Tristan und Isolde

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Auch war der Schnitt zu loben

Und so sehr nach seinem schönen Leib,

Daß wohl niemals Mann noch Weib

Schönre Kleider mochten schneiden,

Die so ziemten wie die beiden.

Auch meldet uns die Märe,

Dasselbe Pfellel wäre

Grüner als das Maiengras,

Und was als Futter drunter saß,

Das war ein weißer Hermelin,

Der alle Weiße überschien.

Also macht' er sich bereit

Weinend und voll Traurigkeit

Zu seiner mühsamen Fahrt.

Da ihm die Fahrt nicht ward erspart,

Den Rock da zog er zu dem Lauf

Ein wenig unterm Gürtel aus;

Den Mantel aber schlug er ein

Und legt' ihn auf sein Achselbein,

Und stieg so gen der Wilde

Durch Wald und durch Gefilde.

Er hatte weder Weg noch Pfad

Als den er selber erst sich trat:

Die Füße bahnten ihm den Weg,

Die Hände legten ihm den Steg;

Er ritt die eignen Arm und Beine

Über Stock und über Steine,

Bis er den Berg hinan geklommen

Auf eine Höhe war gekommen.

Da kam ihm von Ohngefähr

Ein wilder Waldsteig in die Quer,

Mit Gras bewachsen und schmal:

Den gieng er jenseits zu Thal.

Er trug ihn in die Richte hin;

In kurzer Weile bracht er ihn

Auf eine schöne Straße,

Breit in guter Maße

Und viel befahren auf und ab.

Da setzte sich der gute Knab

Zu ruhen weinend nieder.

Da trug sein Herz ihn wieder

Zu den Freunden und dem Land,

Wo ihm ein Jeder war bekannt.

Da fiel ihn großer Jammer an;

Zu jammern hub er wieder an

Und klagte Gott sein Ungemach.

Herzinnig blickt' er auf und sprach:

»Gott, mein Herr und Rather,

Meine Mutter und mein Vater,

Wie verloren sie mich nun!

Weh, was ließ ich nicht beruhn

Mein leidiges Schachzabelspiel,

Das ich immer haßen will!

Sperber, Falken, Schmierlein,

Die laße Gott unselig sein:

Sie raubten meinem Vater mich.

Um ihretwillen schied ich

Von Freunden und Verwandten.

Alle die mich kannten,

Mir gönnten Lieb und Gutes,

Die sind nun trübes Muthes

Und haben Angst und Noth um mich.

Ach süße Mutter, wie du dich

Mit Klage quälst, ich weiß es wohl.

Dein Herz ist, Vater, Leides voll:

Ich weiß wohl, daß ihr Beide

Überladen seid mit Leide.

Und Gott im Himmel! wüst ich doch,

Daß ihr wüstet, daß ich noch

Gesund bin und das Leben habe:

Eine große Gottesgabe

Wär das euch, darnach auch mir.

Denn fürwahr, ich weiß, daß ihr

Kaum oder nie mehr werdet froh,

Es füg es denn der Himmel so,

Daß ihr erfahrt, ich sei geborgen.

Tröster du in allen Sorgen,

Gott im Himmel, füge das.«

Derweil der Knabe also saß

Klagend wie ich kund gethan,

Sah er von fern zu sich heran

Zwei alte Waller kommen,

In Gottseligkeit der Frommen

Betagt schon beid' und hochbejahrt,

Dazu bebartet und behaart

Wie meist die Waller sind, die wahren

Kinder Gottes, wenn sie fahren.

Diese Wallenden beide

Trugen zum Kleide

Leinmäntel an und solch Gewand,

Wie es ziemt dem Wallerstand.

Mit Meermuscheln man es sah

Besetzt von außen hier und da;

Und fremder Zeichen sonst genug.

Ihrer Jedweder trug

Den Pilgerstab an der Hand;

Ihre Hüt und all ihr Beingewand

Ganz nach der Waller Rechte.

Dieselben Gottesknechte

Trugen an den Schenkeln

Leinhosen, ob den Enkeln

Eine Handbreit wohl zu klein,

Doch straff gebunden an das Bein;

Füß und Enkel waren bloß

Für den Tritt und für den Stoß.

Sie trugen auf den Schultern auch

Nach des Büßerlebens Brauch

Den frommen Schmuck der Palmen.

