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Read the book: «Tausend Und Eine Nacht», page 43

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Die Mutter Badial Djamals blieb so zwei Monate lang in unserm Garten; dann reiste sie wieder in ihre Heimat, gab aber vorher meiner Mutter etwas und sagte ihr: Wenn du mich nötig haben wirst, so komme ich zu dir mitten in den Garten. Badial Djamal kam nun jedes Jahr mit ihrer Mutter und blieb eine Zeitlang bei uns; dann kehrte sie wieder in ihre Heimat zurück. Wäre ich bei meiner Mutter, o Seif Almuluk! und hätte ich dich in unserem Land kennengelernt und wir wären wie früher vereint gewesen, so würde ich schon Mittel gefunden haben, sie zu überlisten und deinen Wunsch zu erfüllen. Doch jetzt bin ich fern von meinem Vaterland und sie wissen nichts von mir; denn wüßten sie es, sie könnten mich schon von hier befreien; doch muß die Sache dem erhabenen Gott überlassen werden! was soll ich tun?« Seif Almuluk sagte: »Mache dich auf, ich will mit dir entfliehen!« Sie versetzte aber: »Wo können wir hingehen? Bei Gott! wenn du auch die Strecke eines Jahres hier zurückgelegt hast, so wird dich dieser Verruchte doch in einem Augenblick erreichen und dich und mich umbringen.« Da sagte Seif Almuluk: »So will ich mich hier irgendwo verbergen, und wenn er an mir vorübergeht, ihn mit einem Schwert töten.« Da antwortete Dawlet Chatun: »Du kannst ihm nicht eher etwas anhaben, bis du seinen Geist vernichtet hast.« Seif Almuluk fragte: »Und wo ist sein Geist?« Sie antwortete: »Ich habe oft danach gefragt und er wollte mir es nicht sagen, bis ich eines Tages in ihn drang, worüber er böse wurde und mir sagte: Wie lange wirst du noch nach meinem Geist fragen? Was hast du mit meinem Geist zu schaffen? Meine Antwort war: Bleibt mir außer dir noch sonst jemand übrig? Befinde ich mich wohl für mein ganzes Leben? Meine Seele liebt ja die deinige, und wenn ich nicht für dein Leben wache und es in das Schwarze meines Auges setze, was soll aus dem meinigen werden, wenn du nicht mehr bist? Laß mich nun deinen Geist kennen, damit ich ihn wie dieses Auge hier bewahre! Hierauf sagte er mir: Seit meiner Geburt haben mir die Sterndeuter gesagt, mein Geist werde durch die Hand eines menschlichen Prinzen vernichtet werden, darum nahm ich ihn, legte ihn in den Kropf eines Sperlings, sperrte diesen in eine Büchse und die Büchse in sieben Schachteln, die Schachteln in sieben Kisten, die Kisten in einen marmornen Behälter, und diesen begrub ich an der Küste dieses Meeres, das von jedem Land entfernt ist, und wohin kein Mensch kommen kann. Ich wiederhole dir aber: sage es niemand, es bleibt ein Geheimnis zwischen dir und mir! Ich antwortete ihm: Wer kommt denn zu mir oder sieht mich außer dir, daß ich‘s ihm sagen sollte? Dann fuhr ich fort: Bei Gott! du hast deinen Geist an einen vortrefflichen Ort gelegt, wohin außer dir niemand gelangen kann; denn wie sollte jener Mensch (der Prinz) oder irgend jemand denselben entdecken können? Hierauf antwortete er: Der Prinz soll einen von Salomos Ringen, Friede sei mit ihm! am Finger haben; wenn er denselben auf die Oberfläche des Wassers und seine Hand darauf legt und spricht: Bei diesem Namen! du Seele jenes Geistes, komm herauf! so soll, wie mir die Sterndeuter sagten, der marmorne Sarg von selbst in die Höhe sich heben und samt den Kisten und Schachteln in Stücke gehen. Mit diesem Zeichen wird der Sperling aus der Büchse hervorkommen und alsdann erwürgt werden. Ich aber muß dann sterben.«

