Heiße Colts und wilde Girls: Alfred Bekker präsentiert 8 Western

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16

Cunninghams Schädel brummte. Stimmengewirr, Trommelschläge und lautes Gelächter drangen in sein vernebeltes Bewusstsein. Er riss die Augen auf.

Es war dunkel. Halbnackte Indianerkinder standen vor ihm und kicherten. Vor dem Schein eines großen Feuers erkannte er die Umrisse von Tipis. Unzählige Indianer hockten auf einem größeren Platz – Männer und Frauen, Alte und Junge, Cheyenne und Sioux. Sie aßen und tranken. Große Hunde liefen zwischen den Menschen herum und stritten sich um die Essensreste.

Cunningham richtete sich auf und wollte sich auf die Ellenbogen stützen. Doch seine Hände waren gefesselt. Die klamme Kälte des feuchten Grases steckte ihm in Hemd und Hose. Ächzend bog er den Kopf zu seinen gefesselten Händen und griff sich an den schmerzenden Hinterkopf. Im Nacken tastete er über blutverkrustetes Haar.

"Siehst du wieder klar, Dave?" McAuley hockte neben ihm an einen Totempfahl gelehnt. Auch er war gefesselt. "Schade", seufzte McAuley. "Ich hätte dir gewünscht, du würdest die letzten Stunden deines Lebens im Dämmerzustand verbringen können. Es werden sehr hässliche Stunden werden. Glaub mir - sehr hässliche Stunden..."

Neben McAuley entdeckte Cunningham Männer in Kavallerie-Uniform. Fünf oder sechs, alle gefesselt. Er erkannte den jungen Charly. Und Samuel Murphy, den Veteran aus Washington.

"Sie feiern ihren Sieg über uns", krächzte McAuley. "Und sie feiern nicht schlecht." Er machte eine Kopfbewegung hin zu den schwatzenden und lachenden Indianern.

"Siehst du den stämmigen Burschen im Adlerfederschmuck?" Cunningham nickte. Der Schmerz schoss ihm vom Nacken die Wirbelsäule hinunter. "Das ist Little Bear, der Mann, der uns aufs Kreuz gelegt hat." Respekt schwang in McAuleys Stimme.

Der Cheyennehäuptling trug einen alten Offiziersmantel der Kavallerie. Neben ihm saßen ein alter Waldläufer in fransiger Lederkluft und ein weiterer Indianer mit dem Kopfschmuck eines Häuptlings der Sioux.

Im Halbdunkel zwischen zwei Tipis meinte Cunningham unter den halbnackten Oberkörpern der Cheyennekrieger eine Uniformjacke zu erkennen. Er kniff die Augen zusammen und spähte in die Menschenmenge. Ein Kopf mit knapp über den Ohrläppchen gestutzten dunklen Haaren - ein rotes Tuch war um seine Stirn gebunden.

Cunningham fiel es wie Schuppen von den Augen. Shakopee! Deswegen also das ungewohnte Stirntuch. Damit seine Verbündeten ihn im Schlachtgetümmel von den Kavalleristen unterscheiden konnten und nicht versehentlich massakrierten!

Seufzend ließ Cunningham sich zurück ins Gras sinken. "So ist das, Dave!" McAuley stieß ein bitteres Lachen aus. "Man kann nicht gegen sein Blut entscheiden."

Stunden vergingen. Der Vollmond schob sich über den Nachthimmel. Nach und nach erhoben sich die Sioux und packten ihren Anteil der Beute auf ihre Pferde und einen der Armeewagen.

Plötzlich standen Little Bear und der Siouxhäuptling am Totenpfahl. Der Sioux deutete auf die Gefangenen und sagte etwas in einem Algonkindialekt, den Cunningham nur bruchstückhaft verstand. Doch was er verstand, jagte ihm einen Eisschauer über die Kopfhaut.

"Was sagt er da?", krächzte McAuley.

"Er will uns als Kriegsbeute mit in das Lager der Sioux nehmen."