Ihr Gebet und ihre Psalmen

Und was sie konnten Gutes

Lasen sie selgen Muthes.

Tristan, als er sie kommen sah,

Zu sich selber ängstlich sprach er da:

»Du mein gnädger Herr und Gott,

Wie werd ich jetzo gar zu Spott!

Die beiden Männer, die da gehn,

Wenn sie mich hier sitzen sehn,

Sie mögen mich wohl fahen.«

Doch als sie ihm zu nahen

Begannen, daß ihr Pilgerstab

Und Kleid sie zu erkennen gab,

Da verstand er wohl ihr geistlich Leben

Und begann den Muth emporzuheben.

Sein Gemüthe ward ein wenig froh;

Aus vollem Herzen sprach er so:

»Dank dir, gnädger Herre mein;

Dieß mögen gute Leute sein.

Ich darf nicht Angst vor ihnen haben.«

Alsbald geschah es, daß den Knaben

Die Zwei vor ihnen sitzen sahn.

Wie höfisch er bei ihrem Nahn

Vor ihnen auf vom Sitze sprang

Und die schönen Hände vor sich zwang

Alsbald begannen ihn die Zween

Aufmerksamer anzusehn,

Und wurden seiner Zucht gewahr.

Freundlich trat heran das Paar

Und begann ihn mit dem süßen

Gruße zu begrüßen:

»Dê vous sal, bêas amis!«

»Viel lieber Freund«, bedeutet dieß,

»Gott möge dich erhalten.« –

»Ei«, sprach er, »Dê benîe

Si sainte Compagnîe.«

»So heilige Gesellschaft

Segne Gott mit seiner Kraft.«

Da sprachen ihm die Beiden zu:

»Liebes Kind, woher bist du,

Oder was hat dich hierher gebracht?«

Tristan war gar wohl bedacht

Und gewandt genug in jungen Tagen;

Er begann sein Märchen vorzutragen:

»Ihr frommen Herren«, sprach er gleich,

»Ich bin daheim in diesem Reich

Und sollte reiten heute,

Ich und andre Leute,

Zur Jagd in diesem Walde da.

Da entritt ich, wie es nun geschah,

Den Hunden und dem Jagdgesind.

Die der Waldsteige kundig sind,

Die ritten beßer als ich,

Denn ohne Steig verritt ich mich

Bis ich ganz verirret war.

Da nahm ich eines Holzwegs wahr,

Der brachte mich an einen Graben:

Da ließ mein Pferd sich nicht enthaben,

Es wollte immer weiter

Bis endlich Ross und Reiter

Fiel auf Einen Haufen nieder.

Nun konnt ich so geschwind nicht wieder

In meines Rosses Bügel,

Es entriß mir Zaum und Zügel

Und lief in den Wald vor mir.

So kam ich an dieß Pfädchen hier;

Das hat mich hergetragen.

Nun kann ich Niemand sagen,

Wo ich bin, wohin ich soll.

Nun, gute Leute, thut so wohl

Und sagt mir an, wo wollt ihr hin?« –

»Freund«, sprachen sie da wider ihn,

»Ist es der Wille Gott des Herrn,

So wären wir noch heute gern

Zu Tintajöl in der Stadt.«

Da hub er gütlich an und bat,

Daß sie ihn ließen mit sich gehn.

»Lieber Freund, das soll geschehn«,

Sprachen die Waller zu dem Kind,

»Willst du dahin, so komm geschwind.«

Da gieng mit ihnen Tristan.

Unterweges entspann

Sich der Rede mancherlei.

Wie jung der höfsche Tristan sei,

Mit Reden war er doch so schlau,

Daß er auf jedes Wort genau,

Sie fragten dieses oder das,

Die Antwort gab im rechten Maß.

Er wog auf seiner Wagen

Sein Reden und Betragen

So scharf, daß es die Weisen,

Die hochbetagten Greisen,

Für Gottesgaben achteten

Und erstaunt betrachteten,

Wie sein Anstand leicht und frei

Und von Leib wie schön er sei.

Die Kleider, die er an sich trug,

Betrachteten sie auch genug,

Weil Alles reich und edel war,

Und das Gewürke wunderbar.