Seif Almuluk sagte: »Ich bin jener Prinz und hier ist Salomos Ring an meinem Finger; folge mir an das Meeresufer, damit wir sehen können, ob der Geist wahr gesprochen oder nicht!« Sie machten sich auf und gingen zusammen ans Meer. Dawlet Chatun blieb am Ufer stehen, Seif Almuluk aber legte den Ring aufs Wasser und sagte: »Bei den Namen, die auf diesem Ring sind, Geist des Sohnes des blauen Königs, komm hervor!« Sogleich fing das Meer an zu toben und der Behälter kam herauf; Seif Almuluk schlug ihn gegen einen Stein, daß er zerbrach, dann zerschmetterte er die Kisten und Schachteln, nahm den Sperling aus der Büchse und würgte ihn; darauf ging er zurück ins Schloß mit der Prinzessin und setzte sich neben sie auf den Thron. Während sie so dasaßen, stieg Staub auf und es erschien eine ungeheure Gestalt, die also sprach: »O Prinz! laß mich leben und schenke mir die Freiheit! ich werde dir zur Erfüllung deines Wunsches verhelfen.« Dawlet Chatun aber sagte zu Seif Almuluk: »Was stehst du hier lange müßig? Töte den Sperling, sonst wird der Verruchte auf uns eindringen, dir ihn wegnehmen und dich und mich umbringen!« Seif Almuluk erwürgte vollends den Sperling; der Geist aber stürzte vor der Tür des Schlosses nieder und wurde zu einem Haufen schwarzen Staubes. Dawlet Chatun sagte: »Nun wären wir von der Gewalt dieses Verruchten befreit, was aber fangen wir jetzt an?« Seif Almuluk sagte: »Wir müssen auf Gott vertrauen, der uns so heimgesucht, er wird uns leiten und unsere Rettung herbeiführen.« Dann raffte sich Seif Almuluk auf, hob mehrere Türen des Schlosses aus, welche von Aloe— und Sandelholz und mit goldenen und silbernen Nägeln beschlagen waren; dann zog er von den Vorhängen die Schnüre ab, die vom feinsten Hanf mit Baumfasern zusammengeflochten waren, band damit die Türen zusammen und machte mit Hilfe Dawlet Chatuns eine Art Floß daraus; dann schleppten sie zusammen dieses Floß ins Meer und befestigten es an Pfählen. Als dies geschehen war, kehrten sie ins Schloß zurück und trugen die goldenen Schüsseln und silbernen Platten, die Juwelen und Edelsteine, samt allem, was sonst im Schloß war, auf das Floß und bestiegen es im Vertrauen auf Gott. Zwei Stücke Holz dienten ihnen als Ruder; sie banden das Seil los und ruderten mit dem Floß mitten ins Meer, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollten. Der Wind trieb das Floß vier Monate umher, bis endlich ihre Lebensmittel zu Ende waren. So oft Dawlet Chatun schlief, saß Seif Almuluk hinter ihr, und wenn dieser schlief, saß sie hinter ihm, und ein Schwert lag zwischen ihnen (d. h. sie berührten sich nicht.) Eine Nacht, als Seif Almuluk schlief und Dawlet Chatun wachte, bemerkte sie, wie das Floß sich dem Land näherte, und in einen Hafen lief, in welchem viele Schiffe lagen; wie sie nach demselben hinsah, hörte sie, wie ein Mann (es war der oberste Schiffskapitän) mit einigen Matrosen sprach, woraus sie schloß, daß sie nun an ein bewohntes Land und an eine Stadt gekommen seien. Sie freute sich sehr, weckte Seif Almuluk aus dem Schlaf und sagte ihm: »Steh auf, frage den Schiffskapitän, der am Meer steht, wie dieser Ort heißt und was das für ein Hafen ist?« Seif Almuluk stand freudig auf und fragte: »Freund! wie heißt diese Stadt und dieser Hafen?« Der Hauptmann antwortete: »Du Lügengesicht, du Einfaltsbart, wenn du diese Stadt und diesen Hafen nicht kennst, wie bist du hierher gekommen?« Seif Almuluk antwortete: »Ich bin ein Fremder, der mit anderen Reisenden auf einem Schiff war, das Schiffbruch litt und unterging, ich allein habe mich auf einem Brett, das ich bestiegen, hierher gerettet; darum fragte ich dich; Fragen ist doch keine Schande!« Der Mann antwortete: »Diese Stadt heißt die Bewohnte, und dieser Hafen heißt der zwischen zwei Meeren.«

