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Read the book: «Tausend Und Eine Nacht», page 56

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Hasan freute sich, wurde frohen Herzens und dankte Gott, der ihn diesen Weg der Rettung geführt und ihm die Herzen zugeneigt. Die Jüngere, die ihn so gut aufgenommen, führte ihn in ein Zimmer, aus dem sie allerlei Stoffe und Teppiche herausnahm. Nach einer Weile kamen die übrigen Schwestern von der Jagd und freuten sich, als man ihnen von Hasan erzählte; sie gingen zu ihm, grüßten ihn und wünschten ihm zu seiner Rettung Glück. Er lebte in Freude, Genuß und Liebe, ging mit ihnen auf die Jagd, schlachtete was sie gefangen, und sie freuten sich seiner Gesellschaft. So wurde bald sein Körper wieder gesund, er heilte von allen Übeln, und wurde dick und stark von der Ehre, die man ihm erwies und von seinem Aufenthalt zwischen sieben Monden, die ihn auf alle Weise zu befriedigen strebten, in einem Schloß, das mit den wunderbarsten und kunstvollsten Arbeiten ausgeschmückt war, mitten zwischen blumigen Gärten, von gleich hübschen und wohlgewachsenen Mädchen geliebt, die ihm den süßen Wein ihres Speichels zu trinken gaben. Die jüngste Schwester erzählte den übrigen die Geschichte des Magiers, der sie für Teufel ausgegeben, und alle schworen, ihn umzubringen.

Im folgenden Jahr kam der verruchte Magier Bahram wieder mit einem gefesselten Jüngling, hübsch wie der Mond, in die Nähe des Schlosses. Hasan stand an einem Bach unter den Bäumen und sah ihn. Sein Herz klopfte und er wurde blaß; er ging zu den Mädchen und sagte ihnen: »Bei Gott, meine Schwestern, helft mir diesen Verruchten umbringen, den wir jetzt leicht ergreifen können, denn er ist wieder mit einem jungen gefangenen Muselmann da, den er auf alle Weise quält. Ich will nun meine Blutrache an ihm nehmen, ihn töten, mein Herz an ihm kühlen, und diesen Jüngling befreien, ehe er ihn, wie er mir getan hat, von einem Rock auf den Berg bringen läßt und sich dann von ihm entfernt. Ich eile nun, um eine belohnungswerte Tat zu vollbringen, und gebe diesen Jüngling seiner Heimat, seinen Verwandten und Freunden zurück: diese fromme Tat übe ich für euch, daß Gott euch dafür belohne.« Die Mädchen sagten: »Wir gehorchen Gott und dir, o Bruder Hasan.« Sie verschleierten sich, zogen Kriegsgewänder an, umgürteten ihre Waffen, brachten dem Hasan ein vortreffliches Pferd und eine vollkommene Kriegsrüstung mit einem guten Schwert, und gingen auf den Magier zu.