Da sprachen sie in ihrem Muth:

»Ach, lieber Gott im Himmel gut,

Wer oder wannen ist dieß Kind,

Des Sitten also edel sind?«

Sie giengen ihn betrachtend,

Auf all sein Wesen achtend,

Und hatten Kurzweile

Wohl eine welsche Meile.

V. Die Jagd.

Nun geschahs in kurzer Stunde –

Seines Oheimes Hunde,

Des Königs Mark von Cornewal,

Hatten zu demselben Mal,

Wie uns die rechte Märe sagt,

Einen zeitgen Hirsch erjagt,

Der Straße, die sie giengen, nah.

Ereilen ließ er sich allda

Und stand, so heißts, zu Bile.

Seine Kraft war am Ziele.

Der Athem war ihm gar benommen.

Nun waren auch die Jäger kommen,

Die da Hörner laut erschällten

Eh sie den Hirschen fällten.

Tristan, als er den Bil ersah,

Zu den Pilgern sprach er da

Beredt mit schlauem Munde:

»Ihr Herren, diese Hunde,

Diesen Hirsch und diese Leute,

Seht, die verlor ich heute:

Da ich sie hier wieder fand,

So bin ich nicht mehr unbekannt.

Hier bleib ich nun; gebietet mir.«

»Kind«, sprachen sie, »Gott sei mit dir,

In seinem Frieden mögst du fahren.«

 

»Dank; euch möge Gott bewahren!«

Sprach er mit holden Mienen.

So neigt' er sich vor ihnen

Und eilte zu der Jäger Birsch.

Da nun gefället war der Hirsch,

Der da Jagdmeisteramt besaß,

Der streckt' ihn nieder auf das Gras,

Auf alle Viere wie ein Schwein.

»Ei, Meister, wie? was soll das sein?«

Sprach da der höfsche Tristan:

»Laßt stehn, bei Gott, was fangt ihr an?

Haut man so den Hirsch in Stücke?«

Der Jägermeister trat zurücke,

Sah ihn an und sprach ihm zu:

»Wie willst du, Kind, daß ich es thu?

Die Sitte gilt hier bei der Birsch:

Wenn enthäutet ist der Hirsch,

So spaltet man ihn erst einmal

Von dem Haupt herab zu Thal,

Darnach auch in die Viere,

So daß der vier Quartiere

Keins beträchtlich größer sei

Als die übrigen drei.

Das ist Sitt in diesem Land;

Kind, ist dir andrer Brauch bekannt?«

»Ja, Meister«, sprach er wider ihn.

»Das Land, da ich erzogen bin,

Da ist ganz anders der Brauch.«

»Und wie denn? sage mir das auch.«

»Entbästet wird der Hirsch bei mir.«

»Traun, Freund, ich säh es denn von dir,

Weiß ich nicht was entbästen sei.

Wir sind der Kunde Alle frei

In diesem Königreiche hie.

So hört ich auch das Wort noch nie

Von Heimischen noch Gästen:

Lieb Kind, was ist entbästen?

Bei deiner Güte, zeige mirs;

Geh her, entbäste diesen Hirsch.«

Das Kind sprach: »Lieber Meister mein,

Mag es mit euern Hulden sein

Und kann euch Liebes dran geschehn,

So laß ich euch gar gerne sehn,

Ist es mir selber recht bekannt,

Was Brauch ist in meinem Land,

Nach eurer Frage, mit dem Bast.«

Der Meister sah den jungen Gast

Mit freundlichem Lächeln an,

Denn er war selbst ein höfscher Mann

Und kannte alle Sitte wohl,

Die ein guter Mann verstehen soll.

»Ja«, sprach er, »lieber Freund, das thu.

Wohl her! Bist du zu schwach dazu,

Ich selbst und die hier bei mir sind,

Wir helfen dir mit Händen

Ihn legen oder wenden.

Du darfst mir und den Leuten

Nur mit dem Finger deuten.«

Tristan, der entführte Knab,

Seinen Mantel zog er ab

Und legt' ihn dort auf einen Block;

Dann zog er höher seinen Rock,

Wandte vorn das Aermelpaar,

Und strich zurück das schöne Haar,

Daß es ihm auf den Ohren lag.

Nun sahn sie All bei vollem Tag,

Die da bei dem Basten waren,

Sein Gehaben, sein Gebahren.