Als Dawlet Chatun dies hörte, freute sie sich und sagte: »O Seif Almuluk! höre die gute Botschaft, die Hilfe ist nahe, denn der König dieser Stadt ist mein Oheim und heißt Ali Almuluk (der höchste König): frage ihn einmal, ob es nicht so ist!« Da fragte ihn Seif Almuluk: »Heißt nicht der König dieser Stadt Ali Almuluk?« Der Kapitän antwortete ganz zornig: »Wie wunderlich bist du? Zuerst sagst du, du seiest niemals hierher gekommen, seiest ein Fremder, woher weißt du nun, wie diese Stadt und ihr König heißt?« Als Dawlet Chatun den Kapitän so sprechen hörte, erkannte sie ihn; er hieß Muin Arriasah (Helfer der Oberherrschaft); sie sagte zu Seif Almuluk: »Sage ihm: komm Muin Arriasah, deine Herrin will dich sprechen!« Seif Almuluk sprach diese Worte aus, worüber der Kapitän, als er das hörte, in den heftigsten Zorn geriet und sagte: »Du Hund! du Dieb! du bist gewiß ein Spion! Woher kennst du mich?« Er rief dann einem Matrosen zu: »Gib mir einen Eschenstock, damit ich zu diesem Unreinen gehe und ihm den Hirnschädel einschlage, weil er so verrückt schwatzt!« Man gab dem Kapitän einen Stock, womit er drohend auf das Floß zuging, als er auf einmal ein herrliches, wunderbares Geschöpf erblickte; sein Verstand kam in Verwirrung, endlich bemerkte er, daß es ein Mädchen, strahlend wie die Sonne, war. Er fragte Seif Almuluk: »Was hast du da für ein Mädchen bei dir?« Er antwortete: »Sie heißt Dawlet Chatun.« Da fiel der Kapitän in Ohnmacht, wie er ihre Stimme erkannte; denn er wußte, daß es die Stimme der Nichte seines Königs war. Als er wieder zu sich gekommen war, bestieg er sein Pferd, ritt in die Stadt nach dem königlichen Schloß und sagte dem Diener: »Melde dem König, Muin Arriasah habe eine gute Botschaft zu überbringen, die ihn erfreuen werde.« Als der Diener dies meldete, gab der König dem Kapitän die Erlaubnis, hereinzukommen. Muin Arriasah ging hinein, küßte die Erde und sagte: »König! ich bringe dir die Nachricht, daß deine Nichte Dawlet Chatun soeben ganz wohl auf einem Floß, in Gesellschaft eines jungen Mannes, der schön ist wie der Mond in der vierzehnten Nacht, in den Hafen eingelaufen ist.« Wie der König dies vernahm, freute er sich sehr, machte dem Kapitän reiche Geschenke und ließ die Stadt wegen der glücklichen Ankunft seiner Nichte festlich schmücken. Kaum waren sie in der Stadt angekommen, so schickte der König Boten zu seinem Bruder Tadj Almuluk (Krone der Könige), der sogleich zu seiner Tochter kam und einige Zeit mit ihr bei seinem Bruder blieb; dann nahm er seine Tochter und Seif Almuluk mit sich, und sie reisten zusammen nach Serendib, dem Lande ihres Vaters. Dawlet Chatun sah ihre Mutter wieder und hatte große Freude an ihr. Alle Trauer war vorüber und es wurden alle möglichen Festlichkeiten begangen. Der König erzeigte Seif Almuluk viele Ehre und sprach zu ihm: »Du hast mir und meiner Tochter so viel Gutes erwiesen, daß ich dich nie genug dafür belohnen kann, nur der Herr der Welten kann es dir vergelten. Mein Wunsch ist, daß du an meiner Stelle den Thron besteigst und über Indien herrschest; ich schenke dir mein Reich, meine Schätze, meine Diener und alles, was ich besitze.« Seif Almuluk verbeugte sich, küßte dankbar die Erde vor ihm und sagte: »O König der Erde! Es sei, als habe ich alles von dir angenommen und dir es dann wieder zurückgegeben; denn, Herr, ich strebe weder nach einem Königreich noch nach Herrschermacht: mein einziger Wunsch vor Gott ist, daß er mich zu meinem Ziel gelangen lasse.« Der König sprach dann zu seinen Leuten: »Alle meine Schätze gehören Seif Almuluk, gebt ihm was er verlangt, ohne mich deshalb zu befragen!« Seif Almuluk sagte: »Ich möchte mich einmal in der Stadt umsehen, auf den Plätzen und Märkten.