten Fahrzeugen – ob nun gekauft, geliehen oder geschickt ergaunert – Eindruck zu schinden, entsprach ganz Buntys Sinn für exzentrische Lebensart. Er war schlichtweg ein Angeber. Aber einer, dem man die Angeberei nicht übel nahm. Weil sie nichts mit Überheblichkeit zu tun hatte, nichts mit Snobismus oder mit Prahlerei. Jeder schätzte Buntys Herzlichkeit, seine Hilfsbereitschaft, seine Liebenswürdigkeit und vor allem seinen Sinn für jede Art von Humor.

Während seiner Zeit in Cambridge hatte sich Bunty, mit wessen Geld auch immer, nach dem Verkauf seines Sizaire-Naudin einen amerikanischen Mercer Raceabout zugelegt. Tagebuchauszug: »Welch ein entzückendes Stück Technik habe ich da an die Hand bekommen. Die Mädels sind jetzt wahnsinnig hinter mir her! Es muss der einzige Mercer in England sein. Er macht einen Höllenlärm, auf dem Universitätsgelände hat man mir deshalb gestern generelles Fahrverbot erteilt. Mutter wäre sicher begeistert, würde sie den Wagen sehen …«

Im Trinity College unliebsam aufzufallen war riskant. Ein paar Semester galt es schon durchzuhalten, und das Leben in Cambridge war ja auch recht kurzweilig. Besonders abends und nachts. Das Aufsuchen von Jazzkellern wie den in der Gerard Street war den Studenten natürlich strikt untersagt, und um sicherzugehen, dass dieses Verbot auch eingehalten wurde, gab es auf Anordnung des Dekans in solchen Etablissements gelegentlich sogar Polizeikontrollen. Tagebuchauszug: »Mit knapper Not der gestrigen Razzia entkommen. Peter, Thomas und ich konnten uns durch einen Sprung auf das Musikerpodium retten. Haben Instrumente ergriffen und so getan, als seien wir Mitglieder des Orchesters. Polizei hat es offenbar geglaubt, weil wir als einzige im Publikum Dinnerjackets trugen, so wie die Musiker.«

Wären die Namen der drei zusätzlichen Hilfssaxophonisten am nächsten Tag im Polizeireport aufgetaucht, hätte dies böse Folgen für sie haben können. Mit Peter und Thomas waren Buntys Kommilitonen Cochran-Carr und Stuart-Fotherington gemeint.

An der Universität von Cambridge gab es einen Akademiker-Motorradclub, dem neben Thomas Stuart-Fotherington junge Männer wie Archie Birkin, David Murray, »Mavro« Mavrodato, Bill Dobson, Dick Chapman und Archie Frazer-Nash angehörten. Fast alle machten sich im Motorsport später einen Namen. Auch Bunty war Mitglied in diesem Club, fand Motorradfahren aber viel zu gefährlich, als dass er die Absicht gehabt hätte, an Ausfahrten oder gar Rennen teilzunehmen. Autofahren hielt er für weitaus gefahrloser. Er besaß ja auch gar kein Motorrad.

»Gestern musste ich den Mercer zurückgeben, war die letzte Rate schuldig geblieben,« vertraute er seinem Tagebuch an. »Lächerliche 75 Pfund haben mir gefehlt. Wieder mal völlig blank, Mavro kann ich nicht erneut anpumpen. Archie B. wurde bereits von Archie F. angehauen. Es ist ein Fluch, bettelarm geboren zu sein …«

Drei Tage später: »Das, was ich durch die Rückgabe des Mercer wiederbekommen habe, in einen alten Mercedes Tourer investiert. Bremsen leider etwas defekt, Schaltung furchtbar hakelig. Springt auch schlecht an. Wie haben die Deutschen 1914 den Grand Prix gewinnen können? Sie hätten den Kaiser nicht ins Exil abhauen lassen dürfen.«

Eine Woche drauf: »Unfall! Dick und David ist nicht viel passiert, George und Tom und Hugh kamen mit kleinen Schrammen davon. Habe den Mercedes in einer Haarnadelkurve bei Haverhill umgeworfen, konnte ihn nicht vorher abbremsen, kein Druck auf dem Pedal. Hugh hat den Abschleppwagen bezahlt. Wir werden den Mercedes mit vereinten Kräften wieder instandsetzen. Das Bier im Pub war lausig kalt, die beiden Mädchen dort ebenfalls. Kein besonders gelungener Tag, alles in allem.«