Sie nahmens in der Augen Hut;

Und Alle däucht' es auch so gut

Und lieblich zu betrachten,

Daß sie im Herzen dachten,

Gar adlich wär sein ganzes Wesen,

Seine Kleider reich und auserlesen,

Sein Leib nach Wünschen wohlgethan.

Da traten sie zu ihm heran

Und merkten wohl auf all sein Thun.

Hin gieng der Heimatlose nun,

Der junge Meister Tristan:

Er griff den Hirsch mit Händen an

Und wollt ihn auf den Rücken legen;

Doch konnt er ihn nicht frei bewegen,

Denn er war ihm allzu schwer.

Da bat er höfisch Die umher,

Daß sie ihn legten wie er wollte,

Wenn er den Bast beginnen sollte.

Nun, das war alsbald geschehn.

Zu dem Hirsche gieng er oben stehn;

Den begann er zu entkleiden.

Zuerst den Strich zu schneiden

Von dem Geäse bis hernieder;

Dann sich zu den Bugen wieder

Kehrend, löst' er sie gewandt,

Erst das rechte, dann das linker Hand.

Die beiden Keulen nahm er nun,

Ihnen lösend auch ihr Recht zu thun;

Begann die Haut zu scheiden

Dann an den Seiten beiden

Von den Haften überall

Von oben bis herab zu Thal

Und zog die Haut dem Hirschen nieder.

Dann zu den Bugen kehrt' er wieder

Sie zu entbästen von der Brust;

Doch blieb die ganz, litt nicht Verlust.

Die Bugen legt' er noch hindann;

Von dem Rücken begann

Er erst die Brust zu scheiden

Und von den Seiten beiden;

Zu jeder Hand drei Rippen auch:

Das ist der rechte Bastgebrauch;

Die läßt jederzeit daran,

Wer die Brust recht lösen kann.

Zu den Keulen jetzt gewandt

Entbästet' er mit kluger Hand

Die beiden Hinterbeine,

Zusammen, nicht alleine.

Ihr Recht er auch den beiden ließ:

Den Braten, wo der Rücken stieß

An die Lenden mit dem Ende

In der Breite anderthalber Hände;

Was die da Ziemer nennen,

Die solche Bastkunst kennen.

Dann gieng er zu den Rippenstücken,

Die schnitt er beide von dem Rücken,

Und kam zu Magen und Gescheide.

Doch weil nicht rein dieß Eingeweide

Seinen schönen Händen wär,

Rief er: »Schnell zwei Knechte her!

Da nehmet diese Stücke fort

Und bereitet sie an andern Ort.«

So war der Hirsch entbästet,

Und seiner Haut entlästet;

Die Bugen, Seiten, Beine,

Die hatt allzumal der Kleine

Beiseit gelegt und wohl gefügt.

Hiemit so war dem Bast genügt.

Tristan der heimatlose Gast,

Sprach: »Meister, seht, dieß ist der Bast.

So ists um diese Kunst bestellt.

Nun tretet näher, wenns gefällt,

Mit eurer Massenîe

Und machet die Furkîe.« –

»Lieb Kind, Furkîe, was ist das?

Du sagst mir vor, ich weiß nicht was.

Du hast uns diesen Jägerbrauch,

Der fremd ist und zu loben auch,

So meisterlich nun laßen sehn:

So laß ihn vollends vor sich gehn,

Vollführe deine Meisterschaft;

Wir dienen dir nach unsrer Kraft.«

Alsbald sprang ins Gebüsch der Knab

Und hieb sich eine Gabel ab,

Was Die da Furke nennen

Die die Furkîe kennen;

Doch ist der Unterschied gering,

Denn Furk und Gabel ist Ein Ding.

Nun kam er mit dem Zwieselstab,

Und schnitt die Leber weg vorab,

Worauf er Netz und Lummer schied,

Und auch den Ziemer von dem Glied

Sonderte, woran er saß.

Dann setzt' er dort sich auf das Gras,

Nahm die drei Stücke in die Hand,

Die er an die Furke band,

Daß sie das Netz umfaßte;

Mit einem grünen Baste

Ward es so und so verstrickt.

»Nun seht, ihr Herrn«, sprach er geschickt,

»Dieß heißen sie Furkîe

In unsrer Jägerîe,

Und weil ichs an die Furke band,

So wird der Brauch Furkîe genannt.

Dieß, dünkt mich, stimmt wohl überein,

Denn an der Furke muß es sein.