Als sie in seine Nähe kamen, sahen sie, wie er schon ein Kamel geschlachtet und ihm die Haut abgezogen hatte, wie er den Jüngling peinigte und ihm sagte: »Stecke dich in diese Haut!« Hasan aber nahte sich unbemerkt von hinten und schrie ihn an, daß er vor Schrecken erstarrte. Dann trat er zu ihm hin und sagte: »Laß ab von diesem Jüngling, du Verruchter! du Feind Gottes und der Muselmänner! du Hund! du Treuloser! du Übeltäter! du ruchloser Anbeter des Feuers und des Lichts! du, der bei Hitze und Schatten schwört!« Als der Verruchte sich umkehrte und Hasan sah, wollte er ihn wieder mit süßen Worten täuschen, und sprach zu ihm: »O mein Sohn, wie hast du dein Leben gerettet? wie bist du vom Berg heruntergekommen?« Hasan antwortete: »Derjenige, der dein Leben in meine Hand geliefert hat, war der Retter; ich will dich foltern, wie du mich gefoltert; du Ungläubiger! du Gottloser! der vom rechten Weg abgewichen, nun bist du verloren; dir hilft kein Bruder und kein Freund mehr, dein Tod ist gewiß! Hast du nicht gesagt: Wer dem Brot und dem Salz untreu wird, den verläßt Gott? und doch warst du treulos. Nun hat dich Gott in meine Gewalt gegeben, und dein Entkommen ist fern.« Der Magier sprach: »O mein Sohn Hasan! bei Gott, du bist mir teurer als mein Leben, o Licht meiner Augen!« Hasan aber ging auf ihn zu, zog das glänzende Schwert aus der Scheide, versetzte ihm einen Hieb auf die Schultern, so daß das Schwert von seinen Lebensgeistern glänzend hervorkam und Gott sandte schnell seine Seele in die Hölle; wehe einem solchen Aufenthalt! Hasan nahm den Sack, den der Magier bei sich hatte, öffnete ihn und zog die Trommel und den Schlegel heraus. Damit trommelte er, bis die Kamele wie der Blitz herbeigelaufen kamen. Hasan entfesselte den Jüngling, sattelte ihm ein Kamel, gab ihm Lebensmittel auf die Reise und nahm Abschied von ihm. So rettete der erhabene Gott diesen Jüngling aus der Not und führte ihn in seine Heimat zurück. Die Mädchen freuten sich, als sie den Magier von Hasan erschlagen sahen, und wunderten sich, daß Gott diesen Verruchten gerade durch ihn hatte sterben lassen; sie wünschten ihm Glück zu seiner Rettung und sprachen: »O Hasan, du hast hier eine Tat vollbracht, mit der du Kranke heilst und bei dem erhabenen König Wohlgefallen findest!« Hasan kehrte mit den Mädchen ins Schloß zurück und lebte mit ihnen sehr angenehm in Essen, Trinken, Spiel und Scherz; er gedachte nicht mehr seiner Mutter. Während sie nun das freudigste Leben führten, erhob sich auf einmal ein mächtiger Staub aus der Wüste, der die ganze Luft verfinsterte. Die Mädchen sagten zu Hasan: »Steh auf, geh auf dein Zimmer, oder verbirg dich im Garten zwischen den Bäumen und Reben, dann hast du nichts zu fürchten.« Hasan verbarg sich auf seinem Zimmer, das er hinter sich verschloß. Als dann der Staub sich legte, sah man, wie sich darunter eine Armee bewegte, die wie das Meer lärmte, es waren Truppen vom Vater der Mädchen. Die Mädchen hießen die Truppen absteigen und bewirteten sie drei Tage lang. Sie fragten die Kriegsleute, wie es ihnen gehe und was sie neues bringen? Sie antworteten: »Wir kommen, um euch zu holen im Namen des Königs. Einer der Nachbarfürsten wird seine Tochter verheiraten, und euer Vater will euch die Freude machen, dem Fest beizuwohnen.« Die Mädchen fragten: »Wie lange sollen wir abwesend bleiben?« Sie antworteten: »Mit der Hin— und Herreise und dem Aufenthalt einen Monat.« Die Mädchen gingen dann zu Hasan, benachrichtigten ihn davon und sagten ihm: »Hasan, dieser Ort gehört dir, laß dir wohl sein und sei heiter! fürchte nichts, es wird niemand zu dir kommen, hier sind die Schlüssel zu unserm Schloß. Nur bitten wir dich bei unserer Freundschaft, öffne diese eine Tür nicht, denn du hast es nicht nötig!« Sie nahmen Abschied von ihm und zogen mit den Truppen fort. Als Hasan allein im Schloß war, wurde sein Herz sehr beklommen, er wurde ungeduldig, mißmutig und hatte banges Gefühl, denn seine Trauer über ihr Scheiden war groß. Er erinnerte sich ihrer Gesellschaft und Unterhaltung, und sprach folgende Verse:

»Die ganze Ebene kommt meinen Augen eng vor und mein ganzes Herz ist betrübt; alle Freude ist vorüber, seitdem sie fern sind, und der Tränen Strom ergießt sich aus meinen Augenhöhlen. Der Schlaf flieht mein Auge, seitdem sie von mir gegangen, und mein ganzes Innere ist betrübt.«