Es waren nicht nur exotische Luxusautos, mit denen Bunty die Grafschaften Cambridge und Suffolk unsicher machte. Dem Mercedes folgte ein bürgerlicher DFP, dann ein Alvis 12/14 hp und ein Ford A-Modell (mit dem er einen »sehr lustigen« Unfall absolvierte, wie Bunty in sein Tagebuch schrieb), und zeitweilig besaß er sogar einen Grade-Kleinwagen aus Deutschland. Den hatte er besonders günstig bekommen, weil niemand mit dessen Friktionsgetriebe umzugehen verstand. Genau das Richtige also für einen angehenden Ingenieur, dem nichts Ungewöhnliches ungewöhnlich genug sein konnte. Aber mit einem großen, schicken Austro-Daimler ließ sich natürlich sehr viel mehr Eindruck machen. Und nicht nur das: »Bei Margaret hat es endlich geklappt, sie war hinreißend geschickt. Dabei war es ihr erstes Mal in einem Auto. Ein Wagen von der Dimension meines Austro-Daimler 10/40 Horsepower ist für gewisse Handlungen einfach unentbehrlich. Hinterher Champagner (Margaret) geköpft, leider viel zu warm. Furchtbar gerülpst.«

Onkel Horace’ verderbender Einfluss

Hatte ein Mitglied des Motorradclubs ein Rennen gewonnen, gab es natürlich eine zünftige Siegerparty. Meist endeten sie mit irgendeinem Blödsinn, improvisiert oder gründlich vorbereitet. Bunty soll die Idee mit dem »Attentat« gehabt haben.

Es fand dergestalt statt, als auf dem Höhepunkt einer solchen Feier einer der Anwesenden heimlich einen Knallfrosch zündete und ein anderer gleichzeitig mit tomatenmarkbeschmiertem Frackhemd durch die Tür zum Festsaal hereinstürzte. Bunty hätte diese Rolle gern selbst gespielt, hätte aber damit rechnen müssen, dass man sein Theater sofort durchschaute. Er war es immerhin, der lauthals »Ein Anschlag! Ein Anschlag!« schrie, woraufhin jemand zum nächsten Telefon rannte und die Polizei und die Ambulanz alarmierte. Als einige Beherzte der Gesellschaft sich des im Tomatenmark wälzenden Opfers annehmen wollten, war schon die rechtzeitig vorab informierte Presse zur Stelle, Blitzlichter zuckten auf, Gelächter erschallte. Bunty und seine Freunde hatten wieder einmal erreicht, worauf es ihnen angekommen war: makabre Publicity.

Bunty hatte seinen Hang zu Vergnügen solcher Art wahrscheinlich von seinem Onkel Horace geerbt. Der hatte jede Gelegenheit genutzt, um dem Jungen Flausen in den Kopf zu setzen und ihn zu seinem Komplizen zu machen. »Er war einer, der es schaffte, sich bei einem Maskenbildner vom Theater als Sultan herrichten zu lassen und so beim Marineministerium als Emir von Marokko vorzusprechen,« erzählte mir Bunty. »Er bat zu Ehren seines Geburtstages nur um einen kleinen Gefallen, den ihm die gerade im Hafen von London weilende Königliche Flotte erweisen möge: um eine Flaggenparade, die er von der Tower Bridge aus abnehmen wollte, vom Rücksitz eines Lanchester aus. Er hat es geschafft, so wahr ich hier stehe. Ich war als sein Page dabei, mit Bademantel, goldenem Gürtel, Turban und Sonnenschirm! Natürlich wurden vorher Wetten abgeschlossen, nur darum ging es ja. Onkel Horace hat mehrere hundert Pfund kassiert. Ich glaube, er hat sie anschließend der Royal Navy für deren Witwenfonds zur Verfügung gestellt …«

Bunty: »Ein anderes Mal hat sich Onkel Horace als Elektriker ausgegeben, um angeblich als Beauftragter einer Firma für moderne Sicherheitseinrichtungen die Alarmanlage im Tower zu untersuchen. Er hat sich den dort deponierten Kronjuwelen beinahe so weit nähern dürfen, dass er sie hätte stehlen können. Ich weiß das deshalb so genau, weil ich als sein ›Assistent‹ mit dabei war. Natürlich hätte man uns nicht allein in den Tresorraum gelassen. Meine Rolle war so geplant, dass ich einen epileptischen Anfall zu bekommen hatte, wenn Onkel Horace den Juwelen nahe genug war, um das Begleitpersonal abzulenken. Aber ich habe es mit der Angst bekommen, noch bevor wir das Ziel erreicht hatten, wirklich, wir waren schließlich drauf und dran, uns am Königshaus zu versündigen … ich bin einfach getürmt, und Onkel Horace hinterher … zum Glück haben sie uns nicht erwischt …«