Dieß nehm in seine Hand ein Knecht.

Nun aber laßt nach Jägerrecht

Auch folgen die Curîe.«

»Curîe? Dê benîe!«

Riefen Alle: »Was ist das?

Wir verstünden Sarazenisch baß.

Was ist Curîe, lieber Sohn?

Schweig, und sag uns nichts davon:

Was es sei, das laß geschehn,

Daß wir es selbst mit Augen sehn.

Dieß thu bei deiner Höfischheit.«

Nun, Tristan war alsbald bereit.

Den Herzrick sucht' er, jenes Ding,

Woran das Herz des Hirschen hieng;

Und schob die Hüllen dran zurück.

Vom Herzen ab das halbe Stück

Schnitt er nach dem spitzen Ende,

Nahm es dann in seine Hände

Auf daß er es halbiere,

Dann kreuzweis theil' in viere;

Warf auf die Haut die Theile nieder

Und kam zu seinem Ricke wieder.

Milz und Lungen löst' er gar,

Daß nichts mehr an dem Ricke war,

Denn auf der Haut lag Alles dort.

Dann schnitt er Rick und Gurgel fort

Von der Brust am obern Ende,

Und sonderte das Haupt behende

Mit dem Gehörne von dem Kragen;

Er befahl es zu der Brust zu tragen.

»Wohl her geschwinde!« hub er an:

»Nehmet diesen Rick hindann:

Wenn etwa arme Leute kämen,

Die ihn gerne von euch nähmen,

Gebt ihnen diesen Rick dann hin;

Sonst thut damit nach euerm Sinn.

Nun komm ich zur Curîe.«

Hin gieng die Compagnîe

Und sah wie seiner Kunst gelinge.

Erst heischte Tristan alle Dinge,

Die er zuvor bereiten laßen.

Nun lag dieß Alles solchermaßen

Gerüstet und bereitet,

Wie Er sie angeleitet.

Es lagen der Quartiere

Von dem Herzen viere

Nach jägerlichen Sitten

Auf der Haut zerschnitten

Alle vier einander nah;

Milz und Lunge schnitt er da,

Dann Magen und Gescheide gar,

Und was der Hunde Weide war,

In Stücke, so kurz und klein

Wie es füglich mochte sein.

Das Alles streut' er auf die Haut.

Darauf begann er überlaut

Und rief den Hunden: »Sa sa sa!«

Alsbald sah man sie alle da

Stehn über ihrer Speise.

»Seht«, sprach der Wortweise,

»Dieß heißen sie Curîe

Daheim in Parmenîe.

Ich will euch sagen auch warum:

Curîe heißt der Brauch darum,

Weil man auf die Cuire legt

Was den Hunden man zu geben pflegt.

So hat die Jägerîe

Diesen Namen Curîe

Von der Cuire hergenommen:

Von Cuire ist Curîe gekommen.

Und fürwahr, es ward den Hunden

Zum Frommen erfunden

Dieser Brauch, der sie erfreut;

Denn was man auf die Cuire streut

Schmeckt ihnen süß, des Blutes wegen,

Und reizt sie noch, der Jagd zu pflegen.

Schaut nun diese Bastkunst an,

Es ist kein andrer Witz daran:

Seht, wie sie euch gefalle.«

»Ach Herre«, riefen Alle,

»Was sagst du, seliges Kind?

Wir sehn wohl, diese Künste sind

Den Bracken und den Hunden

Zu großem Frommen erfunden.«

Da sprach der gute Tristan:

»Nehmt nun diese Haut hindann,

Denn meine Kunst ist hier am Ziel.

Und wißet, hätt ich bei dem Spiel

Euch beßer dienen können,

Das möcht ich euch wohl gönnen.

Nun schneide Jeder seine Wied

Und führe Jeder heim ein Glied;

Nehmt das Haupt in die Hand

Und bringet euer Prisant

Zu Hof nach höfischem Brauch:

So höfischt ihr euch selber auch.

Ohne Zweifel wißt ihr selber wohl

Wie man den Hirsch prisanten soll:

Prisantet ihn denn nach dem Rechte.«

Der Meister und all die Knechte

Hörten mit Verwundern an,

Wie der kindische Mann

So viel von Jagdgebrauch verstand

Und stäts die rechten Worte fand

Ihnen Kunde beizubringen

Von diesen fremden Dingen.