Es sagt der Erzähler der wunderbaren und entzückenden Geschichte: – und Friede sei mit unserm geliebten Herrn Mohammed, der den, der für ihn betet, vor der Feuerpein bewahrt, Gott habe Wohlgefallen an seinen reinen, vortrefflichen Verwandten und Gefährten! Amen. – Hasan ritt jeden Tag auf die Jagd, schlachtete und aß, doch ohne Lust, zehn Tage lang. Nachher wurde seine Brust sehr beklommen, und er wußte nicht mehr, was er anfangen sollte. Er ging im Schloß umher und durchsuchte alle Gemächer, bis er in die Zimmer der Mädchen kam, worin er viele Schätze und Kostbarkeiten sah, doch hatte er wegen ihrer Abwesenheit keine Freude daran; auch brannte sein Herz wegen der Tür, die er nicht öffnen sollte. Er dachte bei sich: Gewiß hat meine Freundin mir deshalb den Zugang zu diesem Zimmer versagt, weil etwas darin ist, das niemand sehen soll. Indessen hat sie das Gold nicht verschlossen, allerlei Kostbarkeiten und Kleinodien liegen auch offen da, bei Gott, ich will die Tür öffnen und sehen, was in diesem Zimmer ist, und sollte ich auch sterben müssen. Er holte die Schlüssel und öffnete die Tür, fand aber nichts als mitten im Zimmer eine Treppe von jemanischen Steinen. Hasan stieg die Treppe hinauf auf die Terrasse des Schlosses und dachte: dies ist der Ort, den ich nicht sehen sollte. Er ging auf der Terrasse herum und sah unter dem Schloß schöne Wiesen, Gärten und Bäume, Blumen, Bäche, Wildbret und Vögel, die alle den einzigen allmächtigen Gott priesen; er sah auch das Meer, das hohe Wellen schlug. So ging er lange umher und sah sich nach allen Seiten um, bis er endlich an einen Pavillon kam, der mit allerlei Edelsteinen, wie Rubin, Smaragd und Diamanten, verziert war; er bestand aus zwei Lagen Gold und einer Lage Silber. Mitten in diesem Pavillon war ein kleiner See, voll mit Wasser, und darüber ein netzförmiges Gitterwerk von Sandel-, Aloe— und anderm wohlriechenden Holze, mit goldnen Stangen, die mit allerlei Edelsteinen und Perlen verziert waren und über demselben waren Reben mit Trauben wie Rubine, jede Beere so groß wie ein Taubenei. Auf der Seite des Sees sah man einen Thron von Aloeholz, mit Perlen, Edelsteinen und mit goldenen Stangen geschmückt; die Vögel zwitscherten auf den Bäumen in verschiedenen Sprachen und priesen den einzigen allmächtigen Gott. Als Hasan dies sah, war er höchst erstaunt und wußte nicht mehr, wo er war. Er setzte sich und sah verwundert umher, ohne jemanden zu entdecken, als Vögel und Tiere; er dachte: welchem König mag wohl dieser Ort gehören? oder ist das wohl der Garten IremDer Garten Irem ist von dem gottlosen König Schedad im glücklichen Arabien erbaut worden, und wird im Koran erwähnt. Die Muselmänner betrachten ihn als den schönsten auf Erden. mit den Pfeilern, von denen man erzählt? Wer vermag so etwas herzustellen? Während er so in Verwunderung saß, kamen zehn Vögel aus der Wüste auf das Schloß zu; Hasan aber sah sie nach diesem Lusthaus fliegen, um Wasser zu trinken. Da er fürchtete, wenn sie ihn sähen, möchten sie entfliehen, stand er auf und verbarg sich vor ihnen. In einem Augenblick ließen sie sich um den See herum nieder, und er bemerkte einen von den Vögeln durch seine Schönheit vor den anderen hervorragen, und die übrigen neun umgaben ihn wie seine Diener. Der große Vogel pickte die anderen und quälte sie, bis sie vor ihm entflohen. Hasan sah allem aus der Ferne zu, ohne daß sie ihn bemerkten. Sie setzten sich dann auf den Thron, jeder Vogel aber zog mit seinen Krallen sein Kleid aus, und sieh da! es waren Federnkleider, aus denen zehn Jungfrauen schlüpften, schöner als der Mond. Sie stiegen alle in den See, badeten sich, spielten und lachten; der große Vogel aber hob sie in die Höhe und tauchte sie wieder unter, bis sie vor ihm entflohen und keiner hob die Hand gegen ihn auf.

Als Hasan sie sah, kam er ganz außer sich und verlor seinen Verstand. Er dachte, die Mädchen hätten ihm nur deshalb verboten, jene Türe zu öffnen; denn sein Herz wurde gefesselt, als er sie so ausgelassen im Wasser mit den übrigen spielen sah, und ungestört betrachten konnte, er bedauerte nur, sich ihnen nicht nahen zu dürfen. Er bewunderte besonders die Oberste der Mädchen und fiel in das Netz ihrer Liebespfeile, denn das Auge sieht, das Herz entflammt und die menschliche Leidenschaft führt zur Sünde. Er weinte und fühlte in seinem Herzen eine unauslöschliche Liebesflamme. Die Mädchen stiegen indessen wieder aus dem Bassin, der Unglückliche aber blieb immer in ihre Betrachtung versunken und bewunderte Gottes Geschöpfe: doch was kann Gott nicht schaffen! Wie sein Auge wieder auf die Oberste der Mädchen fiel, da flog sein Verstand ganz davon. Als alle aus dem Wasser waren, zogen sie ein mit Gold, Perlen und Edelsteinen besetztes Kleid an, nur die Oberste trug ein grünes Gewand. Der Glanz ihres Angesichts überstrahlte den Vollmond, und ihr schöner Wuchs alle Baumzweige; und das Verlangen nach ihr raubte jedem den Verstand; sie war, wie der Dichter sagt:

»Ein munteres Mädchen, von deren Wangen die Sonne ihren Glanz entlehnt, erschien in einem grünen Hemd, wie ein grünes Blatt mit Kirschen.«

Als sich die Mädchen angekleidet hatten, setzten sie sich, unterhielten sich miteinander und lachten; die oberste aber neckte immer die andern, fiel bald über diese und bald über jene her, und keine wagte es, die Hand gegen sie auszustrecken. Hasan stand auf glühenden Kohlen, ganz von Sinnen und vor Liebe außer sich, und sprach zu sich: »O hätte ich doch diese Tür nicht geöffnet, und diese Reize nicht gesehen. Wie willst du, Hasan, zu ihrem Besitz gelangen? wie willst du dir einen Vogel, der in der Luft fliegt, zueignen? Bei Gott, Hasan, du hast dich in ein bodenloses Meer geworfen und in eine Sache eingelassen, der du nicht gewachsen bist; du mußt nun aus Verzweiflung sterben, und niemand wird deinen Tod erfahren, wie sollten solche Reize mich nicht töten?« Er betrachtete dann noch einmal das schöne Mädchen, das alle Menschen an Schönheit übertraf. Und wie anders? ihr Mund war wie Salomos Siegelring, ihre Haare wie die finstere Nacht, ihre Augen bezaubernd wie die der Gazelle, ihre Nase wie die eines Adlers. Sie hatte Wangen wie Anemonen, Lippen wie Rubinen, Zähne wie Perlen in Korallen gereiht, eine Zunge voll Süßigkeiten wie ein königlicher Tisch, einen herrlichen Busen, kurz, alle ihre Reize waren vollkommen, wie der Dichter sagt:

»Ein schönes Mädchen! ihr Speichel ist wie Honig, ihr Auge schärfer als ein indisches Schwert; ihre Bewegungen beschämen die Zweige des Ban, und wenn sie lächelt, so gleicht sie der Arthemis. Du sagst, ihre Wangen seien wie Doppelrosen, doch sie empört sich darüber und spricht: Wer wagt es, mich mit einer Rose zu vergleichen? wer schämt sich nicht, zu behaupten, mein Busen sei so reizend wie die Frucht eines Granatapfelbaumes? Bei meiner Schönheit und Anmut! bei meinen Augen und schwarzen Haaren! wer wieder solche Vergleiche macht, den verbanne ich aus meiner Nähe und töte ihn durch die Trennung; denn findet er in den Zweigen des Ban meinen Wuchs, und in den Rosen meine Wangen, was hat er bei mir zu suchen?«

Die Mädchen lachten und spielten immer fort, Hasan aber bewunderte ihre Reize und vergaß seine Schwestern, deren Abwesenheit ihn so verstimmt hatte, bis zur Asserzeit. Da sagte die Schöne zu den übrigen: »O ihr Prinzessinnen! es wird spät, wir haben noch weit und sind schon müde, kommt, laßt uns aufbrechen!« Sie zogen hierauf alle zugleich ihre Federnkleider an und flogen, wie sie gekommen waren, als Vögel davon, die Schöne aber flog in der Mitte, und Hasan verzweifelte. Er wollte aufstehen, konnte aber nicht: er weinte, jammerte und sprach folgende Verse:

»Ich wäre ein Treuloser, wenn ich, nach eurer Entfernung, die Süßigkeit des Schlafes kostete. Seitdem ihr geschieden, haben sich meine Augen nicht mehr geschlossen, auch schmeckt mir keine Ruhe seitdem ihr fortgewandert. Es ist mir, als sehe ich im Traum euer Bild, o wären die Träume doch wahr! ich liebe den Schlaf nur in der Hoffnung, euch im Traum zu sehen!«

Er ging dann ein wenig und setzte sich wieder, konnte aber nur mit großer Mühe den Weg finden, um wieder in die untere Etage des Schlosses zu gelangen, dann schleppte er sich so fort, bis er an die Tür des Zimmers kam. Als er darin war, schloß er sie, legte sich hin, war aber ganz in Gedanken versunken, aß und trank nicht und konnte den ganzen Tag keine Ruhe finden. Als es Nacht wurde, weinte und seufzte er; er erwähnte den Namen unseres Herrn Mohammed, und sprach folgende Verse:

»Die Vögel flogen abends davon und schrieen: Wer aus Liebe stirbt, hat keine Schuld, solange man beisammen verweilt, kann man nicht von Liebe sprechen, wird aber die Sehnsucht heftig, so bleibt sie nicht mehr verborgen. Mir erschien das Bild derjenigen, deren Stirne dem Morgen gleicht, und sie verwandelt meine Nacht in Tag. Ich seufze nach ihr, wenn freie Menschen schlafen und den Kelch der Ruhe schlürfen. Ich bin freigebig mit meinen Tränen, ich gebe gerne all mein Gut, mein Herz und meinen Verstand, denn Freigebigkeit ist Gewinn. Was bleibt dem Liebeskranken übrig, als der Liebe alles zu opfern? Man sagt, es ist verboten, vergängliche Dinge zu lieben, und erlaubt der Liebenden Blut zu vergießen. So oft mir dein Bild vorschwebt, klage und seufze ich, denn was kann der Verzweifelte mehr tun, als klagen, da er doch ohne Flügel nicht fliegen kann!«

Als die Sonne aufging, öffnete er die Zimmertür und stieg wieder auf die Terrasse; er setzte sich an eine Stelle, dem Altan gegenüber und wich nicht bis abends; die Vögel aber kamen nicht, und er weinte solange, bis er ohnmächtig auf den Boden fiel. Als er wieder zu sich kam, stieg er hinunter. Er legte sich nieder, bis der nächste Morgen begann und die Sonne Berge und Täler beleuchtete, hatte jedoch keine Ruhe; die ganze Nacht schlief er nicht, konnte weder essen noch trinken; er war traurig und niedergeschlagen, weil er immer an seine Liebe dachte, und sprach folgende Verse:

»Sie beschämt die leuchtende Morgensonne und alle Baumzweige; o möge doch das Schicksal sie mir zurückbringen, damit sie den Trennungsschmerz mildere und mein Herz beruhige; o könnte ich des Abends sie umarmen und Wange auf Wange, und Hals auf Hals legen! Wer sagt, die Liebe sei süß? gewiß hat die Liebe gar zu bittre Tage!«

Als Hasan diese Verse vollendet hatte, sah er einen großen Staub sich aus der Wüste erheben; er ging schnell hinunter und verbarg sich, denn er dachte, daß es die Bewohner des Schlosses seien. Sehr bald darauf erschienen wirklich die sieben Mädchen mit Soldaten, die sich im ganzen Schloß verbreiteten. Sie zogen ihre Kleider und Kriegsrüstung aus, die Jüngste aber, Hasans Freundin, ging sogleich, ohne sich umzukleiden, auf sein Zimmer, fand ihn jedoch nicht; sie suchte solange, bis sie ihn in einem anderen Zimmer erblickte; er war schwach, mager und blaß und hatte hohle Augen, weil er weder gegessen, noch getrunken, noch geschlafen hatte, alles aus Liebe und Sehnsucht nach dem Mädchen. Als seine Freundin ihn in diesem Zustand fand, wurde ihr ganz unwohl; sie fragte ihn, was ihm zugestoßen, und sprach: »O erzähle mir‘s doch, ich gebe mein Leben hin, mein Bruder! um dir zu helfen.« Hasan weinte, bis er in Ohnmacht fiel, und sprach dann folgende Verse:

»Bleib fern von Zuständen, die gelbe Flecken erzeugen! von innen Verwesung, von außen Brand. Der Anfang ist Erinnerung und das Ende ist Kummer.«

Seine Freundin staunte über diese beredten Worte, und sagte zu ihm: »O mein Bruder! wann ist dir ein solches Unglück widerfahren, daß du solche Verse im Munde führst und so viele Tränen vergießt? Bei Gott und bei dem Brot, das wir zusammen genießen, erkläre mir deinen Zustand und verhehle mir nichts, sage mir, was dir in meiner Abwesenheit widerfahren, denn dein Zustand betrübt mich sehr.« Hasan seufzte und vergoß Tränen wie ein Platzregen; er sprach: »Ich fürchte, o Schwester! du wirst mir nicht beistehen in meinem Verlangen, und ich werde aus Verzweiflung sterben müssen.« Sie aber schwor: »Bei Gott, mein Bruder, ich verlasse dich nicht und kostete es auch mein Leben!« Hasan erzählte ihr, daß er die Tür geöffnet habe und was er gesehen, von Anfang bis zu Ende, wie ihn nun die Liebe zu dem Mädchen so unglücklich mache, daß er schon zehn Tage weder an Essen noch Trinken Freude habe; er weinte dann wieder und sprach folgende Verse:

»Gib mir das Herz zurück, wie es in meiner Brust war, gib meine Augen dem Schlaf zurück, dann scheide! glaubtet ihr, die Nächte würden den Liebesbund lösen? möge jeder untergehen, der ihn bricht!«

Er setzte seine Klagen solange fort, bis seine Freundin ihn bemitleidete und mit ihm weinte. Sie sprach zu ihm: »Sei frohen Herzens und heitere Auges! ich will jede Gefahr mit dir teilen und auf Mittel denken, wie du in ihren Besitz gelangst, müßte ich auch mein eigenes Leben dabei opfern! Verbirg jedoch dein Geheimnis vor meinen Schwestern, sonst sind wir beide verloren. Wenn sie dich fragen, ob du jene Türe geöffnet hast, so antworte: Nein, sondern ich bin niedergeschlagen von meiner langen Einsamkeit in diesem Schloß, es wurde mir in eurer Abwesenheit gar zu unheimlich.« Hasan sagte: »Dein Rat ist gut, ich will ihn befolgen.« Er heiterte sich wieder auf, öffnete jedoch aus Furcht vor den Mädchen die Tür nicht mehr, seine Lebensgeister aber kehrten wieder zu ihm zurück. Als seine Freundin dies bemerkte, brachte sie ihm zu essen und zu trinken, ging zu ihren Schwestern und sagte ihnen mit Tränen in den Augen, ihr Freund sei krank und habe schon zehn Tage lang nichts gegessen. Als sie fragten, was er für eine Krankheit habe, antwortete sie: »Sie entstand aus Verlangen nach uns, denn die Tage unserer Abwesenheit schienen ihm länger als tausend Jahre. Der Unglückliche ist zu entschuldigen, er ist hier fremd und mußte ganz allein bleiben, ohne Gesellschaft und Erheiterung; er ist noch so jung, ihn schmerzt die Trennung von seiner Mutter, die eine alte Frau ist und um ihn weint, und die er nur in unserer Gesellschaft vergessen hatte.« Als die Schwestern dies hörten, weinten sie aus Mitleid mit ihm; sie entließen die Truppen, gingen zu Hasan und grüßten ihn; ihr Kummer war groß, als sie sahen, wie seine Reize abgenommen hatten und wie mager sein Körper geworden war. Sie weinten, trösteten ihn und erzählten ihm alles Wunderbare, was sie auf der Reise gesehen, und was dem Verlobten widerfahren sei. So suchten sie ihn mit den süßesten Reden aufzumuntern: wie konnte er sieben Mädchen, schön wie der Mond, länger widerstehen? Doch war Hasan so sehr mit seiner Liebe beschäftigt, daß ihm die Gesellschaft der Mädchen gar nicht angenehm war, denn er wollte wieder aufs Schloß steigen. Die Mädchen verließen ihn aber einen ganzen Monat lang nicht, und bedauerten ihn sehr, da sie seine Krankheit täglich zunehmen sahen. Nach einem Monat hatten jedoch die Mädchen wieder Lust, auf die Jagd zu reiten. Sie fragten die Jüngste, ob sie mit wolle? Diese aber antwortete: »Bei Gott, meine Schwestern, ich kann nicht mit euch gehen, solange mein Freund in einem so kranken Zustand ist.« Die Mädchen lobten die gute Tat ihrer jüngsten Schwester, und sagten: »Du wirst gewiß einst den Lohn ernten für die Wohltaten, die du diesem Fremden erweist.« Mit diesen Worten verabschiedeten sie sich, nahmen Lebensmittel auf zwanzig Tage mit und ritten fort.