Ich möchte bezweifeln, dass Bunty davon ausging, die Zuhörer solcher haarsträubenden Storys würden sie für bare Münze nehmen. Vielleicht hatte Onkel Horace seinem Neffen nur einmal den Plan eines solchen Unsinns vorgetragen … denn schon beim Betreten des Tower hätte man die »Elektriker« nach ihrer Legitimation gefragt und sich bei der Firma, für welche die beiden angeblich »arbeiteten«, telefonisch erkundigt. Aber Buntys Onkel-Horace-Geschichten waren einfach zu schön, als dass man sich getraut hätte, Einzelheiten zu hinterfragen und den Erzähler damit in Erklärungsnöte zu bringen. Zumal Bunty in ähnlichen Fällen gerne antwortete: »Gut, dass du das anschneidest … ich hätte fast vergessen, auf ein paar wichtige Details zu sprechen zu kommen. Eigentlich erinnern die mich aber an eine ganz andere Geschichte …«

 

Well, this reminds me of a different story: Damit zog er sich dann aus der Affäre, und schon wechselte er zum nächsten, mindestens ebenso merkwürdigen Histörchen.

Und noch ein Ding von Onkel Horace: »Er hatte mich zum Dinner in Bertorellis berühmtem Restaurant in der Charlotte Street eingeladen. Ich war damals achtzehn. Nach dem Dessert wollte mir Onkel Horace noch das Café Royal zeigen, eine damals etwas berüchtigte Künstlerkneipe in Soho. Es regnete in Strömen, und wir hatten keine Chance, ein Taxi zu erwischen. Kurzerhand riss Horace die hintere Tür eines zufällig vor dem Restaurant wartenden Autos auf, stieß mich hinein und rückte nach. Am Steuer saß ein kleinwüchsiger Herr mit einem Bowlerhut auf dem Kopf. Damals waren die Londoner Zeitungen voller Schreckensmeldungen über amerikanische Gangster, die hier ihr Unwesen trieben, und so hatte mein Onkel ein leichtes Spiel, dem armen Kerl am Volant einen Füllfederhalter in den Rücken zu pressen und mit Texas-Akzent zu verlangen, er möge uns, ohne sich umzuschauen, ins Piccadilly Hotel fahren. Unter der Drohung, von einem der Hotelfenster aus werde er durch einen unserer Mitgangster glattweg umgelegt, falls er auch nur einen Blick auf seine Fahrgäste werfe, huschten wir im Schutz der Dunkelheit ins Hotel, verließen es durch den Nebeneingang sofort wieder und liefen hinüber ins Café Royal. Trotz strömenden Regens hatten wir es unerkannt und fast trockenen Fußes erreicht – und das gratis!«

Die Geschichte hat einen Haken. Ich wollte Bunty aber die Pointe nicht verderben, sonst hätte ich gern eingewendet, dass es im Jahre 1925 schon Innenrückspiegel gegeben habe.

Da Bunty das Fabulieren und phantasievolle Ausschmücken selbst simpelster Begebenheiten liebte, bis sie Abenteuerformat annahmen, mochte die Geschichte mit dem Gangsterüberfall möglicherweise einen wahren Kern enthalten und sich vielleicht auf profane Anhalter-Nassauerei reduzieren. Im Café Royal wird sie dann so in Umlauf gebracht worden sein, wie sie Bunty später zum Besten gab.

Lieferant des Adels und vornehmer Stände

Über den Fortgang seiner Studien hat Bunty in seinem Tagebuch nicht viel Platz verschwendet, genau genommen gar keinen. Aber etwas sehr viel Wichtigeres hat er notiert: »Last night I have decided to establish a business of my own.«

Die Eintragung datiert vom 12. April 1927. Eine Jahreszahl, die sich später auf dem Kopf seiner Briefbögen wiederfand. »Purveyor of Horseless Carriages to the Nobility and Gentry since 1927« konnte man dort lesen. Auf Deutsch: Lieferant pferdeloser Wagen an den Adel und die vornehmen Stände seit 1927.