»Sieh«, sprachen sie, »vieledles Kind,

Diese Sachen, die so seltsam sind,

Die du uns lehrst und hast gelehrt,

Sie dünken uns so lernenswerth,

Wir lernten gern davon noch viel.

Was dir uns kund zu thun gefiel,

Das schlagen wir für nichts noch an.«

Da zogen sie dem jungen Mann

Ein Pferd herbei und baten ihn,

Daß er doch mit ihnen hin

Nach seiner Kunst zu Hofe ritte,

Und seines Landes Brauch und Sitte

Sie zu Ende ließe sehn.

Tristan sprach: »Das soll geschehn.

Nehmt den Hirsch und laßt uns ziehn.«

Da saß er auf und ritt dahin.

Da sie also ritten durch den Raum,

Gewarten mochten jene kaum

Der Stund und der Gelegenheit:

Jeder wollte vor der Zeit

Errathen seine Märe,

Von welchem Land er wäre

Und wie er wär ins Land gekommen

Sie hätten alle gern vernommen

Seinen Namen, seinen Stand.

Das hatte Alles bald erkannt

 

Der sinnreiche Tristan,

Der sinnig wiederum begann

Sein Märlein zu ersinnen.

Kindischem Beginnen

War seine Rede wenig gleich.

Er sprach an gutem Sinne reich:

»Jenseit Britannien liegt ein Land,

Das Parmenîe wird genannt.

Mein Vater ist da ein Kaufmann,

Der mit der Welt wohl leben kann

In seiner Weise schön und wohl;

Ich meine, wie ein Kaufmann soll.

Doch muß ich wohl bekennen,

Er ist nicht so reich zu nennen

Der Habe noch des Gutes

Als tugendlichen Muthes.

Der ließ mich lehren was ich kann.

Nun kam manch fremder Kaufmann,

Der aus fernen Reichen war:

Da nahm ich ihres Wesens wahr

Merkt ihre Sprach und Sitte gut

Bis mich zu ziehn begann mein Muth

Und täglich anzutreiben,

Nicht lang daheim zu bleiben;

Und weil ich gern das ferne Land

Und fremde Leute hätt erkannt,

Lebt ich vom Abend bis zum Morgen,

In den Gedanken nur und Sorgen

Bis meinem Vater ich entrann

Und mit Kaufleuten fuhr hindann;

So bin ich in dieß Land gekommen.

Ihr habt nun all mein Ding vernommen

Wie es euch nun gefalle.«

»Ach, trautes Kind«, so sprachen Alle,

»Es war an dir ein edler Muth.

Die Fremd' ist manchem Herzen gut.

Sie lernen von ihr manche Tugend.

Trauter Knabe, süße Jugend,

Gebenedeit sei doch das Land

Von Gott, wo eines Kaufmanns Hand

Zog ein so tugendreiches Kind:

Alle Könge, die da sind,

Hättens nicht so wohl erzogen.

Nun, Lieber, sag uns ungelogen,

Wie hieß dein höfscher Vater dich?«

»Tristan«, sprach er, »heiß ich.«

»Dê us adjut«, sprach Einer drauf,

»Bei Gott, den Namen gieb doch auf:

Viel besser wärest du genannt

Juvente belle et la riant:

Jugend, heißt das, schön und lachend.«

So ritten sie, sich Kurzweil machend:

Dem fiel dieß, dem jenes ein;

Doch ihre Kurzweil war allein

Mit diesem fremden Kinde.

So fragt' ihn dieß Gesinde

Ein Jeder was ihm wohlgefiel.

Nun geschahs nach kurzer Stunde Ziel,

Daß Tristan die Burg ersah.

Von einer Linde brach er da

Sich zwei Kränzlein wohlbelaubt:

Eins setzt' er selber sich aufs Haupt;

Das andere, das weiter war,

Bot er dem Jägermeister dar.

»Ei«, sprach er, » lieber Meister mein,

Wem mag die schöne Burg wohl sein?

Es ist ein königlich Castel.«

Der Meister sprach: »Tintajoel.«

»Tintajoel! ach welch Castel!

Dê te sal, Tintajoel,

Und all dein Ingesinde.«

»Nun wohl dir süßem Kinde.«

Die Gefährten sprachen so:

»Sei immer selig und froh,

Und möge dir so wohl geschehn

Als wir es Alle gern sehn.«

So kamen sie zum äußern Thor;

Tristan machte Halt davor.