« Als der König dies hörte, ließ er Pferde satteln und Seif Almuluk ritt in die Stadt und durchzog die Bazare. Er sah daselbst einen jungen Mann mit einem Kleid in der Hand, das er um fünfzehn Dinare ausrief. Er fand ihn seinem Freund Said sehr ähnlich, ja er war es selbst, nur erkannte ihn Seif Almuluk nicht gleich, weil seine Züge durch die lange Trennung und große Reise verändert waren. Er rief seinen Mamelucken zu: »Ergreift diesen jungen Mann, führt in ins Schloß und bewahrt ihn daselbst, bis ich von meinem Spazierritt zurückkehre!« Diese glaubten, er habe gesagt: Führt ihn ins Gefängnis! und dachten: es wird wohl ein ihm entflohener Mameluck sein. Sie ergriffen ihn daher, führten ihn ins Gefängnis, fesselten und verließen ihn. Als Seif Almuluk vom Spazierritt ins Schloß zurückkehrte, dachte er nicht mehr an Said und die Mamelucken, die ihn festgenommen hatten, erinnerten ihn auch nicht an denselben, so daß Said im Gefängnis blieb, und mit den übrigen Gefangenen zur Zwangsarbeit geschickt wurde. Said machte sich über diese schändliche Behandlung allerhand Gedanken. Seif Almuluk gab sich unterdessen allerlei Zerstreuungen hin, bis er sich eines Tages seiner erinnerte und die Mamelucken fragte: »Wo ist der, den ihr mit euch genommen habt?« Sie antworteten: »Hast du uns nicht geheißen, ihn ins Gefängnis zu führen?« Seif Almuluk versetzte: »Meine Wille war bloß, daß ihr ihn ins Schloß bringt.« Es wurden sogleich einige Kammerherren und Emire abgeschickt, die Said gefesselt vor Seif Almuluk brachten. Dieser sagte ihm: »Junger Mann, aus welchem Lande bist du?« Er antwortete: »ich bin aus Ägypten und heiße Said, Sohn des Veziers Fares.« Als Seif Almuluk dies hörte, sprang er vom Thron herunter, fiel Said um den Hals und weinte heftig vor Freude. Dann sagte er: »O mein Bruder! o Said! du lebst und ich sehe dich wieder; ich bin dein Bruder Seif Almuluk, Sohn des Königs Assem!« Sie hielten sich eine Weile umschlungen und weinten, die Mamelucken aber sahen erstaunt zu. Dann ließ Seif Almuluk Said ins Bad bringen und ihm kostbare Kleider anlegen. Als dies geschehen war, führte man ihn in den Divan zu seinem Bruder, der ihn neben sich auf den Thron sitzen ließ, und Said freute sich sehr des Wiedersehens. Sie unterhielten sich über ihre Abenteuer. Seif Almuluk erzählte alles, was ihm zugestoßen, von Anfang bis zu Ende; dann sprach Said: O mein Bruder! Sobald das Schiff unterging, bestieg ich mit einigen Mamelucken ein Brett, auf dem wir einen vollen Monat umhertrieben. Dann warf uns der Sturm mit dem Willen des erhabenen Gottes auf eine Insel. Wir stiegen hungrig ans Land, gingen zwischen den Bäumen herum und aßen von ihren Früchten. Da kam auf einmal ein Herde Volk gleich Teufeln über uns her; sie stiegen auf unsere Schultern und sagten: »Lauft nur zu, ihr seid nun unsere Esel!« Ich sagte dem der mich bestieg: »Wer bist du, und warum reitest du auf mir?« Er schlang den einen Fuß um meinen Hals, drückte mich so sehr, daß ich fast starb, und schlug mich so heftig mit dem anderen Fuß auf den Rücken, daß ich glaubte, er breche mich mitten durch; ich fiel zur Erde auf mein Gesicht, denn ich hatte vor Hunger und Müdigkeit von der Reise gar keine Kraft mehr. Wie er merkte, daß ich hungrig war, nahm er mich an der Hand, führte mich unter einen Baum, der viele Früchte hatte, und sagte mir: »Iß von diesen Früchten!« Ich aß, bis ich satt war, und ging wieder gezwungen weiter. Ich war aber nur ein paar Schritte weitergegangen, da stieg er wieder auf meine Schultern, und ich mußte bald gehen, bald laufen; er aber lachte und sprach: »Ich habe in meinem Leben kein so gutes Lasttier gehabt.