Sobald die Mädchen das Schloß verlassen hatten, ging die jüngste Schwester zu Hasan und sagte ihm: »Steh auf und zeige mir den Ort, wo du die Mädchen gesehen.« Voller Freude, weil er schon der Erfüllung seiner Wünsche entgegensah, rief er: »Im Namen Gottes!« und wollte mit ihr gehen. Er war aber so schwach, daß er gar nicht aufstehen konnte, und seine Freundin mußte ihn auf ihren Armen tragen. Sie öffnete die Tür, die zur Treppe führte, und stieg mit ihm auf die Terrasse. Als sie oben waren, zeigte ihr Hasan die Stelle, wo er die Mädchen nackt gesehen, sowie auch den Pavillon und das Bassin, in das sie gestiegen. Dann sagte sie: »Beschreibe mir das Aussehen deiner Geliebten.« Als Hasan sie beschrieb, wurde seine Freundin plötzlich ganz blaß. Hasan fragte: »Was hast du? Warum wirst du auf einmal so entstellt?« Sie antwortete: »Wisse, mein Freund, dieses Mädchen ist die Tochter des mächtigsten Königs der Genien, ihr Vater herrscht über Menschen und Djinn, über Zauberer und Wahrsager und über viele Stämme; auch unser Vater steht unter seiner Oberherrschaft. Er hat viele Verbündete und gebietet über weite Länder und Städte und Inseln, niemand kann ihn bezwingen, so zahlreich ist seine Armee, so groß sein Königreich und so unermeßlich sein Schatz. Er hat seinen Töchtern, die du gesehen, ein Land, das man in nicht weniger als einem Jahr durchreisen kann, übergeben; kein Mensch und kein Djinn kann dahin gelangen, denn es ist rings umher von einem Strom umgeben. Unter seinen vielen Truppen befindet sich auch eine Abteilung, die aus fünfundzwanzigtausend kriegerischen Mädchen besteht, welche, wenn sie ihre Pferde besteigen, die tapfersten Helden schlagen, und seine sieben Töchter haben mehr Mut und Kraft, als ein Löwe. In dem eben erwähnten Land, das eine Ausdehnung von einer jährigen Reise hat, regiert die älteste Prinzessin, welche so viel Klugheit, List, Tapferkeit, Ritterlichkeit und Zauberkünste besitzt, daß, wenn sie wollte, sie leicht unser Reich zerstören könnte; die Mädchen, die sie begleiten, sind die Großen ihres Reichs und ihre Leibwache, und die Federhäute, mit denen sie fliegen, sind Zauberwerk von Genien. Willst du diese Prinzessin, diese ausgezeichnete Perle, dir zueignen und an ihren Reizen dich ergötzen, so warte hier, denn sie kommt am Anfang jeden Monats hierher; wenn aber die Mädchen kommen, so verbirg dich recht sorgfältig, denn wenn sie dich erblicken, so sind wir verloren, wir alle samt unserem Vater. Merke dir nun wohl, was ich dir sage, bleibe in der Nähe irgendwo sitzen, wo du sie sehen kannst, ohne von ihnen gesehen zu werden; wenn sie dann ihre Kleider ausziehen, so gib acht, wo die Prinzessin ihr Federkleid hinlegt, nimm es und verwahre es wohl, denn nur mit diesem Kleid kann sie nach ihrem Reich zurückkehren. Laß dich aber ja nicht von ihr bereden, wenn sie es zurückfordert und sagt: ich bin ja bei dir, du kannst mich ja festnehmen; denn sobald sie ihr Kleid hat, bringt sie dich um, zerstört unser Schloß und tötet unsere Vater. Sehen dann die anderen Mädchen, daß das Kleid der Prinzessin gestohlen worden, so fliegen sie fort und lassen sie allein. Sobald du bemerkst, daß sie die Hoffnung, ihre Gefährtinnen wiederzusehen, aufgegeben hat, so gehe auf sie zu, ergreife sie bei den Haaren, ziehe sie zu dir hin, und führe sie in dein Gemach, denn du bist ihr Herr. Verwahre aber das Federnkleid wohl, denn solange du dieses hast, ist sie in deiner Gewalt. Ich rate dir daher, ihr gar nicht zu sagen, daß du es genommen.«

Als Hasan diese Rede seiner Freundin hörte, beruhigte sich sein Gemüt, er erhob sich neu gestärkt, küßte das Haupt seiner Freundin und betete für sie. Sie gingen dann wieder herunter und brachten die Nacht beisammen im Schloß zu. Sobald am folgenden Morgen die Sonne aufging, stieß Hasan wieder auf die Terrasse, die er bis abends nicht verließ, so daß seine Freundin ihm zu essen und zu trinken hinaufbringen mußte. So ging das fort, bis der Neumond ihm das erwartete Glück brachte; denn mit ihm kamen auch die Vögel wie der Blitz herangezogen. Hasan verbarg sich schnell an einem Ort, wo er sie sehen konnte, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Sie ließen sich herunter und zogen ihre Federgewänder aus. Der große Vogel zog nach Gottes Bestimmung sein Gewand in der Nähe Hasans aus, und ging ins Bassin zu den übrigen Vögeln. Hasan machte sich ganz leise unter Gottes Schutz auf und nahm, während sie im Wasser untertauchten und allerlei Scherze trieben, ohne von ihnen bemerkt zu werden, das Gewand der Prinzessin weg. Nach dem Bad stiegen sie wieder aus dem Bassin, und jede zog ihr Gewand wieder an. Als aber die Prinzessin, welche zuletzt ausgestiegen war, ihr Federkleid nicht mehr fand, da stieß sie ein lautes Geschrei aus und schlug sich ins Gesicht; die anderen Mädchen kamen zu ihr und fragten sie, warum sie so jammere; und als sie hörten, daß sie ihr Federgewand vermisse, weinten sie mit ihr und wußten nicht, was sie von diesem Raube denken, noch was sie tun sollten. Da es indessen schon spät war und sie fürchteten, es möchte ihnen, wenn sie länger blieben, auch ein Unglück widerfahren, nahmen sie Abschied von ihr und flogen davon. Als sie sich entfernt hatten, sagte sie: »Ich beschwöre dich bei Gott, du, der du mein Kleid genommen, gib mir es zurück; Gott lasse dich nie einen solchen Verlust fühlen!«