Dieses von ihm erfundenes Prädikat war im Grunde eine Persiflage auf das berühmte »By Appointment of His Majesty the King«. Königlicher Hoflieferant zu sein und damit das Staatswappen zur Kennzeichnung eines solchen Privilegs führen zu dürfen, war der Stolz eines Kutschenherstellers wie Hooper oder Automobilfabrikanten wie Daimler of Coventry, auch Marmelade-, Seifen- und Limonadenhersteller wie Schweppes gehörten dazu. Bunty verstand es, eine Exklusivität nach seiner für ihn typischen, wirklich individuellen Art zu etablieren, die auf nichts als einer Floskel beruhte. Sie schmeichelte denen, die gar nicht gemeint waren, und erhielt im Laufe der Jahrzehnte sogar den Wert wie etwa der Slogan »Ask the man who owns one« (Packard), »Standard of the World« (Cadillac) oder »Motoring for the million« (Austin).

Man hätte auch sagen können, dass der Neunzehnjährige beschlossen hatte, Gebrauchtwagenvermittler zu werden. Ihm kam es aber darauf an, diese Betätigung vornehm zu umschreiben; das war er seiner Wesensart schuldig.

Buntys Autogeschäft nahm seinen Anfang dergestalt, als er Kommilitonen, die wie er in pekuniären Schwierigkeiten steckten, ihre kleinen Autos abschwatzte. Meist gehörten die schon etwas betagten Fahrzeuge ihnen gar nicht, sondern den jeweiligen Eltern, die ihre Söhne motorisiert hatten, wie sich das für die »Elite« eben gehörte. Nicht etwa mit einem armseligen Motorrad, sondern mit einem kleinen second-hand Auto. Bunty bot für die Kisten – häufig noch aus der Vorkriegszeit stammend – Schleuderpreise von zwanzig, dreißig Pfund und offerierte sie umgehend jüngeren Studenten im ersten Semester, die nicht zu den Privilegierten gehörten, von Haus aus mit einem Auto versorgt worden zu sein. Aber diese Neulinge verfügten fast durchweg noch über genügend Bares, und wenn Bunty ihnen einen Morris, Singer oder Whitlock für (nach ihrem naiven Ermessen) wenig Geld anbot, wurden sie schwach … Ohne die Autos auch nur eine halbe Meile bewegt zu haben, vermochte Bunty seine Opfer davon zu überzeugen, wie wichtig es sei, in Cambridge über einen eigenen Wagen zu verfügen. Zumal er einen solchen durch seine guten Verbindungen schon für fünfzig Pfund besorgen könnte …

So nahm Buntys Betätigung als Autovermittler von Tag zu Tag zu, was natürlich so viel Zeit in Anspruch nahm, dass sein Studium ins Hintertreffen geriet. Und nicht nur innerhalb akademischer Zirkel war er aktiv. Er streifte durch die Pubs der Stadt und versuchte herauszubekommen, wer wohl dringend einen Wagen benötigte – und geriet eines Abends an eine Gruppe rumänischer Geschäftsleute, die zwar keinerlei Wünsche in dieser Richtung geäußert hatten, von Bunty aber so lange malträtiert wurden, bis sie keinen sehnlicheren Wunsch hatten, als sich am nächsten Tag unbedingt ein Auto zu kaufen. Nicht irgendeins, sondern einen älteren Lincoln.

Ein Lincoln musste es deshalb sein, weil Bunty ihnen eingeredet hatte, dass gar kein anderes Fabrikat für sie in Betracht käme. Nur ein amerikanisches Prestigeauto durfte es sein! Denn einen Lincoln hatte Bunty gerade äußerst günstig angeboten bekommen, ein Achtzylinder, für das es in England damals so gut wie keinen Interessenten gab. »Sie haben den Wagen für 500 Pfund genommen und mich bestürmt, ich sollte ihnen vier weitere beschaffen, jeder von ihnen wollte einen Lincoln haben … Es war mein bestes Geschäft bisher …«

Bunty ließ die Begeisterung seiner Kunden – sie befanden sich auf Einkaufstour für Schießgerät – gar nicht erst abkühlen und versprach ihnen, innerhalb von sechs Wochen vier solcher Fahrzeuge für sie zu finden und sogar nach Rumänien zu liefern, gegen Erstattung der Fahrtkosten natürlich. Also machte er sich mit einigen Kommilitonen in London auf die Suche nach weiteren Zweithand-Lincolns, und sie trieben tatsächlich vier Stück auf – vermutlich war damit der gesamte Bestand an Fahrzeugen dieser seltenen Marke in Großbritannien beisammen. Sie existierte ja erst seit 1920. Der Ankauf hatte Buntys gesamte Barschaft in Anspruch genommen; das Geschäft durfte nicht platzen. Niemand hätte ihm diese Autos zu einem vernünftigen Preis noch einmal abgenommen.