« So blieben wir mehrere Jahre lang bei ihnen. Eines Tages sahen wir viele Weinberge mit Trauben; wir sammelten davon, füllten eine Grube damit und traten die Beeren mit den Füßen, bis jene wie ein großer Wasserteich aussah; die Sonne schien darauf und es wurde Wein daraus. Wir tranken so viel davon, bis wir berauscht waren und unsere Gesichter ganz rot wurden. Da fingen wir an zu singen, zu springen und zu tanzen. Sie fragten: »Was habt ihr, daß ihr so rot seid, so singt und tanzt?« Wir antworteten: »Was habt ihr danach zu fragen: Was wollt ihr von uns?« Sie versetzten: »Sagt es uns! wir wollen es sehen!« Wir erwiderten: »Das ist der Wein.« Sie sagten: »Gebt uns davon zu trinken!« Wir aber antworteten: »Es sind keine Trauben mehr vorrätig.« Da führten sie uns in ein Tal, wir wissen nicht wie lang, noch wie breit, weder wo es anfängt, noch wo es endet, ganz voll mit Reben, von denen jede Traube einen Zentner schwer und leicht zu pflücken war. Sie sagten: »Sammelt von diesen!« Wir sammelten viele davon, füllten damit einen Zuber, größer als ein Teich, traten sie mit Füßen und ließen sie so einen ganzen Monat lang gären, bis sie zu Wein wurden. Wir sagten ihnen: »Nun ist der Wein reif, woraus wollt ihr trinken?« Sie antworteten: »Wir hatten Esel, wie ihr seid, die, als sie alt wurden, starben. Wir aßen ihr Fleisch; noch haben wir aber ihre Schädel: gebt uns daraus zu trinken!« Sie führten uns dann in Höhlen, wo viele Menschengebeine lagen; wir nahmen einige Schädel, gaben ihnen daraus zu trinken und dachten bei uns: Nicht genug, daß sie auf uns reiten, sie fressen uns auch noch nach unserm Tode. Wir sagten zueinander: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!« Wir füllten nun einen Menschenschädel mit Wein und reichten ihn ihnen. Nachdem sie ihn ausgetrunken hatten, riefen sie aus: »Das ist bitter.« Wir erwiderten: »Warum sagt ihr, das ist bitter? wer so sagt und nicht wenigstens zehnmal so viel trinkt, der muß noch an dem nämlichen Tage sterben.« Sie fürchteten sich vor dem Tode und sagten: »So gebt uns noch mehr zu trinken!« So tranken sie, bis der Wein ihnen schmeckte und sie betäubt waren, verlangten aber immer mehr. Zuletzt wurden sie so berauscht, daß sie sich nicht mehr auf uns festhalten konnten. Als wir dies merkten, liefen wir so lange in der Hitze und in der frischen Luft herum, bis sie der Schlaf überfiel und sie sich niederlegen wollten. Wir aber sagten: »Laßt uns immerzu laufen«, und wir liefen mit ihnen so lange, bis sie auf unsern Schultern einschliefen und ihre Füße ganz locker um unsern Hals hingen. Wir luden sie alsdann ab, legten sie zusammen, sammelten viel Holz von Weinreben, legten es um sie herum und bedeckten sie damit. Dasselbe zündeten wir an und blieben in der Ferne stehen, um zuzusehen. In einem Augenblick flammte das Holz hoch auf; sie verbrannten alle und wurden zu einem Haufen Asche, und keiner von ihnen entkam. Wir dankten Gott für unsere Rettung, verließen die Insel, gingen ans Meeresufer und trennten uns voneinander. Ich ging mit zwei Mamelucken in einen großen Wald, wo wir Früchte aßen. Da kam eine große Gestalt mit langem Kinn und langen Ohren, mit Augen wie Fackeln; sie hatte eine große Herde vor sich, die sie weidete. Als sie uns sah, hieß sie uns willkommen, freute sich mit uns und sagte: »Kommt zu mir, ich will euch eins von diesen Schafen schlachten und braten, und es euch zu essen geben.« Wir sagten: »Wo wohnst du denn?« Der Riese antwortete: »In einer Höhle, deren Öffnung ihr finden werdet, sowie ihr um den Berg dieser Insel herumgeht. Geht nur hin, dort findet ihr viele Gäste, die euch gleichen!« Wir glaubten, er sagt die Wahrheit und gehöre zu den aufrichtigen Menschen; wir suchten daher die Höhle auf.