Sobald Hasan diese Worte hörte, die süßer als Julep waren, bemächtigte sich seiner eine heftige Leidenschaft, die ihm alle Besinnung raubte; er stürzte gewaltig auf sie zu, faßte sie bei den Haaren, zog sie an sich, trug sie in sein Zimmer hinunter und warf ein seidenes Tuch über sie. Er schloß dann das Zimmer zu und ging, um seiner Freundin zu sagen, daß er nun seine Geliebte in seiner Macht habe, daß sie aber weine und vor Verzweiflung sich in die Hand beiße. Als seine Freundin dies hörte, ging sie mit ihm auf sein Zimmer und küßte die Erde vor der niedergeschlagenen Prinzessin und grüßte sie. Diese rief: »So schlecht behandelt ihr Prinzessinnen? Ihr kennt doch meinen Vater, seine Macht, sein Reich und seine Armee; ihr wißt, daß alle Könige furchtsam vor ihm zittern wegen seiner vielen Zauberer, Gelehrten, Wahrsager, Genien, Dämonen und Truppen, welche so zahlreich sind, daß nur der erhabene Gott ihre Zahl kennt, und dennoch beherbergt ihr einen Mann bei euch und macht ihn mit unsern und euren Zuständen bekannt. Wie seid ihr zu diesem hergelaufenen Fremden gekommen?« Hasans Freundin antwortete: »O Prinzessin, der Mann hat nichts Böses vor, die Weiber sind ja doch nur für die Männer, und die Männer für die Weiber geschaffen; er hat nur einen Blick auf dich geworfen, und dahin ist seine Gesundheit und Heiterkeit.« Sie erzählte ihr dann alles, wie sie es von Hasan vernommen, redete ihr freundlich zu und suchte sie zu trösten, aber die Prinzessin blieb eine Weile ganz bewußtlos.

Als die Prinzessin wieder zu sich kam, fiel Hasans Freundin teilnehmend über ihre Hände und Füße her und küßte sie. Dann holte sie ihr ein schönes Kleid und zog es ihr an, brachte ihr Speisen und aß mit ihr, suchte sie durch gute Worte aufzuheitern und ihr für Hasans Schicksal Mitleid einzuflößen: aber die Prinzessin weinte die ganze Nacht durch.

Am folgenden Morgen, als sie sah, daß ihr Jammern ihr keine Rettung verschaffte, hörte sie auf zu weinen, wurde ruhiger und sagte: »Gott hat nun einmal über mein Haupt beschlossen, ich soll in der Fremde, fern von meinen Verwandten und von meinem Vaterland, leben; ich muß den Ratschluß des Herrn mit Ergebung ertragen.« Hasans Freundin richtete ihr dann ein Zimmer im Schloß her, leistete ihr Gesellschaft und tröstete sie so lange, bis sie endlich ganz munter wurde und sich nicht mehr über ihre Trennung von den Ihrigen betrübte. Jene ging dann zu Hasan und sagte ihm: »Geh zu deiner Geliebten, küsse ihr Haupt und ihre Hände und sei recht zärtlich gegen sie.« Hasan besuchte sie, küßte ihre Füße, ihr Haupt und ihre Wangen, und sagte ihr: »O Herrin der Schönen, Leben der Seele, Freude des Auges! Sei doch ganz ohne Sorgen, ich werde dich nicht hintergehen, ich will dein Sklave sein bis zum Tode, und diese meine Freundin erbietet sich als deine Sklavin; auch fordere ich nichts, was den Geboten Gottes und seines Propheten (Gott sei ihm gnädig!) zuwider ist, ich will dich gesetzmäßig heiraten, und mit dir nach meinem Vaterland, nach Bagdad, reisen, wo meine teure Mutter wohnt, die dich mit ihren Augen bedienen wird; auch kaufe ich dir Sklaven und Sklavinnen. Sieh, unser Land ist hübsch und von schönen Menschen mit freundlichen Gesichtern bewohnt.«