"Mahlzeit!", stöhnte McAuley. "Sag ihnen, sie sollen uns lieber an ihre Hunde verfüttern..."

Ein dritter Indianer gesellte sich zu den Häuptlingen. Ein Greis mit der gehörnten Schädelplatte eines Bisons auf dem Kopf. Er sprach einen Dialekt, der Cunningham sofort vertraut war. "Ich brauche mindestens zwei, um sie den Geistern der Erde zu opfern", sagte er.

Sie palaverten ein Weilchen. Schließlich gab der Sioux nach. Little Bear deutete auf McAuley und Cunningham. Die anderen wurden weggeschleppt. Kurz darauf brachen die Sioux auf.

"Ich wette zehn Silberdollar, dass wir die Jungs nie wiedersehen", knurrte McAuley.

"Die Wette gewinnst du, aber die zehn Silberdollar wirst du nie kriegen", flüsterte Cunningham.

"Warum nicht?"

"Ich hab' nie davon gehört, dass man in der Hölle mit Dollars bezahlt."

Sie versuchten zu grinsen.

"Und im Himmel?", krächzte McAuley.

"Auch nicht."

Mit solchen und ähnlichen Sprüchen versuchten sie eine Zeitlang ihre Todesangst in den Griff zu bekommen.

Inzwischen hatten die Cheyenne einige Schritte vor ihnen Holz aufgeschichtet. Der Schamane in der Büffelmaske stimmte einen beschwörenden Singsang an und begann um den Totempfahl zu tanzen.

Cunningham und McAuley verstummten. Krieger stürzten sich auf sie, zerrten sie hoch auf die Beine und rissen ihnen die Kleider vom Leib. Seite an Seite wurden sie an den Totempfahl gebunden.

Mehr und mehr Indianer lösten sich aus der Menge zwischen den Tipis und um den kreisrunden Platz mit dem Totempfahl und schlossen sich dem tanzenden Schamanen an.

Zwei von ihnen entzündeten den Holzstoß. Glutfetzen wirbelten in den Nachthimmel. Dumpfer Trommelschlag erhob sich.

Bald wurden Cunningham und McAuley von gut zwanzig schweißnassen Kriegern umkreist. Der unheimliche Singsang schwoll an, die Indianer tanzten und sangen sich in Trance.

Der Feuerschein flackerte auf den Gesichtern der umstehenden Cheyenne. Cunningham erkannte die steinerne Miene des Häuptlings. Die Menge wogte im Rhythmus des Trommelschlags hin und her.

Plötzlich ein harter, hölzerner Schlag neben Cunninghams Kopf. Er fuhr herum. Ein Messer vibrierte zwischen ihm und McAuley im Totempfahl. Es war nicht auszumachen, wer es geworfen hatte. Etwas surrte durch die Luft. Ein Pfeil zitterte zwischen den Männern im Pfahl.

Die Axt sah Cunningham als wirbelnden Schatten herbeischwirren. Instinktiv zog er den Kopf ein. Der Totempfahl bebte, als sie über ihm ins Holz fuhr.

Der Schweiß floss ihm in Strömen über den nackten Körper. Quälender Durst brannte in seiner Kehle. Sein Herz pochte ihm im Rhythmus der Trommeln in den Schläfen.

"Um mich ist's nicht schade, Dave", krächzte McAuley. "Aber dir hätte ich noch die zwanzig Jahre gegönnt, die ich mehr auf dem Buckel habe als du. Warst ein famoser Partner - mach's gut, Junge..."

Cunningham konnte nicht antworten. Ein Kaktus schien in seinem Hals zu stecken. Vergeblich versuchte er das stachlige, trockene Ding herunterzuschlucken.

Erst ein stechender Schmerz im Oberschenkel ließ ihn laut aufschreien. Er sah an sich hinunter. Ein Pfeil steckte in der Außenseite seines linken Oberschenkels.

Das Wasser schoss ihm in die Augen. Durch einen Tränenschleier sah er plötzlich Shakopee neben dem Häuptling auftauchen. Heftig gestikulierend redete das Halbblut auf Little Bear ein. Der Häuptling hob seine Rechte. Gefolgt von dem Sergeant drängte er sich durch die tanzenden Krieger.