Als wir hineinkamen, sahen wir Menschen darin, die uns glichen, sie waren aber alle blind. Als wir uns zu ihnen gesellten, sagte einer von ihnen: »Ich bin krank«, ein anderer: »Ich bin schwach.« Wir befragten sie darum. Sie antworteten: »Auch ihr kommt, unser Los zu teilen! Wie seid ihr in die Gewalt dieses Verruchten gekommen? Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Das ist ein Werwolf, der die Menschen frißt.« Wir fragten: »Wie hat er euch blind gemacht?« Sie antworteten: »Auch euch wird er sogleich mit einem Becher Milch blind machen. Er wird euch sagen: Ihr kommt von der Reise, trinkt diese Milch, bis ich euch das Fleisch brate und es euch bringe; sowie ihr alsdann die Milch trinken werdet, wird das Licht eurer Augen erlöschen.« Ich dachte: hier kann ich nur durch List entkommen. Ich grub eine Vertiefung in den Boden, und nach einer Weile kam der Verruchte zur Tür herein mit drei Bechern Milch. Er reichte mir einen davon und denen, die mit mir gekommen waren, und sagte: »Ihr seid durstig von der Reise, nehmt diese Milch und trinkt einstweilen, bis ich euch das Fleisch brate.« Ich nahm den Becher, führte ihn an den Mund und goß ihn in die Vertiefung, fuhr dann mit den Händen an die Augen und schrie: »Ich habe meine Augen verloren!« und weinte; er aber lachte und sagte: »O Said! nun bist du auch wie diese geworden, die in der Höhle sind!« denn der Verruchte glaubte, auch ich sei nun blind, wie es meine beiden Begleiter wirklich geworden. Der Verruchte stand dann sogleich auf, schloß die Türe der Höhle und fühlte meine Rippen an; da er mich aber sehr mager und abgezehrt fand, wandte er sich zu einem andern, der fetter war, schlachtete drei Schafe, zog ihnen das Fell ab, brachte einen Spieß, an dem er sie zusammen briet, und aß sie; zuletzt nahm er einen Schlauch mit Wein, trank ihn aus, legte sich aufs Gesicht und schnarchte. Als ich dies sah, dachte ich bei mir: wie kann ich ihn umbringen? In dem Augenblick bemerkte ich zwei eiserne Spieße am Feuer, die davon glühend wie feurige Kohlen waren. Ich machte mich rüstig auf, nahm die beiden Spieße vom Feuer und stieß mit aller Kraft in seine Augen. Aus Liebe zum Leben sprang er schnell auf und wollte mich festhalten, ich aber entfloh mitten in die Höhle. Er lief mir nach, am Ende wußte ich nicht, wie ich ihm entrinnen sollte, denn die Höhle war mit einem Stein verschlossen; da fragte ich die anwesenden Blinden: »Was soll ich gegen diesen Verruchten anfangen?« Einer von ihnen erwiderte: »Spring auf dies Fenster, dort findest du ein kupfernes Schwert; nimm es und wir wollen dir dann sagen, was du damit tun sollst; schlag ihn nur damit auf die Mitte des Leibes, so wird er sogleich sterben.« Ich sprang, gestärkt durch die Macht und Größe Gottes, aufs Fenster, nahm das Schwert, sprang wieder herunter und ging auf ihn zu. Das Verfolgen hatte ihn jedoch schon sehr ermüdet. Da er keine Augen mehr hatte, so wollte er eben die Blinden töten. Ich schlug ihn mit dem Schwerte, und er fiel in zwei Stücke gespalten auf den Boden. Er schrie laut auf, und rief: »O Mann! töte mich ganz, gib mir noch einen Hieb!« Ich wollte ihm noch einen Schlag auf den Hals geben, als mir der Mann, der mir das Rettungsmittel angegeben hatte, zurief: »Schlage ihn nicht mehr, sonst kehrt er ins Leben zurück und wird uns alle umbringen!« Ich befolgte den Rat dieses Mannes, und der Verruchte starb bald darauf. Der Mann sprach weiter: »Öffne nun die Pforten der Höhle, vielleicht wird uns Gott dazu helfen, daß wir einmal aus diesem Ort befreit werden.« Ich sagte: »Nun ist alles Böse vorüber, wir wollen hier ausruhen, uns von diesen Schafen nähren und den Wein trinken.« Wir verweilten noch zwei Monate an diesem Ort, aßen von den Schafen und tranken von dem Wein; auch kosteten wir die Früchte, die hier wuchsen, bis wir eines Tages ein großes Schiff in der Ferne sahen. Wir gaben ihm ein Zeichen und riefen laut. Die Schiffsleute aber fürchteten sich vor diesem Verruchten, den sie als einen Werwolf auf dieser Insel kannten, und gaben uns kein Gehör. Wir winkten ihnen immerzu und schrieen: »Der Verruchte ist tot, kommt und nehmet seine Herde und was er sonst besitzt.