Voller Zuversicht in Bezug auf Buntys Verkaufstalente kutschierten drei junge Engländer unter seiner Leitung die vier großen Achtzylinder diagonal über den europäischen Kontinent und hatten dabei nicht nur eine gute Zeit, sondern waren finanziell bestens dabei weggekommen.

»Bunty bestand bei unseren Abnehmern auf Bezahlung in britischer Währung,« erinnerte sich Jahrzehnte später einer der Expeditionsteilnehmer. »Doch offiziell waren in Bukarest keine Pfunde zu bekommen. Also zahlten die Herren Waffeneinkäufer einen Überpreis in rumänischen Lei und überließen es uns, das Geld auf dem Schwarzen Markt zu wechseln. Das taten wir auch, wenn der Kurs auch schlecht war. Schauerliche Gestalten waren es, die man uns andiente. Ich hätte gewettet, sie würden uns Falschgeld geben. Bunty meinte, er besäße genügend Menschenkenntnis; diese Gangster seien von der ganz ehrlichen Sorte … Wir hatten nichts Eiligeres zu tun, als die so begehrten Sterling-Pfunde noch am selben Tag, aber in einer anderen Kneipe, wieder in rumänisches Geld einzuwechseln, dadurch hatten wir zwanzig Prozent mehr Lei als vorher! Und die haben wir dann in London auf der Bank ganz offiziell wieder in Sterling gewechselt, denn die rumänische Währung wurde offiziell gar nicht so schlecht bewertet. Wir hatten die Banknotenbündel nur sicher nach England bringen müssen, und wir konnten von Glück reden, dass uns bei der Zugfahrt nach Hause niemand gründlich kontrollierte, denn Barmittel in dieser Höhe hätten wir deklarieren müssen. Wir hatten die Scheine zwischen nach Knoblauch stinkenden Wurstpaketen versteckt, die zwar das ganze Abteil verpesteten, aber als Proviant niemand weiter interessierten …«

Bunty und seine Kumpane hatten ein gutes oder sogar sehr gutes Geschäft und die nach Lincoln-Achtzylindern süchtigen Rumänen glücklich gemacht – so what?

Für Autos der Marke Lincoln und für das ferne Rumänien hatte Bunty von jetzt an besonderes Faible. »Ein Lincoln war stets ein außerordentlich solide konstruierter Wagen,« schrieb er in seinem Buch »The Thoughbred Motor Car«. »Woraus aber auch sein hohes Gewicht resultierte. Selbst als Zweisitzer karossierte Exemplare brachten mit ihren 3,45 m Radstand mehr als zwei Tonnen auf die Waage, obschon Motor- und Getriebegehäuse aus Aluminium bestanden, wie auch die Motorhaube. Die Verarbeitung eines Lincoln war perfekt, sogar die Schmiernippel wiesen vernickelte Schutzkappen auf. Mein 1939er Lincoln Zephyr, mit dem ich viel unterwegs war, bewies seine hervorragenden Eigenschaften selbst auf den miserabelsten Straßen Ungarns. Ich hatte den Wagen für 40 Pfund in London gekauft. Tausende von Meilen trug er mich ohne irgendwelche Probleme durch die Lande. Ich hatte das Auto Abraham genannt.«

Sein Studium am Trinity College musste Bunty aus zwei Gründen abbrechen. Zum einen war er seinen Pflichten nicht mehr nachgekommen; bei den Vorlesungen hatte er immer häufiger gefehlt. Zum anderen waren seine Eltern nicht mehr in der Lage, ihrem Sohn Geld zu schicken. Das Scott-Moncrieffsche Vermögen war dahingeschmolzen, und Bunty hatte trotz seines einträglichen Autohandels noch immer einen hohen Bedarf an familiärem Zuschuss. Was seine Nebenbeschäftigung ihm einbrachte, wurde stets sofort ausgegeben, meist auch wieder in Autos investiert, deren Weiterverkauf sich nicht in jedem Falle über Nacht durchziehen ließ. Also verließ Bunty sein geliebtes Cambridge – leider ohne akademischen Titel.

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