Die Trommeln wurden leiser, kein Messer und kein Pfeil flogen mehr. Vor Cunningham blieben die beiden Männer stehen. Der Häuptling musterte ihn mit einer Mischung aus Abscheu und Staunen.

"Glaub mir, kleiner Bär", sagte Shakopee. "Meine Augen haben es gesehen, meine Ohren haben es gehört - er hat deine Tochter vor dem Roten Hund in Schutz genommen. Vielleicht hat er sie sogar befreit..."

Ein Brechreiz würgte Cunningham. Nur wie durch einen Nebel hörte und sah er die beiden Männer.

Wieder hob der Häuptling den Arm. "Blauer Vogel möge zu ihrem Vater kommen."

Eine Bewegung ging durch die Menge. Bald öffnete sich eine Gasse, und eine schmale Gestalt betrat den Tanzplatz - das Mädchen! Cunningham glaubte zu träumen.

Sie erkannte ihn sofort. Der Schreck weitete ihre Augen. Sie lief zu ihrem Vater und fasste seinen Arm. "Das ist mein Retter, Vater! Er hat mich aus dem Zelt des Roten Hundes befreit! Kleiner Bär möge ihm das Leben schenken!"

Sekundenlang bohrten sich die Augen des Häuptlings in Cunninghams schmerzverzerrtes Gesicht. "Und dieser?" Sein ausgestreckter Arm deutete auf McAuley.

Zorn blitzte in ihren Augen auf. "Dieser Mann hat mich beim Baden überfallen und eingefangen, wie man ein Reh einfängt!"

Eine knappe Geste des Häuptlings, und zwei Krieger eilten herbei, um Cunningham loszubinden.

"Dein Leben für das Leben meiner Tochter", sagte der Häuptling. "Aber du bleibst mein Gefangener." Er wandte sich ab und kehrte in die Menge der Zuschauer zurück.

"Seid vorsichtig", sagte das Mädchen. "Jemand muss ihm die Wunden verbinden!" Sie sah Cunningham an. Ihre Augen schienen zu lächeln. "Der gleiche gute Geist, der dich in der Stunde meiner Not zu mir geführt hat, hat mich jetzt in der Stunde deiner Not zu dir geführt."

Ohne den Blick von ihm zu wenden, drängte sie sich rückwärts in die Menge der Tanzenden. Cunningham konnte sein Glück nicht fassen.

"Famos, Dave, das nenn' ich famos", krächzte McAuley. "Vielleicht schaffst du's doch noch, mein Alter zu erreichen..."

"Rette ihn", fauchte Cunningham den Sergeant an. Immer noch stand Shakopee vor ihm und beobachtete die Krieger, die ihn losbanden.

"Wenn er die Häuptlingstochter nicht entführt hätte, könnte ich vielleicht etwas für ihn tun - aber so ist er verloren."

"Lass es gut sein, Dave", krächzte McAuley. "Ich hab' ungefähr fünfundfünfzig Sommer gesehen, bin durch den ganzen Kontinent gestromert und hab' mehr Frauen beglückt als andere in drei Leben. Was will man mehr?"

Cunningham stützte sich auf die beiden Cheyenne. Halb hinkte er, halb trugen sie ihn über den Tanzplatz. Er sah sich nach seinem Partner um. Ein wehmütiges Grinsen verzerrte McAuleys zerfurchtes Gesicht.

Dann schleppten sie Cunningham in ein Tipi. Die Trommeln wurden lauter, der Singsang schwoll an, wieder surrten Pfeile und Messer durch die Luft und schlugen hart im Holz des Totempfahles ein.

 

Sieben Tage lang lag Cunningham im Wundfieber. Als er wieder einigermaßen stehen konnte, bat er die Häuptlingstochter, ihn zu McAuleys Grab zu führen.