« Endlich nahte sich ein Trupp Matrosen in einem Nachen und stieg ans Land. Wir führten sie zu diesem Verruchten; sie aber nahmen, als sie sahen, daß er tot war, alle Kleider und alles Geld, das in der Höhle war, samt den Schafen; auch sammelten sie Früchte auf lange Zeit. Wir stiegen dann mit ihnen auf das Schiff, und sie brachten uns hierher, wo ich eine gut regierte Stadt fand, die von braven Leuten bewohnt wird; ich ließ mich hier nieder, und lebe nun schon seit sieben Jahren als Makler; gepriesen sei Gott, der ein solches Ende herbeigeführt! Mein einziger Kummer war, nicht zu wissen, wo du lebst und was aus dir geworden ist; ich betete zu dem allmächtigen Gott, er möge mich bis zu unserem Wiedersehen leben lassen: mein Herz ist nun ganz der Freude offen, seit der Allmächtige mich mit dir vereinigt hat.«

Seif Almuluk stand jetzt auf, ging ins Harem zu Dawlet Chatun und sagte zu ihr: »Herrin, wo bleibt das Versprechen, das du mir im festen Schloß gegeben? Hast du mir nicht gesagt: wenn ich zu den Meinigen zurückgekehrt sein werde, so will ich mein möglichstes tun, um dein Verlangen zu stillen?« Sie antwortete: »So habe ich gesagt, und bin auch bereit, zu gehorchen.« Nach diesen Worten stand sie auf, ging zu ihrer Mutter und sprach zu ihr: »O Mutter! komm, wir wollen uns schön putzen und dann Räucherwerk anzünden, damit Badial Djamal mit ihrer Mutter komme und sich freue, mich wiederzusehen.« Die Mutter sagte: »Tue das, meine Tochter.«

Dawlet Chatuns Mutter ging in den Garten und zündete Räucherwerk an; nach einer guten Weile kamen die Ersehnten alle in den Garten und schlugen ihre Zelte da auf. Dawlet Chatuns Mutter unterhielt sich mit Badial Djamals Mutter und erzählte ihr die glückliche Rückkehr ihrer Tochter; diese aber freute sich, ihre Schwester Badial Djamal zu sehen. Sie waren beide glücklich im Wiedersehen; es wurden Tische gedeckt und köstliche Speisen zubereitet. Dawlet Chatun saß allein auf einem Thron mit Badial Djamal; sie aßen und tranken, und ihre Heiterkeit wuchs; Dawlet Chatun aber sprach: »O meine Schwester! wie unfreundlich ist die Trennung und wie schön das Wiedersehen, ganz wie der Dichter sagt:

»Der Trennungstag hat mein Herz zerschnitten, Gott zerschneide das Herz des Trennungstages; hätte uns die Trennung möglich geschienen, so wären wir ihr nie verfallenen!«

Dann fuhr sie fort: »Ich war viele Jahre lang allein in einem festen Schloß und weinte Tag und Nacht, alle meine Gedanken waren bei dir, meiner Mutter, meinem Vater und allen den Meinigen; nunmehr seid ihr mir, gelobt sei Gott, alle wieder geschenkt!« Badial Djamal fragte: »Und wie bist du dem gewalttätigen Tyrannen, dem Sohn des blauen Königs, entkommen?« Hierauf erzählte Dawlet Chatun alles, was ihr mit Seif Almuluk auf der Reise widerfahren, was er für Schrecken und Gefahren ausgestanden, ehe er in dieses Schloß gekommen; wie er den Sohn des blauen Königs getötet, die Tore des Schlosses ausgehoben habe, um daraus ein Floß und Ruder zu machen, usw., bis sie hier ankamen. Badial Diamal wunderte sich sehr über Seif Almuluks Taten, und sagte: »Bei Gott! das ist ein tüchtiger Mann, doch warum hat er seinen Vater und seine Mutter verlassen, um so viel zu leiden?« Dawlet Chatun antwortete: »Ich will dir den Grund von allem sagen und mich nicht vor dir schämen.« Badial Djamal versetzte: »O meine Schwester! wir teilen ja viele Geheimnisse einander mit, du verlangst doch gewiß nur Gutes für mich: was hast du dich also zu schämen? was hast du mir zu verbergen? Sag mir nur alles und verhehle mir nichts!« Da sagte Dawlet Chatun: »Bei Gott! nur deinetwillen ist diesem Armen so viel Unglück begegnet.« – »Wieso, meine Schwester?