»Ihr Herrn«, sprach er sie an mit Sinn,

»Ich weiß nicht, da ich fremde bin,

Wie eines Jeden Name sei;

Paart euch aber zwei und zwei

Und reiht euch ganz so wie ihr wißt,

Daß der Hirsch beschaffen ist:

Erst jene, die die Stangen tragen,

Dann folgen Brust und Kragen,

Die Rippen nach den Bügen:

So sucht es stäts zu fügen,

Daß das folgende Glied

Hinter seinem vordern zieht;

Nur Eines nehmt dabei in Acht:

Der Schluß des Zuges wird gemacht

Von Cuire und von Furkîe;

So wills die Jägerîe.

Und sei euch nicht dabei zu jach:

Reitet schön einander nach.

Mein Meister hier und ich sein Knecht

Reiten zusammen, dünkts euch recht;

Sonst thut was euch gefalle.«

»Ja, Lieber«, sprachen Alle,

»Wie du willst, so wollen wir.«

Er sprach: »Seis denn und leihet mir

Ein Horn, das mir zu Maße sei,

Und seid auch des gemahnt dabei:

Heb ich an, so horchet mir,

Und wie ich blase, blaset ihr.«

Da sprach der Meister ihm zu:

»Lieber Freund, nun blas und thu

Wie es dir gefalle:

Wir folgen dir Alle,

Ich und die hier mit dir sind.«

»A la bonne heure«, sprach das Kind,

»Laßt es nach eurer Güte sein.«

Ein kleines helles Hörnelein

Gaben sie ihm in die Hand.

»Nun hin!« sprach er, »allez avant.«

So ritten sie rottieret ein

Zu zweien, wie es sollte sein;

Und als durchs Thor die Rotte kam,

Sein helles Hörnlein Tristan nahm

Und blies darauf so schöne,

So liebliches Getöne,

Daß die Gesellen alle

Kaum erharrten bei dem Schalle

Bis sie ihm zu Hülfe kamen

Und auch ihre Hörner nahmen

Und bliesen auf dem Horne

Wie er vorblies davorne.

Vor blies er wohl zu Preise;

Sie nach in seiner Weise:

Also gieng es wie es soll;

Die Burg war des Getönes voll.

Der König und des Hofgesindes

Schar, als innen sie des Kindes

Neues Jägerlied vernahmen,

Da erschraken sie und kamen

In Sorge von dem Schalle,

Denn sie hatten es Alle

Zu Hofe nie vernommen.

Nun war die Schar gekommen

Vor des großen Saales Thür;

Viel Ingesindes hatt hinfür

Gezogen all der Hörner Schall,

Denn groß Wunder nahm sie all

Wie es so laut ertönte.

Nun war der ruhmgekrönte

Marke selbst hinausgegangen,

Der Sache Kunde zu empfangen,

Und mit ihm mancher höfsche Mann.

Als den König sah Tristan,

Er begann ihm zu gefallen:

Vor den Andern allen

Erlas sein Herz ihn aus der Schar,

Weil er von seinem Blute war;

Die Natur zog ihn dahin.

Er wandte seinen Blick auf ihn

Und begann ihn schön zu grüßen,

In fremdem Ton und süßen.

Eine andre Weise hub er an

Und blies so laut, der junge Mann,

Daß keiner der Gesellen

Sein Horn so mocht erschällen.

So lange hielt die Lust nicht an,

Der wohlgezogne Tristan

Ließ bald sein Hörnlein schweigen.

Zu dem König mit Verneigen

Sprach er jetzt aus süßem Mund,

Süß wie er es wohl verstund:

»De us sal roi et sa mehnîe.«

»Den König und die Messenîe

Erhalte Gott der Gute.«

Herr Mark der wohlgemuthe

Und all sein Ingesinde,

Die dankten dem Kinde

So höfisch und also wohl

Wie man dem Höfischen soll.

»Ah«, sprachen sie all insgemein,

Sie waren groß oder klein:

»Dê duin dûße aventüre

Si dûße creatüre.«

»Gott gebe süße Aventüre

So süßer Creatüre.«

Der König nahm des Kindes wahr,

Und zu Dem, der Jägermeister war,

Sprach er: »Sag an, wer ist dieß Kind,

Des Worte so erlesen sind?«

»Ach Herr, es ist ein Parmenois

Und ist so wundervoll curtois

Und in aller Tugend so geschickt

Wie ich noch nie ein Kind erblickt.