Sie hatten ihn außerhalb des Lagers verscharrt. Cunningham war so entkräftet, dass er eine Woche brauchte, um einen halbwegs passablen Steinhügel über der Ruhestätte seines Partners aufzuschichten. Die Indianer sahen ihm neugierig zu.

Schließlich band er ein Holzkreuz zusammen, kerbte eine Inschrift ein und befestigte es zwischen den Steinen.

"Was steht da?", wollte Blauer Vogel wissen.

"Lesley McAuley", las Cunningham vor. "Ein Mann, auf den man sich verlassen konnte."

17

Wochen später. Eine Kutsche holte Rooster und seine Frau von der Bahnstation in Washington ab und brachte sie zum Hauptquartier der Armee.

Die Rechte halb unter die Uniformjacke geschoben, ging der Colonel schweigend vor der geschlossenen Doppeltür des Gerichtssaales auf und ab. Helena Rooster saß auf der klobigen Wartebank an der Wand. Sie war blass und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie trug ein graues, hochgeschlossenes Kleid mit weißen Rüschen an Saum und Knopfleiste.

Endlich öffnete sich ein Flügel der Tür, und zwei Lieutenants führten Rooster in den Gerichtssaal.

Die Ankläger des Kriegsgerichts warfen dem Colonel vor, durch übertriebenen Ehrgeiz und einen strategischen Fehler vierundsechzig Männer in den sicheren Tod geführt zu haben. Eine ganze Schwadron.

Rooster behauptete, von zwei Verrätern in die Falle gelockt worden zu sein. Captain Dave Cunningham habe ihm versichert, dass die Cheyenne sich in ihrem Lager aufhielten und keinen Angriff der Kavallerie zu befürchten schienen. Und Sergeant Shakopee habe seine Position und die Marschroute der Schwadronen an die Indianer verraten.

Keiner von Roosters Offizieren hatte Lust, vor der Militärführung als Versager dazustehen. Fast alle bestätigten die Aussagen des Colonels. Nur einer hatte den Mut, Rooster im Zeugenstand wegen seines Überfalls auf das wehrlose Sioux-Lager zu kritisieren. Dieser Offizier machte auch ein paar Aussagen, die das Gericht mit gutem Willen als Entlastung Captain Cunninghams hätte werten können.

Das Kriegsgericht zeigte keinen guten Willen - Shakopee und Cunningham wurden in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Ein kleines Kommando unter Lieutenant Tom Sherman wurde in die nordwestlichen Indianergebiete entsandt, um die beiden Verräter festzunehmen.

In Roosters Fall zeigten sich die Richter nachsichtiger. Sie beschlossen, die gescheiterte Militäraktion noch einmal genauer zu untersuchen. Rooster wurde vorläufig seines Kommandos enthoben.

18

Der Winter war hart. Kleiner Bär hatte seinen Stamm tief in die Rockys hineingeführt, um vor dem Zugriff der Armee sicher zu sein. Kniehoch lag der Schnee auf den Felshängen, im Wald und im Lager. Und das über Wochen. Ein eiskalter Wind machte jeden Schritt außerhalb der Tipis zur Qual.

Cunningham gewann schnell das Vertrauen des Häuptlings. Anfangs beobachteten ihn die Indianer mit Argwohn. Nur gefesselt und in Begleitung zweier Krieger durfte er sich außerhalb seines Tipis bewegen.

Als sie merkten, wie gut er ihre Sprache und Sitten beherrschte und erfuhren, dass er unter Cheyenne aufgewachsen war, akzeptierten sie ihn mehr und mehr.

Bald durfte er sich frei bewegen. Er machte sich im Lager nützlich - Felle gerben, Fleisch trocknen, Pferde pflegen. Irgendwann ließen sie ihn mit auf die Jagd ziehen.

Die Cheyenne taten sich anfangs schwer in den Bergwäldern. Als Prärieindianer waren sie gewohnt Bisons und Antilopen zu jagen. Nun mussten sie sich in den dichten Wäldern an Rotwild, Wildschweine und Bären heranpirschen.