« – »Er hat dein Bild auf einem Kleid gesehen, das dein Vater an Salomo, Sohn Davids, geschickt, von dem hat es König Assem, Seif Almuluks Vater, mit anderen Geschenken erhalten, und seinem Sohne Seif Almuluk geschenkt. Sobald dieser das Kleid auseinanderlegte, um es zu betrachten, sah er dein Bild, verliebte sich in dasselbe, ging fort, um dich aufzusuchen, und erlitt darüber all dieses Übel.« Da sagte Badial Djamal, deren Wangen vor Scham schon rot geworden: »Bei Gott! das kann nicht sein! ein Mensch kann sich mit keinem Geist vereinigen.« Dawlet Chatun beschrieb ihr dann seine Schönheit, seine Anmut und Gewandtheit, und setzte hinzu: »Um Gottes und um meinetwillen, ich will ihn dir zeigen, folge mir!« Badial Djamal antwortete: »Bei Gott, meine Schwester, verschone mich mit diesen Reden! gib ihm keine Antwort, denn ich mag ihn nicht.« Abermals schilderte ihn Dawlet Chatun als den schönsten Mann in der Welt, küßte flehend die Füße Badial Djamals, und sprach: »Bei der Milch, die uns beide ernährt hat! bei der Schrift, die auf Salomos Siegel ist! Friede sei mit ihm! du mußt mir Gehör geben, denn ich habe ihm im festen Schloß versprochen und geschworen, daß ich dich ihm zeigen werde. Nun beschwöre ich dich bei Gott! laß mich meines Eides willen dich ihm nur einmal zeigen, und sieh ihn nur einmal an!« Sie weinte und bat so lange, küßte ihr Hände und Füße, bis sie einwilligte und sagte: »Um deinetwillen will ich ihm erlauben, einen Blick auf mein Gesicht zu werfen.« Dawlet Chatun wurde hierauf ganz munter, küßte ihr Hände und Haupt, und ging ins Schloß, wo sie den Dienern befahl, das Gartenschloß herzurichten. Sie setzten einen schönen goldenen Thron hinein, und bereiteten den Wein in goldenen Gefäßen. Dawlet Chatun ging zu Said und Seif Almuluk, und meldete letzterem die Erfüllung seines Wunsches; sie sagte ihm. »Geh mit deinem Bruder in den Garten und verbergt euch im Schloß, daß euch niemand sehe, bis Badial Djamal kommen wird!« Diese standen auf und gingen an den Ort, den sie ihnen angewiesen. Seif Almuluk küßte Dawlet Chatuns Stirn und freute sich sehr. Wie sie in den Garten kamen, sahen sie den goldenen Thron aufgerichtet, mit golddurchwirkten Kissen, und goldene Trinkgefäße. Sie fingen an zu essen und zu trinken. Seif Almuluks Brust war jedoch beengt; er dachte an seine Geliebte, und sein ganzes Herz war erfüllt von Liebe und Sehnsucht. Er verließ das Schloß, und sagte zu Said: »Bleibe du nur sitzen, und folge mir nicht!« Mit diesen Worten ging er ganz liebestrunken und sehnsuchtsvoll in den Garten, und sprach folgende Verse:

»O Badial Djamal! ich habe niemanden außer dir, habe Mitleid mit dem, der in Liebe zu dir glüht; du bist der Gegenstand meines Flehens, meiner Wünsche und meiner Freuden, mein Herz verschmäht jede andere Liebe als die deinige. Ich durchwache die ganze Nacht und meine Augen weinen. Wüßte ich doch, ob dir meine Tränen nicht verborgen geblieben? Unaufhörlich fließen Tränen über meine Wangen im Grame nieder, ob ich jemals deine Einwilligung erhalten werde. Alsdann wünsche ich, daß der Schlaf meine Augen zudrücke, weil ich hoffe, dich im Traume zu sehen. Gott vermehre deine Freude und deinen Glanz; müßte auch die ganze Welt dein Lösegeld werden. Die Herde der Liebenden ist unter meinem Panier, die der Schönheit unter dem deinigen.«

Er weinte und sprach noch folgende Verse:

»O Badial Djamal! du bist mein Leben und das Geheimnis, das mein Herz bewahrt! Wenn ich den Mund öffne, so spreche ich nur von dir, und wenn ich schweige, so bist du mein Gedanke. Ich will von der Welt nur deine Nähe und Einwilligung; bei Gott, nichts anderes kommt mir in den Sinn! In meinem Herzen ist ein Feuer, dessen Flamme immer zunimmt; ich suche meinen Zustand zu verbergen, und mein Gram wächst immer. Ich sehne mich nach dir, und nach keiner andern; ich wünsche unsere Vereinigung, und schwer lastet die Sehnsucht auf mir. Wirst du nicht bemitleiden den, dessen Körper die Liebe so abgezehrt, der ganz entstellt worden mit krankem Herzen? O, werde zärtlich, mild und freigebig! nichts kann dich mir ersetzen, ich werde stets nur deiner gedenken!«