Er sagt, er heiße Tristan,

Sein Vater sei ein Kaufmann;

Doch kann ich es nicht glauben:

Wie mag die Zeit erlauben

Dem Kaufmann, dem unmüßigen,

Die Zeit sich abzumüßigen?

Wo nahm er wohl die Muße her,

Der mit Unmuße ringt so schwer?

Ach, Herr, er ist so tugendhaft.

Seht, diese neue Meisterschaft

Wie wir zu Hof geritten sind,

Die erlernten wir von diesem Kind.

Gar wohl ersonnen ists, denn wißt

Recht wie der Hirsch geschaffen ist,

So ward er an den Hof gebracht.

War je ein Brauch so wohl erdacht?

Seht an, zuerst die Stangen,

Dann kommt die Brust gegangen,

Dann Bug und Beine: sicher ward

Bei Hof nach schönerer Art

Nie ein Hirsch prisantet eh.

Saget selber, saht ihr je

So schöne Furkîe?

Ich vernahm von Jägerîe

Noch Künste nie gleich diesen.

Auch hat er uns gewiesen

Wie man den Hirsch entbästen soll.

Die Kunst gefällt mir so wohl,

Daß ich nimmer Hirsch noch andre Thiere

Wieder hauen will in vier Quartiere

Und sollt ich all mein Leben jagen.«

So begann er seinem Herrn zu sagen

Von Anfang an die Märe,

Wie er vollkommen wäre

In höfscher Jägerîe

Und wie er die Curîe

Bereitet für die Hunde.

Des Jägermeisters Kunde

Vernahm der König guter Dinge,

Und gebot, daß man ihn vor ihn bringe;

Den Jägern aber heim zu fahren,

Ihres Amts und ihrer Pflicht zu wahren.

Da ritten Alle bald hindann.

Der Jägermeister Tristan,

Der gab sein Hörnlein wieder

Und sprang vom Pferde nieder.

Entgegen lief dem Kinde

Das junge Hofgesinde

Und conduierts mit holdem Sinn

An den Händen vor die Krone hin.

Auch konnt er selber zierlich gehn

Und war der Leib ihm anzusehn

Wie es die Minne gebot.

Ihm war der Mund frisch rosenroth,

Licht seine Haut, die Augen klar;

Schön hellbraun war ihm sein Haar

Und gelockt am Ende;

Seine Arm und Hände

Wohlgestellt zumal und blank,

Sein Leib im rechten Maße lang;

Und was zu seiner Schönheit Scheine

Das Meiste beitrug, Arm und Beine,

So preislich standen sie und wohl

Als mans am Manne preisen soll.

Sein Gewand, das hab ich schon gesagt,

War wie es höfschem Sinn behagt

Nach seinem Leib geschnitten.

An Geberden und an Sitten

War ihm sein Recht so voll geschehn,

Daß man ihn gerne mochte sehn.

Marke sah Tristanden an,

»Freund«, sprach er, »heißest du Tristan?«

»Ja, Herr, Tristan: Dê us sal.«

»Dê us sal, bêas vassal.«

»Merzi«, sprach er, »gentil rois,

Edler König Cornwalois:

Ihr und eur Gesinde

Sollt von Gottes Kinde

Gebenedeit sein immerdar.«

Da ward ihm von der Höflingsschar

»Merzi« gerufen wunderviel.

Sie trieben nur das Eine Spiel:

»Tristan, Tristan li Parmenois

Cum est bêas et cum curtois!«

Marke sprach Tristanden an:

»Höre was du thust, Tristan.

Einer Bitte sollst du mich gewähren,

Die will ich nicht von dir entbehren.«

»Was ihr gebietet, Herre mein.«

»Du sollst mein Jägermeister sein.«

Das facht' ein groß Gelächter an.

Hinwieder sprach da Tristan:

»Herr, gebietet über mich:

Was ihr gebietet bin ich,

Euer Jäger, euer Dienstmann,

Und dien euch wie ich bestens kann.«

»Wohlan denn, Freund«, sprach Marke froh,

»Dieß ist gelobt, nun sei es so.«