Cunningham konnte ihnen ein paar Kniffe zeigen, die sie nicht kannten: wie man den Hirsch in die Enge treibt, wie man Fallen für Rehe und Hasen baut, wie man mit Bären umgeht und wie man trotz zugefrorener Seen und Flüsse Fische fangen kann.

Kurz vor dem Winter stöberten sie einen riesigen Grizzly auf. Cunningham wagte es, sich dem Tier nur mit einem Speer bewaffnet entgegenzustellen. Er tötete den Bären. Von dieser Stunde an achteten ihn die Cheyenne als großen Jäger und betrachteten ihn als einen der ihren.

Sie nannten ihn Gelbnacken wegen seiner schulterlangen blonden Haare.

Mit der Häuptlingtochter verband ihn von Anfang an eine tiefe Freundschaft. Keiner vergaß dem anderen, dass er ihm das Leben gerettet hatte. Cunningham pflegte sie mit der englischen Bedeutung ihres Namens anzusprechen - Bluebird.

Oft sprachen sie tagelang kein Wort miteinander. Doch die Blicke, die sie austauschten, wenn sie sich im Lager begegneten, sagten mehr als viele Worte. Ihre sonst so stolzen Züge wurden weich, und ihre trotzigen Augen zärtlich, wenn sie ihn sah.

Und er hielt Ausschau nach ihr, sobald er morgens aus dem Tipi gekrochen war, das er sich mit einigen Halbwüchsigen teilen musste. Und wenn er sie schließlich entdeckte, konnte er seinen Augen kaum noch von ihrer schönen Gestalt lösen.

Die Cheyenne begannen über sie zu tuscheln.

Cunningham hatte viele Frauen gehabt. Aber das Gefühl, verliebt zu sein, war ihm ziemlich fremd. Es raubte ihm den Schlaf und manchmal die gute Laune. Er startete keinen einzigen Versuch, Bluebird zu erobern. So verrückt es klingt - aber er traute sich einfach nicht. Das neue Gefühl schien in dieser Hinsicht einen unreifen Teenager aus ihm zu machen. Und außerdem war sie die Häuptlingstochter und er ein Weißer.

Im Spätherbst half sie ihm, sich ein eigenes Tipi zu bauen.

Und dann kam der harte Winter. Die Vorräte an getrocknetem Fleisch, Früchten und Wurzeln waren innerhalb von zwei Wochen aufgebraucht. Über einen Monat lang lebte der Stamm von Pemmikan.

Cunningham kannte das Zeug aus den harten Wintermonaten seiner Kindheit und Jugend - eine Art Brei aus zerstampftem Trockenfleisch, Trockenfrüchten und Tierfett. Es war lange haltbar und schmeckte grässlich. Aber man konnte davon leben.

Als sie wochenlang eingeschneit waren, führte Cunningham eine kleine Gruppe Krieger meilenweit durch den Wald zu einem Hochplateau. Der Kartenskizze nach, die er besaß, musste sich dort ein See befinden.

Stundenlang stapfte die in Büffelfelle vermummte Gruppe im Gänsemarsch durch den winterlichen Bergwald. Sie fanden den See. An verschiedenen Stellen schlugen sie Löcher ins Eis und ließen Angelschnüre aus Bisondarm ins Wasser.

Zu zweit hockten sie an den Eislöchern. Der Kopf des Cheyenne, der mit Cunningham vor dem Eisloch darauf wartete, dass Beute anbiss, war fast vollständig in Fell eingewickelt. Nur die Augen waren frei. Und die kamen Cunningham bekannt vor.

Der hölzerne Schwimmer bewegte sich.

"Einer hat angebissen!", rief Cunninghams Partner. Cunningham glaubte seinen Ohren nicht zu trauen – es war Bluebirds Stimme. Sie zog einen fetten Barsch aus dem Eisloch.

"Seit wann begleiten die Squaws der Cheyenne die Männer auf die Jagd?"

Sie spießte ein Maiskorn an den Haken und ließ ihn ins Wasser hinunter. "Vielleicht wollte ich in deiner Nähe sein."

Ihm wurde heiß unter seinem Fellmantel. Eine Zeitlang warteten sie schweigend vor dem Eisloch. Immer wieder begegneten sich ihre Blicke.

"Ich habe dich morgens nie aus dem Tipi eines Kriegers kommen sehen." Zum ersten Mal wagte sich Cunningham so weit vor. "Hast du keinen Mann?"

Die Frage hatte ihn schon manche schlaflose Nacht gekostet. Er wusste, dass die Mädchen der Cheyenne mit spätestens fünfzehn unter der Haube waren. Und Bluebird war fast neunzehn.

"Ich hatte einen Mann", sagte sie. "Ein Jahr lang. Ein Bison hat ihn getötet." Mehr sagte sie nicht.

Sie machten reiche Beute. Aus Ästen banden sie zwei schlittenartige Gefährte zusammen, um die Fische talabwärts transportieren zu können.

Bevor sie aufbrachen, strich Bluebird so nah an ihm vorbei, dass sich ihre Arme und Beine berührten. Durch die Felle hindurch meinte er die Hitze ihres Körpers zu spüren.

"Verschließ heute Abend dein Tipi nicht", flüsterte sie.

Im Gänsemarsch stiegen sie den Bergwald hinab. Cunningham, an der Spitze der Gruppe, ging wie auf Wolken. Obwohl er ohne Pause den von Fischen schweren Schlitten zog, fühlte er sich, als wären ihm Flügel gewachsen. Mehrmals mussten die anderen ihn auffordern, sein Marschtempo zu drosseln.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichten sie das Lager. Die Gesichter der Cheyenne leuchteten, als sie die Fische sahen. Feuer wurden entfacht. Bald zog der Duft gebratenen Fischs durch das eingeschneite Lager.

Später lag Cunningham in seinem dunklen Tipi unter dem Bärenfell. Sein Herz schlug aufgeregt. Als der Schnee draußen vor dem Tipi unter raschen Schritten knirschte, begann sein Atem zu fliegen, und das Blut schoss ihm heiß in seine Lenden.

Die nur lose aufgelegte Eingangsplane des Tipis bewegte sich, kalter Wind wehte Cunningham ins Gesicht. Eine in Fell vermummte Gestalt schlüpfte ins Innere des Tipis.

"Bluebird?", flüsterte er. Seine Stimme vibrierte vor Erregung.

"Ja. Blauer Vogel ist bei dir." Sie klopfte sich den Schnee von den Stiefeln. Mit flinken Fingern knüpfte sie den Eingang des Tipis zu. Es war stockdunkel. Er konnte nur hören, wie sie den Fellmantel abstreifte. Schwer fiel er auf sein Lager. Ihre Stiefel polterten auf den hartgefrorenen Boden. Dann hob sich seine Felldecke. Ein warmer Körper drängte sich an ihn. Der Körper der Frau, die er begehrte und liebte.

Er schlang seine Arme um sie und drückte sie an sich.

"Endlich", seufzte sie. "Endlich bei dir..."

Ihre Lippen wühlten sich zwischen seinen Hals und seine Schulter, tasteten sich zu seinem Gesicht hinauf, fanden seinen Mund und saugten sich an ihm fest.

Ihre kleine heiße Zunge bohrte sich so gierig in seinen Mund, als hätte sie seit Wochen von nichts anderem geträumt, als ihn endlich zu küssen.

Sie küssten sich eine Ewigkeit lang. So lange, bis ihre Gesichter nass und ihre Lippen fast taub waren. Ihre heißen Finger wühlten sich unter sein Hemd und gruben sich in seine Haut. Unter dem groben Stoff ihres Kleides spürte er ihre Schulterblätter auf- und abtanzen.

Und nicht nur ihre Schulterblätter, ihr ganzer Körper tanzte - ihr Becken drängte sich an ihn, zuckte weg von ihm und rieb sich erneut an seinen Lenden, so dass er den festen Hügel ihrer Scham an seinem Schwanz spürte.

Ihre Beine schlangen sich um ihn, ließen ihn los, drängten sich zwischen seine - ihr Kopf presste sich abwechselnd gegen seine Brust, seine Schultern, seine Stirn, rieb sich an seiner Wange und bohrte sich unter seine Kehle.

Wie eine junge Katze wand sie sich in seinen Händen, wie ein verspieltes Fohlen - ja, sie tanzte den Tanz der Liebe, und manchmal lachte sie dabei.

Er überließ sich ihrem Tanz, zog sie an sich, fing sie wieder ein, wenn sie ihm entglitt, hielt sie fest, zog sie über sich und biss sie zärtlich in die weiche Haut ihres Halses.

"Mein Herz brennt nach dir, weißer Cheyenne", flüsterte sie. "Nimm es in deine Hände und lösche es, bevor es verglüht..."

Er spürte die Feuchtigkeit des Stoffes, als er ihr das Kleid über den Kopf zog. Er streifte seine Hose ab - auch sie war schon nass. Das Fleisch ihrer Brüste fühlte sich fest an unter seinen Lippen; er leckte ihre harten Brustwarzen, und ihr leises Lachen ging in Stöhnen über.

Ihre Taille war so schmal, dass er sie fast ganz mit seinen großen Händen umfassen konnte. Er beugte sich über sie und bedeckte die straffen, kühlen Wölbungen ihres Hinterns mit Küssen. Sie ließ ihr Gesäß tanzen, stieß damit nach seinem Kopf, ließ es kreisen, stieß und tanzte, als würde er schon in ihrem Schoß stecken.

Der leidenschaftliche Tanz ihres Körpers machte ihn rasend vor Verlangen. Er warf sie auf den Rücken, schob sich auf sie, und Bluebird schlang ihre schmalen Schenkel um seine Hüften. Seufzend nahm sie ihn auf. Die Hitze ihres Schoßes glühte um seinen Schwanz. Zärtlich bewegte er ihn tiefer und tiefer in sie hinein.

Ihre Schenkel schlossen sich kraftvoll um seine Hüften, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Als er immer heftiger vordrang, stieß sie einen Schrei aus und glitt unter ihm weg.

 

Er fürchtete schon, ihr wehgetan zu haben, doch da zog sie ihn schon auf den Rücken. Er staunte über die Kraft, die diese zierliche Frau entfaltete. Sie warf sich auf ihn, spreizte ihre Schenkel über ihm, packte sein Glied und führte es in ihren Schoß. Hochaufgerichtet ritt sie auf ihm.

Er fasste nach ihren Brüsten, um zu fühlen, wie sie im Rhythmus ihres Rittes auf- und abtanzten. Sie griff nach hinten zwischen seine Beine und streichelte seine Hoden. Immer schneller bewegte sie sich auf ihm, immer fordernder stieß er zu. Bis sie endlich laut aufschrie und er sich in sie ergoss. Schweißnass lagen sie später unter den Fellen zusammengekuschelt. Unter seinen zärtlichen Küssen schlief Blauer Vogel ein. Er musste grinsen, denn sie schnarchte wie ein betrunkener Holzfäller.

Cunningham lag lange wach. Die Ereignisse der vergangenen Monate zogen in bunten oder düsteren Farben über seine innere Bühne.

Er wusste plötzlich, dass er jederzeit wieder in den Krieg ziehen, jederzeit wieder einem arroganten Colonel die Stirn bieten, jederzeit wieder an den Marterpfahl gehen würde. Ja - wenn er all das noch einmal tun müsste, um die Frau in seinen Armen zu bekommen, er wäre einverstanden.

Als aufwachte, erfüllte dämmriges Licht sein Tipi. Er lag allein unter seinem Fell. Als wollte er sich überzeugen, nicht geträumt zu haben, hob er die Decke. Die feuchten Flecken auf dem Fell und den Decken bewiesen es ihm.

Er zog sich an und kroch aus dem Zelt. Vor dem Häuptlingstipi stand Kleiner Bär und blickte zu ihm hinüber.

Es kam nicht oft vor, dass der Cheyennehäuptling lächelte. Aber an diesem Wintermorgen lächelte er.